Beiträge von Cadhla

    "Es geben wohl nur einen Weg," sagte Cadhla nachdenklich. "Niemals geben Menschen so viel Macht alleine. Denn immer, wenn haben zu viel Macht, Macht machen Menschen schwach, und Mensch tut, was er will. Solange es geben andere Mensch, die sprechen über Grenze, über andere Mensch, dann vielleicht hilfreich. Aber man muss sein vorsichtig, sonst sich wendet Macht gegen selbst." Sie legte den Kopf schief und meint dann recht trocken: "Ihr Römer interessanten Weg habt zu verhindern dass Mensch haben zuviel Macht, ihr imer töten Kaiser, wenn machen schlechte Dinge. Aber wenn überlege, wieviele tote Kaiser es geben bisher, dann sagen, dass keine gesunde Position für Mensch ist." Livius Pyrrhus war ein Freund der Geschichte des römischen Imperiums, und als sie sich den Zettel mit dem Alphabet abgeholt hatte, hatte er über sein Steckenpferd berichtet - und ihr die oftmals blutige Geschichte der römischen Kaiser erzählt.


    Wie es schien, war die Übernahme des Kaisertitels ein ziemlicher Garant für einen schrecklichen Tod. Sein Blick wandelte sich, und zwischen Überraschung und etwas anderem, das sie nicht bestimmen konnte, schien dieser zu schwanken. War es vielleicht doch eine dumme Idee gewesen? Machte er sich jetzt etwa irgendwelche falschen Hoffnungen, sie für sich gewinnen zu können? Andererseits ... nein, diesen Gedanken wischte sie schnell weg.
    "Aber Du nicht enttäuscht, wenn nicht haben literarische Qualität." Noch so ein Begriff, den sie von Corvinus' ehemaligem Scribe aufgeschnappt hatte, und sie sprach es auch fast so aus, dass man sich an Livius Pyrrhus erinnert fühlte. Zudem, wer erwartete schon von einer Keltin, dass sie sich überhaupt über literarischen Anspruch Gedanken machte.

    Es war die reinste Kunst, jemandem eine toga anzulegen, ohne ihn wirklich zu berühren, und ihr Unwillen hatte ihr wirklich gute Dienste geleistet - zumindest schien er davon nichts gemerkt zu haben, und das war die Hauptsache. Wohl war er gedanklich mit ganz anderen Sachen beschäftigt - dass er sie vorhin eher wie ein appetitliches Frühstück angeschaut hatte denn wie einen Menschen, war ihr nicht wirklich bewusst gewesen, letztendlich war sie solche Blicke von einem Mann auch nicht gewöhnt.


    "Ja, dominus," antwortete Cadhla, im guten Wissen, dass vorgebliche Demut der beste Weg war, schnell wieder aus diesem Raum herauszukommen und sich den eigenen Aufgaben widmen zu können, die schließlich nicht von selbst erledigt würden. Tätowierer. Glücklicherweise war Corvinus noch nicht auf diese Idee gekommen, und sie hoffte, er würde es nie. Mit einem solchen Schandmal herumzulaufen wäre wirklich unerträglich gewesen - das Mitgefühl für Caelyn wuchs merklich, als sie deren verzweifelten Blick bemerkte. Und als Ursus beide verlassen hatte, atmete sie auch tief ein, nicht glücklich über diese Arbeitsanweisung.


    "Wenn er sagen, dass Du Bild auf Haut, dann Du müssen," sagte sie zögernd und unwillig. "Es geben keinen Weg darum herum ... oder ..vielleicht doch ..." Kurz blitzte es in ihren Augen auf. "Es geben Dinge, die Du nicht können essen, Caelyn? Frucht, die essen und Du bekommen nasse Pustel auf Haut? Oder Korn, das nicht können essen?" Würde ihre Haut unansehnlich aussehen, dann würde das sicher nie passieren - sie würden es auch auf die Farben des Tätowierers schieben können.

    "Wer dann wegmachen Hinterlassenschaften, wenn Du getrunken?" erkundigte sie sich mit einer leicht erhobenen Braue, denn dass es da irgendwelche Abstufungen im Sklavenhaushalt gab, war ihr bisher nicht allzu bewusst gewesen. Manche arbeiteten mehr, manche weniger, wer länger dabei war, war auch besser darin, sich um die unangenehmen Aufgaben zu drücken - im Grunde unterschied sich diese villa mit den vielen darin lebenden Menschen nicht viel von einer Familie, nur dass ein Teil der Menschen eben nicht freiwillig ein Mitglied der Familie geworden war und der restliche Teil dieser Gemeinschaft keinen Finger krumm machte, sondern sich bedienen ließ. Eigentlich war dies alles ein schlechtes System, denn würden sich die Sklaven zusammentun, wären die Herren ihnen in Anzahl und Zorn weit unterlegen - wie würde Rom aussehen, gäbe es keine Sklaven? Wenn jeder Haushalt mindestens einen Sklaven hatte, war die schiere Anzahl möglicher Mitkämpfer unglaublich. Augenblicklich sah Aurelius Corvinus jedenfalls eher wie jemand aus, den man bemitleiden musste, nicht wie ein stolzer Herr über einen Haushalt voller Sklaven.


    Sie wandte sich schließlich der Tür zu und ging in gemessenen Schritten hinaus - zu eilig hatte sie es nicht, denn nüchterner wurde er dadurch auch nicht. Cadhlas Weg führte sie in Richtung eines der Vorratsräume, wo sie wusste, dass diverse Kräutertinkturen aufbewahrt wurden, die einerseits dazu dienten, Beschwerden zu lindern, andererseits auch als Badezusatz immer wieder frisch hergestellt wurden. Die passende Tinktur hatte sie schnell gefunden, der Geruch war eindeutig, und so packte sie noch einige Leinentücher ein, die als Wickel dienen mochten - im Heizraum organisierte sie sich einen Krug warmes Wasser, dazu eine Schüssel aus einem anderen Vorratsraum, in dem einfaches Geschirr samt diversen anderen Haushaltsgegenständen gelagert waren. So bepackt trat Cadhla schließlich den Rückweg an und wäre an einer Ecke fast mit einem anderen Sklaven zusammengeprallt, den sie nicht hatte kommen sehen - aber glücklicherweise nur fast.


    Den Stapel an Dingen gut umfasst haltend, schob sie sich schließlich wieder in das cubiculum ihres Herrn hinein, und registrierte zufrieden, dass er das Bett anscheinend nicht verlassen hatte - besser war es. Krug und Schüssel fanden den Weg zum Beistelltisch, ebenso die Tücher und das Fläschchen mit der Tinktur, dann blickte sie zweifelnd auf ihn herab.
    "Es besser wäre ich Dich zuerst waschen und ausziehen, auch Kleidung riecht nach langer Nacht und Wein," sagte Cadhla schließlich, auch wenn sie es widerstrebend tat: Immerhin würde er das wohl nicht alleine schaffen und seit ihrem gemeinsamen Badbesuch war sie auf Körperkontakt zu egal wem männlichen Geschlechts nicht gerade erpicht. "Was bedeutet eigentlich sein .. Leibsklavin?"

    "Es nicht schwer, wenn man kennen Trick bei toga," sagte Cadhla aufmunternd zu Caelyn. Sie wäre lieber ganz weit weg irgendwo gewesen, am besten mit einer halben Welt zwischen sich und diesem Schlafzimmer, in dem es auch nach diesen vermaledeiten Kräutern roch, die er immer benutzte. Nachdem Caelyn die Wechseltoga geholt hatte, nahm Cadhla die halbrunde, schwere Stoffbahn vorsichtig so auf beide Arme, dass das eine Ende zu bewegen war.
    "Du stehen musst aufrecht, dominus, sonst Falten sind falsch." Es war ein guter Stoff, aber sie waren hier auch in einem sehr reichen Haushalt, in sofern war das nicht erstaunlich - und möglichst ohne ihn zu berühren, legte sie ihm die Stoffbahn mit dem Ende nach vorn über die Schulter, sodass sie ihm über die Brust hinabfiel, bis knapp oberhalb des Knies. "Damit Du anfangen, ist immer erster Schritt bei wickeln toga."


    Sie ging hinter dem Römer an ihm vorbei, schlang dabei den Stoff um seinen Körper, bis sie schließlich wieder vorn angelangt war und die Stoffbahn einen eleganten Kreis um ihn beschrieb, die ersten Falten saßen jetzt schon so, wie sie am Vorabend drapiert worden waren. Mit einer Hand zog sie die Stoffbahn an seinem Rücken etwas nach vorn, sodass es fast aussah, als hätte er einen breiten Flügel auf dem Rücken, schlang ihm dabei schwungvoll und exakt die lose Stoffbahn erneut über die Schulter, legte eine scharfe Falte über der Schulter und schließlich, ein letztes Mal ihn umrundend, den Rest der Stoffbahn über den linken Unterarm. Erst als sie zurücktrat, konnte man einen Funken Erleichterung in ihrer Miene wahrnehmen, als hätte sie befürchtet, es aus irgendeinem Grund nicht hinzubekommen. "Du gesehen? Wir nachher üben mit andere servus, den finden und können zwingen dazu." Nun blitzte es schelmisch in ihren Augen auf - der arme Kerl, der diesen beiden Frauen als Togamodell unter die Finger kam, konnte einem eigentlich leidtun.

    "Je mehr haben Macht einzelner Mensch, desto leichter sein machen falsche Dinge, ich weiss," sagte sie mit einer recht klaren Sicht auf die Singe. "Ich gehört Geschichte von Kaiser Caligula, der hat gemacht Pferd zu Senator und solches. Es sein leicht zu tun, was wollen, wenn nicht müssen denken an andere, oder an Leben von anderen. Es auch leicht töten, wenn nicht denken daran, dass Feind ist Mensch, und haben ebenso Familie, Geliebte, Freunde." Seine Stimme vibrierte etwas, und sie nahm die feinen Schwingungen wahr, die andeuteten, dass die Erinnerung an Briefe für ihn einerseits schön sein musste, andererseits nicht minder traurig als für sie. Was ihn wohl bedrücken mochte? Aber andererseits - was ging es sie an? Sie war ihm schließlich in den letzten Tagen nicht ohne Grund aus dem Weg gegangen. Aber er hatte schon beim Samhainfest von seinen Eltern so traurig gesprochen, bestimmt vermisste er sie genauso, wie sie ihre eigenen Eltern vermisste.


    "Es geben Händler, aber der sein Mann von Stämmen wie ich - er nicht können schreiben und lesen, es nicht wird brauchen bei uns. Ich nicht glauben dass gibt Menschen, dem können schreiben und fragen nach Eltern. Ich nie wissen werde, was sein geschehen genau." Sie seufzte etwas und mit einem Mal hatte sie das Bedürfnis, etwas an dem zu ändern, was war. Auch wenn es zugegebenermaßen eine seltsame Idee war: "Ich Dir schreiben Brief, dominus. Dann Du bekommen wieder Post."

    Ihr spontanster Gedanke war: Och nö! Warum ich? Natürlich hatte sie inzwischen gelernt, wie man einen Römer richtig einwickelte 8) - sprich, wie man ihn richtig in seine toga einpasckte, nichtsdestotrotz fand sie dieses Kleidungsstück sinnlos und überflüssig, und unpraktisch obendrein. Dass die Männer in Rom einen so großen Wert darauf legten, sich in eine Stoffbahn zu hüllen, mit der man mit Leichtigkeit mindestens zwei tunicae hätte nähen können, richtig lange Tuniken, um genau zu sein, wollte ihr einfach nicht in den Kopf gehen. Aber sie hatte diese Kunst anstandslos gelernt, als sie eines Morgens dem aufgelösten Alexandros in die Hände gefallen war, und ihrem eigenen Herrn nicht nur einmal selbst angelegt. Was hatte es also für einen Zweck, ihr Können zu leugnen?


    "Wieviel Zeit Du haben, dominus? Wenn haben viel Zeit, ich gleich zeigen richtig, wie gehen, wenn nicht viel Zeit, dann nur einwickeln und zeigen anderen Tag," sagte sie, in der Hoffnung, das Ganze kurz und schmerzlos gestalten zu können. Die toga, die er jetzt trug, war durch die schiefe Wicklung jedenfalls unbrauchbar geworden und würde schrecklich aussehen - sie würde eine andere organisieren müssen, wenn er nicht die Falten an anderer Stelle haben wollte, als sie hingehörten. "Du haben zweite toga drapiert hängen, dominus? Weil Falten jetzt schief, das nicht wird sein gut wenn fertig." Die arme Caelyn, hoffentlich bekam sie jetzt keinen Ärger, aber woher hätte sie es auch wissen sollen, wie man mit diesem unpraktischen Kleidungsstück umging? Sie warf ihr einen verstohlenen, mitfühlenden Blick zu.

    Als einer der anderen Haussklaven im Vorratsraum III auftauchte, und Cadhla sagte, sie solle sich sofort in das cubiculum des Aurelius Ursus begeben, hatte sie doch recht zweifelnd dreingesehen, denn für irgendwelche Kammeraufgaben war sie eindeutig nicht richtig gekleidet - die kurze dunkelgrüne tunica, die sie trug, war für die Arbeiten im Haus gedacht, die körperliche Anstrengung verursachten, und sie war eine der wenigen Sklavinnen, die dafür extra Kleidung erhalten hatte, um sich zur Not schnell umziehen zu können. Aber diese Zeit blieb nicht, so hängte sie den gepökelten Schinken auf den dafür vorgesehenen Haken zurück und ging zur culina, um sich dort an einem der Waschwasserkrüge notdürftig mit einem Tuch zu reinigen. Erst dann machte sie sich auf den Weg zum Schlafraum des Aureliers und klopfte an der Türe kurz an, bevor sie eintrat und etwas fragend dreinschaute.
    "Du mich gerufen, dominus? Was kann tun?"

    "Du also glauben, dass die meisten Menschen von Grund an sein schlecht und bösartig?" fragte Cadhla überrascht nach. "Du musst gehabt haben schreckliches Leben, wenn denken dass so viele schlecht. Ich gesehen schlechte und gute Menschen, es nie nur gute gibt. Aber auch nicht nur schlechte. Oder sein in Rom anders als zuhause?" fragte sie und starrte auf das perfekte L. Eine Zivilisation, die so vieles vermochte und doch verrottet schien bis unter das Dach, es passte einfach nicht zusammen. Wenn man schon so stolz auf die Errungenschaften war, die man erlangt hatte, wieso nahm man sie sich selbst wieder, anstatt zufrieden zu sein?


    "Du schreiben viele Briefe? Ich noch nie gemacht. Und auch nicht wissen an wen schreiben, aber ich denken, es sein ... besonders. Bekommen Gedanken von jemand anders geschenkt, nur für sich alleine, zum mitnehmen und mit sich tragen, wohin man gehen. Es müssen sein schön bekommen Brief von Menschen, die einem nahe." Es klang unerwartet sehnsüchtig, auch wenn sie wusste, dass niemand ihr jemals schreiben würde - ihre Eltern, ihre Sippe, niemand dort konnte schreiben. Und so würde sie auch dorthin nicht schreiben können, denn an wen hätte sie den Brief richten sollen? Die Lippen aufeinander pressend, atmete sie tief ein und schüttelte dann den Kopf. "Es sinnlos zu schreiben in Heimat. Niemand können lesen, den ich kennen."

    "Ich nicht kennen als Leben in Gefahr. Hier in Rom vieles ist still, und doch Menschen sind grausam miteinander. Sie lügen, sie betrügen, und sie nicht müssen - manchmal glauben dass Leben in Frieden lässt zuviel Freiheit zu tun schlechte Dinge. Wenn schreiben und wissen bietet Möglichkeit zu tun noch Schlechteres, dann sollten sein vorsichtig mit was aufschreiben," sagte Cadhla nachdenklich und hob den Blick zu Ursus an. Jetzt, da er so ruhig sprach, so nachdenklich wirkte, war es leichter, mit ihm umzugehen. Diskutieren konnte sie mit einem Mann, aber alles andere ...
    "Es sein lernen ganzes Leben lang für jungen Druiden, bis Lehrer stirbt. Und lernen sehr genau jedes Wort, das gesagt, denn Geschichten und Götterworte müssen gesagt werden richtig. Sie lernen zu behalten so vieles im Kopf, und nicht jeder genug Talent hat für lernen so vieles. Es wichtiges Wissen ist, geheimes Wissen, und wenn aufschreiben, jeder können lesen und nutzen. Es viel zu gefährlich. Ihr nicht denkt daran, dass zu viel Wissen oft auch nicht ist gut und hilfreich für Menschen?"


    Wieder glitt ihr Blick auf die Buchstaben. Er schrieb elegant, selbst der einfache Buchstabe wirkte, als sei er etwas Besonderes. Es war kaum auszumalen, dass es Menschen gab, die so etwas als Kind schon lernten - als Kind hatte sie selbst ganz andere Dinge gelernt und erfahren. "Du meinen ich könnte schreiben nach Hause - falls dort jemand können lesen - und fragen nach meine Eltern?" Der Funke der Hoffnung glomm auf, stärker und unbändiger denn je.

    Gutmütig strich Cadhla über Tillas sauber geflochtenes Haar, als sie die Kleine abermals gähnen sah. Sie wirkte in so vielem noch kindlich, auch wenn ihr Körper verriet, dass sie nicht länger Kind war - ihr Gemüt schien der körperlichen Reifung ein wenig nachzuhängen, oder sie wollte einfach noch nicht den ersten Schritt in die Welt der Erwachsenen tun, diesen letzten Schritt weg von einem Rest Unbeschwertheit der Kindheit. Vielleicht hatte sie auch nur deswegen ihr bisheriges Leben gut überstanden. "Du nicht klettern auf Baum, Tilla, das gefährlich. Nächstes Mal du fallen und dann tun wirklich weh. Ich mir nicht will sorgen müssen um Dich." Sie lächelte, als sie dies sagte, und versuchte, mehr wie eine große Schwester zu klingen denn wie eine besorgte Mutter - sie hatte, auch wenn sie diese noch nicht lange kannte, Tilla liebgewonnen. Andererseits, man hätte wohl aus Stein sein müssen, sie nicht zu mögen.


    "Es klingt traurig, was Du erzählen, Caelyn. Kein Stamm so umgehen soll mit Kindern, und Ehre gemacht sich nicht Deine Verwandten. Mögen die Götter sie strafen für alleinlassen!" Selbst in einer Sippe aufgewachsen, für die Traditionen und Pflichten sehr wichtig gewesen waren und ein solches Verhalten undenkbar, missbilligte sie ernsthaft das Verhalten jener, die Caelyn alleine gelassen hatte - es war kein Wunder, dass in dieser Welt Völker wie die Römer stärker wurden, wenn andere ihre Wurzeln vergaßen. "Vermissen Du Leben mit anderen Kindern und sein frei zu gehen und kommen wohin Du willst?" Wahrscheinlich war Cadhla nicht die einzige, die sich nach der Freiheit sehnte, aber angesichts der Alternative, die Caelyn erlebt hatte - stehlen zu müssen und davon zu leben - schien ihr die villa der Aurelier als gar nicht so schreckliches Schicksal. Jeder Dieb wurde irgendwann einmal erwischt. Als sich dann aus einem der Betten noch jemand herauswühlte und sie auch wegen ihrer Vergangenheit neugierig anblickte, röteten sich die Wangen der Keltin unwillkürlich. So viel Aufmerksamkeit war sie einfach nicht gewöhnt. "Ich gewesen Schildmaid zu schützen Sippe vor Feinden, ja ... das sein Kriegerin." Etwas fragender blickte sie zu Siv. "Du auch neu hier? Ich Dich nicht kennen."

    "Es ist Dienst an Gott, zu lernen Kampf, und es ist auch Verzicht auf vieles. Man nicht länger lebt wie Frau, nicht mehr mit Familie, sondern nur mit Kriegern. Man lebt allein, und allein sein macht stark. Du viel verlierst wenn lernst Krieg führen und sein Frau - es nicht immer ist leicht, zu sehen andere mit Glück und Kindern und Freude, wenn Du hast Schwert und Stolz."
    Das hatte sie noch nie jemandem gesagt. Warum ihm? Wollte sie, dass er verstand, warum sie Abstand hielt, warum es ihr so wichtig war, diesen letzten Rest Stolz und Würde zu behalten, selbst hier in der Fremde, wo niemand wusste, was sie war und wieviel dieses Opfer sie gekostet hatte?


    "Jede Frau zuhause lernt Halten von Speer. Heben von Schwert - es immer kann passieren, dass Angreifer auch gehen in Haus und versuchen zu rauben Frauen und Kinder. Nicht immer kann sein Mann da um zu schützen. Niemand schlimmer kämpfen als Mutter, die schützt Kinder." Ihre Augen schimmerten verdächtig, denn die zweite Erinnerung drückte mit aller Macht empor, die Erinnerung an ihre Mutter, die zum Speer gegriffen hatte, und dann nur noch ein Schrei - und Ungewissheit. Nicht zu wissen, ob sie noch lebte oder tot war, schmerzte schlimmer als alles andere. Ebenso der Rest ihrer Familie. So blickte sie lieber wieder auf die Wachstafel herunter, floh seine dunklen, braunen Augen und starrte auf sein perfektes und ihr wackliges L.
    "Zuhause wir hören Geschichten und lernen Wort für Wort, alles behalten in Kopf. Druiden lernen Wissen von alten Druiden, Wort für Wort. Niemand, der leicht vergisst, kann dienen den Göttern, sie verdienen Erinnerung."

    Sie wagte nicht einzuatmen. Genauer gesagt, Cadhla atmete so flach, dass es ihr möglich war, seinen Geruch nicht auch noch neben der frischen Luft des hortus abzubekommen, sie wollte das nicht riechen, nicht diese seltsame Mischung aus Vertrautheit und Fremdheit. Nicht so. Am liebsten wäre sie jetzt umgedreht und zurück in die villa gelaufen, um sich ein paar Amphoren zu organisieren, die sie herumtragen konnte. Oder einen Eimer, in den sie das von den Bäumen fallende Laub sammeln würde - eine unter den Sklaven nicht wirklich beliebte Aufgabe, denn sie glich einer unendlichen Arbeit, die niemals enden wollte.
    "Es sein wie Kampf. Ich kämpfen seit Kindheit, Du schreiben seit Kind sein, warum Du Dich hast gewundert, dass Frau kann kämpfen? Es ist Frage was man lernt, nichts sonst," sagte sie und starrte auf das nicht ganz so krakelige L herunter. Wieso hatte es jetzt so gut geklappt? Man konnte den Buchstaben jetzt jedenfalls schon einmal erkennen.


    Als sie den Kopf hob, um zu ihm zu sehen, begegneten sich beider Blicke erneut. Seine braunen Augen schimmerten warm, freundlich, als könnte er in keinem Menschen etwas Schlechtes sehen, und er lächelte, wenngleich er das oft tat, wie sie fand. Gegen ihn war sie der reinste Trauerkloß, denn sie gestattete ihren Empfindungen nur selten, sich auf ihrem Gesicht zu spiegeln. Mit den Fingern umklammerte sie die Wachstafel so fest, als könnte eine Sturmböe herüberwehen, aber eigentlich suchte sie nur einen Halt, den sie nicht finden würde. So dunkle, seelenvolle Augen. Cadhla blinzelte, versuchte auch das schnellere Schlagen ihres Herzens fortzublinzeln, aber es hatte keinen Erfolg.
    "Ich weiss, dass muss üben viel. Aber es auch interessant. So vieles schreiben Dein Volk, und so wenig meines. Es muss haben Grund, warum so viel schreiben. Man nicht tut etwas, wenn es ist schlecht." Liebe ist für alle da, Cadhla.

    Als er wieder näher heran kam, wogte auch ein vager Geruch nach herben Kräutern mit ihm mit - seltsam vertraut, denn in ihrer Heimat hatte man sich oft Kräuteressenzen auf die Haut geschmiert, um Sumpffliegen zu vertreiben, oder auch Krankheiten vorzubeugen. Die Erinnerung an ihre Heimat traf Cadhla wie ein Schlag, unvorbereitet tief ins Innerste, ohne dass sie damit gerechnet hätte oder wusste, wie sie es einordnen sollte. Das Bild von Cerwyn, einem anderen Krieger, mit dem sie viele Schlachten gefochten hatte, und dessen Nähe ihr bei weitem nicht unangenehm gewesen war, überlagerte sich mit dem tatsächlich vorhandenen Aurelius Ursus, doch der Geruch war fast derselbe. Sie schluckte langsam, noch immer hoffend, er würde weniger auf sie als auf die Wachstafel achten, und glücklicherweise beschäftigte er sich damit, die genannten Buchstaben aufzumalen, viel sauberer und klarer, als sie es jemals gekonnt hätte.


    Es schien ihm so leicht zu fallen, und in diesem einen Augenblick beneidete sie ihn darum, diese Kenntnisse zu besitzen und doch zu nutzen, als sei nichts Besonderes dabei.
    "Du hast ruhige Hand," sagte Cadhla schlicht, wenngleich ihre Stimme unerwartet rauh klang. Es ist nur Kräutertinktur, sagte sie sich, doch ihre innere Stimme lachte still vor sich hin. Als sie die Wachstafel zurücknahm, versuchte sie das Zittern ihrer Hand zu unterdrücken, aber es gelang nicht so recht, und so griff sie gleich nach dem stilus, in der Hoffnung, mit ein wenig Aktionismus alles irgendwie verstecken zu können. Diesmal gelang ihr das L schon besser.

    Unmerklich rückte sie von ihm ab, nur ein klein wenig, in der Hoffnung, es würde ihm nicht auffallen - gerade seine Nähe war für sie verwirrend derzeit, da kam momentan nicht einmal ihr Herr mit, wenn es um Verwirrung ging. Aber Aurelus Corvinus hatte sie auch nicht einfach so geküsst. Also blieb sie lieber beim Thema Schrift und unterdrückte alles, was in eine andere, weitaus unpraktischere Richtung gehen mochte.
    "Es sein wie malen Bilder, und viele Bilder zusammen geben Wort, und Wort haben Bedeutung," sagte sie sinnierend. "Ich gehört es geben Volk mit namen Egüphtus, die schreiben nur mit richtige Bilder an Wand und auf Stein. Da sein das schneller." Sie deutete auf die verkrakelten Buchstaben, die davon zeugten, dass der Wille zwar vorhanden war, aber Talent und Anleitung noch nicht unbedingt.


    "Ich haben freien Nachmittag, getauscht Arbeit mit andere Sklaven, und nicht bekommen neue Pflichten," wehrte sie diesen Verdacht ab - die Sache wenigstens war wasserdicht. "Wenn Du nicht jetzt sagen ich gießen Blumen oder putzen Sandalen dir, dann ich haben frei bis abend, und können schreiben neues L und V und P." Sie glättete das in Aufruhr geratene Wachs auf der Tafel und blickte ihn ruhig an - wenn er ihr nicht glaubte, würde das jetzt ohnehin Ärger geben, damit würde sie leben müssen. Aber was wusste er auch schon über die Freuden eines getauscht freien Nachmittags, ohne stetiges Amphorenschleppen und ohne die sonstigen unpraktischen Arbeiten, die einem in einem so großen Haushalt sonst noch zufallen mochten.

    Er schien zumindest nicht willens, ihr näher zu kommen, und das ließ Cadhla innerlich aufatmen. Bloß keine Wiederholung dieses Kusses. Der Berührungen. Der so wiederstrebenden wie verwirrenden Empfindungen, die sie einfach überrollt hatten wie eine kräftige Woge einen weißen, jungfräulichen Sandstrand. Etwas entspannte sich ihre Haltung und als sie merkte, dass der stilus, der ins Wachs gedrückt worden war, ihre Schreibversuche ziemlich unkenntlich gemacht hatte, seufzte sie leise. Wie konnte man nur freiwillig dauernd mit etwas so unpraktischem wie anfälligem wichtige Dinge erledigen? Sie verstand die Römer nicht, und wahrscheinlich würde sie diese nie verstehen.
    "Er nicht wissen, dass ich versuchen zu lernen wie schreiben. Ich glaube, er mich für dumm hält, weil ich nur lerne schwer sprechen Latein - es so andere Sprache ist wie Sprache von Heimat," sie zog leicht die Schultern hoch und seufzte etwas. Irgendwo hatte auch die Keltin einen gewissen Stolz, und als dumm wollte sie nicht gelten, auch nicht vor ihrem Besitzer.


    "Ich glauben, dass ich nicht viel habe Talent zu lernen andere Sprache, und vielleicht es besser, wenn können schreiben, und nicht müssen sprechen. Nicht meine Gedanken dumm, sondern nur fehlendes Talent für sprechen ich nicht immer kann sagen, was denken." Warum sagte sie ihm das? Warum sprach sie überhaupt jetzt mit ihm? Sie hätte sich auch mit einer eiligen, unaufschiebbaren Aufgabe aus der Sache herausreden können, aber .. jetzt stand sie doch wieder da und redete mit dem Aurelier. Du willst es doch, höhnte ihre innere Stimme und sie konnte sie nicht einmal verstummen lassen, da ein Funke Wahrheit darin lag.

    "Du können sein hübsch, wenn wollen, Tilla," sagte Cadhla und lächelte zu dem Mädchen. "Jetzt Du bist hübsch, wenn Du wollen, ich Dir machen wieder Zopf wenn geschlafen oder gewaschen Haare. Du bald lernen machen selbst." Ihre Züge wurden wieder etwas weicher, als sie die folgenden Worte sprach: "Meine Mutter mich lehren wie machen Zopf ohne hinsehen, ich dir beibringen, dann Du können auch tun. Sie mir gezeigt wie machen Kriegerzopf, und es sein guter Zopf, gut für Kampf."


    Während die meisten anderen Krieger ihres Stammes den wilden Zottel-Look bevorzugt hatten, war es für Cadhla im Kampf immer wichtig gewesen, freies Blickfeld zu haben, denn sie verfügte nicht über den Vorteil allzu langer Arme wie so mancher Mann es tat. Caelyns Worte allerdings erstaunten die Keltin ziemlich. So lange ohne Eltern zu leben klang für sie einfach schrecklich, hatte es denn für sie niemals eine Sippe gegeben, die sich gekümmert hatte?
    "Ich verstehen nicht, wieso nicht Deine Sippe sich hat gesorgt um Dich, Caelyn, ist in Dein Volk keine große Familie Einheit, die achtet auf Kinder von toten Geschwistern? Kinder nicht gehen müssen sollen stehlen und nehmen von anderen." Sie war wirklich verwirrt - dass sie ihr Gegenüber nach den Maßstäben eines relativ geordneten Dorflebens beurteilte, war natürlich bei einem Stadtkind nicht ganz hilfreich - aber sie wirkte auch nicht so, als würde sie Caelyn für deren Geschichte verabscheuen oder verurteilen, Cadhla war schlichtweg erstaunt.

    Cadhla war so sehr vertieft in ihre Schreibersuche gewesen, dass sie ihn gar nicht kommen gehört hatte - ein Umstand, der ihr, hätte sie sich in dem Moment seines Nahens nicht so furchtbar erschrocken, sicherlich peinlich gewesen wäre. Ihr wäre fast die Wachstafel aus der Hand gefallen, denn irgendwie hatte sie auch nicht damit gerechnet, an diesem Ort gestört zu werden, halb hinter der Hecke verborgen. Den stilus auf das bisher geschriebene pressend, erhob sie sich eilig, er musste ja denken, sie hätte nichts zu tun oder hätte sich von der Arbeit fortgeschlichen ...
    "Salve, dominus," sagte die Keltin schließlich, wenngleich auch etwas unsicher darüber, wie sie reagieren sollte. Irgendwie schien er sie dauernd bei Dingen zu ertappen, die nicht unbedingt auf ihrer langen Liste der Pflichten standen.


    "Ich nicht können schreiben, aber ich versuchen lernen schreiben. Es sein wie Kampf, es anstrengend, man viel muss üben, aber irgendwann man können und nicht mehr denken nach wenn tun." Ausgerechnet der, dem sie in den letzten Tagen wirklich aus dem Weg gegangen war, um ihm nicht begegnen zu müssen, hatte sie hier im Garten aufgestöbert. Wann immer sie an ihn dachte, falls sie überhaupt sich diesen Gedanken erlaubte, drängte sich die Erinnerung an den Kuss in den Vordergrund, den sie am liebsten ungeschehen gemacht hätte. "Aber ich nicht gut mit schreiben. Ich noch viel üben."

    Es sah so einfach aus, wenn es andere taten. Eine schlichte Bewegung, zielgerichtet, ein stetiges Auf und Ab, Bögen vollführend, fast wie ein kleiner Tanz, in einem ureigensten Rhytmus gefangen, den nachzuahmen sie sich unendlich schwer tat. Aber auch wenn die Götter (welche auch immer) anscheinend beim Talent für Sprachen und Literatur bei Cadhla gespart hatten, so hatten sie ihr doch in ihrer grenzenlosen Gnade eine gewisse Sturheit mitgegeben, was ihr bislang stets geholfen hatte, um den Kampf zu meistern, vor dem eine lange Zeit der intensiven Übung gestanden hatte.


    Also ging Cadhla folgerichtig davon aus, dass sich auch diese Kunst erlernen lassen würde, wenn sie es nur intensiv genug betrieb - einer der Angestellten der villa, ein Mann namens Livius Pyrrus, hatte ihr, als sie ihm gesagt hatte, sie benötige dies auf Anweisung ihres Herrn Aurelius Corvinus, auch den Gefallen getan und das lateinische Alphabet auf einem Papyrus notiert, in sauberen Buchstaben, sodass sie diese nur abzuschreiben brauchte, um ihren Gebrauch zu üben. Sich eine Wachstafel zu organisieren war ebenso wenig schwer gewesen, eine halb zerbrochene hatte im Müll gelegen und sie hatte sie zuerst repariert und dann begonnen, damit zu üben.


    Allerdings wirkten ihre Buchstaben stets, als hätte sie den stilus mit vorgehaltener Waffe gezwungen, sich so zu formen, wie sie es wollte, und sehr hübsch sah es auch nicht aus - zumindest konnte man nach und nach erkennen, dass ein V ein V sein sollte, und auch die O's waren nicht mehr krakelige Halbvierecke, sondern nahmen zumindest recht oft eine ovale Form ein. Es gab also Fortschritte - und auch wenn es ihr noch nicht half, die lateinische Sprache zu beherrschen, hatte sie doch erkannt, dass es nur ein weiterer Schritt dorthin war, und einer, den sie alleine meistern konnte, ohne jemanden fragen zu müssen.
    Dass sie durch einen glücklichen Zufall einen freien Nachmittag hatte erhalten können, war ein zweiter Umstand, der ihre Schreibübungen begünstigte - so saß sie im Schutz einer der hohen Hecken im hortus und übte eifrig einen neuen Buchstaben - heute war es ein R, dessen Schwünge so jämmerlich waren, dass man sich fast an ein L erinnert fühlte.


    Sim-Off:

    Reserviert :)

    Ohne ein Wort der Gegenwehr 'übernahm' Cadhla Tilla und legte gleich die Arme um diese, nicht zuletzt, um ihr in ihrem kleinen Metrausch einen Halt zu bieten, aus dem sie nicht mehr so leicht ausbrechen würde. Sie selbst hatte nicht viel getrunken, und so blickte sie klaren Auges und wachen Verstandes in die lodernden Flammen, sprach nur leise, als Minna ihr von ihren eigenen Verwandten erzählte:
    "Wir niemals wissen werden, und nicht können gehen zurück, um zu sehen. So es nur bleibt ein Weg, zu erinnern, nicht zu vergessen, was war schön, was war gut, auch wenn vielleicht noch leben. Es sagen Grundsatz von Driuden, dass wenn Du geben Gutes, dann Du bekommen dreifach zurück. Wenn du geben Schlechtes, Du musst bezahlen dreifach für Böses. Wenn wir denken gut an unsere Menschen, dann es ihnen geht gut, egal wo sie sind." Es war eine lange Rede für sie, und jedes Wort hatte sie wohlüberlegt ausgesprochen, es war eine Hoffnung, eine sehr kleine Hoffnung, aber es war eine Hoffnung, mehr als sie sonst hatten, mehr als sie bekommen würden. "Es sein geschehen, was geschehen, wir nicht können ändern. Wir nur ändern Zukunft durch Taten." Beruhigend streichelte sie Tillas Rücken, und hoffte, dass sie irgendwann aufhören würde zu weinen, einen wirklichen Trost konnte sie ihr nicht mit Worten spenden.


    Als sich Ursus erhob und gehen wollte, schüttelte sie den Kopf. "Du bist Mensch, dominus, und jeder Mensch leidet Schmerz. Jeder Mensch hat Tote, die er lieben, Menschen, die er verloren. In Nacht von Samhain alle Menschen denken an verlorenes und hoffen auf Besseres. Du nicht weniger oder mehr Grund haben, hier sein als wir." Nein, ihm grollte sie nicht, das konnte sie auch nicht. Er war es nicht gewesen, der sie niedergeschlagen und verkauft hatte, der sie in Ketten durch einen elenden Marsch in den Süden getrieben hatte, im Gegenteil, Ursus war einer der wenigen Menschen gewesen, die ihr hier eine Art Freundlichkeit erwiesen hatten, auf seine Weise.
    Tilla etwas an sich drückend, richtete sie sich im Sitzen auf und räusperte sich, um dann im Dialekt ihrer Heimat Wort anzustimmen, deren Klang einem traurigen, getragenen Lied gleichkamen, und doch schien mehr darin zu schwingen als allein eine mit Melodie erzählte Geschichte - und Cadhlas Stimme klang nun rauh und doch voll, tiefdunkel, den Zauber einer fernen Heimat mit sich tragend, zu der sie voller Sehnsucht zu blicken schien.


    "Wir reisen auf der ewigen Straße
    vom gestern über das heute ins morgen
    wir erfahren Leid und Schmerz und Sorgen
    wir trinken von Lachen und Lust und Freude.


    Wir gehen einen endlos langen Weg
    über Steine und Schmutz und Gefahren
    vorbei an Dörfern und Flüssen und Wäldern
    wir erfahren jeden Tag so viele neue Dinge.


    Wir verlieren Menschen in diesem Leben
    Geliebte und Gehasste und Gleichgültige
    vermissen jene, mit denen wir lachen durften
    betrauern den gefallenen Feind.


    Lasst uns nach vorn schreiten und zurück blicken
    um zu lernen und zu erkennen
    warum unser Weg uns führt
    und wir sind wie wir leben."*


    [SIZE=7]* sim-off: Der Einfachheit halber übersetzt.[/SIZE]

    Cadhlas Blick lag lange auf dem Gesicht ihres Herrn, und sie registrierte mit einer gewissen Überraschung, dass er wohl verlegen war. Aber warum sollte es ihn auch freuen zu hören, dass er - um es grob zu sagen - auf den Boden gekotzt hatte, weil er keinen Wein vertrug? Sie gestattete sich das insgeheim zwischen Amüsement und Spott schwebende Grinsen nicht, das ihr auf die Lippen gleiten wollte und erwiederte nur seinen Blick, ohne sich allzu sehr zu regen.
    "Ich sein Dein Besitz, Herr, und wenn Du hinterlässt Häufchen, dann es wohl ich bin, die macht weg." Zumindest schien das jenes Grundprinzip der Sklaverei zu sein, das die Römer schätzten: Sie lebten sich aus und den Dreck mussten andere beseitigen, die sich dieses Leben sicherlich nicht selbst ausgesucht hatten. "Und Du haben gesagt, ich mich entscheiden können, ob sein für Dich da oder nicht. Ich mich entschieden." Wie üblich purzelten in Cadhlas Latein Substantive und Verben munter durcheinander, als wollten sie ein wildes Tänzchen aufführen. Aber zumindest klangen die Worte schon mehr so, wie sie klingen sollten, und nicht mehr wie eine gesprochene Vergewaltigung der schönen Sprache Ciceros und Catulls.


    "Du besser bleiben liegen, bevor umfallen, wenn aufstehen. Brummen in Kopf kann machen weg, aber nicht Loch in Kopf, weil fallen auf Steinboden," argumentierte die Keltin trocken und, angesichts der durchaus vorhandenen Möglichkeit, dass dieser Fall eintreten konnte, auch überzeugend. Sie wurde den vagen Verdacht nicht los, dass er sich vielleicht dann aus dem Zimmer stehlen würde, wenn sie gerade dabei war, die Kräuter zu organisieren, aber dann wäre es nicht ihre Schuld, wenn es ihm danach schlechter gehen würde als zuvor. Noch immer hielt sich ihr Mitleid mit ihm in klaren Grenzen.
    "Du dann hier liegen bleiben und ich holen warmes Wasser und Kräuter," sagte sie schlicht, vergewisserte sich, dass er einigermaßen sicher saß, stopfte ihm noch ein Kissen in den Rücken und erhob sich. Am besten, sie brachte gleich einen Krug Wasser und etwas Seifenessenz mit, denn er roch wirklich nicht gerade appetitlich - wie man eben nach einer durchsoffenen Nacht roch: Irgendwie ungewaschen, verschwitzt und nach Alkohol auf der Haut.