Beiträge von Lucius Quintilius Valerian

    Fassungslos hatte Valerian mit angesehen, wie der Senator sich die Toga herunterriß. Daß diese Adligen immer solch ein unglaubliches Theater aus allem machen mußten! Er wäre einfach kurz abgeklopft worden, das war alles. Und nun tat er so, als müßte er sich vollständig entkleiden. Politiker eben.


    "Jawohl, Centurio", erwiderte Valerian zackig, salutierte und eilte dann davon, um einen dieser Diener aufzutreiben. Das war zum Glück nicht weiter schwer. Und natürlich dachte Valerian auch daran ihn zu fragen, ob er sich überhaupt damit auskannte, eine Toga anständig anzulegen. Daß der Diener auf diese Frage hin ziemlich pikiert reagierte, störte Valerian dabei weniger.


    Nur wenige Minuten dauerte es, bis er mit dem Diener wieder in der Kommandantur anlangte und nach kurzem Anklopfen wieder eintrat. "Der Palastdiener, Centurio", meldete er ordnungsgemäß und trat dann wieder zurück und nahm Haltung an.


    Der Diener dagegen nahm sich sogleich der am Boden liegenden Toga an und ordnete sie mit geübten Handgriffen zunächst sorgfältig auf seinem Arm, bevor er damit an den Senator herantrat. "Wenn Du erlaubst, Senator?", sagte er respektvoll und wartete höflich, bis der Tiberier ihm die Erlaubnis erteilte, ihm die Toga anlegen zu dürfen.

    Hätte Valerian etwas von den Gedanken des Centurios geahnt, so hätte er sicherlich geschmunzeltl. Er und sich in Rom verlaufen! Er war hier geboren und hatte bis auf die letzten zwei Jahre sein ganzes Leben hier verbracht. Er kannte jeden Stein beim Namen, keine Gasse gab es, in der er noch nicht gewesen war, - auch wenn es ein paar gab, die er nicht unbedingt noch einmal aufsuchen würde.


    Also freute er sich einfach darüber, daß er die Erlaubnis erhalten hatte. "Ich danke Dir, Centurio. Und danke für den Tip." Also konnte er sich sogleich auf die Suche machen, das war gut. Dann konnte er Valentina im nächsten Brief gleich die entsprechenden Hinweise geben. Denn eigentlich hoffte er ja, daß sie sich wirklich dazu entschloß, nach Rom zurückzukehren.


    Er nahm also nochmal Haltung an und wartete darauf, entlassen zu werden.

    Valerian war sich der wichtigen Aufgabe, die er hier zu erfüllen hatte, durchaus bewußt. Er hatte sich mit seinen Kameraden so aufgestellt, daß der Blick auf den Kaiser frei blieb, sie ihn aber dennoch effektiv schützen konnten. Es galt nun, die Menschen ringsum im Blick zu behalten, jede noch so kleine Regung wahrzunehmen, um Gefahren frühzeitig erkennen zu können. Doch in den Gesichtern las Valerian eher gespannte Erwartung. Vor allem, nachdem der Consul Valerianus offziell als Imperator Caesar Augustus des römischen Reiches ausgerufen hatte. Was für ein großartiger Augenblick!

    Es klappte alles wie am Schnürchen. Sie hatten im Innenhof der Herberge in nullkommanichts Aufstellung genommen und standen nun perfekt ausgerichtet und in strammer Haltung da, die Köpfe stolz erhoben, die Schilde vor sich. Ein erhabener Anblick. Die Rüstungen waren in perfektem Zustand. Nicht nur, daß die Männer selbst für diese Gelegenheit besondere Mühe investiert hatte, sondernd auch die Centurionen hatten heute Morgen eine äußerst gründliche Inspektion durchgeführt. Doch es war alles in Ordnung. Jeder der Praetorianer war sich bewußt darüber, was für eine ehrenvolle und wichtige Aufgabe er heute hatte.


    Valerian bemerkte die prüfenden Blicke des Praefecten. Und er hoffte, daß dieser mit ihnen zufrieden war. Für ihn selbst sah alles absolut perfekt aus. Der Kaiser sollte auf einem Streitwagen stehend in die Stadt einziehen. Ein wahrhaft großartiger und würdevoller Anblick würde das sein!


    Natürlich kannte er seinen Platz. Die Centurionen waren das endlos oft mit allen durchgegangen. Jeder war genau instruiert und wenn nichts unvorhergesehenes geschah, würde alles reibungslos verlaufen. Es war eine unbeschreibliche Ehre, den Kaiser bei seinem Einzug in die Stadt begleiten zu dürfen. Valerian war fest entschlossen, ein Bilderbuchbeispiel für einen Praetorianer zu sein. Regungslos wartete er ab, bis der Befehl zum losmarschieren kam.

    Die Wachschicht am Palasttor war zuende. Einige Stunden trainiert hatte Valerian auch. Und nun saß er vor der Baracke und putzte seine Ausrüstung. Er mochte das bei diesem schönen Wetter nicht im Gebäude tun. Noch war es nicht unerträglich heiß und er hatte das kühle, oftmals graue Wetter Germaniens noch allzugut in Erinnerung, so daß er das Bedürfnis hatte, noch ein wenig Sonne zu tanken.


    Teil für Teil nahm er sich vor und reinigte es gründlich und untersuchte es ebenso gründlich nach Schäden. Fand er etwas, was repariert werden mußte, so legte er das Teil beiseite, um sich anschließend gleich darum zu kümmern. Auch diese Reinigungsarbeiten waren hier in Italia wesentlich angenehmer. Hier fielen Rost und Matsch eben ausgeprochen selten an, während es in Germanien an der Tagesordnung gewesen war. Gutgelaunt und ein kleines Liedchen vor sich hinpfeiffend widmete er sich seiner Arbeit. Mit Kochen war einer der Kameraden dran, so daß er sich ganz die Ruhe antun konnte.

    "Salve, Centurio", grüßte Valerian und salutierte zackig. Da er davon ausging, daß der Centurio ihn nicht mit Namen kannte, stellte er sich kurz vor und brachte dann sogleich sein Anliegen vor. "Miles Quintilius. Ich bitte um die Erlaubnis, einen Stadtgang machen zu dürfen, um eine Wohnung für meine Schwester suchen zu dürfen, da sie überlegt, ebenfalls wieder nach Rom zu ziehen." Hoffentlich stimmte der Centurio zu. Wenn er erst einmal etwas gefunden hatte, konnte er gleich Valentina davon berichten. Und sobald sie sich entschlossen hatte, konnte er zur Not alles weitere schriftlich mit dem Vermieter ausmachen. Doch erst einmal brauchte er Ausgang, um sich die in Frage kommenden Wohnungen anzuschauen. Einer der Kameraden hatte von einem Anschlag am Marktplatz gesprochen, der sich schon mal recht interessant anhörte.

    Ein neuer Tag und wie an jedem Tag stand Training auf dem Programm. Nach dem üblichen Laufen und den Übungen, mit denen Valerian sich allgemein fit hielt, griff er wieder zum Gladius und bekämpfte damit den Trainingspfahl. Erst eine halbe Stunde mit der Rechten, dann eine halbe Stunde mit der Linken, anschließend wieder mit der Rechten.


    Nach einer ganze Weile fanden sich ein paar Kameraden, die vom Einzeltraining genug hatten und wie Valerian lieber gemeinsam trainieren wollten. Sie bildeten zwei Gruppen. Ähnlich wie am ersten Tag. Und bekämpften sich dann gegenseitig, indem sie die Vorteile der Gruppe nutzten. Das war doch wenigstens eine richtige Herausforderung!

    Im Grunde kannte Valerian seinen Vorgesetzten noch gar nicht, obwohl er nun schon ein paar Wochen hier war. Gesehen hatte er ihn natürlich. Und Befehle befolgt. Aber es hatte noch überhaupt kein persönliches Gespräch stattgefunden und Valerian bezweifelte, daß Centurio Caecilius überhaupt sein Gesicht einem Namen zuordnen konnte.


    Aber das war ihm noch relativ egal. Viel wichtiger war es ihm, daß der Centurio seinem Wunsch nach Ausgang nachgab. Wenn Valentina wirklich nach Rom ziehen wollte, dann brauchte sie eine Wohnung. Möglichst eine bezugsfertige Wohnung.


    Ein wenig nervös kontrollierte er nochmal seine Erscheinung, dann klopfte er an.

    Valerian hatte draußen mit seinen Kameraden Aufstellung genommen, während der Praefect zur Unterkunft des Caesar ging, um diesen zu begrüßen. Zu gerne hätte er nun gehört, was da gesprochen wurde, doch das war natürlich unmöglich. Immerhin hatten sie die Ehre, Valerianus in die Stadt zu begleiten. Und das war weit mehr, als Valerian zu hoffen gewagt hatte.


    Still und unbeweglich stand die ganze Kohorte der Praetorianer da und harrte der Dinge, die da kommen würden. Irgendwann.

    Valerian hatte schon etwas auf die bissige Frage des Senators erwidern wollen, da erklang doch noch ein "Herein" aus dem officium. Gemeinsam mit dem Tiberier trat er ein und salutierte zackig vor dem Centurio, der ihm unbekannt war. "Salve, Centurio. Senator Tiberius ist sehr ungehalten über die Notwendigkeit einer kurzen Durchsuchung nach Waffen und wünscht, ohne eine solche den Palast betreten zu dürfen." In Diplomatie war Valerian wahrhaftig nicht bewandert. Doch er fand, er hatte sich gar nicht schlecht ausgedrückt. Und damit war vor allen Dingen die Last von seinen Schultern genommen. Die Entscheidung lag beim Centurio.

    Es war schwer, den eintreffenden Reitern nicht erstaunt entgegenzublicken und den beeindruckenden Anblick zu genießen. Doch Valerian schaffte es, weiterhin nach vorne zu schauen und sich nichts anmerken zu lassen von dem, was in ihm vor sich ging.


    Dem Kaiser sollten sie entgegenmarschieren! Ihn nach Rolm hineingeleiten! Und er durfte dabei sein! Gegen seine vor Aufregung und Stolz roten Ohren konnte er leider nichts tun, doch unter dem Helm waren sie ja wohl ohnehin nicht zu sehen. Als der Befehl zum Abmarsch kam, setzte er sich inmitten seiner Kameraden in Bewegung. Wie gut, daß er seine Ausrüstung jeden Abend so blank putzte, wie es nur irgend ging! Er wußte, er sah perfekt aus. Wie auch alle anderen. Alles andere wäre in diesem Moment auch ein echte Schande gewesen. Im Gleichschritt ging es dem Praefecten hinterher, dem Kaiser entgegen!

    Der Wachposten schüttelte bedauernd den Kopf. "Nein, Herr. Er ist noch nicht eingetroffen, soll sich aber bereits kurz vor Rom befinden." Mehr wußte der Wachposten nicht, da es noch keine Ankündigung gegeben hatte. Doch es konnte nicht mehr lange dauern. Und vielleicht ... vielleicht durften sie ihm entgegenreiten und ihn in die Stadt geleiten. Mit ein wenig Glück. Doch auch hier Wachdienst zu haben, wenn Valerianus eintraf, wäre eine große Ehre.

    Zitat

    Original von Lucius Aelius Quarto
    Weil es Fuhrwerken seit Iulius Caesars Zeiten tagsüber fast ausnahmslos verboten war, in die Stadt hinein zu fahren, bot sich den Wachen des Kaiserlichen Palastes an diesem Tag ein ungewöhnlicher Anblick, als ein Reisewagen polternd und rumpelnd den Weg hinauf zum Palatin nahm und vor dem Tor zum stehen kam. Hier hatte wohl jemand das Verbot missachtet und seine Begleiter – eine Hand voll Berittener in den schwarzen Uniformen der Praetorianer – hatten dafür gesorgt, dass er unbehelligt geblieben war.


    Die Reiter stiegen von ihren Pferden, der Türverschlag des Wagens wurde geöffnet und mit einem Ächtzen quälte sich ein von Krankheit und weiter Reise ein wenig verhärmt wirkender Mann in der Toga eines Senators heraus.


    Er trat persönlich vor die Wachsoldaten und sagte schlicht: “Ich bin der Magister Domus Augusti Aelius Quarto. Ich bin zurück!“



    Das war wahrhaftig ein ungewöhnlicher Anblick! Erstaunt verfolgten die Wachen, wie der Wagen vorfuhr und geöffnet wurde. Schon die Begleitung durch die Kameraden zeigte ihnen ja, daß dies alles wohl seine Berechtigung haben mußte. Und schon stieg der Reisende aus und wandte sich sogar persönlich an die Wachen. Was schon erstaunlich genug war, denn die meisten, die hier vorsprachen, waren sich dafür zu fein und schickten ihre Sklaven vor.


    Valerian hatte schon den Mund geöffnet, als sein Kamerad sich einfach vordrängte. "Willkommen zuhause, Magister Domus Augusti Aelius Quarto. Bitte, trete doch ein." Mannoman, irgendwie mußte man erstmal diese ganzen Leute kennen. Wie machten die Kameraden das eigentlich, daß sie immer wußten, mit wem sie es zu tun hatten? Dieses Gesicht merkte er sich jedenfalls erst einmal. Müde sah der Mann aus. Und blaß.


    Valerian blieb immer noch völlig ruhig, auch wenn er innerlich ebenfalls Zorn in sich aufsteigen fühlte, schon wegen des Tons, den der Tiberier anschlug. Als wäre er der Caesar persönlich! Was machte ihn eigentlich zu etwas besserem als all die anderen, die sich widerstandslos der Prozedur unterzogen? "Selbstverständlich dürftest Du sogleich eintreten, wenn Du nur bereit wärest, Dich der üblichen Durchsuchung nach Waffen zu unterziehen. - Nun, dann folge mir bitte zur Kommandantur." Ob sich dieser Senator mal überlegt hatte, wie gefährlich es wäre, wenn jeder Senator oder gewesene Amtsinhaber auf diese Prozedur verzichten dürfte? Auch Männer in diesen Stellungen - gerade Männer in diesen Stellungen - hatten ihre Feinde, nicht selten in den eigenen Reihen.


    Aber Valerian sah keine Veranlassung, das weiter zu diskutieren. Er hatte einen Befehl zu befolgen. Und wenn der Centurio entschied, daß ein Tiberius Durus ohne Durchsuchung eintreten durfte, dann war das die Entscheidung und Verantwortung des Centurios. Und nicht Valerians.

    Valerian seufzte innerlich. Er brauchte eine Liste von Leuten, bei denen bestimmte Regeln nicht gelten sollten. Normal sollte niemand allein im Palast herumgeistern. Hilfesuchend blickte er zu seinem Kameraden, der aber zustimmend nickte.


    Daraufhin trat Valerian aus dem Weg und nickte dem praefectus urbi freundlich zu. Er war schon sehr gespannt darauf, wer als nächstes auftauchten würde.

    Valerian sah die nächsten Besucher schon herankommen. Hoffentlich waren die nicht so schwierig wie die letzten. "Salvete", grüßte er höflich. "Selbstverständlich darfst Du eintreten, praefectus urbi Vinicius. Nur muß ich Dich zuvor auf Waffen durchsuchen."


    Kaum hatte er das ausgesprochen, da trat schnell sein Kamerad hinzu. "Nein, doch nicht beim praefectus urbi. Der nicht. Der wird nicht durchsucht", erklärte er rasch.


    Na, das konnte einem auch mal einer sagen! Bisher hatte es geheißen, nur der Caesar ist ausgenommen aus der Regel, ansonsten alle. Valerian errötete dementsprechend. Verflixter erster Tag! "Verzeihung, dann darfst Du natürlich eintreten. Wohin soll ich Dich führen?" Denn so genau hatte sich der Mann nicht über sein Ziel geäußert. Nur daß er geladen war.


    Sim-Off:

    Wo wollt ihr zwei eigentlich hin? ;) Zur Senatssitzung oder zum officium des Procurator a libellis?

    Valerian erwiderte den Blick aufrecht und ruhig. "Wenn andere sich zu Pflichtverletzungen hinreißen lassen, dann ist das deren Angelegenheit. Es hat weder etwas mit meinem oder Deinem Alter zu tun. Oder damit ob Du Senator, ehemaliger oder auch derzeitiger Praetor bist oder gar Consul wärest. Ich habe verstanden, wer Du bist, Dein Name ist mir nicht unbekannt. Wenn Du darauf bestehst, daß auf eine Untersuchung Deiner Person verzichtet wird, gibt es nur noch zwei Möglichkeiten: Entweder Du gehst unverrichteter Dinge oder Du begleitest mich ins Wachbüro und diskutierst das mit meinem Centurio aus. Meine Anweisungen sind eindeutig. Jeder ist zu durchsuchen. Das ist keine Diskussionsgrundlage, sondern der Befehl, den ich erhalten habe." Er fragte sich, was der Senator eigentlich glaubte, wie diese Durchsuchung ablaufen würde. Dachte der, er müßte sich hier entkleiden oder so etwas? So ein dummes Theater hatte er wahrhaftig noch nicht erlebt.

    Valerian kam zufällig an der Schola vorbei, als er vom Dienst am Palast auf dem Rückweg zur Castra war. Er nahm die Gelegeheit wahr, sich in die Liste einzutragen, damit er endlich den cursus ablegen konnte.