Beiträge von Prosekon tou Mouseiou

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    ~~Tychios von Chalkis~~


    Ein zufriedenes Lächeln kräuselte nun gänzlich die Lippen von dem Bibliothekar. Doch es währte nur einen Bruchteil einer Sekunde, offenbarte jedoch genug von seiner Zufriedenheit über die Denkbahnen der Frau vor sich. Zuerst eigenständig die Lösung nach einem Problem suchen, ehe er damit belästigt wurde. „Hervorragend. Dann wende Dich an Hermeios oder Xerxes. Einer von den Beiden wird Dich schon einarbeiten und Dir das Museion, mit Deiner neuen Unterkunft, zeigen.“ Schon wollte er seine Schreibarbeiten aufnehmen als dem Bibliothekar noch etwas einfiel. Er senkte daraufhin noch einmal die Schreibfeder. „In einer Woche spätestens solltest Du eingearbeitet sein und die groben Abläufe hier in meinen Arbeitsräumen und dem Vorraum kennen. Dann wirst Du die Arbeit der Sklaven beaufsichtigen und anleiten. Sie sind immerhin unfrei, Du nicht. Also wirst Du in der Hierarchie natürlicherweise über ihnen stehen. Lasse Dir also nicht von ihnen auf der Nase herum tanzen. Aber auch nicht von den Gelehrten des Museion. Nicht jeder Gelehrte, der sich hier so nennt, hat ein Anrecht darauf sofort zu mir vorgelassen zu werden oder Dich mit seinem Rang zu erpressen. Dann...“ Er zögerte nur einen Augenblick. „willkommen am Museion.“ Damit war für ihn das Thema wohl erledigt, denn seine Feder kratzte erneut über das Pergament.




    Obwohl Xerxes doch bereits mehr als drei Dekaden am Museion arbeitete, fast jeden Gelehrten, jeden Schüler kannte, der seine Füße in den Vorraum des Bibliothekars gesetzt hatte (wer auch immer auf dem Stuhl zu der Zeit saß), so schien es eine seltsame Natürlichkeit zu sein, dass ihn keiner oder wenige von jenen, die zum Epistates vorgelassen wurden, überhaupt wieder erkannten. Doch er erkannte den Mann vor sich augenblicklich und seine Augenbrauen zuckten rasant nach oben. Ein leises Grummeln entfleuchte seiner Kehle. „Aiaiai! Chaire, Theodoros Alexandreus.“ Xerxes kratzte sich kurz an seinem dünnen weißen Bart. „Philologos? Mir schien, ihr wurdet als verschollen gemeldet und aus den Listen der Gelehrten heraus genommen. Der Epistates fackelt nicht lange mit solchen Maßnahmen, wie ihr sicherlich wisst. Wollt ihr erneut eingestellt werden oder wollt ihr nur nachträglich euren Abschied einreichen?“





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    ~~Tychios von Chalkis~~


    „Wunderbar!“, erwiderte der Bibliothekar, während seine Finger bereits nach der Feder tastete, die er nur kurze Zeit neben sich gelegt hatte. Ein einzelner Tropfen dunkler Tinte hatte sich auf den Schreibtisch verirrt. Frostig starrte der Bibliothekar den kleinen Tropfen an, griff nach einem hellen Tüchlein von einer kleinen, offenen Kiste aus Zedernholz und wischte den Störenfried von seinem Tisch. Erst als der letzte Farbstriemen entfernt war, schien der Bibliothekar zufrieden zu sein, zumindest ließ sein Gesichtsausdruck das erahnen. So faltete er das Tuch, legte es in die Kiste zurück und nickte. „Dann kannst Du von mir aus sofort beginnen. Die Sklaven in meinem Vorraum können Dich einweisen, Dir das Museion und auch die Unterkünfte der Angstellten zeigen. Ich nehme mal an, dass Du auch im Museion leben wirst oder hast Du andere Pläne? Ansonsten gibt es neben Lohn, natürlich freie Kost und Logis. Hast Du sonst noch Fragen?“




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    ~~Tychios von Chalkis~~


    Es gab wohl weniges, was den Bibliothekar außer Fassung brachte, aber der Willkür eines Gönners derart ausgeliefert zu sein und deswegen seine grundlegenden Prinzipien missachten zu müssen, gehörte wohl eindeutig dazu (egal wie gerechtfertigt oder nicht diese auch waren!). Doch die Worte von Urgulania beruhigten ihn schnell wieder. Im Gegenteil, sie gefielen ihm außerordentlich gut. So lehnte er sich entspannt zurück und das erste Mal glitt etwas von einem Lächeln über seine Lippen. Womöglich täuschte aber auch nur das Licht. „Hervorragend! Ich denke, unter diesen Voraussetzungen wird sicherlich einer Anstellung nichts widersprechen.“ Der Bibliothekar verdrängte jeglichen Gedanken daran, dass der Römerin durchaus auch noch höhere Wege offen standen, wenn sie erst Mal im Museion angestellt war. Aber die Worte blendeten ihn so gut, dass er über solche Möglichkeiten nicht nachdenken wollte. „Dann Willkommen am Museion. Wann möchtest Du anfangen?“




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    ~~Tychios von Chalkis~~


    Der Kopf von dem Bibliothekar bewegte sich ein Wenig, womit er ein zustimmendes Nicken andeutete. „Dann folge mir.“, fügte er an und ging an dem Brunnen vorbei, dem er keinen zweiten Blick mehr zuwarf und statt dessen sich auf einer der Wege begab, der zu einer der Gebäudekomplexe am Rande des Parkes führte. "Ungeduld ist ein Laster der Jugend und wird erst mit den Jahren abgestreift. Und da Du jung bist, Dein Verhalten dennoch respektvoll, so verzeihe ich Dir diese natürlich.“ Die Mundwinkel von Tychios zuckten kurz. „Ich habe beschlossen, dass Du Dich meiner Gruppe von Schülern anschließen darfst. Normalerweise unterrichte ich nicht die Schüler, die erst kurze Zeit im Museion sind, aber bei Dir mache ich eine Ausnahme. Denn Du gefällst mir...“, er warf Nikolaos einen kurzen Seitenblick zu, einen sehr seltsamen dabei. „Fürwahr!“, meinte er noch etwas leiser, leicht sinnend. Dann erreichte er schon das Haus mit einem der Schlafsäle.



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    ~~Tychios von Chalkis~~


    Ein leises Raunen drang von dem Saal als der Bibliothekar mit seinem jungen Schützling durch den Flur des Nebengebäudes marschierte. Seine ledernen Schuhe pochten leise auf dem Stein, der Stoff seines Gewandes raschelte dezent, doch wurde dies von dem Knurren eines bedrohlich klingenden Ungetier von der Nähe eines Fensters übertönt. „Der Garten von Aristias liegt hinter dem Gebäude. Du musst wissen, er widmet sich der Chimärenforschung. Sehr interessant, aber bis jetzt leider noch unnütz.“ Tychios zuckte bedauernd mit der Schulter und trat in den Schlafsaal hinein. Einige Schüler saßen auf einem der Nachtlager und starrten gebannt auf ein Papyrus in ihrer Hand. „Das ist der Wahnsinn.“, raunte einer. „Psst!“, flüsterte ein Andere schnell und stupste dem, der das Papyrus in der Hand hielt, heftig mit dem Ellbogen in die Seite. Schnell sahen die jungen Männer von ihrer Beschäftigung auf. „Epistates, Chaire!“, grüßte einer der jungen Männer, der wirre braune Locken hatte, die ihm tief in die Stirn hingen, geistesgegenwärtig den Bibliothekar und stand dabei sogar auf.


    Hastig folgten die Anderem dem Beispiel. Dabei stolperte der mit dem Papyrus in der Hand und es entglitt ihm. Sanft flog das Stückchen Pflanze, was zu einem beschreibaren Stück Papyrus geschaffen worden war, bis vor die Füße des Bibliothekars. Entsetzen zeichnete sich auf dem Gesicht der Akroatai ab. Die Augen des Bibliothekar wanderten nach unten und seine Fußspitze setzte sich auf das Papyrus. „Studien von euch?“ Der Bibliothekar widmete dem Stück 'Papier' jedoch keine weitere Aufmerksamkeit. Doch wer genau darauf sah, denn die bemalte Oberfläche starrte nach oben, würde sofort eine akribisch und womöglich künstlerisch nicht sehr wertvolle, aber umso detailreichere nackte Frau auf dem Papyrus gemalt sehen. „Hebe das doch bitte auf, Nikolaos.“, meinte er zu dem neuen Akroates. „Meine Herren, ein neuer Student. Ich erwarte, dass ihr ihn angemessen aufnehmt.“ Der Bibliothekar sah zu Nikolaos. „Ihr könnt euch sicherlich noch selber bekannt machen. Was ist auf dem Papyrus?“, fragte der Bibliothekar ohne darauf zu achten, ob Nikolaos dieses wirklich aufgehoben hatte.





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    ~~Tychios von Chalkis~~


    Tychios, der Bibliothekar, legte seine Fingerspitzen gegeneinander in einer sehr bedachten Geste (zumindest wirkte sie so) und legte dabei seine Handballen auf dem Schreibtisch ab. Seine Goldringe, die eigentlich recht protzig für einen 'Gelehrten' wirkten, glänzten im Sonnenlicht. Doch so warm wie das Licht der Sonne auf dem Gold wirkte, so kühl war die Haltung des Bibliothekars. Oder mehr reserviert, womöglich sogar etwas gehemmt?


    Sein rechter Mundwinkel zuckte immer mal wieder nach unten, dann nickte er langsam. „Jemand, der sowohl gut Griechisch, als auch Latein in der Schrift beherrscht ist nicht uninteressant für das Museion...seitdem die vermaledeiten Römer hier sind...“, die letzten sechs Wörter raunte er fast unhörbar. Doch gleich darauf nickte er nachdenklich. „Was ich Dir anbieten könnte, wäre womöglich die Stelle eines Grammateus. Ich denke nicht, dass Dich die Stelle des Gnorimos sonderlich interessieren würde, ich meine, eine Frau als Gelehrte...absurd...findest Du nicht auch? Oder hättest Du doch...Interesse daran...?“, fragte er etwas zugeknöpft.


    Tychios hatte sich nie damit anfreunden können, dass auch Frauen ins Museion kamen und dort der Beschäftigung des Wissens nach gingen. Er kämpfte zwar nicht alleine gegen Windmühlen mit seiner Aversion, aber selbst als Bibliothekar hatte er nicht ein Verbot von Frauen am Museion erwirken können. Aber einer der großzügigsten Gönner des Museion hatte erst vor einigen Wochen seine Tochter an das Museion geschickt und Tychios hätte es fast das Amt gekostet als er das Mädchen angeraunzt hatte und sie vom Museion verweisen wollte. Seitdem war er Frauen gegenüber in dieser Hinsicht etwas vorsichtiger.





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    In verschiedenen Häusern rund um das große Museiongebäude angeordnet, liegen die Schlafräume der Studenten. Es ist meist ein schmuckloser, dennoch farbenprächtig bemalter Raum mit großen Fenstern, die mit hohen Fensterläden des Nachts oder mehr am Tage verschlossen werden können. Zahlreiche Lager, ein Dutzend für jeden Raum, sind hier eingerichtet. Der Boden besteht aus Stein, verschiedenster Farben, der doch so zahlreich in dieser Provinz abgebaut wird. Doch hier nächtigen meistens nur die Schüler, die nicht aus den reichen und prominenten Familien Alexandrias oder der hellenisch-römischen Welt entstammen, denn diese bewohnen meistens deutlich komfortablere Räume. Doch auch diese Schlafräume sind von der Wohnlichkeit weit über den eines normal verdienenden Bürger der Stadt, was den Komfort und die Sauberkeit angeht. Selten, und meist nur in der tiefen Nacht, kehrt hier wirklich Ruhe ein, denn unter den lebhaften Studenten, derer es doch zahlreich im Museion gibt, pulsiert das Leben und sie stellen das schlagende Herz der Schule dar.


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    ~~Tychios von Chalkis~~
    Ohne eine Regung auf dem Gesicht schrieb der Bibliothekar weiter. Der junge Mann, Hermaios, sah erst noch erleichtert von Urgulania zu dem Bibliothekar, wartete und wartete, wippelte unruhig auf den Fersenballen hin und her, warf einen zerknirschten Blick Urgulania zu ehe der Bibliothekar kurz den Kopf anhob, die Augenbrauen wölbte und ihn mit einer herrischen Geste fort schickte. „Du kannst gehen!“ Der Sklave seufzte enttäuscht, verbeugte sich jedoch eilends und auch noch mal mit ausladender Bewegung vor Urgulania ehe er aus dem Zimmer entschwand. Nun war die Römerin alleine mit dem griechischen Gelehrten. Doch der legte erst eine geschlagene Minute später die Feder zur Seite und lehnte sich zurück. Dann schaute er das erste Mal überhaupt Urgulania an. „Iunius Silanus, Konsul von Rom. Die Iunier! So, eine von der Nobilitas also.“ Unbeeindruckt sah Tychios die Römerin an. Einige Sekunden vergingen, dann deutete er auf einen Stuhl. „Mir wurde gesagt, dass Du nach einer Anstellung suchst. Doch Du bist keine Gelehrte. Was für Fähigkeiten bringst Du mit? Ich nehme mal stark an, dass Du Lesen und Schreiben kannst, doch auch in der griechischen Sprache?“




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    ~~Tychios von Chalkis~~
    Idyllisch plätscherte das klare Wasser in den Brunnen, zauberte Wasserringe auf die Oberfläche und glitzerte in den gleißend hellen Strahlen von Helios Angesicht. Einige Schritte entfernt gingen zwei junge Männer vorbei, die dem Epistates respektvoll zunickten, kurz und neugierig dabei Nikolaos musterten und auf das Haupthaus zuliefen. „Physis liebt sich zu verbergen. Fürwahr. Nichts ist statisch und alles im Wandel. Und Wasser symbolisiert das wie kein anderes Element.“, bestätigte Tychios den ausgesprochenen Gedankengang des neuen Schülers am Museion.


    „Schneller, schneller, wir sind mal wieder zu spät. Warum hast Du mich bloß nicht geweckt?" Ein Mann, in den besten Jahren seines Lebens und einem hellbraunen Chiton gewandet (worauf man noch einige Weinflecken ausmachen konnte und der ebenso von Wasser, reichlich Wasser benäßt war) hastete auf das Haupthaus zu. Ein Sklave eilte schnell den Weg hinterher, einige große Schriftrollen unter dem Arm und jammerte kläglich. „Das habe ich doch, Herr, aber ihr wart einfach nicht zu wecken. Erst mit dem Wasser aus dem Krug...“ - „Ja, ja, darüber sprechen wir auch noch..aber los, spute Dich...“ Und schon war das Gespann von dannen. Der Epistates sah dem Mann noch einen Moment mit eisigem Ausdruck hinter her. „Es wird wohl Zeit, dass ich einige Entlassungen durchführe...“, murmelte er, wohl mehr zu sich selber.


    „Gerade am Museion wirst Du die Gelegenheit haben das Studium der alten Philosophen intensiv zu führen, denn nirgends auf der Welt gibt es eine derartige Sammlung originaler Schriften- von Heraklit bis Anaximenes.“ Selbstgefällig lächelte Tychios, wenn es doch weniger sein Verdienst war, dass es derartige seltene Schriften in der Bibliothek von Alexandria gab. Aber das schien ihn nicht zu stören. „Nun, dann zeige ich Dir wohl am besten Mal die Räumlichkeiten, wo Du wohnen kannst. Oder was meinst Du?“, es glitt tatsächlich eine Andeutung von einem freundlichen Lächeln über das Gesicht von Tychios, was ehrlich wirkte.




    Ergeben hing Hermaios an den Lippen der schönen Frau vor sich- freilich nur metaphorisch gesehen, wenn man es jedoch an seiner 'Stirn' schon ablesen konnte, dass er es gerne auch tatkräftig tun würde. Doch so nickte er völlig hin und weg, schüttelte dann jedoch energisch den Kopf. Mit einer wegwerfenden Geste meinte er: „Hah, schöne Frau, ihr könnt nicht älter als zwanzig Lenze sein. Einen Griechen braucht ihr nicht zu täuschen in dieser Hinsicht. Uns liegt das Erbe Zeus im Blute.“ Er grinste breit und schüttelte abermals energisch den Kopf. “Wenig Talente? Das kann ich mir nicht vorstellen. Schon die Wahl Eurer Worte vermag dies zu negieren und zu leugnen.“ Hermaios schürzte die Lippen und sah Urgulania einen Augenblick lang ratlos an. „Schick sie einfach zum Epistates, Junge.“, raunte Xerxes von hinten und ließ dabei seinen Stylus sinken. „Ja...“, hauchte Hermaios, starrte Urgulania jedoch nur an. Erst ein heftiges Räuspern von Xerxes ließ ihn aufschrecken. „Verzeiht!“, murmelte Hermaios abermals dabei errötend.


    Schnell wandte er sich um und verschwand durch die Tür zum Arbeitszimmer des Bibliothekars. Xerxes sah nur kurz zu Urgulania, dann widmete er sich wieder seiner Arbeit. Einen Moment später kam schon der junge Sklave wieder hinaus. „Der Bibliothekar hat für Euch Zeit, werte Dame. Folgt mir doch bitte.“ Eilends hielt er Urgulania die Tür offen. Leise raunte er ihr noch zu: „Und seid nicht abgeschreckt, werte Dame, der Bibliothekar ist Frauen gegenüber...nun, sagen wir etwas eigen. Und nicht immer höflich. Aber zu vielen Männern eigentlich auch nicht...nun, ihr werdet wohl selbst sehen...“, fügte er zerknirscht an. Dann trat er in den nächsten Raum hinein.



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    ~~Tychios von Chalkis~~
    Drei Goldringe glänzten am Finger der Bibliothekars als er mit einer tief roten Feder über ein ledernes Pergament glitt und darauf in einer blauen Schrift elegant geschwungene griechische Zeichen hinterließ, deren Sinn man von Ferne nicht erkennen konnte. Ebenso golden waren die Fäden, die sich durch sein Gelehrtengewand hindurch zogen und komplexe und nicht undezente Muster in dem Stoff hinterließen. Seine weißen Haare waren sorgfältig nach hinten gekämmt, sparten dabei jedoch seine Halbglatze aus, auf denen sich einige Altersflecken zeigten. Hermaios führte Urgulania direkt bis zum dem Tisch. „Ähm...“, er räusperte sich. „Die Dame, Herr!“ Der Bibliothekar schrieb seelenruhig weiter, die Feder verursachte dabei leise Kratzgeräusche. Nach einigen Sekunden meinte er, ohne aufzublicken. „Und hat die Dame auch einen Namen?“ Hermaios Mund öffnete sich verblüfft. „Ähm...sicherlich hat sie das!“ Hilfe suchend sah er zu Urgulania.




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    ~~Tychios von Chalkis~~
    Überrascht wölbte sich die Augenbraue des Bibliothekars in die Höhe. „Von mir durch das Museion geführt?“ Der Epistates betrachtete den jungen Nikolaos nachdenklich und mit etwas zur Seite geneigtem Kopf. „Wahrlich ist es mehr meine Angewohnheit einen Sklaven mit diesen Dinge, wie das Führen durch das Museion, zu beauftragen. Aber ich denke, Du bringst mich auf eine vorzügliche Idee. Denn die Bittsteller, die noch vor meinem Arbeitszimmer warten, werden mich Zweifelsohne nur noch langweilen.“ Einen Augenblick später erhob sich der Bibliothekar und trat bis zur Tür, die sich auf scheinbar magische Weise vor ihm öffnete. Doch es war gleich zu erkennen, ein Sklave stand dahinter und keine von Menschenhand erschaffene Maschine hatte das vollführt. „Dann folge mir, junger Nikolaos!“ Mit den Worten ging der Bibliothekar voraus und ignorierte die verblüfften Blicke der Bittsteller.



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    ~~Tychios von Chalkis~~
    Vom Hauptgebäude aus schlenderte der Bibliothekar langsam auf einem der hell leuchtenden Kieswege entlang, vorbei an einigen Orchideenarten, die aus Kleinasien stammten und unter einer großen Zypresse blühten. Kleine Wasserläufe zogen neben den Pflanzen vorbei und benäßten die kostbaren Wurzeln dieser empfindlichen Pflanzen. Die lange helle Gelehrtenrobe des Bibliothekars glitt über die weißen Steine und schien damit zu verschmelzen. Tychios hatte seine Hände hinter dem Rücken verschränkt und sog die Luft durch seine Nase ein. „Der schönste Platz im ganzen Museion ist hier im Park.“, meinte er nach einigen Momenten des Schweigens. „Aber Du wirst sicherlich noch das Museion erforschen in den nächsten Monaten oder Jahren, die Du mit Deinen Studien hier verbringst. Und wer weiß? Womöglich führt es Dich eines Tages selber als Lehrer an das Museion oder sogar auf den Stuhl, auf dem ich momentan viel Zeit verbringe.“ Tychios Mundwinkel zuckten kurz, doch nicht lange. Er schritt auf den Brunnen zu und blieb an seiner Seite stehen. „Wasser ist ein wunderbares Element!“, wiederholte er seine Aussage. „Fluide, lebendig, immer in Bewegung. Es bleibt niemals stehen, es überwindet alle Hindernisse und bricht sogar Stein. Weder Feuer, noch Erde, noch Luft vermögen die Taten von Wasser zu vollbringen. Hast Du Dich bereits mit den Philosophen aus der Zeit vor Sokrates beschäftigt? Und mit Aristoteles?“





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    Grün und in zahlreicher Farbenpracht erstrahlt der Park des Museion. Denn obwohl hier das ganze Jahr lang die brütende Wärme vorherrschent wie im restlichen Alexandria, so haben sich doch so manch einer der Gelehrten Konstrukte einfallen lassen, damit die Pflanzen stets genug Wasser aus einer der zahlreichen Zisternen der Stadt erhalten. Zudem haben Forscher, Naturphilosophen, 'Botaniker' und viele begeisterte Gelehrte den Garten im Laufe der Jahre und Jahrzehnte mit 'exotischen' Pflanzen aus allen Teilen des Imperiums und darüber hinaus bereichert. Genauso wie den Tierpark, der ebenso ein Teil des großen Museionkomplexes ist. In der Mitte des Parkes befindet sich ein großer Brunnen aus hellem Marmor, der in Rot und Gold bemalt ist und wie von Zauberhand Wasser nach oben sprudeln läßt. Zahlreiche Wege führen auf den Brunnen zu von den Nebengebäuden, dem Bereich mit den Tieren, den Säulengängen und dem Hauptgebäude. Der Park und auch die exotischen Tiere laden zum Betrachten, aber auch zu geistreichen Austausch im Freien, ebenso zum nachdenklichen Sinnen ein. Von so manch einem Schüler wird dieser jedoch auch genutzt, um heimliche Liebestreffen einzugehen oder einfach faul in der Sonne zu liegen.

    ...an dem Ort, wo die Suche niemals enden wird- zumindest diejenige nach Weisheit und Erkenntnis nicht. Hermaios schien jedoch am Ende 'seiner' Suche zu sein, denn just als Urgulania den Vorraum betrat, hellten sich die Gesichtszüge des jungen Mannes auf und er sah der Frau entgegen, sein Mund klappte herunter, er vergaß das Atmen und schaute sie verdattert an. Aus den Augenwinkeln bemerkte Hermaios die Bewegung des älteren Sklaven Xerxes, der sich der Suchenden zuwenden wollte und stolperte hastig nach vorne, direkt vor ihre Füße. Sogleich wurde er für seinen Eifer belohnt. Was für ein entzückender Akzent, befand Hermaios sofort und sah ihr verträumt in die Augen. „Ch..Cha...Chaire, Holde. Eine...!“ Hermaios vestummte. Denn er hatte sich so sehr auf ihre Stimme, ihren Akzent und ihr Strahlen konzentriert, dass ihm das Anliegen entgangen ist. „Ähm!“, murmelte er und wurde knallrot im Gesicht. „Sie will eine Anstellung, Junge. Mann, Mann. Das müssen die Säfte sein, jaja, bei der Jugend immer in Disharmonie.“ Kopfschüttelnd kritzelte Xerxes weiter auf einem Stück Tafel herum, was den Raum mit einem lauten Quietschen füllte. Hermaios kratzte sich verlegen an der Wange. „Ja...“, meinte er kleinlaut. „Eine Anstellung? Seid ihr eine Gelehrte oder schwebt Euch etwas anderes vor?“





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    ~~Tychios von Chalkis~~


    Skeptisch wölbte sich die Braue des Epistates in die Höhe, warf dabei seine Stirn in Falten und ließ sein rechtes Oberlid leicht zucken. „Vorsicht ist geboten, junger Nikolaos. Die Mysterien anderer Kulte zu kennen ist nicht unanstrebenswert, dennoch besteht schnell die Gefahr von ihren unsichtbaren Fäden gefangen zu werden und den Glauben an die wahren, hellenischen Göttern zu verlieren. Aber was die Sprachen angeht, gebe ich Dir gerne Recht, Nikolaos. Denn das Wort verrät viel über einen Menschen und seine Art zu denken, zu leben und zu sein. Zudem ist das Wort der Anfang von Allem, umfasst die gesamte Welt und ist das, was ein leicht belesener vielleicht als die Idee des Platons erfassen würde. Aber ich sehe schon, wir beginnen bereits mit dem Erforschen der Wahrheit und der Weisheit. Aber es zeigt sich, die Welt und jedes Handeln ist von der Philosophie durchdrungen.“


    Tychios rieb bedächtig seine Handflächen gegeneinander und ließ seinen Blick einen Augenblick auf den Lichtreflexen seines Tisches ruhen, die sich strahlenförmig an dem glänzenden Holz brachen und ein eigenes Muster auf der Platte hervor zauberten. Erst dann sah er auf und wieder zu Nikolaos. „Aber nein, Wissen zu sammeln ist nicht verwerflich und wohl kaum verdammbar. Nur den rechten Umgang mit dem Wissen muss ein junger Mann wie Du noch lernen und das wirst Du gewiss hier am Museion.“ Tychios lächelte dünn und dachte schließlich eine Weile lang über die 'Problematik' des Wohnens nach, ehe er andächtig* nickte. „Die Suche nach dem Wissen sollte Dich stets umgeben, weswegen es gut ist, wenn Du, so oft Du es kannst, hier im Museion verweilen würdest. Zudem würde es sicherlich auch Deine Mitschüler freuen einen weiteren Gefährten zu haben.“ In dem folgenden Lächeln von Tychios lag jedoch noch etwas anderes, was schwer zu benennen war, vielleicht ein Hauch von Gier? „Dann werde ich Dir gleich die Unterkunft zeigen lassen, wo Du leben kannst, wenn Du im Museion weilst. Zudem noch die Räume des Unterrichts und alles, was Du sonst wissen solltest. Doch zuvor: Hast Du noch Fragen, Nikolaos?“




    *(Es wurde langsam klarer: Entweder war es in seiner Natur oder er hatte lange Jahre dafür geübt, stets in seinen Gesten erhaben zu wirken. Dennoch wirkte es manches Mal sogar etwas übertrieben.)





    Die Neun Musen, die zum Gefolge des Gottes Apollon zählen, gelten in der hellenischen Welt von Alters her als Schutzpatroninen der Freien Künste. Sie inspirieren den Künstler zu seinen Werken. Von daher genossen sie seit den Zeiten Homers hohes Ansehen im griechischen Kulturkreis und darüber hinaus.


    Bereits im klassischen Athen war es Sitte an den Philosophenschulen, den Musen ein Heiligtum zu errichten. Die makedonischen Könige, die sich als Gönner und Förderer der freien Künste sahen, folgten ebenfalls dieser Tradition und gründeten in ihren Residenzstädten Musenheiligtümer, die zu Zentren der Kunst, Literatur und Gelehrsamkeit wurden. Auch das Museion in Alexandria folgt dieser Tradtition, weswegen der Tempel der Musen das Zentrum des Museionskomplexes ist. Dieser Rundtempel darf nur von der Priesterschaft betreten werden, die sich aus den Gelehrten des Museions zusammensetzt. Diese haben neben ihren akademischen Aufgaben auch die Pflicht, das Heiligtum zu pflegen und den dortigen Kult zu lenken.

    Jeder der Neun Musen ist ein eigenes Fachgebiet zugeordnet: Klio steht für die Geschichtsschreibung, Melpomene für die Tragödie, Terpsichore und Euterpe und Polyhymnia für Lyrik und Tanz, Thalia für die Komödie, Erato für die Liebesdichtung, Urania für die Sternkunde, Kalliope für Epik, Philosophie, Rhetorik und Wissenschaft.


    Anhand der Verehrung der Musen lässt sich noch der ursprüngliche Charakter des Museions erkennen, welches mehr ein Hort der freien Künste als eine Akademie im heutigen Sinne war. Auch zeigt sie, wie eng Wissenschaft und Kunst im griechischen Denken miteinander verflochten sind.

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    ~~Tychios von Chalkis~~


    Ein Tonbecher fiel um, als der erschrockene Besucher, ein junger Mann, sich um wandte und mit dem Ellbogen gegen das Gefäß stieß. Rot wie Blut, im Sonnenlicht funkelnd, ergoss sich der Inhalt des Bechers über einem elfenbeinfarbenem Vellum, verwischte blaugraue Tinte und sorgfältig bemalte Buchstaben. Erschrocken starrte der junge Mann, dem das Malheur durch den Schreck passiert war, auf das kleine Desaster. „Tu...tu...tu...tut mir l-l-leid!“, stotterte er hilflos. „Idiot!“, herrschte ihn der Bibliothekar leise an und erhob sich mit Ingrimm auf dem Gesicht, welche Gefühlsregung er sogleich auf die herein tretende Römerin richtete. „Pflegt man in Rom nicht an den Türen zu klopfen oder die Regeln des Hauses zu respektieren?“ Kalt starrte er die Frau ein, die so unaufgefordert in sein Reich geplatzt war. Abgesehen davon, dass der Bibliothekar es einfach als unverschämt empfand, war sie noch eine Frau und für ihn somit sowieso ein suspektes Wesen, fern von ratio und logos. „Im Auftrag der Schola? So, was wünscht die Schola von dem Bibliothekar des Museion?“, fragte er frostig.




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    ~~Tychios von Chalkis~~


    Äußerst zufrieden kräuselten sich die Lippen von Tychios auf die Erwiderung des Jünglings hin. Wohlwollend und deutlich von dem jungen Mann vor sich angetan lauschte der Bibliothekar den Worten von Nikolaos, neigte mal anerkennend den Kopf und behielt die ganze Zeit seine Hand auf der Schulter von Nikolaos. Erst als Nikolaos seinen letzten Satz, sein finales Wort seiner Wünsche gesprochen hatte, entfleuchte dem alten Bibliothekar, dessen graue Augen Nikolaos sehr aufmerksam ansahen, ein entzücktes Seufzen. „Wohl denn, ich sehe ein strahlendes Licht am Museion erglühen. Mit dem richtigen pneuma werden wir sicherlich ein Feuer des Wissens entzünden können.“ Endlich löste sich die Hand von Nikolaos Schulter, aber auch nur, weil der Bibliothekar sich wieder ganz aufrichtete und langsam zu einem kleineren Nebentisch ging, wo ein Gegenstand lag, der hoch von Gestalt war und mit einem weißen Tuch bedeckt war. „Fürwahr, junger Nikolaos, es ist viel, was Du zu lernen wünschst, aber nicht minder erwarte ich von einem aufgeweckten Geist wie Du ihn besitzt. Deine Talente nicht zu pflegen wäre ein fruchtbares Land brach liegen zu lassen. Oh nein, strebe immer nach Größerem und Höherem und lasse Dir nicht einreden, weniger erreichen zu wollen.“


    Seine rechte Hand zog das weiße Linnen von dem Gegenstand hinab und sorgfältig, fast pedantisch faltete er das beige Tuch in seinen Händen. „Die Tugenden der Philosophie strebst Du also an? Der Erkenntnis vom Mikro- und Makrokosmos, die Harmonie der Musik und die Kunst der Sprache, die der Wahrheit und der Philosophie verpflichtet ist, desgleichen ethos, pathe und logos vereint, zudem suchst Du nach dem Wissen um die Vergangenheit, um das Gegenwärtige zu erkennen. Sehr klug. Doch Du machst mich neugierig, warum die Sprache der Hebräer? Das Aram?“


    Tychios trat etwas zur Seite und offenbarte die Gerätschaft, die auf dem Tisch mit der strahlend hellen Marmorplatte stand. Es war eine Vorrichtung aus zahlreichen bläulichen Glasbehältnissen, in dessen gläserne Strukturen sich beim Herrstellen des Glases sich große Luftblasen eingefangen haben, verbunden wurden sie mit Messingteile und Kupferstücken zwischen denen fein geschnitzte Holzröhrchen angebracht waren. Tychios drehte an einem oberen Glas und ein leises Blubbern ertönte, ebenso das Plätschern von Wasser. Langsam füllte sich das zweite bläuliche Glas in diesem Konstrukt. „Der menschliche Geist ist zur großen genialen Taten fähig, die einem Normalsterblichen als pure Magie vorkommen muss, wie diese Wasseruhr hier. Türen öffnen sich von Geisterhand, Wasser sprudelt aus einem Brunnen in einer Fontäne nach oben, ein kleiner mechanischer Vogel tanzt auf einer bronzenen Platte und doch ist alles nur von Menschenhand geschaffen, in diesen Hallen, in der größten Schule des Wissens. Wenn ein Mensch hoch hinaus will, dann vermag er es hier unter all den brillanten Geistern dieser Welt.“ Tychios drehte sich mit einem gar schon triumphalen Lächeln um und ging wieder zu dem Schreibtisch, wobei er die Wasseruhr weiter ihr Werk vollführen ließ. „Schon die Ägypter waren in der Lage zu solchen Konstrukten. Bereits viele hundert Jahre bevor wir beide das Licht dieser Welt erblickt haben.“ Er warf der Uhr schon fast einen liebevollen Blick zu. „Wasser, das schönste Element.“


    Dann trat er wieder um den Tisch herum, nahm Platz und verschränkte die Hände. „Nikolaos, ich nehme Dich gerne als Schüler des Museion auf. Sei willkommen! Wohnst Du in der Stadt oder benötigst Du noch eine Unterkunft? Oder anders gefragt: Möchtest Du wie die anderen Schüler im Museion leben oder lässt sich das mit Deinem Posten in der Stadt nicht vereinbaren?“