Beiträge von Prosekon tou Mouseiou

    Charisis von Samothrake
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    Der Philosophos hörte sich das dümmliche Geschwafel seiner Schüler mit stoischer Gelassenheit an, und fragte sich sogleich innerlich, ob er es jemals mit einem Schüler zu tun bekommen würde, der nicht sofort versucht der alten Polis seine eigenen Vorstellungen einzuinterpretieren.


    "Alles Quatsch.. euch Hornochsen sitzt definitiv zuviel Rom zwischen den Ohren...", wischte er sämtliche Antworten mit einer abwertenden Handbewegung fort, und kam im folgenden auf eine sehr einfache Antwort, "..die Polites in Athen verweigerten sich zunehmend ihren traditionellen Aufgaben, die vor allem im Heerwesen lagen. Das erbringen von Leistung ohne entsprechend adäquate Belohnung oder Partizipation an universellen Entscheidungen konnte nur zu sozialen Unruhen führen... was macht man also, um diese Krise zu überwinden? Na? Was?"


    Hier und da kam ein Einwurf, der bei dem alten Gelehrten nur Kopfschütteln hervorrief, bis er der Dummheit seiner Eleven schließlich überdrüssig wurde, und auf die Reformen des Solon zu sprechen kam. Nach einer Weile der Unruhe in der Polis hatten es sich einige gebildete Männer, unter ihnen der den Eupatridei entstammende Solon, zur Aufgabe gemacht nach einer Lösung für die Krise zu suchen. Sie meinten diese schließlich in einer Neuordnung des athenischen Systems gefunden zu haben: die Bürger Athens wurden ihrer wirtschaftlichen Tragkraft entsprechend in vier Klassen eingeteilt, welche wiederrum mit bestimmten Privilegien einhergingen. Die meisten Eupatridei gingen hierbei in der Klasse der Großgrundbesitzer auf, mussten sich diese allerdings auch mit besonders vermögenden Polites teilen. Den König gab es den Ausführungen über diese Zeit schon gar nicht mehr. Neu eingeführt wurde die Ekklesia, eine quasi-demokratische Volksversammlung, die Rechenschaft von den städtischen Beamten verlangen, über Gesetze abstimmen und über Krieg und Frieden befinden konnte. Ein weiteres Novum war die Bule, die Ratsversammlung, aus der vierhundert Bürger aus den verschiedenen Teilen der Stadt der oberen drei Klassen bestehend, die die Archonten direkt überwachte und die Ausführung der ekklesischen Beschlüsse kontrollierte.. sowie Eingaben für diese vorbereitete. Die Gerichtsbarkeit, ehemals dem Aeropagus zugetragen, wurde nun dem Volksgericht überführt, welches bei kleineren Vergehen stattfand, und in welchem die Angehörigen aller vier Klassen sowohl Recht sprechen als auch klagen konnten. Der Aeropag selbst musste viele Kompetenzen abgeben, wurde ausschließlich mit Mitgliedern der ersten Klasse besetzt und hatte weiterhin die Blutgerichtsbarkeit inne... und konnte Beschlüsse der Ekklesia zurückweisen.


    Nach diesen Ausführungen starrte Charisis seine Schüler lange an, bevor er sie schließlich mit zwei Fragen entließ: worauf zielten diese Reformen nun ab? Und woran könnten sie kranken?




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    Charisis von Samothrake
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    Ein weiterer Tag des Kurses brach an, und heute würde Charisis von Samothrake den finalen Part einleiten: die Betrachtung der athenischen Verfassung und deren Entwicklungen im Detail. Sein Publikum hatte sich bisher recht diskussionsfaul gezeigt, es waren vor allem alte Hasen die hier und da einen Kommentar zu einer athenischen Persönlichkeit eingeworfen hatten, ansonsten hatte Charisis vornehmlich alleine doziert. Das hatte seine guten Seiten, allerdings wurde dem Dozenten so auch recht schnell langweilig, was schließlich darin mündete, dass der die aristotelischen Theorien irgendwann nur noch runtergelaiert hatte.
    Heute hoffte der Philosophos allerdings auf etwas mehr Beteiligung, schließlich ging es um die Einschätzung der politischen Tragfähigkeit der Verfassung zum Ende des dunklen Zeitalters.


    "Meine Herren...", begann er seinen Vortrag, "..wir werden uns heute die Verfassung der Polis Athen zur Zeit der Könige ansehen, also vor den Reformen des Solon von denen wir bereits ansatzweise gehört haben. An der Spitze des athenischen Staates zu dieser Zeit stand der Basileus, gestützt von den Eupatridei, dem mit großen Privilegien versehenen athenischen Geburtsadel. Diese beiden Machtblöcke zusammen stellten den Aeropag, den obersten Rat. Im Aeropag beriet man sich mit dem Basileus, sprach Recht und beaufsichtigte die Geschicke des Staates. Aus dem Aeropag selbst wurden die Archontes erwählt, welche als städtische Beamte die täglichen Geschäfte des Staates führten und nur dem Aeropag selbst zu Rechenschaft verpflichtet waren. In Kriegszeiten wurden zudem Archontes Polemarches ernannt, welche das Heer befehligten."


    Der Samothraker räusperte sich einen Moment, und orderte auf die übliche Art und Weise einen Schluck Wasser bevor er damit fortfuhr, den größten Unterschied heraus zu kristallisieren und schließlich zu betonen: es waren nur diese beiden Gruppen, der Basileus und die Eupatridei, die zu politischer Einflussnahme im Athen der benannten Zeit befähigt wurden. Neben den Gynaikes, den Metöken und den Doulos als generell machtlosen Bevölkerungsgruppen war es die große Gruppe der Polites, der athenischen Vollbürger, die nicht an der politischen Entscheidungsfindung beteiligt waren. Zwar konnten diese Besitz ihr eigen nennen und ihren Teil zum Kriegsdienst beitragen, allerdings waren sie vom Aeropag ausgeschlossen.
    Charisis unterstrich am Ende noch einmal die Größe der verschiedenen Gruppen der athenischen Bevölkerung, und stellte schließlich eine direkte Frage an seine Schüler: der Basileus war nur einer, die Eupatridei sehr wenige.. die Polites stellten einen großen Teil, genauso wie die Frauen. Die größte Gruppe wurde von den Metöken ohne Bürgerrecht und den Sklaven gestellt... welche Folgen könnte eine solche Zusammensetzung bei einer solchen politischen Struktur haben?



    TDV

    Charisis von Samothrake
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    "Nun...", fuhr der Gelehrte fort, als sich keine Fragen auftaten. Wunderlich war das nicht, immerhin hatte er bisher nur die Geschichte der Polis doziert, und da gab es recht wenig zu diskutieren.
    Ein Wink, und ein Diener brachte Wasser herbei um den Philosophos seine Kehle befeuchten zu lassen, ein weiterer, um Diener mitsamt Wasser wieder verschwinden zu lassen.


    "...wir fahren mit den großen Gestalten der athenischen Geschichte fort, von denen es viele gibt, denn die Polis verstand es perfekt, durch die Ertüchtigung seiner Bürger in Körper und Geist diejenigen hervortreten zu lassen, welche zu den Größten ihrer Zeit gehörten.", begann er im folgenden von den Berühmheiten Athens zu erzählen, "Beginnen wir mit den großen Gestalten nach dem Ende des dunklen Zeitalters... zu aller erst wäre da Solon zu nennen, den wir uns später noch genauer ansehen werden... Solon wurde als Sohn des Exekestides geboren und gehörte damit den Eupatridei an, die die Staatsgeschicke seit dem Niedergang des Königtums maßgeblich beeinflussten. Als Person des öffentlichen Lebens ist Solon in Erscheinung getreten, als das Gesetz erlassen wurde, welches jedem Athener bei Androhung der Todesstrafe verbot eine Wiederaufnahme der zermürbenden Kämpfe mit der Polis Megara um Salamis vorzuschlagen. Solon selbst soll hierbei die Menschen entgegen dieses Gesetzes dazu angestachelt haben, Salamis zurück zu erobern, was schließlich auf friedlichem Wege durch diplomatische Verträge geschah. Später soll er sich auch für einen Krieg gegen die Polis Krissa zum Schutze des Heiligtums in Delphi ausgesprochen haben.. wir sehen, Solon war eine umtriebige Figur, und auch als früher Philosophos dem Kampfe nicht abgeneigt. Den Höhepunkt seiner Laufbahn hatte er als großer Reformer der politischen Verfassung Athens, was wir später noch ausführlich besprechen werden... nach dieser Reform trat Solon eine größere Reise an, der Gelehrte Plutarchos selbst hat geschrieben, dass dies vor allem aus Sorge um sein Leben geschah, da seine Reformen den Vertretern seines eigenen Standes nicht zusprachen, da er sie in ihrer Macht einschränkte, und dem Demokriten ebenso, da ihnen die Reformen nicht weit genug gingen. Bei seinen Reisen soll er auch Aegyptus besucht haben, einige behaupten er habe in Alexandria gelehrt, als dieses noch ein einfacher Fischerdorf war und das Museion noch nicht einmal erdacht! Danach ist man sich nicht einig, ob Solon es nach Cyprus auch wieder zurück nach Athen gezogen hat... nach seinem Tode soll seine Asche über ganz Griechenland verteilt worden sein, und noch bei Platon galt er als einer der weisten Menschen seiner Zeit. Sein Leitspruch soll gewesen sein: nichts im Übermaß. "
    Hiermit schloss der Philosophos die heutige Sitzung ab, begann die nächste am folgenden Tage mit Erzählungen über den großen Kleisthenes, der die Reformen des Solon fortsetzte und als Begründer der attischen Demokratie galt. Als Feldherr der Perserkriege wurde Themistokles gerühmt, der Tradögiendichter Aischylos fand ebenso Erwähnung wie Sophokles, Perikles, Herodot, der große Sokrates und der beinahe noch größere Platon.. abgeschlossen wurden die Erzählungen in den folgenden Tagen mit dem Staatstheoretiker Aristoteles.



    TDV

    Charisis von Samothrake
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    "Wo ist mein Schemel...", war das erste, was die Akroatoi des Kurses von ihrem Philosophos zu hören bekamen, und das erste, was sie von ihm sahen war sein Hintern, als sich Charisis von Samothrake durch einen Vorhang schob, offensichtlich seine Aufmerksamkeit noch auf etwas richtend, was dahinter lag. Es folgte eine Weile des Gemurmels, und der Hintern bewegte sich mal nach links, mal nach rechts... ab und an wieder zurück in den Vorhang, mal ein Stück hinaus, so dass ein wenig Rücken zu sehen war, aber nie zeigte sich der Philosophos komplett. Bis der irgendwo hinter dem Hintern zu vermutende Kopf die Geduld verlor: "Nein, du verdammter Ziegenfuß, das ist nicht mein Schemel. Mein Schemel hat nicht drei Beine, sondern nur zwei... such ihn! Los, such ihn!"
    Schließlich schob sich der Hintern aus dem Vorgang, begleitet von zwei Beinen, gefolgt von einem Rücken mit Armen dran, irgendwann auch der Kopf. Wer damit rechnete, dass der Gelehrte sich umwenden würde, um seine Schüler von Angesicht zu Angesicht zu grüßen, irrte sich gewaltig: Charsis von Samothrake bewegte sich weiterhin rückwärts auf das Podium zu, um das herum die steinernen Sitzbänke wie in einem Odeon angeordnet waren. Erst als er den zentralen Punkt erreicht hatte wandte Charsis sich um, und schenkte jedem seiner Akroatoi einen langen und eindringlichen Blick.
    "Ihr habt euch entschlossen, die Geschichte der Polis Athen zu studieren... und deren einmalige politische Verfassung. Das steht euch gut zu, denn wer lernt wie die Polis Athen entwickelt hat, wird verstehen wie man politische Gewalt zäumen kann, ohne sie Bewegungsunfähig zu machen. Aber... und dies lasst euch gesagt sein... ich werde diese Sitzung nicht eher beginnen, so mein Schemel nicht endlich hier ist. Ohne meinen Schemel werde ich kein Wort sagen. Jawohl." Sprach's, verschränkte die Arme vor der Brust und starrte durch die Schüler hindurch geradeaus ins Nichts. Und führte diese Art der Nullkonversation auch weiter fort. Es folgte Räuspern, Ächzen, das Geraschel von Stoff, hier und da ein Huster... aber Charisis von Samothrake blieb stur. Selbst als einer der erfahreneren Schüler sich tatsächlich von seinem Platz erhob, zögerlich an den Philosophos herantrat und ihm leise etwas zuflüsterte blieb der Gelehrte unbeweglich stehen, als wäre er erstarrt und bar jeder Wahrnehmung der Welt.
    Erst als ein Diener des Museions durch den zuvor erwähnten Vorhang geeilt kam, und dabei einen Schemel mit sich führte der so aussah, als wäre ihm ein Bein abhanden gekommen, zeigte der Gelehrte eine Regung in dem er in die Hände klatschte und vergnügt zu lachen begann.
    "Na also... ich dachte schon, ich könnte heute gar nicht mehr anfangen.", frohlockte der Grieche mit dem Lächeln eines achtjährigen, ließ sich mit laaaaaaangsamer Bewegung auf dem Schemel nieder (welcher von dem in einer Art Panik erfassten Diener in Balance gehalten wurde), wippte damit ein wenig nach vorn, nach hinten, bis er schließlich zufrieden wirkte und den Diener mit einer lässigen Handbewegung von dannen schickte. Er selbst schien keinerlei Probleme mit der Balance auf dem zweibeinigen Schemel zu haben, fast war es, als hätte er sein ganzes Leben auf diesem Schemel verbracht.
    "Nun...", begann Charisis schließlich, "..die Geschichte Athens ist eine ebenso lange wie verworrene. Wir beginnen heute im dunklen Zeitalter, in der Athen noch von Basileis regiert wurden... diese Basileis waren es allerdings, die am Ende des dunklen Zeitalters zunehmend im politischen Machtkampf mit den Eliten der Polis, den Eupatridei, schließlich ihre herausragende Stellung einbüßten. In dieser Zeit entwickelte sich Athen von einem einfachen Oikos, sprich einer dörflichen Versammlung mehrere Bauernschaften, zu einer Polis, sprich einem Stadtstaat, wie dem was wir heute darunter verstehen..." So begann der Vortrag des Charisis mit einer Einführung in die Geschichte Athens, begonnen hatte er mit dem dunklen Zeitalter der Könige, die schließlich ihre Stellung zwar symbolhaft behaupten konnten, jedoch gegenüber dem Geburtsadel der Stadt schließlich aufgeben mussten. Er erzählte darüber hinaus von den sozialen Spannungen, die mit dem enormen Wachstum und Machtzugewinn der Polis einhergingen, da eben nur der Geburtsadel politische Macht innehatte, die große Bevölkerungsmehrheit der Bürger und Nichtbürger allerdings ohne Einfluss dastand. Es sollte schließlich ein Mann namens Solon für eine erste Beruhigung der Lage sorgen, in dem er die politische Verfassung der Polis reformierte und die Bürgerschaften an der politischen Entscheidungsfindung beteiligte.
    Diese Reformen hatten jedoch nur vergleichsweise kurzen Erfolg, denn Athen musste im folgenden für mehrere Jahrzehnte die Rückkehr der Einzelherrschaft erdulden, welche in der sprichwörtlichen Tyrannis ihre Ausprägung fand. Es waren schließlich Staatsmänner wie Kleisthenes, die für die Bildung dessen sorgten, was man als frühe Demokratie bezeichnete, in dem er die politische Macht dezentralisierte wie nur eben möglich. Es waren die Kriege der Meder, die später einmal Perser genannt wurden, in welche Athen mit seiner starken Flotte eine tragende Rolle spielen würde, Herodot war einer der großen Namen dieser Epoche, die über das Ereignis schrieben.
    Die Ausführungen des Charisis kamen schließlich an dem Punkt an, an dem Athen nach den Perserkriegen zum absoluten Hegemon in der Region aufstieg, und durch das Machtinstrument des attischen Seebundes schließlich einen Konflikt mit einer ebenfalls sehr mächtigen griechischen Polis provozierte: Sparta.
    Der Peleponnesische Krieg würde beinahe ganz Griechenland verwüsten, und schließlich mit Sparta als Siegerpolis enden. Athen selbst hätte zwar seine Unabhängigkeit gewahrt, aber enorm an Einfluss in der Region eingebüßt. Ein Athener namens Thukydides war es, der die Ereignisse dieser Zeit für die Nachwelt festhielt.
    Die Zeit der athenischen Freiheit endete schließlich mit den Makedoniern unter Philipp II. und Alexander dem Großen, welche die athenische Kultur zwar verehrten, Athen selbst aber nicht die politische Unabhängigkeit zurückgaben. Lange nach dem Tod Alexanders würde Athen zwar wieder die Freiheit zurück erlangen, diese allerdings im mithridatischen Krieg gegen die Romäer wieder verlieren, und schließlich Teil des römischen Imperiums werden. Dies allerdings, und das war der Punkt, auf den Chasiris am Ende noch einmal explizit hinwies, unter weitestgehender Autonomie und Freiheit, da auch das Volk von Rom um die große Tradition und Bedeutung der Polis Athen wusste.



    TDV

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    IM NAMEN DER HEILIGEN BRUDERSCHAFT DER MUSEN UND DES APOLLON ZU ALEXANDRIA
    findet folgender KURS statt


    Geschichte und politische Verfassung der attischen Polis Athen




    Bemerkungen:


    Dieser Kurs richtet sich an all jene Männer und Frauen, die die berühmteste Polis Attikas studieren, ihre Geschichte kennenlernen und ihre politische Verfassung verstehen wollen.





    ANGEMELDETE TEILNEHMER:
    Titus Duccius Vala


    Die Münze schien wirklich Unglück zu bringen, und der Schreiber sah sie beinahe an, als wäre sie eine der Giftkobras, die hier in diesem Land nicht allzu selten waren. Und er hatte den starken verdacht, das Ding könnte nicht weniger unangenehm zubeißen.
    “Du hast ja gar keine Ahnung, was du hier verlangst! Sosimos unterhält sich mit jedem Schüler persönlich, bevor er entscheidet, ihn aufzunehmen. Und dein Herr überlebt bei so einem Gespräch nicht einmal zwei Minuten! Ich meine, Rhomäer sind hier schon so nicht so angesehen mit ihren fixen Ideen, und wenn sie dann nicht einmal eine zivilisierte Sprache sprechen können....“ Er sah schon fast hilflos zu Sirius, ehe er wieder zu dem Geldstück blickte. Ihm war ganz klar, dass der Halbverrückte keine Chance hatte, hier am Museion mit derart mangelnden Sprachkenntnissen aufgenommen zu werden, wenn Sosimos ihn einmal zu Gesicht bekam und er diesen am Ende auch als Hurenpups betitelte. Als griechischer Mann, Philosophos und stellvertretender Epistates tou Museion könnte er das sehr, sehr übel nehmen. Was ihn in eine für den Duccier sehr wichtige Position brachte. Die mehr wert war als eine Drachme!
    “Noch dazu die Gefahr, dass die Philosophoi und Philologoi Rückfragen über den neuen Schüler stellen, der so gar nicht begreifen will und nie etwas sagt. Da müsste ich ja stets aufpassen und ihn bestenfalls als stumm darstellen und dich als seinen Sprecher...“ Es gab durchaus solche wohlhabenden Männer, die einen Sklaven hatten, der irgendwelches Gewedel für sie übersetzte, weil sie selbst aufgrund einer Verletzung nicht mehr sprechen konnten. Wenn auch nicht viele. “Und in den Listen müsste ich euch führen, ohne dass Sosimos erfährt, dass ich ihn nachgetragen habe... dazu noch meine ganzen Kollegen hier, denen ich dasselbe erzählen müsste. Das wäre viel Überzeugungsarbeit, die ich leisten müsste... und dein Herr ist ja nicht grade unauffällig, so riesig wie der ist...“
    Definitiv mehr als eine Drachme. Ganz definitiv.

    Als der Verrückte zurückkam, wollte der Schreiberling sich einem ersten Impuls folgend unter seinem Tisch verstecken. Dann hatte er auch noch Gesellschaft und einen Korb Gemüse dabei! Was wollte er denn damit? Ja, die Möglichkeit, einfach unter den Tisch zu kriechen und so zu tun, als wäre man gar nicht da, war sehr verlockend, wenngleich er leider nicht schnell genug war, um es unauffällig zu tun.


    Da er aber noch immer stand – wohl in Schockstarre verfallen – als die Begleitung des Verrückten zu sprechen anfing, bekam er zumindest eine ganz grobe Ahnung, was denn schief gelaufen war. Rhomäer! Barbaren! Warum konnten die nicht alle eine zivilisierte Sprache lernen?!
    “'Nicht derartig mächtig' ist ein hehrer Euphemismus. Ich war kurz davor, die Traumdeuter vom Serapistempel fragen zu lassen, ob sie ein Orakel vermissen“, entfuhr es dem Schreiberling einigermaßen erleichtert, dass es nicht ganz so schlimm war. Mantiker waren dem Schreiberling wie wohl den meisten seiner Zeitgenossen sehr suspekt und er hatte daher eine gehörige Angst vor denen, deren Geist von den Göttern berührt worden war. Aber das hier war kein Verrückter, nur ein Rhomäer, auch wenn die Grenze zwischen beidem fließend war.
    “Und... wie will er hier lernen, wenn er keinen Ton versteht? Die meisten Philosophoi reden noch nicht einmal Koine, sondern Attisch! Die abgehobenen von der mathematischen Fraktion teilweise sogar Dorisch! Dein Herr versteht da doch keinen Ton und kann sich der Diskussion gar nicht anschließen?“ Und immerhin funktionierte Lernen nicht nur durch zuhören, sondern dadurch, dass der Philosoph mit seinen Schülern in offenen Disput trat. So war es stets gewesen. Wollte man sich nur informieren, konnte man lesen – oder sich vorlesen lassen. Aber lernen bedingte die Teilnahme.

    Oh Götter, was nur, was hatte er angestellt, dass er sich mit Wahnsinnigen rumschlagen musste? Noch dazu mit solchen, aus deren Worten man beim besten Willen keine göttlichen Botschaften ableiten konnte, wenn man nicht selber ein Orakel im Opiumrausch war? Und jetzt bestach der Mann ihn auch noch mit einer Silberdrachme!
    Der Scriba sah die Münze schon fast verzweifelt an, dann wieder hoch zu dem Mann, wieder zu der Münze. Das war schon viel Geld für einen einfachen Schreiberling. Aber er wusste ja trotzdem nicht, wofür das gut sein sollte oder was dieser Hurenpups hier unbedingt gestern machen wollte. Und es brachte bestimmt Unglück, wenn er das Geld einfach einsteckte. Einen Wahnsinnigen zu bestehlen war bestimmt ein ganz schlimmer Frevel. Der Scriba konnte geradezu den Atem der Nemesis in seinem Nacken spüren.
    Bestimmt schob er das Silberstück also wieder von sich und auf Richtung Vala zu. “Nein“, wiederholte er noch einmal sehr bestimmt, aber mit Verzweiflung im Blick. “Und jetzt geh bitte. Verschwinde einfach.“

    Jetzt brüllte der Kerl nach einem Sternbild! Um Hilfe suchend, nein flehend! sah der Schreiber sich zu seinen Kollegen um. Doch war da keine zu erwarten, nur wenig verhohlene Schadenfreude. Da verließ man sich auf seine Kollegen, und schon war man verlassen. Typisch. Musste er wohl allein mit dem Irren fertig werden.
    “Nein“, bestätigte er also nickend und wies bestimmt mit einer fast einladenden Geste auf die Tür, zu der Vala herein gekommen war. Dieses kurze Wort würde der große Kerl ja hoffentlich verstehen, vor allem wenn es mit einer scheuchenden Bewegung wie jetzt untermalt wurde. “Nein, nein. Also geh! Geh einfach wieder. Raus. Da raus! Komm, schön einen Fuß nach dem anderen und wieder raus hier. Komm schon, Barbaros, immer schön weitergehen. Khaire.“ Wenn er ihn nicht verscheuchen konnte, musste er wohl die Nubier rufen, die sonst die schweren Bücherrollen der großen Werke herumtrugen, damit sie den Riesen hier hinaustrugen. Er selber ging dem Kerl grade Mal bis zur Brust.

    Halt mich? Der Schreiber sah ziemlich entsetzt drein, denn er hatte nicht vor, diesen Irren hier anzufassen. “Äääähm?“ machte er in Universalsprache und sah sich hilfesuchend nach seinen Kollegen um, die alle grade noch furchtbar geschäftiger zu sein schienen und der ein oder andere in nur halbwegs unterdrückter Schadenfreude anfing, in seinen Bart zu kichern.

    Die Schreiberlinge, allesamt vertieft in die verschiedensten Schriften, die sie abschrieben, umschrieben, in Listen eintrugen, katalogisierten und sonstwie ordneten, sahen bei der sehr wirren Begrüßung allesamt wie vom Donner gerührt auf. Es dauerte einen Moment, bis der erste anfing, leicht zu prusten und sich wieder seiner Arbeit widmete, und auch die anderen beschlossen, diese nahezu mantischen Äußerungen mit Humor zu nehmen und sich wieder ihrer Arbeit zu widmen. Nur an einem blieb es halt doch Hängen, den vermeintlich Verrückten zu begrüßen. Was er auch mit einem vorsichtigen “Khaire...?“ dann tat.

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    Römische Münzen... Der Iatros nahm sie entgegen und gab sie gleich an Xenokles weiter. Sollte der sie bei einem der vielen Geldwechsler eintauschen, mit dem das Museion zwangsläufig viel zu tun hatte. Am Hafen gab es einige davon, und vor allem am Fremdenmarkt war ein Münzwirrwarr verschiedenster Prägungen vorzufinden aus aller Herren Länder, brachten die Seefahrer doch aus jedem angelaufenen Hafen wieder neue Münzen mit, die sie beim Würfeln gewannen oder sonstwie bekamen. Viele Händler wogen einfach das Material, um Vergleichswerte zu haben.
    “Wenn die Beschwerden nicht abklingen, soll dein Herr erneut kommen. Achja... und bring diesem Barbaren bei, vernünftig zu sprechen oder den Mund zu halten. Xenokles hilft dir, ihn hinaus zu bringen. Chairete.“



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    ~~ Xenokles ~~


    Und Xenokles kam auch schon herbei und half Sirius dabei, Vala wieder von der Liege zu bekommen, so dass dieser gehen konnte. Immerhin wurde der Tisch ja gebraucht für die vielseitigen Forschungen hier, man konnte den Mann da nicht einfach liegen lassen, bis er wieder klar war.
    Als Vala schließlich stand, entschuldigte sich Xenokles noch kurz mit einem gestotterten “Oh!“, als ihm etwas einfiel, und er bedeutete Sirius mit einer Geste, kurz zu warten. Hätte er er gesagt, hätte das wohl länger gedauert. In einem der Regale suchte der Akroates etwas bei den Tiegeln, die klirrend aneinanderstießen, während er sie beiseite schob. Nach ein paar Augenblicken kam er aber mit einem kleinen Töpfchen in der Hand triumphierend wieder zurück und hielt es Sirius hin.
    “D..da ii...i..ist Salbe. F..ff.fffür das B-bein. W-w..w...w...wwww....wenn es sch...schmm.. weh tut. Von einem ff..ff...früher... früheren I..i...Arzt. A-aber v-v-vorsicht. D-da drin ist Sch...Sch...Schhhh...“ Er strengte sich wirklich an, so sehr, dass sein Kopf sogar leicht rot wurde, als er versuchte, das Wort herauszupressen. Aber es wollte nicht und nicht, auch nicht, als er mit seiner Hand eine Geste, die das schwierige Wort ersetzen sollte. “Sch..sch..ssssccccchhhhhh....“ Xenokles stampfte schließlich einmal mit dem Fuß auf, woraufhin ein “Schlangengift“ wie aus der Ballista geschossen hervorbrach.



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    Es dauerte ein wenig, bis das Opium seine Wirkung im Körper entfaltete. Vermutlich wäre es schneller gegangen, hätte der Arzt es erhitzt und seinen Patienten den Dampf einatmen lassen. Allerdings war es bei solchen Patienten meist einfacher, ihnen eine kleine Pille zu geben und ein wenig zu warten, als ihren Kopf über einer dampfenden Schale festzuhalten, während sie sich panisch wehrten.
    Als der Blick des Mannes schließlich glasig wurde, schloss der Iatros mit einem “Ah, sehr schön“ seine Betrachtung ab und forderte den stotternden Gehilfen auf, ihm beim neu Verschienen des Beines behilflich zu sein.
    Auch jetzt noch schmerzte es den Patienten natürlich, allerdings waren seine Bewegungen weit träger und die Zuckungen der Muskeln in besagtem Bereich weit überschaubarer. Die alte Schiene mit dem alten Verband wurde entfernt und das Bein erst einmal gründlich mit Essigwasser gesäubert, um den alten Schweiß davon abzuwaschen. Erst nach dem anschließenden Abtrocknen wurde das Bein schließlich mit einer Salbe aus Linsenbrei, Fenchel, Zwiebel und Honig behandelt und neu in feste Bandagen gepackt, die mit hölzernen Stangen dergestalt verstärkt wurden, dass auch ein Auftreten mit dem Fuß theoretisch möglich wäre. Die nötige Seitenstabilität war in jedem Fall gegeben, und die Salbe sollte noch einiges an Schmerz und ungünstiger Galle aus dem Fuß ziehen.


    Als der Arzt schließlich fertig war, betrachtete er noch einmal skeptisch sein Werk und wandte sich anschließend an den Sklaven. “Er sollte sich an eine Diät halten, die viel Hülsenfrüchte enthält, um den zusammenwachsenden Knochen zu stärken. Der Verband sollte nach drei Tagen gewechselt werden, sonst kann es sein, dass er schimmelt. Er sollte möglichst nicht nass werden. Wenn dein Herr starke Schmerzen hat, kann er etwas Opium nehmen. Aber nicht das billige Zeug, dass die Syrer am Markt verkaufen. Er soll entweder zu Adelphos an der Agora gehen, oder hier am Museion etwas kaufen. Und wir bekommen zehn Drachmen.“



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    Einen Augenblick lang schaute der Arzt den Sklaven etwas konsterniert an, anschließend seinen Herrn, der gerade schon vorbereitend auf den Tisch niedergedrückt wurde. Ein breit gebauter Nubier stand dabei an seinem Kopfende und drückte ihm sehr bestimmt die Schultern nach unten, damit er sich nicht aufrichtete, während ein anderer, nicht minder kräftiger Mann sich das Bein ansah und dann nach einem Wink des Arztes hin ihn am Knöchel und Oberschenkel fixierte.
    “Dein Herr kann ganz beruhigt sein. Männer in dem Alter sind mir viel zu lästig. Können immer, wollen immer und lassen sich nichts sagen“, stellte er noch einmal etwas gereizt fest, ehe er sich nun dem Bein widmete.


    Den Knochen abzutasten ging nicht, ohne dem Patienten Schmerzen zuzufügen. Ein gebrochenes Bein tat weh, und da der Mann ohnehin schon Schmerzen hatte – andernfalls wäre er wohl kaum gekommen – wurde es hierdurch nicht besser. Mit kundigen Fingern fuhr er über das Bein, fuhr mit Druck über den Knochen, gerade so viel, um das Gebein zu spüren ohne zu riskieren, es erneut zu brechen. Allerdings zeugten die Verlautbarungen und Schreie seines Patienten davon, dass viel mehr Druck auch nicht möglich gewesen wäre. Der Iatros ignorierte alle Einwendungen seines Patienten, da er eben jene ohnehin auch dann nicht verstanden hätte, wenn sie nicht teils gebrüllt und von Schmerzlauten durchzogen wären.


    Als er schließlich fertig war, nickte er auch zufrieden und entfernte sich einige Schritte, ehe er seinen Helfern bedeutete, sie könnten den Mann wieder loslassen.
    “Sein Bein verheilt gut. Ich werde es neu und etwas härter schienen. Oh, und er soll das hier schlucken.“ Der Iatros gab Sirius eine kleine Kugel einer wächsernen Substanz in die Hand, kaum größer als ein Fingernagel.


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    ~~ Xenokles ~~
    Im Hintergrund kam nun auch der vorhin gesandte Akroates wieder zurück, Xenokles im Gepäck. Dieser hatte die Schreie schon von draußen gehört und wusste nur rudimentär, was hier los war. Er hatte nur gesagt bekommen, er sollte übersetzen. Etwas, das der junge Grieche ausgesprochen ungern tun wollte.
    “I...ii...Iatros? Iiii..iiich s..soll d-dir h-h-hel...fen?“ stotterte er eine Begrüßung zusammen und sah den alten Mann nur fragend an.


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    Der Iatros hatte den Burschen zunächst gar nicht bemerkt und wurde von dem Gestottere leicht überrascht. Er drehte sich zu dem Burschen um. “Ja, du solltest übersetzen. Aber ich brauch dich nicht mehr.“
    Xenokles nickte statt einer Antwort, worum der Iatros dankbar war, und drehte sich schon wieder um, als der alte Arzt es sich doch anders überlegte. “Halt, nein, bleib. Du kannst noch was lernen. Mach dich nützlich, das Bein muss neu geschient werden. Es ist gebrochen.“


    Xenokles nickte wieder und machte sich daran Schienen und Binden zu holen.



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    Na also, ging doch! Auch wenn der Bursche nervöser war als die gefangenen Tiere im Paneion in ihren Käfigen. Und er hatte in etwa denselben panisch-wilden Blick, als er sich gestützt von seinem Sklaven endlich auf den Tisch begab und sein Bein freimachte.
    Geduldig wartete der Iatros, bis der Mann soweit war, ehe er dazutrat und mit fachmännischem Blick das Bein begutachtete. Und auch sehr fachmännisch darüber die Stirn runzelte. “Gebrochen, hm?“ fragte er kurz den Sklaven, da der Patient für eine ordentliche Anamnese wohl nicht zu haben war. “Ich müsste das Bein abtasten, ob der Knochen gerade zusammenwächst. Das wird weh tun.“ Eigentlich erklärte der Iatros sowas seinem Patienten, und ließ ihn normalerweise sicherheitshalber dennoch von zwei Helfern festhalten. Hier aber würde sein Patient wohl kein Wort verstehen und nur wieder irgendwas von Katzenfellen und blauen Kieselhaufen faseln. Da erklärte er es lieber dem Sklaven, damit der es seinem Herrn übersetzte und dieser nicht anfing, die helfenden Akroatoi niederzuhauen, wenn diese versuchten, ihn für die Untersuchung festzuhalten.



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    Gerade wollte der Iatros seine gestellte Frage schon selbst mit einem 'offensichtlich im Kopf' beantworten, als der Sklave dann doch das Wort für seinen verstört wirkenden Herrn ergriff. Im Grunde war es dem Iatros schon egal gewesen, ob der seltsame Besucher wieder gehen wollte, doch die Worte des zu vernünftiger Sprache fähigen Mannes – selbst wenn er nur ein Sklave war, wenigstens konnte er Griechisch und war kein rhomäischer Barbar! - besänftigten ihn dann doch. Berühmtester Heilkundiger des Reiches... sicher war es geschmeichelt, aber trotzdem ging es an dem alten Mann nicht spurlos vorbei. Seine Haltung wurde etwas stolzer und gerader, wodurch er zwar immernoch viel kleiner war als sein Patient, sich aber dennoch größer fühlte.
    “Na, warum sagt ihr das denn nicht gleich?“ meinte er aber dennoch mit leichtem Tadel, wenngleich Gestik und Mimik deutlich beschwichtigt aussahen. Zwar glaubte der Iatros nicht, dass der göttliche Basileus sich wirklich von Männern beraten ließ, die nicht einmal die einfachste Sprechweise einer zivilisierten Sprache beherrschten, und dass er Tribun während der Seuche war, von der sie hier in Alexandria nur Gerüchte mitbekommen hatten, hieß nichts anderes, als dass er dort war und überlebt hatte. Aber die Komplimente an seine Mit-Iatroi und ihn ließen ihn darüber sehr großzügig hinwegsehen.
    “Dann bitte ihn doch, sich hier auf den Tisch zu setzen und das Bein herzuzeigen, damit ich es mir einmal anschauen kann.“



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    Der Iatros wiederum hatte keine Ahnung, worüber die beiden nun redeten. Er verstand zwar einige Worte der Rhomäer, und 'Haus der Ärzte' gehörte dazu, allerdings war der Rest dann doch zu schnell gesprochen und nicht seinem Arbeitswortschatz entstammend, als dass er es verstanden hätte.


    Das, was wohl Koine hätte sein sollen, verstand er aber ebenso wenig. Wenn das hier eine gelungene Übersetzung war, musste er sich um die geistige Gesundheit seines Gegenübers wohl ernste Sorgen machen.
    Mit fragendem Gesichtsausdruck starrte er also erst den Hünen an, der ihn locker um einen Kopf überragte, und sah dann hilfesuchend zu seinem Sklaven. Schließlich schüttelte er einfach nur den Kopf.
    “Haben wir hier irgendwen, der die barbarische Sprache ausreichend spricht?“ fragte er in die Runde seiner Gehilfen. Irgendwer musste doch verstehen, was der Mann hier überhaupt wollte, oder ob sie ihn besser an die Männer des Strategos übergeben sollten, damit die ihn zu seiner eigenen Sicherheit einsperrten. Oder an die Mantiker, die aus dem Geplapper noch irgendwelche Zeichen deuten konnten.
    Im Hintergrund meldete sich einer der Akroatoi. “Xenokles kann rhomäisch.“
    Der Iatros rollte leicht die Augen. Da tauschte man ja ein Elend gegen das nächste aus. “Na, dann hol ihn, während ich rauszufinden versuche, was der hier will.“


    Der Junge schritt gesittet von dannen, und der Iatros sah sich seinem Patienten gegenüber. Also versuchte er es nochmal. Ganz langsam diesmal. Untermalt von entsprechender Gestik. “Wo. Du. Krank?“



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    Er war ja schon vieles genannt worden. Genie von seinen Anhängern, Hohlkopf von diesen neumodernen Quacksalbern und Starstechern, die nichts von der hohen Kunst eines Iatros verstanden. Aber Schreibstift war definitiv neu.
    “Schreibstift?“ wiederholte der Iatros etwas ungläubig und versuchte, aus dem folgenden Wortsalat etwas sinnvolles herauszuziehen, allerdings klang das gesprochene doch eher wie eine schlecht übersetzte Schrankbauanleitung. 'Zu montiere die Seite A1 müssen die Zapf E en Boden Platt aufrechten mit Stutz in 90 Grät passen. Anzwingen die Muff, dann klemm.' Hier war offensichtlich keine Hilfe zu erwarten.
    Allerdings gab der Sklave im Hintergrund einige Handzeichen, die mehr oder weniger auffällig auf den Fuß seines Herrn aufmerksam machten und wohl irgendwas mit diesem Kauderwelsch zu tun hatten.
    “Ist irgendwas mit dem Fuß?“ fragte der Mediziner dann doch noch einmal nach – und hoffte, dass der Mann vor ihm besser verstand als sprach. Oder zumindest sein Sklave zu zivilisierter Sprechweise fähig war.