Beiträge von Titus Aurelius Ursus

    Na, das klang doch schon nach einer sehr gut durchdachten Planung. Ursus warf das abgegessene Kerngehäuse des Apfels in eine Abfallschale und wursch sich dann die Hände in einer Schale, die ihm gereicht wurde. Auch Varus wurde eine solche Waschmöglichkeit angereicht.


    "Ich bin sicher, Du schaffst das innerhalb kürzester Zeit. Und wenn Du dort einen Verwandten hast, dann wirst Du dort ja auch nicht allein sein. Ich wünsche Dir für Dein Leben dort und vor allem natürlich für Deine Karriere alles Gute. Und hoffe natürlich, Dich eines Tages hier in Rom wiederzusehen." Varus war ein Mann mit Entschlossenheit und Willenskraft. Solche Männer konnte das Imperium gut brauchen.


    "Ja, wenn wir Modestus treffen würden, könnten wir ihn natürlich gleich fragen. Er wird bestimmt dort sein, da bin ich mir ganz sicher." Immerhin hatte Modestus ja schon mehr als einmal seine Leidenschaft für Wagenrennen durchblicken lassen.


    "Sollte das mit dem Tribunat jetzt nichts werden, gibt es natürlich schon ein paar Möglichkeiten. Zum einen könnte ich einen der derzeitigen Inhaber von höheren Ämtern bitten, mich als Assistenten anzunehmen, damit ich von ihm lernen kann. Oder aber ich bemühe mich um ein Priesteramt. Im Moment werden im cultus deorum händeringend Leute gesucht. Und auch das macht sich im Lebenslauf nicht schlecht, ganz abgesehen davon, daß es nie schaden kann, sich mit den Göttern gut zu stellen. Die Probatio rerum sacrarum I habe ich ja schon vor einiger Zeit abgelegt. Nun, ein paar Tage warte ich noch. Es wird sicher noch etwas dazu bekannt gegeben. Und diese Pläne kann ich ja jederzeit in die Tat umsetzen, dafür brauche ich keine Termine einzuhalten."


    Anscheinend hatte auch Varus sein Mahl mittlerweile beendet. "Wollen wir dann in die Stadt gehen?"

    Zum Abschluß seines Mahls nahm Ursus sich einen knackigen, rotwangigen Apfel, während er Varus aufmerksam zuhörte. Über Rom würde er sich bald sein eigenes Bild machen können, darum ließ Ursus dieses Thema erst einmal fallen. Die Zukunftspläne waren da schon wesentlich interessanter.


    "Da hast Du Dir wirklich einen schweren Weg ausgesucht. Doch das kann durchaus von Vorteil sein. Wenn Du Dich bewährst und hohe Positionen aufsteigst und dazu noch auf Deine Erfahrungen als Duumvir verweisen kannst, wer weiß, vielleicht ebnet Dir das den Weg in den ordo senatorius? Jemand wie Du arbeitet sich doch bestimmt rasch nach oben." Es war sehr mutig, noch einmal ganz von unten anzufangen, wenn man schon solchen Erfolg gehabt hatte.


    "Und warum gerade Hispania? Ich meine, das unterscheidet sich doch vermutlich nicht so sehr von Italia. Warum dann nicht gleich etwas exotischeres? Germanien oder Aegyptus? Hat das persönliche Gründe?" Vielleicht war er arg neugierig, doch wenn es Varus unangenehm war, konnte er es ja sagen. Ursus würde das nicht übel niehmen.


    Schade, daß er von Modestus nichts wußte. Es hätte Ursus doch sehr interessiert, wie es ihm erging mit seinen Zukunftsplänen. "Nein, ich bin zum Tribunat nicht verpflichtet. Aber ich möchte auch beim Militär Erfahrungen sammeln. Würdest Du einem Senator vertrauen, der nur einseitig Erfahrungen gesammelt hat? Außerdem hat der Militärdienst in meiner Familie Tradition. Und jetzt direkt nach der Amtszeit als vigintivir wäre ein perfekter Zeitpunkt dafür. - Ja, der Tod des Kaisers überschattet natürlich alles. Wer denkt da schon an so etwas nebensächliches wie Tribunate? Und wer sollte die Tribune ernennen? Normalerweise macht das der Kaiser. Valerianus ist sozusagen noch nicht im Amt. Das wird auch ein Grund sein, denke ich. Ich muß wohl lernen, mich in Geduld zu fassen." Er lächelte gequält. Das war etwas, was ihm unendlich schwer fiel. "Es juckt mich halt in den Fingern, meine Karriere voranzutreiben. Wenn ich wenigstens eine Nachricht erhalten hätte, daß es nichts wird, dann könnte ich mich nach einer anderen Aufgabe umsehen. So muß ich jeden Tag damit rechnen, daß ich fort muß und kann mich dementsprechend natürlich auch für nichts verpflichten."

    Erstaunt blickte Ursus sie an. Sie wollte sich mit Politik befassen? Schon wollte er einwenden, daß dies wohl keine angemessene Beschäftigung für eine Frau sei, doch er hielt sich damit dann doch noch zurück. Warum sollte eine Frau sich nicht damit befassen? Er brauchte nur an Decima Lucilla zu denken, die an allem interessiert war und daher auch sicherlich auch in der Lage war, ihrem Mann nicht nur zuzuhören, sondern vielleicht auch mal einen Rat zu geben. Außerdem gab es Helenas Leben vielleicht etwas mehr Inhalt. Sie brauchte etwas zu tun. Ewig nur dasitzen und plaudern und sticken, was war das für ein Leben? Da war es doch kein Wunder, wenn sie sich nach dem Tod sehnte.


    "Die meisten Beratungen des Senates sind öffentlich. Man darf dabei zuhören. Und wenn Du hin und wieder das Forum aufsuchst, wirst Du kaum noch verhindern können, daß die Politik sich in Deinen Wissensschatz schleicht. Tu das, Helena. Auch wenn manche Leute sagen, daß eine Frau sich mit so etwas nicht befassen sollte. Ich verstehe nicht, warum. Wenn ich einmal heirate, würde ich mich gerne mit meiner Frau über Politik austauschen können. - Aber das wird wohl Wunschdenken bleiben." Die meisten Frauen wurden eben doch eher so erzogen, daß sie mit Politik eher nicht in Berührung kamen. Und es war schon schwer genug, eine Patrizierin zu finden, mit der er sich verstand und die aus einer Familie kam, mit der die Aurelier damit eine günstige Verbindung eingehen würden.


    "Ich werde Minervina sagen, daß Du Dich über einen Besuch freuen würdest. Ich bin sicher, sie wird sich auch sehr darüber freuen, daß sie Dir willkommen ist." Sie würde dann nicht so einsam sein, wie er es viele Wochen lang war, nachdem er hier angekommen war.


    "Wir sehen uns also nachher beim Essen?" Ursus erhob sich und lächelte sie an. "Ich freue mich wirklich sehr darüber." Seiner Meinung nach sah sie durchaus repräsentabel aus. Aber Frauen waren ja, was so etwas anging, wesentlich empfindlicher als Männer, also enthielt er sich einer Bemerkung darüber.


    Als sie ihn umarmte und ihm abermals dankte, erwiderte er ergriffen die Umarmung. "Weißt Du Helena... Auch ich habe Dir zu danken. Denn dank Dir fühle ich mich endlich wieder als Teil der Familie. Und ich fühle mich nicht mehr so einsam, unwillkommen und überflüssig. Ich bin sehr froh, daß ich in jener Nacht zufällig zur Stelle war. - Ich bin sehr froh, daß es Dich gibt."

    "Rom ist eine strahlende Perle, der Mittelpunkt der Welt", schwärmte Ursus, grinste aber dabei. "Daran können auch Elendsviertel und stinkende Abwasserkanäle nichts ändern." Das klang wieder recht trocken, denn es war tatsächlich so, daß Rom durchaus seine Schattenseiten hatte. Und an heißen, schwülen Tagen war es in Rom nicht besonders gut auszuhalten, das mußte selbst Ursus zugeben, so sehr er die Stadt auch liebte.


    "Ich denke, jeder Ort hat seinen Reiz und man hängt eben unwillkürlich besonders an seiner Heimat. Rom ist auf jeden Fall etwas besonderes und man sollte es gesehen haben, selbst wenn man nicht hier leben möchte. Ich glaube nicht, daß es auf der Welt irgend etwas vergleichbares gibt." Er nahm sich noch ein paar Oliven und etwas Käse. "Dein Mantua hat mir auch sehr gut gefallen. Gerade weil es so gemütlich wirkt. Es ist sicher ein angenehmer Ort zum Leben, wo bestimmt jeder jeden kennt und die Menschen noch füreinander einstehen. In Rom kommt man sich manchmal vor wie in einem Rudel Wölfe, wo jeder um den Platz des Alphatieres kämpft."


    Als Varus von seinen Plänen in Hispania sprach, horchte Ursus auf. "Du hast Dich um eine Stelle im cursus publicus beworben? Ist das nicht in gewisser Weise ein Abstieg, nachdem Du Duumvir von Mantua warst?" Vielleicht hatte Ursus ja nur keine Ahnung von der Organisationsstruktur des cursus publicus, doch bisher hatte er angenommen, daß die Stellung eines Duumvir in einer Stadt wie Mantua als höherwertig anzusehen war. "Warum hast Du Dich dazu entschlossen?", fragte er in ehrlichem Interesse. Varus mußte doch irgendeinen Vorteil sehen.


    "Meine Amtszeit ist so gut wie beendet. Ja. In wenigen Tagen, sobald die neuen Amtsinhaber ernannt sind. Eigentlich wollte ich anschließend ein Tribunat antreten und hatte deswegen auch den Kaiser angeschrieben. Nun, ich habe keine Ahnung, ob der Brief ihn überhaupt je erreicht hat, denn nicht lange danach kam die Nachricht über seinen Tod. Und da ich bisher noch nichts gehört habe, fürchte ich, daß es entweder in Vergessenheit geraten ist oder aber in dieser Amtzeit keine Tribunate vergeben werden. - Wollte Dein Verwandter Modestus nicht auch ein Tribunat antreten? Ich meine, er hätte das mal erwähnt. Hat er schon etwas gehört? Und Flavius Aquilius wollte sich doch eigentlich auch bewerben. Ich habe aber keine Ahnung, ob die beiden sich überhaupt beworben haben." Fragend blickte Ursus seinen Gast an. Wußte er durch seinen Verwandten schon mehr als er?

    Es war unglaublich. Die beiden Pferde schienen Clara tatsächlich zu erkennen und zu begrüßen. Ursus trat an die beiden herrlichen Tiere heran und streckte dem einen, Artaius hatte sie ihn genannt, seine Hand hin, damit das Tier sie beschnuppern konnte, bevor er es zu streicheln begann, - nachdem Clara Apfel und Kuß losgeworden war und sich dem zweiten Tier zuwandte.


    "Wahrhaft herrliche Tiere! Ich hoffe, ich bekomme sie bald mal in Aktion zu sehen." Die Bewunderung in seiner Stimme war ehrlich. Selten hatte er so schöne Tiere zu Gesicht bekommen.


    Als sie dann nach seinen Pferden fragte, schüttelte Ursus den Kopf. "Ich besitze zur Zeit kein eigenes Pferd. Seit ich aus Griechenland wieder da bin, hatte ich keine Zeit zum Reiten und deshalb habe ich auch nicht die Notwendigkeit gesehen, mir ein Pferd anzuschaffen. Sollte ich doch noch ein Tribunat zugewiesen bekommen, womit wohl leider kaum noch zu rechnen ist, wird sich das vielleicht ändern. Die Tiere, die Du hier siehst, gehören der Familie und natürlich kann ich bei Bedarf eines von ihnen nehmen." Er war ohnehin nur ein durchschnittlicher Reiter, obwohl er sehr gerne ritt. Doch nur selten fand er Gelegenheit dazu. Und auch, wenn er damals in Griechenland auch schon einen Rennwagen hatte lenken dürfen, so war er doch weit entfernt davon, ein richtiger Wagenlenker zu sein.

    Während ein Sklave ihnen die Becher füllte, brach Ursus sich ein Stück Brot ab. Es war knusprig und noch leicht warm. Dazu nahm er sich ein Würstchen und ein paar Oliven. Er war tatsächlich recht hungrig und ließ es sich schmecken. "Wenn Du nichts verpassen möchtest, dann brauchst Du aber eine Menge Zeit", lachte er ein wenig übermütig.


    "Und wenn wir schon mal einen Gast haben, können wir uns auch etwas Mühe bei der Bewirtung geben", wiegelte er dann ab, als Varus meinte, daß es der Mühe zuviel war. Außerdem hatte ja nicht Ursus die Arbeit damit gehabt, sondern die Sklaven. Doch diese Gerichte dürften ohnehin nicht so viel Arbeit gemacht haben, bis auf die Würstchen mußte ja nichts zubereitet werden. Und Brot mußte für das Abendessen ohnehin gebacken werden.


    "Ja, wir gehen nach dem Essen in die Stadt. Und mach Dir keine Gedanken. Ich liebe Rom und kann davon nicht genug bekommen. Und ich zeige es auch gerne vor und gebe dann damit an, als hätte ich es eigenhändig gebaut", scherzte er lachend. Ja, er war wirklich stolz, diese Stadt seine Heimat nennen zu können. "Aber so klein ist Mantua ja eigentlich auch wieder nicht, daß Du Dich als Landbewohner bezeichnen müßtest. Wie ist es eigentlich? Bist Du mittlerweile nach Hispania umgezogen? Das hattest Du doch vor, wenn ich das Deinem Brief recht entnommen habe?"

    Ursus hatte derweil einen Imbiß zusammenstellen lassen. Gleich für zwei Personen, denn er selbst hatte auch schon länger nichts mehr zu sich genommen. Und so ließ er ein paar Platten mit Kleinigkeiten ins atrium bringen. Zu zweit für einen Imbiß ins triclinium zu gehen, fand er dann doch etwas übertrieben.


    So wurden verschiedene Käsesorten, frisches Brot, Oliven, Obst und Würstchen serviert. Dazu gab es verdünnten Wein oder auch reines Wasser oder Saft, ganz nach Wunsch.


    "Na, das ging ja schnell", lachte Ursus, als Varus schon so bald wieder auftauchte. "Und nun sollst Du nicht länger hungern müssen. Mach' es Dir bequem und greife zu." Er selbst setzte sich auf eine der Bänke und machte eine einladende Geste zu dem Tisch, der eigens für dieses Mahl hier hereingestellt worden war. "Ich hoffe, Du bist damit einverstanden, daß wir hier essen. Ich mag das atrium einfach. Und das triclinium schien mir für zwei Personen irgendwie übertrieben." Zumal es sich nicht um ein aufwendiges Mahl handelte. Dafür wäre es auch noch etwas früh. Und außerdem wollten sie ja noch in die Stadt.

    Ursus und Varus hatten sich frühzeitig auf den Weg gemacht, noch bevor sich der Opferzug in Bewegung setzte. Denn wenn sie gute Plätze haben wollten, mußten sie vor dem Zug dort sein. Und das Opfer wurde ja doch erst im circus vollzogen.


    Tatsächlich gelang es ihnen, gute Plätze zu ergattern, von wo aus sie nahe am Geschehen waren und alles überblicken konnten. Vielleicht hatten die Senatoren noch bessere Plätze, doch diese hier waren tatsächlich schon gar nicht übel.


    Kaum hatten sie ihre Plätze ergattert, als auch schon der Opferzug den circus erreichte. Die Unruhe ringsum legte sich recht schnell, als mit dem Opfer begonnen wurde. In dem spannenden Moment, in dem sich herausstellen sollte, ob Mars das Opfer annahm oder nicht, war es tatsächlich mucksmäuschenstill, was angesichts der riesigen und natürlich wegen des anstehenden Rennens aufgeregten Menschenmenge wirklich an ein Wunder grenzte. Doch in der letzten Zeit waren einfach zu viele Opfer schief gegangen, zu oft hatten die Götter ihren Unmut gezeigt. Ob wohl schon ein weiterer Stier bereitstand für einen solchen Fall?

    Ursus lachte leise. "Ich weiß eben, wie es ist, wenn man eine lange Reise hinter sich hat. Laß Dir nur Zeit und komm zurück ins atrium, wenn Du fertig bist. Sollte ich nicht ohnehin schon dort sein, wird mich einer der Sklaven informieren. - Richte Dich nur in Ruhe ein. Wenn Du Hilfe brauchst, das Personal steht Dir natürlich zur Verfügung und es ist immer jemand in Rufweite."


    Als Varus nach den Sehenswürdigkeiten fragte, legte Ursus nachdenklich den Kopf schief. "Es gibt natürlich unendlich viel zu sehen. Die mercati traiani sind in der Tat ausgesprochen sehenswert. Und natürlich das forum romanum und die ganzen Tempel... Na, wir können ja einfach mal losgehen und uns einiges ansehen." Er lächelte und trat auf die Tür zu. "Wir sehen uns dann gleich unten wieder. Bis später." Und schon verließ er das Zimmer.


    Sim-Off:

    Ich schlage vor, daß wir gleichzeitig auch schon beim Wagenrennen posten

    Ursus lachte. "Dann danke ich eben Dir und dem Erfinder des Badehauses. Denn das Badehaus gibt nur den entspannenden Rahmen. Zugehört hast Du." Ein Leben ohne römische Badekultur konnte Ursus sich überhaupt nicht vorstellen. Noch nie in seinem Leben hatte er darauf verzichten müssen. Und schon der Gedanke, daß dies einmal eintreten könnte, jagte ihm einen Schauer über den Rücken.


    "Was den nötigen Abstand angeht, hast Du sicherlich recht. Eine Nacht über einem Problem schlafen, hilft auch manchmal Wunder. Das mit dem Betrinken habe ich schon mal versucht, das funktioniert nicht. Man bekommt davon nur Kopfschmerzen und das Problem scheint dann nur noch unlösbarer. Ich verstehe nicht, warum sich so viele Menschen in den Rausch flüchten, wenn sie Probleme haben." Ja, Aquilius hatte Recht. Hier erschien manches nicht mehr so gravierend. Doch das Problem mit Corvinus war schon ein ziemlich schweres Kaliber. Es löste sich leider nicht durch Abstand von allein.


    Ursus wußte, es lag daran, daß sie einander einfach nicht verstanden. Sie redeten aneinander vorbei und wurden dann jeder wütend, weil der andere nicht verstand. Doch woran lag das? Er konnte es nicht ergründen.


    Und jetzt wollte er auch nicht darüber nachgrübeln. "Ich werde mir ein Arbeitszimmer einrichten und mir, wie schon in den letzten Tagen, ein bißchen Wissen aneignen. Ich möchte ja die Erbschaften bearbeiten. Sollte ich das Amt nicht erhalten, na, dann schadet das Wissen nicht. Und wenn ich es erhalte, kann ich mich leichter einarbeiten. - Ansonsten werde ich noch ein wenig das Leben ohne großartige Pflichten genießen." Er lachte. Letzteres war er eigentlich schon längst leid, deswegen meinte er das auch nicht ganz ernst. "Und was ist mit Dir? Was wirst Du in diesen Tagen tun?"

    Ursus lachte und nickte. "Wenn ich ehrlich bin, hatte ich es auch erst vergessen. Doch als das Wagenrennen bekannt gegeben wurde, fiel es mir wieder ein. Ich freue mich sehr, daß Du jetzt hier bist. Komm, ich führe Dich zu Deinem Zimmer. Sicher möchtest Du Dich erst frischmachen? Und hungrig mußt Du ebenfalls sein. Es wird schon etwas vorbereitet."


    Normalerweise wurden Gäste von einem Sklaven zu ihren Zimmer geführt, doch in diesem Fall ließ Ursus es sich nicht nehmen, das selbst zu tun. "Meiner Familie geht es gut, alle sind immer schwer beschäftigt, doch sicherlich wirst Du sie kennenlernen. Geplant habe ich eigentlich nur, daß wir heute gut essen und Neuigkeiten austauschen. Und morgen das Wagenrennen besuchen. Gibt es etwas, was Du gerne sehen oder machen möchtest, wo Du nun schon mal in Rom bist?"


    Sie erreichten das Zimmer, das für Varus fertig gemacht worden war und wo nun auch schon das Gepäck des Gastes bereitstand. "So, hier bist Du untergebracht. Ich hoffe, es gefällt Dir." Es war ein geräumiges Zimmer, das mit einem bequemen Bett und mehreren Truhen ausgestattet war. Ein kleiner, runder Tisch wurde von zwei gemütlichen Sesseln flankiert. Auf dem Tisch stand eine Schale mit frischem Obst und zwei Karaffen, gefüllt mit Wein und Wasser, mit einigen Bechern. An der Wand neben der Tür befand sich ein Waschtisch, auf dem auch bereits eine Schüssel und ein Krug mit frischem Wasser, sowie einige Handtücher und Tiegel mit allerlei Ölen, Pasten und Seifen stand. Der Blick aus dem Fenster offenbarte den Garten, der natürlich jetzt im Winter nicht ganz so prächtig war wie im Sommer.

    Ursus sah das Zucken ihrer Mundwinkel, als es um das Thema Gebäck ging und grinste frech. Manches änderte sich eben doch nicht. Da mochte sie noch so erwachsen und damenhaft sein, Leckereien waren anscheinend immer noch ihre Schwäche. Gut zu wissen.


    "Ja, sie lernt ziemlich schnell. Aber sie ist auch manchmal arg vorlaut und vergißt hin und wieder, wo ihr Platz ist. Doch sie meint das nicht böse, sondern schießt einfach nur über das Ziel hinaus. Das wird sich bestimmt noch legen. Ich denke, sie holt einfach einen Teil ihrer verlorenen Kindheit auf. Und wer könnte ihr so etwas schon verwehren?" Immerhin hatte sie ausgesprochen furchtbare Dinge erlebt. Da war ihr doch ein wenig Freude zu gönnen. Vor allem, wenn niemand anderer dadurch Schaden nahm.


    Ursus nippte ebenfalls an seinem Becher. "Sie sind ganz in Ordnung. Natürlich hat jeder seine Eigenheiten und seine Fehler. Aber so ist das eben, Menschen haben ihre Eigenheiten, niemand ist absolut perfekt. Und das macht ja gleichzeitig auch ihren Wert aus. Wir haben hier einige Sklaven, die noch sehr schlecht Latein können. Meist Kelten und Germanen. Doch mit der Zeit wird sich auch das bessern. Sie sind zuverlässig und fleißig, das ist doch das wichtigste." Er sah die Sklaven ja mittlerweile mit ganz anderen Augen. Früher hätte er sie nicht einmal bemerkt.


    Ihre Freude über den Gast überraschte ihn ein wenig. Doch es freute ihn auch. Clara konnte ebenfalls ein wenig Gesellschaft gebrauchen. "Natürlich, ich stelle sie Dir gerne vor. Vermutlich wirst Du sie aber ohnehin beim Abendessen kennenlernen."

    Sim-Off:

    Ich schlage vor, wir bleiben einfach hier im Thread.


    Sie hielt sich ja nicht mit langen Vorreden auf, das mußte man ihr lassen. So entscheidungsfreudig waren noch lange nicht alle Frauen. Ursus nickte also und erhob sich. "In Ordnung, gehen wir in den Stall. Hier geht es entlang."


    Wieder bot er ihr seinen Arm an, um sie zu führen. Schade, daß sie nicht über Britannien reden wollte. Doch natürlich würde er ihren Wunsch respektieren. Denn traurige Erinnerungen in ihr zu wecken, war ganz und gar nicht sein Wunsch. Und so ging er über diese Angelegenheit einfach hinweg und erwähnte sie einfach nicht mehr. Die Pferde schienen da ein weit unverfänglicheres Thema zu sein.


    Als sie den Stall betraten, umfing sie die Wärme und der typische Pferdestallgeruch, der nicht einmal unangenehm war. Es war still und irgendwie gemütlich hier. Zu hören war nur das friedliche Malmen der Tiere, die sich gerade über ihr Heu hermachten und gelegentlich ein zufriedenes Schnauben.

    "Aber natürlich. Gerne." Die Sklavin lächelte freundlich und füllte einen Becher mit frischem Quellwasser, den sie an Varus weiterreichte. Dann zog sie sich einige Schritte zurück und wartete ab, für den Fall, daß sie noch gebraucht würde.


    Eine Weile lang wurde Varus' Geduld noch auf die Probe gestellt, denn Ursus war gerade dabei, die letzte Aufstellung der Erbberechtigten zusammenzustellen, damit die Erbschaften entsprechend weitergeleitet werden konnten. Er war damit fast fertig, als ihn die Nachricht erreichte, daß Varus eingetroffen war, und wollte es doch noch eben zuende bringen. Es dauerte auch nicht mehr wirklich lange, daher war es keine Unhöflichkeit.


    Bevor er sich ins atrium begab, kontrollierte er noch einmal den Sitz seiner Toga. Dann machte er sich auf den Weg, um Annaeus Varus zu begrüßen.


    "Salve, Varus! Wie schön, daß Du Zeit und Gelegenheit gefunden hast, herzukommen. Ich hoffe, Deine Reise war einigermaßen angenehm?" Lächelnd trat Ursus auf Varus zu. Es war wirklich eine Freude, daß es mit dieser Verabredung so reibungslos geklappt hatte.

    Ein scriba, der gerade einen Stapel Wachstafeln richtete, und damit durch die Gänge der Basilica Ulpia hetzen wollte, und es eigentlich sehr eilig hatte, sah sich plötzlich einem Besucher gegenüber, der nach den Amtsräumen der decemviri litibus iucandis fragte. Diese Frage nötigte dem gestreßt wirkenden Mann ein amüsiertes Lächeln ab. "Die haben keine eigenen Amtsräume, guter Mann. Die arbeiten bei sich zuhause. Geh einfach zu einem von ihnen. Diesem Aurelier vielleicht? Den kannst Du sicher in der Villa Aurelia antreffen. - Vale." Er hatte es anscheinend wirklich eilig, denn er richtete nun wirklich nur noch schnell seinen Stapel, damit ihm nichts verloren ging, und schon hetzte er davon.

    Ursus nickte. "Ja, er ist wohl aus Hispanien, da hast Du recht. Anscheinend kannst Du Dir gut vorstellen, was er für eine schlimm verschliffene Sprache hat. Aber abgesehen davon ist er ganz in Ordnung. Fleißig und zuverlässig. Ob er sich auch so nach dem Meer sehnt wie Du?" Die Freundschaft mit Cadhla trieb wirklich die eigenartigsten Blüten. Früher hätte es ihn nicht interessiert, ob ein Sklave irgendwelche Sehnsüchte hatte.


    "Du hast doch Deine Heimat sicher nicht für immer verlassen. Es wird sich bestimmt mal die Gelegenheit geben, wenigstens für einige Zeit zurückzukehren. So kannst Du mit einer solchen Aussicht hier die Ausbildung und die Förderung durch Deine Onkel genießen. Und irgendwann wirst Du Deine Freunde wiedersehen." Aber dann würde er sich verändert haben. Vielleicht zu sehr, um von seinen Freunden noch als der alte Kumpel gesehen zu werden? Achwas, bestimmt waren die Freunde von Lucanus anders als die Jungs hier in der Stadt.


    Als Lucanus von seiner Leseleidenschaft berichtete, sah er auf einmal entrückt aus. Grinsend beobachtete Ursus den vor sich hinträumenden Lucanus. Ein echter Bücherwurm, keine Frage. Ursus las ja auch gerne, doch daß er deswegen gleich ins Träumen verfiel, war ihm bisher noch nicht passiert.


    Um so mehr erstaunte ihn der plötzliche Themenwechsel. Schwimmen? Er nickte überzeugt. "Natürlich kann ich schwimmen", sagte er fest und sicher. Er ging schließlich fast täglich in die Thermen! Selbstverständlich konnte er schwimmen! Im Meer war er natürlich noch nicht geschwommen. Aber so viel anders als im Becken konnte das ja schließlich auch nicht sein. Glaubte er.

    Mit einem Grinsen schüttelte Ursus den Kopf. "Ich weiß ja nicht. Als senatorischer Tribun ist man ja auch eher für Verwaltungsaufgaben zuständig. Und solange es nicht zu Kampfeinsätzen kommt, ist das Soldatenleben ziemlich eintönig, glaube ich. Aber ich werde mich schon umhören, um immer interessantes zu berichten zu haben." Falls es überhaupt dazu kam.


    "Wann Minervina genau ankommt, weiß ich nicht. Aber in den nächsten Tagen. Kann nicht mehr lange dauern. Von einem Fest in nächster Zeit weiß ich allerdings nichts. Zumindest in unserer Familie ist nichts dergleichen geplant. Aber ich bin sicher, wenn Du sie ein wenig unter Deine Fittiche nimmst, lernt sie schnell Leute kennen. Und zusammen werdet ihr sicher viel Spaß haben." So furchtbar weit auseinander waren sie altersmäßig ja auch wieder nicht. Und Helena hatte Minervina einige Zeit in Rom leben voraus.


    "Fühlst Du Dich gut genug, heute am gemeinsamen Abendessen teilzunehmen? Es dürfte nicht mehr lange dauern, bis das Essen fertig ist. Ich hoffe doch, Du bist hungrig. Als ich vorhin durchs atrium ging, duftete es unheimlich gut."

    "Du... Du gehst fort?", fragte Ursus entsetzt und traurig. Sie ging fort. Weg von hier. Und er würde sie lange Zeit nicht mehr sehen. Gut, das wäre eh auf sie zugekommen, falls er doch noch ein Tribunat erhielt, woran er mittlerweile kaum noch glaubte. Doch dann wäre sie bei seiner Rückkehr hier gewesen. Und das... das war nun sehr unwahrscheinlich. Die Ausbildung zur Gladiatorin dauerte seine Zeit. Und dann.... dann wollte sie auch kämpfen? In der Arena? Ihr Leben riskieren? Für die Belustigung der Menschen?


    Er schluckte schwer und er rang nach Worten. Entsetzen war eigentlich alles, was er empfinden konnte. Angst. Angst, sie ganz und gar zu verlieren.


    Auf der anderen Seite konnte sie so in ihren Augen ehrenvoll ihre Freiheit erlangen. Er wußte, daß sie lieber sterben würde, als Sklavin zu bleiben. Oder die Freiheit auf für eine Schildmaid unehrenhafte Weise zu erringen. Von daher sollte er sich eigentlich für sie freuen. Aber er konnte es nicht. Er war ein Mensch, kein Heiliger. Und er war egoistisch genug, sich zu wünschen, daß sie hierbleiben würde.


    Sie rückte näher. Und ihre Blicke trafen sich. Ihre wunderbaren grünen Augen, die ihn von Anfang an bezaubert hatten. Dieser Blick. "Cadhla", seufzte er und schüttelte langsam den Kopf. "Ich liebe Dich zu sehr, um Dich dorthin gehen zu lassen. Und ich liebe Dich zu sehr, um Dich gegen Deinen Willen zu halten. Ich... ich weiß nicht... Es tut mir leid, ich sollte... sollte mir wünschen, daß Du glücklich wirst. Daß Du dort findest, was Du suchst. Ehre und Freiheit. Aber... aber... ich bin zu eigensüchtig dafür." Ihre Finger auf seinen Wangen und sie sprach davon, daß er ihr Hoffnung gegeben hatte. Hoffnung...


    Sanft hob er seine Hand und streichelte nun seinerseits über ihre Stirn und ihre Wange. "Wann... wann wirst Du gehen?"

    Lächelnd hörte Ursus zu, wie Clara von Britannia schwärmte. Es mußte ja doch etwas an diesem Land dran sein, wenn die Menschen so davon gefangen waren. Trotzdem es dort soviel regnete und es dort so viel Nebel gab. Ein eigenartiges Land, ganz ohne Frage. Und so langsam wurde Ursus wirklich neugierig darauf.


    Doch als sie dann von ihrem Verlobten sprach, blickte er sie entsetzt und voller Mitgefühl an. "Das... das tut mir leid. Entschuldige bitte, daß ich traurige Erinnerungen in Dir geweckt habe. Das war nicht meine Absicht." Auch wenn er nicht hatte wissen können, was er mit seiner Frage anrichtete. Was hatte sie nicht schon alles furchtbares erlebt?


    "Du hast ein ganzes Gespann dabei? Willst Du es denn vielleicht mal laufen lassen? Oder eher nicht?" Er wußte ja nicht, wie gut die Pferde wirklich waren. Doch anschauen konnte man sich ja vielleicht mal, wie gut sie waren?


    "Was hältst Du davon,wenn wir einfach mal in den Stall hinüber gehen?"

    Ursus legte den Kopf leicht schief, während er sie betrachtete, als sie so an der Wand stand und sich zunächst nicht rührte. Am liebsten wäre er einfach zu ihr gegangen und hätte sie umarmt. Doch war es das, was sie wollte? Oder wollte sie ihm vielmehr sagen, daß sie solche Zärtlichkeiten ab sofort nicht mehr wollte?


    Sie war gekommen um...? Ursus blickte sie immer noch auffordernd und prüfend an. Gekommen um... ihm etwas zu sagen? Um etwas zu tun? Um das alles zu beenden? Seine größe Furcht. Daß sie ihn für immer und ewig von sich stieß. Da hatte er einen Menschen gefunden, dem er die tiefsten Gefühle entgegen brachte, - und dieser Mensch wollte ihn nicht?


    Nun endlich setzte sie sich in Bewegung. Und setzte sich sogar auf die Bettkante. Wenn auch möglichst weit weg von ihm. Als würde er beißen. Oder hätte eine höchst ansteckende Krankheit. Für einen Augenblick hob sich seine Hand ein wenig. Zu gerne hätte er sie jetzt berührt. Doch dann ließ er die Hand wieder sinken, denn das war gewiß nicht das, was sie sich wünschte.


    Aber was wünschte sie? Er wartete noch immer, daß sie etwas sagte. Ihre Blicke trafen sich. Sie machte einen unsicheren Eindruck. Doch waurm unsicher? Dann endlich. Endlich brach sie ihr Schweigen. Und er glaubte kaum seinen Ohren trauen zu können. Hatte sie wirklich gesagt, daß sie bei ihm sein wollte?


    Erleichterung und Freude zeichneten sich auf seiner Miene ab. Und nun hob er doch die Hand, um ganz leicht über ihren Oberarm zu streicheln. "Und ich möchte bei Dir sein, Cadhla", sagte er leise und hatte in diesem Moment all die Tage vergessen, an denen sie ihm die kalte Schulter gezeigt hatte. "Deine Freundin hat recht, weißt Du? Vielleicht kann es für uns kein dauerhaftes Glück geben. Doch... ein paar glückliche Momente, die können wir uns doch stehlen?"