CAELYN!!!!
Tz, Sklaven sind auch nicht mehr das, was sie mal waren Räum doch mal Dein Postfach auf
Also dann von hier aus: Schönen Urlaub!!
CAELYN!!!!
Tz, Sklaven sind auch nicht mehr das, was sie mal waren Räum doch mal Dein Postfach auf
Also dann von hier aus: Schönen Urlaub!!
"Salve", grüßte Ursus aufs Neue, als dieses mal eine ältere Vestalin öffnete, weiterhin und unbeirrbar freundlich. Als sie ihm eine Schriftrolle übergab, nahm er diese respektvoll entgegen. "Selbstverständlich werde ich gut darauf acht geben." Immerhin wurden die Testamente ja hier hinterlegt, damit eines Tages ein Decemvir kam und den letzten Willen des Verstorbenen ausführte. Nichts anderes hatte Ursus mit der Urkunde vor. "Ich danke Dir und wünsche noch einen schönen Tag. - Bis zum nächsten mal." Denn er war garantiert nicht zum letzten mal hier gewesen.
Er winkte Pyrrhus, ihm zu folgen, und stieg die Stufen des Tempels hinunter, um sich wieder auf den Heimweg zu machen.
Natürlich hatte Ursus schon oft dieser Zeremonie beigewohnt. Doch es war einige Jahre her, seit er das letzte mal dabei gewesen war. Sicher, sie hatten das Fest auch in Griechenland gefeiert. Doch es war eben doch etwas anderes, hier in Rom vor dem Tempel zu stehen und die Wollbinden fallen zu sehen, von denen die Füße des Saturns den Rest des Jahres gefesselt waren.
Die Zeremonie verlief ohne Zwischenfälle und war nach Ursus' Meinung wirklich stimmungsvoll gemacht. Am Ende fiel er wie alle anderen auch in das gemeinsame "Io Saturnalia, Io Saturnalia, Io Saturnalia" ein.
Auch er erhielt ein Tonfigürchen und steckte es ein. Vielleicht fand sich später jemand, dem er damit eine zusätzliche Freude machen konnte. Vielleicht jemand, der gern hier gewesen wäre, aber aus irgendwelchen Gründen nicht hatte kommen können.
Kaum hatte Ursus Tilla das Geschenk übergeben, gesellte sich auch Fiona zu ihnen. Auch für sie holte er eine Kerze aus seinem Beutel. "Io Saturnalia, Fiona", wünschte er freundlich und gab ihr die Kerze. "Ein Licht für die dunklen Zeiten im Leben."
Im nächsten Moment wurde er stürmisch umarmt, denn Tilla hatte ihr Geschenk ausgepackt. Wie sie sich freute! Es war zwar ein kleines bißchen peinlich, von ihr in der Öffentlichkeit so umarmt zu werden, doch sie war ja im Grunde noch ein Kind, - seiner Meinung nach zumindest, - da war das durchaus verzeihlich.
Er erwiderte sanft die Umarmung. "Dann gefällt es Dir also? Das freut mich. Möge es Dir stets zuverlässig zu Diensten sein. Es ist übrigens sehr scharf, also paß gut damit auf, ja?" Er sah durchaus, daß sie vor Rührung weinte und nicht aus Traurigkeit. Lächelnd strich er ihr eine Träne von der Wange. Ja, er wußte sehr gut, daß ihr ein Messer viel bedeutete. Und weil er es wußte, hatte er es ihr geschenkt. "Deine Freude ist der schönste Dank, Tilla", wehrte er ihren Dank ab.
Fiona unterhielt sich leise mit Bridhe und da war Ursus auch ganz froh drum. Er selbst konnte Bridhe sicherlich am allerwenigsten helfen. Eine Freundin war da eine wesentlich bessere Hilfe.
Ursus nickte zustimmend, das klang doch nach einem guten Plan. Gemeinsam würden sie dann gewiß auf genügend Ideen kommen, wie sie die Aurata nach vorne bringen konnten. Anscheinend hatte er einen guten Zeitpunkt getroffen mit seiner Bitte um Aufnahme als sodalis der aurata. Denn wenn ab jetzt wieder mit vermehrten Aktionen begonnen wurde, konnte er sich von Anfang an mit einbringen.
Das Thema schien damit beendet zu sein, wie der Themenwechsel auf die Arbeit deutlich zeigte. "Die Arbeit läuft inzwischen recht gut. In der ersten Zeit mußte ich mich natürlich erst einarbeiten. Doch mittlerweile bin ich soweit, daß ich bereits von der ersten Liste Verstorbener die Vermögensstände und die Erbberechtigten ermittelt habe. In den nächsten Tagen werde ich die Erben anschreiben. - Es ist wirklich erschreckend, wie viele Menschen ganz ohne Familie lebten und auch kein Testament gemacht haben. In diesen Fällen hat der Staat bereits das Erbe erhalten." Der größte Teil der Arbeit mit der ersten Liste würde nach den Anschreiben erledigt sein. Danach mußte nur noch das Erbe verteilt werden. Doch es war schon in den nächsten Tagen mit einer neuen Liste zu rechnen.
"Manches ist natürlich eintönig, doch insgesamt finde ich die Arbeit recht spannend. Die Gesetzeslage ist nicht ganz einfach und die Verwandschaftsverhältnisse sind zum Teil auch recht verzwickt. Doch gerade das macht es ja interessant." Vermutlich hatte Meridius es gar nicht so genau wissen wollen. Doch wenn er schon fragte, sollte er auch eine detaillierte Antwort erhalten.
Traurig schüttelte Ursus den Kopf. "Du scherst alle über einen Kamm, noch dazu unterstellst Du uns allen einfach Gedanken, die Du aber nicht kennen kannst. Fiona... Jeder macht Fehler, jeder ist auch mal grausam. Und manches Handeln wird einem aufgezwungen." Es hatte wohl wenig Sinn. Sie war unversöhnlich. Ursus wußte nicht, wem sie gehörte, aber anscheinend fühlte sie sich sehr schlecht behandelt. Das konnte er natürlich nicht beurteilen. Aber selbst wenn es so war, konnte sie doch wenigstens bereit sein zu sehen, daß es auch andere Römer gab.
"Cadhla scheint nicht wiederzukommen. Kommt, ich zeige euch, wo ihr schlafen könnt. Und bitte verlaßt das Haus morgen sehr früh, das erspart uns allen Ärger." Er stand auf und klopfte sich den Schmutz von der Kleidung. "Es war schön, mit euch hier zu sitzen und ich danke euch für diese für mich ungewöhnliche Erfahrung."
Das Laufen bereitete Ursus keine Schwierigkeiten, er tat es ja regelmäßig, meistens in den Thermen. So dauerte es auch eine Weile, bis er begann zu schwitzen. Zumal es auch recht kühl an diesem Morgen war.
Aber er war trotzdem ganz froh, daß Cadhla irgendwann sagte, es sei genug. Nicht weil er nicht mehr gekonnt hätte, sondern weil er einfach wissen wollte, wie sie weitermachen würde. Und die Wahl des Ortes gefiel ihm ebenfalls gut. Hier hatten sie Platz und vom Haus aus konnte man sie nicht ohne weiteres beobachten.
Als sie ihm den Ast in die Hand drückte, umfaßte er ihn mit festem Griff und nahm die Haltung ein, die ihm sein Lehrer damals beigebracht hatte. Das war zwar schon recht lange her und das Training damals war nicht sehr intensiv gewesen, aber ein bißchen was wußte er doch noch.
"So. Und dann so - oder so angreifen." Er vollführte die Bewegungen, nun allerdings langsamer, damit Cadhla genau sehen konnte, wie die Bewegungsabläufe waren. Es gab sicherlich noch weit mehr Möglichkeiten, jemanden anzugreifen, doch Ursus hatte nur diese beiden Atacken gelernt. Der Unterricht war bei der Verteidigung wesentlich intensiver gewesen als beim Angriff. Anscheinend hatte der Lehrer auf dem Standpunkt gestanden, daß ein Patrizier eben nur durchhalten mußte, bis Hilfe da war.
Es war wirklich ein schlimmer Anblick auf diesem doch eher fröhlichen Fest: Diese unglückliche junge Frau.
"Nein, es war nicht wirklich peinlich, mach Dir doch bitte keine Gedanken darüber. Du warst im Rausch. Und nicht nur Du. Tilla war auch ganz betrunken von dem Met." Er würde ihr bestimmt nicht jetzt auch noch davon erzählen, wie sie ihn hatte zum Feuer ziehen wollen, um... Nein, wirklich nicht.
Der Germane hatte sich von ihr losgesagt? Was für ein eigenartiger Kerl! Doch auf den ging Ursus nicht weiter ein. Da gerade niemand mit einem Tablett in seiner Nähe war, trat er zu einem der Tische, auf dem Getränke bereit standen, und schenkte für Bridhe einen Becher Wein ein. Den reichte er ihr, bevor er sich dann mit ihr zusammen doch zu Tilla durchkämpfte, die gerade irgendwie allein zu stehen schien.
"Io Saturnalia," wünschte Ursus lächelnd, "Tilla, ich habe etwas für Dich. Eigentlich sogar zwei Dinge." Er zog zuerst eine seiner wie Schiffe geformten Kerzen hervor und reichte ihr eine. Dann aber hatte er noch etwas längliches, was in Stoff eingewickelt war und reichte es Tilla ebenfalls. Wenn sie es auspackte, würde sie ein kleines Messer vorfinden. Es war nicht übermäßig kostbar, damit es bei den anderen keinen Neid erzeugte. Doch es hatte eine gute Klinge und der Griff war mit Einlegearbeiten aus Perlmutt verziert. Das Perlmutt schimmerte blau, in einem ähnlichen Farbton wie ihr Anhänger. Das Messer steckte in einer feinledernen Scheide, die am Gürtel befestigt werden konnte. Es war nicht groß genug, um eine bedrohliche Waffe zu sein, konnte aber als Hilfsmittel beim Essen oder für feinere Schneidearbeiten gute Dienste leisten.
Die Idee dazu hatte er schon damals im Garten gehabt, als sie ihm berichtet hatte, daß sie nie ein Messer hatte haben dürfen.
Und da kam sie auch schon. "Salve, Cadhla", erwiderte er lächelnd ihren Gruß und wußte nicht so recht ob er erfreut oder ein wenig enttäuscht darüber sein sollte, daß sie so ganz locker und gelöst zu sein schien. Als wäre überhaupt nichts zwischen ihnen vorgefallen.
Nein, das stimmte nicht. Es war etwas anders. Sie wirkte... nicht mehr so angspannt wie vorher. Als hätte sich etwas in ihr gelöst. Sie war so selbstbewußt und ruhig, als hätte sie nie etwas anderes getan, als einen Patrizier durch den Garten zu scheuchen.
Als sie die Anweisung zum Laufen als Aufwärmübung gab, öffnete Ursus schon den Mund, um zu entgegnen, daß er bereits Übungen absolviert hatte. Doch dann schloß er ihn wieder. Heute und hier hatte eben Cadhla das Sagen. Und er würde sich ihr fügen.
Also nickte er. "Gut, sag einfach, wenn es genug ist", meinte er und lief locker los, wie er es gewöhnt war.
Er war ja schon sehr gespannt darauf, wie Cadhla das Training aufbauen wollte. Sicher war sie sehr gründlich, was ihm nur recht sein konnte. Schließlich wollte er etwas lernen. - Und ihr nahe sein. Sie war einfach faszinierend, anziehend und dabei forderte sie ihm gleichzeitig Respekt ab.
"Doch, ein Römer war dabei: Ich." Ursus blickte Bridhe prüfend an und das Lächeln erstarb, als er die tiefe Traurigkeit in ihren Augen sah. "Dies ist euer Fest, Bridhe. Du solltest eigentlich fröhlich sein und es genießen", meinte er und berührte sie ganz leicht am Arm.
"Es ist nichts schlimmes passiert, Du hattest mich nur mit jemandem verwechselt. Mach Dir deswegen keine Gedanken, ja?"
Ihre Traurigkeit schien mit dem germanischen Sklaven irgendwie zusammenzuhängen. Sie sah sehr blaß aus. Merkwürdig. Sie schien doch dem Burschen so viel zu bedeuten? "Er ist nicht mehr Dein Freund? Das tut mir leid... Er hat sich so um Dich gesorgt und Dich auf seinen Armen heimgetragen. - Entschuldige, das geht mich natürlich gar nichts an. Wie sieht es aus? Möchtest Du einen Becher Wein?"
Vielleicht war es besser, sie irgendwie abzulenken. "Denk heute nicht an Dinge, die Dich traurig machen. Die Saturnalien sind nur einmal im Jahr. Zum sorgen hast Du nach dem Fest doch immer noch Zeit. Sieh die Lichter und die frohen Augen der Beschenkten. - Komm, schauen wir mal, ob wir Tilla glücklich machen können." Denn für Tilla hatte er noch etwas spezielles besorgt.
Auch ich wünsche allen hier ein Frohes Fest und einen guten Rutsch ins Neue Jahr!
Ursus lächelte Gracchus an. "Aber natürlich. - Und entschuldigt bitte auch mich, ich sehe da noch einige Leute, die ich begrüßen möchte." Er nickte Aquilius und Corvinus zu und drehte sich dann um.
Doch bevor er wirklich weitergehen konnte, wurde er von Bridhe angesprochen. Er erkannte sie sogleich und lächelte sie freundlich an, während er nach einer weiteren schiffsförmigen Kerze fischte. "Io Saturnalia, Bridhe. Hier, möge sie Dir ein wenig Licht schenken, wenn Du es brauchst. - Du erinnerst Dich wirklich nicht an mich?" Er mußte da doch breit grinsen, immerhin hatte sie sich ihm ganz schön an den Hals geworfen. Vielleicht war es besser, daß sie sich nicht erinnerte. "Wir kennen uns von eurem Totenfest. Schön, daß es Dir wieder gut geht. Ich hoffe, die Vergiftung hat keine bleibenden Schäden hinterlassen? Dein streitsüchtiger Freund hatte ja nicht auf mich hören wollen, als ich sagte, daß Du viel Wasser hättest trinken sollen." Er sprach leise genug, daß diejenigen, die nahe bei ihnen standen, nichts von dem Fest hörte. Er wollte nicht im Nachhinein doch noch Ärger heraufbeschwören.
Weiter hinten hatte er Tilla und Caelyn gesehen. Und auch Fiona, Minna und Siv hatte er schon erblickt, wobei Siv bereits wieder verschwunden war. Nun, er würde sie schon finden.
Ursus blickte sie an und lächelte. "Du meinst also wirklich zu wissen, was wir denken?" Seiner Meinung nach konnte man nie wissen, was ein anderer dachte. Und es war auch eine riskante Sache, jemand anderem Gedanken zu unterstellen. Er tat so etwas natürlich auch. Bei Corvinus zum Beispiel. Doch selbst bei dem gab er zumindest zu, daß er es nicht genau wissen konnte und es nur eine Vermutung war.
"Zumindest sind die Menschen, die zu unserem eigenen Volk gehören freie Menschen. Früher gab es mal die Schuldsklaverei, wodurch Römer für begrenzte Zeit in Sklaverei geraten konnten, aber selbst die ist mittlerweile abgeschafft. Durch Straftaten kann man als Römer noch in Sklaverei geraten. - Haben eure Unfreien eigentlich die Möglichkeit, sich freizukaufen? Laßt ihr auch mal welche von ihnen frei? Du sagst, ihr eßt an einem Tisch. Wenn Du mal in die Wohnung eines einfachen Bürgers gehst, der höchstens einen Sklaven hat, der ißt bei dem auch mit am Tisch. - Würdest Du Dich tatsächlich glücklicher fühlen, wenn ihr Sklaven zusammen mit der Familie essen würdet? Ihr eßt halt unter euch gemeinsam in der Küche. Und ihr eßt nicht viel schlechter als wir, da ihr ja unter anderem auch die Reste unserer Mahlzeiten verzehrt. - Und warum sollte ich nicht mal mit einem Sklaven gemeinsam essen? Ich habe das schon mehr als einmal getan. Doch was ist mit Dir? Würdest Du mit uns essen? Und bist nicht vielmehr Du diejenige, die uns verachtet? Wenn man nach Anzeichen für Haß und Verachtung sucht, wird man immer welche finden. Vielleicht sollte man lieber nach Anzeichen für Anerkennung und Vertrauen suchen." Und vielleicht sollte er sich seine eigenen Worte hinter die Ohren schreiben. Ein Gedanke, der ihn erröten ließ.
Also nur diese beiden Familien, dann war das ganze ja nicht schwer zu bewerkstelligen. "Corvinus hält sich zur Zeit hier in Rom in der Villa Aurelia auf, wird aber nach den Saturnalien für ein paar Tage verreisen. Sophus hat sich vor wenigen Wochen auf eine längere Reise begeben. Sein erstes Ziel war Griechenland, ich nehme an, er ist dort inzwischen angekommen, doch ein Brief mit einer aktuellen Anschrift hat uns noch nicht erreicht. Er würde vermutlich ohnehin nicht rechtzeitig zu dem Treffen zurück sein", berichtete er über seine Verwandten. Mit Sophus war wohl längere Zeit nicht zu rechnen. Soweit er ihn verstanden hatte, wollte er mehrere Länder bereisen - und sich dabei Zeit lassen.
"Und ja, ich unterstütze Dich gerne bei der Arbeit." Diese Aussage bekräftigte er noch mit einem Nicken und trank dann noch einen Schluck Wein.
Das Training sollte im Garten stattfinden. In einem etwas abgelegenen Bereich, so dass sie nicht auch noch mit Zuschauern rechnen mußten, - und gleichzeitig auch nicht fürchten mussten, versehentlich irgend etwas zu beschädigen. Ursus fühlte sich fit und gut. Und da er im Moment so sehr viel Zeit am Schreibtisch verbrachte, hatte er das dringende Bedürfnis, sich regelmäßig zu bewegen. Noch bevor Cadhla dazukam, machte er ein paar Übungen, wie er sie seit Jahren schon jeden Morgen absolvierte.
Zum Glück spielte das Wetter mit, es war trocken und die Temperatur war für körperliche Ertüchtigung geradezu ideal.
Wie Cadhla ihm wohl begegnen würde? Vermutlich war es ihr peinlich, dass er Zeuge geworden war, wie sie geweint hatte. Dabei hatte sie selbst in diesem Moment der Schwäche stark gewirkt, so eigenartig sich das auch anhörte. Er selbst hatte sich in jenem Moment merkwürdig verbunden mit ihr gefühlt. Und er hatte es geradezu als Ehrung empfunden, dass sie sich in seiner Gegenwart hatte gehen lassen. Zeigte dies nicht, dass sie in gewisser Weise Vertrauen zu ihm hatte? Ob das allerdings von Bestand war, das musste sich erst noch beweisen.
Das atrium war mittlerweile schon ziemlich mit Menschen gefüllt. Viele fröhliche Gesichter, - doch nicht nur. Wie konnte es sein, daß die traurigen Gesichter hier gar Sklaven gehörten? Warum genossen sie nicht diesen Tag, der doch ganz besonders ihr Tag war?
Da trat auch schon Flavius Gracchus auf ihn und Corvinus, der aus irgendeinem Grund immer noch in Ursus' Nähe war, zu, um sie zu begrüßen und ihnen hübsche Tonfigürchen als Präsent zu überreichen. Das Vögelchen war wirklich hübsch und von einer besonderen Anmut.
"Io Saturnalia, Gracchus", wünschte Ursus mit einem fröhlichen Lächeln. "Und hab Dank für die Einladung zu diesem Fest - und für dieses schöne Geschenk. Darf ich Dir ebenfalls eine Kleinigkeit verehren?" Auch Ursus trug einen Beutel mit sich und holte eine Kerze hervor. Das Wachs war wie ein Schiff geformt und die Kerze war auch tatsächlich schwimmfähig.
Direkt nach Gracchus kam auch Flavius Aquilius heran. "Io Saturnalia, auch Dir Aquilius. Darf ich auch Dir eine Kleinigkeit überreichen?" Auch er erhielt eine derartige Kerze, bevor sich Ursus einen Becher vom angereichten Tablett nahm.
Er ging darauf ein. Tatsächlich. Dabei hatte Ursus damit gerechnet, daß Cincinnatus noch ein wenig feilschen würde und wäre auch bereit gewesen, etwas mehr zu zahlen ( )
"Nun, in dem Fall kann ich Dir den cursus res vulgares an der Schola Atheniensis wärmstens empfehlen. Der letzte ist schon eine Weile her, daher ist wohl in den nächsten Wochen mit einem neuen cursus zu rechnen. Er ist beim ersten Versuch kostenlos. Und er ist Grundvoraussetzung für so ziemlich alles."
Es war ja noch gar nicht so lange her, daß Ursus selbst diesen cursus absolviert hatte. Und er mußte zugeben, daß er dort viel gelernt hatte.
"Also, ich denke, damit ist erstmal alles geklärt. Ich erwarte Dich dann morgen Vormittag zur vierten Stunde* hier in meinem Büro. Ich denke, ich mache Dich dann erstmal mit dem Verfahrensablauf vertraut. Und dann kannst Du mir bei den Anschreiben an die Erbberechtigten helfen."
Ursus hatte das Gefühl, daß sie beide sich noch mächtig aneinander würden gewöhnen müssen. Doch das würden sie schon schaffen, solange von beiden Seiten guter Wille da war.
* so zwischen 9 und 10 Uhr
Ursus nickte. Ja, war es nicht immer so? Eine Fehde wurde von Generation zu Generation weitergetragen und irgendwann wußte niemand mehr, warum man sie eigentlich begonnen hatte.
"Völker sind immer in Bewegung, Fiona. Auch das Deine. Und wo Völker sich bewegen, geschieht immer Unrecht. Man kann lange darüber streiten, wo der Anfang des Unrechts war. Und eine Lösung dennoch nicht finden. Ihr sagt, wir wären in euer Land eingebrochen. Doch das Land hat nicht immer euch gehört. Vor vielen Generationen lebte dort ein anderes Volk, das von dem euren besiegt und entweder unterdrückt oder vertrieben wurde. Und so ist es überall auf der Welt und so ist es immer gewesen."
Er suchte ihren Blick und versuchte, ihn festzuhalten. "Gibt es eine Erbschuld, Fiona? Und wenn es sie gibt, ist es dann nicht falsch, daß es sie gibt? Sollte nicht jeder Mensch für sich nach seinen Taten beurteilt werden? Und wie ist das mit der Freiheit? Wer ist denn schon wirklich frei? Du sagst, bei euch gehören die Unfreien zur Familie. Doch haben nicht auch sie noch eine eigene Familie, nach der sie sich sehen? Wenn ein Unfreier zu euch kommt und sagt: Laß mich gehen, ich will zurück zu meinen Leuten - laßt ihr ihn dann gehen?"
Das konnte er sich kaum vorstellen. "Und wie fühlen die Unfreien? Empfinden sie sich wirklich als Familienmitglied?" Auch das bezweifelte er. Selbst wenn die Familie so empfand, der Unfreie würde sich immer nur als Unfreier fühlen, als Gefangener, auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. "Vieleicht sagen sie das nur, weil ihr das von ihnen erwartet. Ich sage ja auch, unsere Sklaven gehören zur Familie. Doch ich glaube nicht, daß sie selbst das so sehen. Zumindest die meisten von ihnen nicht."
Die Zeit schien stillzustehen, alle Bemühungen schienen fruchtlos zu sein. Sie lag einfach da, todesblass, einen friedvollen Ausdruck auf dem schönen, von nassen Strähnen umrahmten Gesicht. Schon wollte Ursus seine sinnlos scheinenden Bemühungen aufgeben, da endlich zeigte sie Lebenszeichen, bäumte sich sogar leicht auf. Es ergoß sich unter Würgen Wasser aus ihrem Mund, sie regte sich, - und der wunderbar friedvolle Ausdruck wandelte sich zu einem Ausdruck unendlichen Schmerzes! In diesem kurzen Moment war sich Ursus nicht mehr sicher, ob er das richtige getan hatte. Doch dieser Zweifel währte nur einen Augenblick. Sie war seine Cousine und er würde doch nicht tatenlos zusehen, wie sie starb!
Noch schien sie ihre Umgebung nicht wahrzunehmen. Ihre Lider zitterten, als seien sie unschlüssig, ob sie sich wirklich öffnen sollten. Ihr Atem war unregelmäßig und noch rasselnd. Vorsichtig hob Ursus sie in seine Arme, lehnte sie gegen seine Schulter, damit sie das restliche Wasser leichter heraushusten konnte. Er streichelte über Helenas Rücken, um es ihr zu erleichtern. Und auch, um ihr Wärme, Geborgenheit und Halt zu geben. "Es wird alles gut, Helena. Es wird alles gut, Du wirst schon sehen", sagte er leise und sanft, ohne zu wissen, wie er eben das bewerkstelligen sollte.
Erst jetzt gewahrte er Siv, die direkt neben ihm kniete. Bisher hatte er noch nichts mit ihr zu tun gehabt, aber natürlich wusste er, wer sie war. Noch eine von Corvinus’ Sklavinnen. Sie hatte die Wunde ordentlich verbunden, mit mehr Druck auf die verletzte Ader, als es ihm in der Eile möglich gewesen war. "Sehr gut", lobte er die Sklavin mit hörbarer Erleichterung in der Stimme, denn damit hatte sie sicherlich verhindert, dass Helena noch größere Blutmengen verlor. Anscheinend hatte sie Fachwissen, was die Versorgung von Wunden anging, etwas, was er sich merken und wozu er sie später noch genauer befragen wollte.
Aus irgendeinem seltsamen Grund erschien es ihm gar nicht eigenartig, dass die Sklavin sich mitten in der Nacht hier im Garten aufhielt, noch dazu so leicht bekleidet trotz der Kühle. Er war einfach froh, dass sie da war und ihm so helfen konnte. Allerdings war er sich nicht sicher, ob sie ihn überhaupt verstand, denn sie hatte bisher nur ihre eigene Sprache benutzt, die er wiederum nicht verstand. Er musste es eben einfach versuchen, langsam und deutlich. "Sie muß in ihr Bett und braucht trockene, warme Kleidung. Und ganz dringend braucht sie einen Medicus. – Siv, bitte lauf mir voraus, öffne mir die Türen und dann wecke," er überlegte einen Moment. Caelyn kannte sich nicht aus, kam also nicht in Frage. Wer war noch da? Er brauchte jemanden, der handfest und zuverlässig war… "Cadhla. Sie soll dafür sorgen, dass der Medicus mit einem Chirurgen eiligst herkommt. Danach musst Du mir helfen, Helena umzukleiden und warm einzupacken." Daß er selbst ebenso durchnässt und durchkühlt war, merkte er gar nicht. Noch hatte die Dringlichkeit der Situation die Oberhand und ließ keinen Gedanken an ihn selbst zu.
Während Ursus Helena auf seine Arme nahm und mit ihr aufstand, fiel sein Blick auf die Sachen, die unter dem Baum lagen. Später… später war bestimmt Zeit, danach zu sehen. Vielleicht fand sich bei diesen Dingen etwas, was verriet, warum Helena hatte ihrem Leben ein Ende setzen wollen.
Ob sie wohl mittlerweile wahrnahm, was um sie herum vorging? "Ich bringe Dich jetzt rein, Helena. Dann hast Du es gleich wieder trocken und warm. Und alles andere… das klärt sich dann."
Ursus war ganz froh, daß das Gespräch nicht noch einmal auf seinen Vater zurückkam. Er vermißte ihn sehr, wollte das aber nicht in dem Maße zeigen. In Griechenland war es noch nicht so stark zu spüren gewesen, denn dort war er ihm sowieso fern gewesen. Doch hier in Rom wurde er ständig an ihn erinnert, was die verheilt geglaubte Wunde eben immer wieder aufriß.
Aus den Worten des Senators vermeinte Ursus zu verstehen, daß bis jetzt tatsächlich keine wirklich Arbeitsteilung stattgefunden hatte und Meridius alles allein erledigte. Das wunderte Ursus ein wenig, aber manchmal ergab es sich wohl eben so, daß alles an einem hängenblieb.
"Ich halte das für einen ausgezeichneten Plan. Wenn es am Geld nicht fehlt, müßte sich doch durch vermehrten Einsatz etwas erreichen lassen. Wer ist denn eigentlich alles Sodalis der Aurata?" Natürlich einige Aurelier und Meridius selbst nebst einigen seiner Familienmitglieder, soviel wußte Ursus bereits. Ob es noch weitere gab? Wenn nicht, sollte es einfach sein, die Sodalis zusammenzutrommeln.