Beiträge von Titus Aurelius Ursus

    Sim-Off:

    Sorry, irgendwie übersehen :(



    "Ja, es ist viel Unrecht geschehen, Fiona. Aber eben auf beiden Seiten. Und... ich kann verstehen, daß man ein fremdes Volk haßt, wenn man es nur als den Feind kennt, der einem noch dazu die geliebten Menschen genommen hat. Wenn man eben nie die Gelegenheit hat, Angehörige des Volkes richtig kennenzulernen." Ursus blickte sie sehr ernst an, während er das sagte.


    "Ich kann auch verstehen, wenn jemand auf die Suche nach denjenigen geht, die das getan haben. Für die Rache an eben diesen Menschen habe ich tiefstes Verständnis." Er machte nochmal eine Pause, denn es war ihm wichtig, daß nichts unterging.


    "Aber ich habe kein Verständnis dafür, wenn jemand pauschal ein ganzes Volk haßt, obwohl derjenige in diesem Volk auch schon gute Menschen kennengelernt hat. Und ich habe auch kein Verständnis dafür, wenn Menschen, die nichts mit der Untat zu tun hatten, für die Rache herhalten müssen. Denn das ist alles neues Unrecht. Kein Mensch sollte für die Untaten eines anderen Menschen herhalten müssen. Und auch nicht für die Untaten, die im Namen des Volkes begangen wurden, dem er zufällig angehört. Keiner von uns kann sich seine Eltern aussuchen, keiner von uns kann sich sein Volk aussuchen und keiner von uns kann sich aussuchen, in welchem Sinne er erzogen wird. - Wir können nur selbst bestimmen, was wir tun. - Von den Druiden habe ich sogar schon gehört. Sie werden nicht gejagt, weil sie eine Art Priester sind. Sondern sie werden gejagt, weil sie das Volk aufgewiegelt und zur Rebellion angestiftet haben. Verstehst Du den Unterschied? Nicht die Religion sollte zerstört werden..."

    "Wenn ein Vorfahre von Dir diesem Stand angehörte, gehörst Du ihm automatisch auch an." Ursus runzelte die Stirn. Der Bursche versuchte wohl, ihn auf den Arm zu nehmen? Wenn er so gebildet war, wie er behauptete, sollte er so etwas doch eigentlich wissen. "Wenn Du keinen Vorfahren hast, der diesem Stand angehörte, dann mußt Du ihn erst erwerben, vorher kannst Du den cursus honorum nicht beschreiten. - Nun, Du wirst das sicherlich schaffen." Wenn er sich bewährte und sich möglichst noch einen guten Patron suchte, würde der Kaiser ihn sicherlich irgendwann in den ordo senatorius erheben.


    "35 wären für einen scriba, der seit vielen Jahren hat Erfahrung sammeln können, sicherlich angemessen. Da Du aber ein Anfänger bist, halten ich ein derartiges Gehalt doch für etwas arg übetrieben. Ich würde sagen, wir vereinbaren drei Wochen Probezeit, während der Du 20 Sesterzen pro Woche erhältst und danach, wenn Du Dich gut bewährt hast, sprechen wir erneut über Dein Gehalt." Ursus musterte sein Gegenüber aufmerksam und war sehr gespannt auf seine Reaktion.

    Zusammen mit den anderen Angehörigen des Haushalts war Ursus zur Villa Flavia gegangen, um mit den Flaviern und den Claudiern zusammen zu feiern. Weit war der Weg ja nicht, doch der kühle Wind machte Mäntel oder Umhänge doch erforderlich. Doch Ursus begrüßte die Kühle. Später, wenn der Alkohol seine Wirkung getan hatte, würde eben diese Kühle den Heimweg deutlich erleichtern.


    Am heutigen Tage konnte nicht mal die Anwesenheit des Onkels seine gute Laune trüben. Und auch die provozierende Bemerkung erwiderte er mit einem breiten Grinsen und seine Augen blitzten dabei übermütig. "Tz, wofür hast Du mich denn sonst mitgenommen?" Nein, am heutigen Tag konnte Corvinus ihn mit so etwas nicht auf die Palme bringen. Doch bevor der sich etwas einfallen lassen konnte, was ihm vielleicht doch die Petersilie verhagelt hätte, ging Ursus etwas auf Abstand, legte seinen Mantel ab und begab sich lieber in das geschmückte atrium.


    "Io Saturnalia", wünschte Ursus den bekannten und unbekannten Menschen, die hier bereits versammelt waren, und lächelte fröhlich. Sein Blick suchte vor allem die Gastgeber, die sich ja sicher auch hier irgendwo herumtrieben.

    Corvinus krank? Und konnte nicht zum Essen kommen? Nun, Ursus war nicht unglücklich darüber, daß ihm der Anblick des Onkels bei dieser Mahlzeit erspart blieb. Doch er war auch nicht gehässig genug, ihm eine Krankheit zu wünschen, zumal es ernst zu sein schien, wenn er sich unkontrolliert übergeben hatte.


    Gar so anschaulich hätte die Beschreibung allerdings auch nicht grad sein müssen. Vor allem nicht begleitet durch das leichte Spucken, das durch das Lispeln verursacht wurde. Und so kassierte Naavi einen strengen Blick von Ursus, bevor der Aurelier sich an die Köchin wandte. "Danke für die Nachricht, Niki. Dann beginnen wir jetzt. Schließlich sollen Deine Mühen nicht durch zu langes Warten zunichte gemacht werden." Er nickte den Sklaven zu, damit sie begannen, die Speisen zu servieren.


    Daß der unbekannte Vetter immer noch nicht da war, störte Ursus dabei wenig. Immerhin wußte er nicht mal genau, ob dieser überhaupt zum Essen erscheinen würde. Und zu spät war er obendrein. Ursus nickte der Köchin noch einmal dankbar zu, die sich daraufhin wieder zurückzog, wobei sie Naavi einfach mit sich zog. Als sie gerade zur Tür hinaus wollten, hatten sie anscheinend Gegenverkehr... Der unbekannte Vetter?

    Auch Ursus hatte sich am Tempel des Saturnus eingefunden. Um nichts in der Welt würde er sich das entgehen lassen. Auf dem Weg hierher hatte er viele bekannte Gesichter gesehen, hatte in alle Richtungen "Io Saturnalia" gewünscht und das Grinsen war aus seinem Gesicht gar nicht mehr wegzukriegen.


    Aufmerksam verfolgte er die Zeremonie, die wirklich wieder einmal sehr stimmungsvoll abgehalten wurde. Die Priester leisteten wirklich ganze Arbeit, das konnte man nicht anders sagen. Bereitwillig spendete der Aurelier, als ein grünbekränzter Bediensteter an ihm vorüberging und bat dabei ernst um den Segen des Saturnus. "Saturnus, bewahre das Korn für die Saat und mache es fruchtbar für die Ernte."


    Etwas entfernt sah er Tiberius Durus stehen. Und Annaeus Florus. Und war das da hinten nicht Purgitius Macer? Doch Ursus wandte nun seine Aufmerksamkeit wieder den Priestern zu. Nach Bekannten gucken konnte er später noch.

    Es war ja schon erstaunlich genug, dass Corvinus tatsächlich die aktuellen Unterlagen herausgerückt hatte. Ursus hatte nicht wirklich damit gerechnet. Und er erwartete eigentlich, dass ihm die Einsicht in diese Unterlagen sehr bald wieder entzogen würde. Daher arbeitete er nun schon seit mehren Tagen in jeder freien Minute daran, sich gründlich einzuarbeiten. Dazu hatte er sich auch die Unterlagen aus Cottas Büro und einige aus der Bibliothek geholt. So hatte er während der Arbeit alles griffbereit.


    Natürlich tauchten immer wieder Fragen auf. Fragen, die Corvinus ihm sicherlich schnell hätte beantworten können. Doch Ursus hatte keine Lust, sich auch noch als Dummkopf hinstellen zu lassen, nur weil er Corvinus Fragen stellte. Der suchte doch nur nach Vorwänden, ihn weiterhin dumm und klein halten zu können. Und so erarbeitete Ursus sich die benötigten Antworten selbst, was teilweise sehr mühsam und zeitraubend war. Andererseits lernte er gerade dadurch natürlich eine ganze Menge.


    Auch an diesem Abend hatte Ursus mal wieder kein Ende finden können. Er hatte mehrere Lampen und Kerzen aufgestellt, um genügend Licht zu haben. Und sich dann in die Aufzeichnungen vertieft, unzählige Notizen und Fragestellungen auf Wachstafeln notiert, nur um sie am Ende noch einmal durchzugehen und gezielt nach den jeweiligen Antworten zu suchen. Das meiste war einleuchtend und klar strukturiert, das Prinzip nicht weiter schwer zu begreifen. Doch nicht allein die Systematik interessierte ihn, sondern auch die Vorgänge, die dem Ganzen zugrunde lagen. Und so verglich er die nackten Zahlen mit Vorgängen im Schriftverkehr und mit Berichten der einzelnen Verwalter.


    Dazu versuchte er sich ein Bild über die laufenden Kosten zu machen, die hier im Haushalt so anfielen. Über mehrere Jahre ging er zurück und notierte sich, wann wofür wieviel Geld ausgegeben worden war, versuchte nachzuvollziehen, warum in manchen Monaten besonders hohe Kosten angefallen waren und in anderen erstaunlich wenig. Wieder machte er sich Notizen, verglich sie anschließend mit den anderen Notizen, stellte so die Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Bereichen her.


    Viele Stunden rannen so dahin, ohne dass Ursus dies auch nur bemerkte. Bis ihm irgendwann doch die Augen von der langen Arbeit bei unzureichendem Licht schmerzten. Der junge Aurelier reckte sich und stand auf, um die steifen Glieder ein wenig zu lockern. Er hatte heute wirklich viel geschafft. Sowohl für sein Amt, als auch bei der Einarbeitung in die Familiengeschäfte.


    Ein Blick aus dem Fenster zeigte ihm einen sternenklaren Himmel. Der fast volle Mond erhellte die Nacht und ließ den Garten verlockend daliegen. Ja, ein paar Schritte an der frischen Luft würden ihm jetzt gut tun. Einfach etwas Ruhe und Frieden tanken – und dann schlafen gehen.


    Still war das Haus um diese Zeit. Friedlich und ruhig. Und so rechnete Ursus natürlich nicht im geringsten damit, dass sich außer ihm noch jemand im Garten aufhielt. Umso erstaunter war er, als er eine Stimme vernahm. Jemand sang. Traurig und wunderschön! Eine weibliche Stimme und ganz gewiß nicht Cadhla, deren Singstimme er ja seit dem Totenfest der Sklaven kannte.


    Neugierig, aber ohne Eile, ging er näher heran. Aus der Richtung des Teiches kam der Gesang, der nun bedauerlicherweise verklang. Der Teich kam gerade in Sicht. Das fahle Mondlicht spiegelte sich auf der Wasseroberfläche zwischen den Blättern der Seerosen. Seine Augen suchten aber eigentlich das Ufer ab, wo er nichts entdecken konnte. Und schon wollte er sich abwenden, in der Annahme, die Sängerin sei schon wieder weg, da bemerkte er etwas im Wasser. Einen hellen Widerschein, wie von weißem Stoff… Ein Gewand… Ein Mensch! Da war ein Mensch im Wasser! Unter Wasser!


    Keinen Augenblick zögerte Ursus. Er rannte zum Teich, - rannte hinein in das unangenehm kalte Wasser und griff nach dem Menschen. Eine Frau… Schlaff und kalt fühlte sie sich in seinen Armen an, als er sie ans Ufer beförderte, wo er sie vorsichtig ins Gras legte. Nun erkannte er sie auch. "Helena!" Schnell kontrollierte er ihren Atem, konnte aber nichts feststellen. Doch er wusste, manchmal war der Atem so schwach, dass man ihn nicht gleich bemerkte. Herzschlag, das war aussagekräftiger. Und ja, das Herz schlug. Ganz schwach, aber er konnte es spüren.


    Lange konnte sie nicht im Wasser gelegen haben. Er hatte sie doch noch singen gehört! Es konnte nicht sein, dass sie in so kurzer Zeit ertrunken war! Es konnte nicht sein und durfte nicht sein!


    Nun war er froh, dass er in Griechenland auch viele Philosophie-Vorlesungen besucht hatte, die sich mit Medizin und dem menschlichen Körper befasst hatten. Er bog ihren Kopf nach hinten und lagerte ihn halb auf die Seite. Dann ergriff er ihre Hände, um sie auf den unteren Brustkorb zu drücken. Damit wollte er eventuell eingeatmetes Wasser aus ihr herausdrücken.


    Doch als er ihre Handgelenke ergriff um dies zu tun, erfühlte er an ihrer linken Hand eine warme, klebrige Flüssigkeit. Blut! Geschockt blickte Ursus auf die Wunde am Handgelenk, aus der langsam Blut sickerte. "Was hast Du getan?", rief er voller Schreck, ohne daran zu denken, dass sie ihn wohl ohnehin nicht wahrnahm.


    Eiligst riss er sich einen Streifen Stoff von der Tunika und umwickelte mit fliegenden Fingern fest das Handgelenk, damit nicht noch mehr kostbarer Lebenssaft aus ihr herausfließen konnte. Er musste sich beeilen, denn auch das Wasser musste aus ihr raus, bevor es sie erstickte. Kaum war die Wunde notdürftig verbunden, drückte er auf ihren Brustkorb. Und wieder… Und wieder…


    "Oh, ihr Götter, ich bitte euch: Laßt sie nicht sterben", flehte er. Ausgerechnet Helena! Die liebe, sanfte Helena! Warum nur? Warum nur hatte sie das getan? Warum wollte sie ihr Leben wegwerfen? Was konnte sie so unglücklich gemacht haben?


    "Helena… Helena, komm zu Dir, - bitte!" Die Gegenstände unter dem Baum bemerkte er nicht. Noch nicht. Im Moment hatte er nur Augen für die blasse, schöne, junge Frau, die sich auf der Schwelle zwischen Tod und Leben befand und sich nun für das eine oder andere entscheiden mußte, so sie denn konnte.

    Bei der Frage nach seinem Vater schien es, als legte sich ein Schatten auf das Gesicht des Aureliers. "Mein Vater verstarb vor ein paar Jahren." Und er hatte nicht einmal an der Beerdigung teilnehmen können, da er in Griechenland gewesen war. Etwas, das ihn heute noch belastete.


    Lieber lenkte Ursus seine Gedanken wieder auf die aurata und hörte sich die Ausführungen des Senators aufmerksam an. "Meine finanziellen Möglichkeiten sind leider zur Zeit noch sehr begrenzt, so daß finanzielle Spenden von mir wohl am Anfang eher kläglich ausfallen werden", gab er offen zu, auch wenn er natürlich trotzdem bereit war, die eine oder andere - dann eben kleine - Spende zu machen. Außerdem hoffte er ja, im Laufe der Zeit seine Finanzen aufbessern zu können. Und dann würde er auch großzügiger spenden können. "Doch ich will mich gerne in die Arbeit einbringen und die factio nach besten Kräften unterstützen." Die Arbeit für sein Amt hatte er ganz gut im Griff, er sah keine Schwierigkeiten, zusätzlich für die factio tätig zu werden, sobald da Arbeit anfallen sollte. Soweit er Meridius verstand, lag da allerdings im Moment nichts weiter an. Die Augen offen halten konnte und würde er natürlich schon jetzt.

    "Wenn man nicht gerade dafür zuständig ist, Erbschaftsangelegenheiten zu bearbeiten, ist es wohl normal, nicht alle Stammbäume so genau zu kennen", scherzte er lachend. Daß der Senator ihn nicht unbedingt in die Gens einordnen konnte, war ihm kaum übel zu nehmen.


    "Ich bin der Sohn von Decimus Aurelius Maxentius. - Marcus Aurelius Corvinus ist mein Onkel. Der jüngere Bruder meines Vaters", erklärte er bereitwillig.


    "Schon als Kind war ich Anhänger der factio aurata und habe den Wagen zugejubelt, - von den Schultern meines Vaters aus." Das waren wirklich schöne Erinnerungen und er lächelte unwillkürlich. Eine andere factio kam für ihn schlicht nicht in Frage. Selbst wenn die aurata weiterhin nicht gewann.


    "Ich möchte mich tatsächlich engagieren. Und würde mich freuen, wenn Du mich als Mitglied der factio aurata akzeptieren würdest. Und wenn Du mich auch noch darüber aufklären würdest, was das für Pflichten mit sich bringt."

    Ursus lächelte. "Ja, heute seid ihr hier und habt es wahrlich weit gebracht." In Hispania war Ursus noch nie gewesen. Aber er stellte es sich dort nicht wesentlich anders vor als in Italia.


    Daß die factio aurata bisher nicht recht erfolgreich war, stimmte natürlich. Leider Umso mehr ein Grund, sie zu unterstützen, damit sie endlich mal als erste ins Ziel kamen.


    Ursus nahm das Glas entgegen und stimmte in den Trinkspruch mit ein. "Auf die Aurata und auf einen Sieg beim nächsten Rennen." Das war zumindest wünschenswert. Ursus nahm ebenfalls einen kräftigen Schluck. Als ob das der factio aurata zum Sieg verhelfen könnte. "Der Wein ist wirklich gut", lobte er spontan, nachdem er den Schluck einen Moment auf der Zunge hin- und hergerollt und schließlich geschluckt hatte. Er hinterließ tatsächlich einen angenehmen Nachgeschmack.

    Anscheinend hatte der Senator tatsächlich Zeit. Und auf jeden Fall die Ruhe weg. Das hatte Ursus nicht erwartet, die meisten Männer in solch einer Position hatten niemals Zeit und wollten unerwartete Besucher, solche wie Ursus gerade, möglichst schnell wieder los werden.


    Doch es war wirklich angenehm, sich nicht wie ein lästiges Insekt vorkommen zu müssen. "Ja, danke, sehr gerne." Er war schon lange unterwegs und konnte einen guten Schluck wirklich brauchen. Und so nahm er das freundliche Angebot dankbar an. "Wein aus Hispania? Von Deinen eigenen Weinbergen?"

    "Wir warten mit dem Essen noch etwas", wies Ursus die anwesenden Sklaven an. "Aber das Obst könntet ihr schon mal herstellen." Das war zwar normalerweise eher eine Nachspeise, doch was schadete es, ein paar Trauben oder einen Apfel vor dem eigentlichen Essen zu verspeisen?


    "Corvinus hatte eigentlich angekündigt, an diesem Mahl teilzunehmen. Und außerdem ein junger Mann, der sagt, er sei der Sohn von Onkel Iustus und somit ein Halbbruder von Prisca. Wie er heißt, weiß ich nicht. Nur scheint er seine Identität nicht unbedingt beweisen zu können, zumal keiner von uns von seiner Existenz wußte - oder wußte einer von euch von ihm? - Er ist also noch nicht als Familienmitglied anerkannt, aber auch nicht abgewiesen." Er verriet damit kaum ein Geheimnis. Wenn Corvinus den Rest der Familie über diese merkwürdige Situation noch nicht aufgeklärt hatte, so war das ein Versäumnis seinerseits. Denn wenn sie auf den Mann trafen, der vielleicht ihr Vetter war, dann sollten sie wissen, mit wem sie es zu tun hatten. Und vielleicht konnten sie helfen herauszufinden, ob er log oder die Wahrheit sagte.


    Helena brachte das Gespräch auf Ägypten. Das war Ursus ganz recht, so konnte nun Philonicus für die Unterhaltung sorgen. "Ja, erzähl uns von Ägypten", stimmte er also zu und nahm noch einen Schluck von seinem Wein.

    Allein der Anblick der entgleisten Gesichtszüge von Pyrrus waren es schon wert, Caelyn ihr etwas dreistes Verhalten, daß sie sich einfach dazusetzte, durchgehen zu lassen. Er würde ihr später erklären, daß sie das nur auf seine Aufforderung hin tun durfte. Ursus nahm seinen Becher und grinste mit einem eher herausforderndem Blick auf Pyrrus, der irgendwie hektisch nach seinem Becher griff und trank. Ja, sollte er ruhig gleich zu Corvinus rennen und ihm zutragen, wie unglaublich unangemessen er mit seiner Sklavin umging. Dieser elende Spion!


    "Das sollte auch so sein, Caelyn. Man kann nämlich nie zuviel wissen. Nur zuwenig. Manches mag Dir erst überflüssig und unwichtig erscheinen. Doch eines Tages ist man vielleicht froh, es gelernt zu haben." Diese Erfahrung hatte er schon häufiger gemacht. Das war auch der Grund, warum er ständig und andauernd lernte und Kurse in allen möglichen Wissensgebieten belegte. So lange er Zeit und Gelegenheit hatte, wollte er lernen so viel es nur ging. Eines Tages brauchte er es vielleicht und hatte vielleicht nicht die Zeit, es erst gründlich zu lernen. Etwas, was Corvinus nicht zu begreifen schien.


    Die Pause tat wirklich gut. Er genoß den verdünnten Wein und die erfrischenden Früchte in aller Ruhe. Anschließend wusch er sich die Hände an der Waschschüssel, die hier im Raum immer bereit stand und ging erst wieder an seine Papiere zurück, nachdem er seine Hände gründlich gereinigt und abgetrocknet hatte.


    "Im Moment brauche ich Dich dann nicht mehr, Caelyn. Wenn das Abendessen bereit ist, sage mir Bescheid. Und denk daran, daß ich Dich morgen mit in die Stadt nehme, sag das den anderen, damit sie Dich nicht für andere Arbeit einteilen." Er nickte ihr lächelnd zu, womit sie dann erst einmal entlassen war.

    Die Tränen hatten die Tunika längst durchdrungen und benetzten seine Haut. Es war schon eigenartig, wieviel anders als Regen sich Tränen anfühlten. Dabei war doch beides nur Wasser! Nichts als Wasser! Und doch war es anders.


    Langsam versiegten die Tränen. Er konnte unter seinen Händen richtig spüren, wie sie ruhiger wurde. Wie die Kraft in ihren Körper zurückströmte. Wie der Atem ruhiger und freier wurde. Schließlich löste sie sich aus seiner Umarmung, was er zutiefst bedauerte, aber in keinster Weise zu verhindern versuchte.


    Nur dieses eine Wort kam über ihre Lippen. Doch er konnte in ihren Augen lesen, daß dieser Dank tief ging, sehr tief. Dazu gab es nichts zu sagen. Es gab eben Momente, in denen Worte nur zerstörten. Und so nickte er nur, um diesen besonderen Moment nicht zu zerstören.


    Er trat einen Schritt zurück, ohne den Blick von ihr zu nehmen. Nun war sie wieder ganz die starke Kriegerin, strahlte Stolz und Kraft aus, was ihr diese ganz besondere Art von Schönheit verlieh. Was für eine Frau!


    Einen Moment lang betrachtete er sie einfach, dann hoben sich seine Mundwinkeln zu der Andeutung eines Lächelns. "Bis morgen früh also." Und drehte sich weg, um sich auf den Rückweg zum Haus zu machen.

    "Ja, diesen Eindruck hast Du erweckt", nickte Ursus ernst, nahm dem Iulier das aber auch nicht dauerhaft übel. Doch würde er ihn nun ein wenig aufmerksamer beobachten, um zu sehen, ob dies wirklich kein Versuch gewesen war, ihn wegen irgendwas hinters Licht zu führen.


    "Demnach besitzt Du bereits den ordo senatorius?" fragte Ursus mehr rhetorisch, denn er nahm an, daß es so war. "Gut, dann weiß ich wenigstens von vornherein, daß Du keine Lebensstellung daraus machen willst. Und ich nehme an, daß dies auch bedeutet, daß Du gerne tieferen Einblick in die Materie und die gesetzlichen Grundlagen hättest?" Das wäre ja schließlich eine ausgezeichnete Vorbereitung für die eigene Amtsaufnahme.


    "Und wie sehen Deine Gehaltsvorstellungen aus?", fragte Ursus einfach weiter. Er war gespannt, wie hoch Cincinnatus seine Dienste bewertete.

    Eine ausgesprochen ausweichende Antwort und solche Antworten bekam Ursus schon von seinem selbstgefälligen Onkel mehr als genug. Dementsprechend runzelte er seine Stirn und sein Unwillen über die magere Antwort war ihm deutlich anzusehen.


    "Das ist soweit richtig, daß wir alle vieles vorhaben, aber ich habe etwas mehr als Antwort erwartet, als einen Sinnspruch. Ich stelle die Frage schließlich nicht, um Dir irgendwelche Schwierigkeiten zu machen, Cincinnatus. Sondern um zu erfahren, wie lange wir mit Deinen Diensten rechnen können und ob Du vielleicht eine Möglichkeit möchtest, Dich auch in anderen Bereichen weiterzubilden. Ich kann Deine Arbeit so gestalten, daß Du reine Abschriften oder Serienbriefe schreibst, oder aber Dich auch mit dem Hintergrund meiner Arbeit und den gesetzlichen Vorschriften vertraut machen." Eigentlich war es nicht nötig, seine Beweggründe für seine Fragen darzulegen. Doch er wollte dem jungen Mann eine weitere Chance geben.


    "Vertrauen zwischen uns ist eine Grundvoraussetzung für gute Zusammenarbeit. Wenn Du schon so wenig Vertrauen zu mir hast, daß Du nicht mal allgemein über Deine Zukunftspläne sprechen möchtest, frage ich mich, wie Du Dir unsere Zusammenarbeit vorgestellt hast." Ursus sprach dabei nicht unfreundlich, doch er erwartete ein wenig mehr Offenheit, wenn der Iulier die Stellung wirklich haben wollte.

    Sie war nur eine Sklavin. Eine unter vielen. Wenn sie nicht mehr da war, würde eine andere sie problemlos ersetzen. Das zumindest sprach sein Verstand, in dem all das die Oberhand zu behalten versuchte, was er in seinem bisherigen Leben gelernt hatte.


    Doch warum fühlte er sich dann so sehr davon geehrt, daß sie sich tatsächlich von ihm trösten ließ? Daß sie seine Umarmung nicht nur zuließ, sondern sogar erwiderte? Er hielt sie fest, ganz fest. Und es war irgendwie anders als neulich Nacht, wo er schlicht von ihrer Anmut und ihrem schönen, kraftvollen Körper angezogen worden war. Wo er ihr einen Kuß gestohlen hatte, weil er sie begehrt hatte.


    Das hier war kein Begehren. Es war der Wunsch, ihr Kraft und Trost zu spenden. Und er freute sich mehr, als er es je für möglich gehalten hätte, daß sie sich an ihn anlehnte, daß sie sich kraftvoll an ihn klammerte.


    Er wußte, daß es falsch war. Er wußte, er durfte eine Sklavin nicht so an sich heranlassen. Und doch... er konnte es nicht ändern, sie berührte ihn, wie er noch nie zuvor berührt worden war - tief in seiner Seele. Und so hielt er sie weiterhin schweigend fest, gab ihr einfach Halt und Geborgenheit, solange sie es zuließ und solange sie es brauchte.

    Ursus arbeitete derweil die Listen durch, um herauszufinden, wer von den Verstorbenen Betriebe besessen hatte und welche das waren. Fein säuberlich übertrug er die Informationen in seine eigene Liste. Eine langwierige, langweilige Aufgabe, aber eben auch notwendig.


    Er legte gerade die Liste mit den Betrieben beiseite und griff nach den anderen Vermögensaufstellungen, als Caelyn ihn ansprach, daß sie nicht mehr könne.


    Erstaunlicherweise sprach sie das Wort "dominus" zum ersten mal ganz selbstverständlich aus. Es hatte nicht mehr diese widerwillige Betonung wie sonst. Das quittierte Ursus mit einem erfreuten Lächeln und verbuchte es als weiteren Fortschritt mit ihr.


    "Gut, dann soll es damit genug sein für heute. Aber morgen macht ihr dann weiter, bis Du die Buchstaben wieder sicher beherrschst, Caelyn. Jetzt für den Moment besorge uns allen doch ein wenig verdünnten Wein und Weintrauben oder anderes Obst. Was eben gerade da ist." Er selbst konnte eine Pause auch ganz gut vertragen, wie er zugeben mußte.


    Pyrrus sah griesgrämig drein wie immer. Was sich in dem Moment, als er für morgen wieder zum Unterricht verdonnert wurde, sogar noch verstärkte. Etwas, was man kaum für möglich gehalten hätte.


    "Und für Dich habe ich auch noch was, Pyrrus. Hier sind alle angekreuzt, wo alles Vermögen gleich an den Staat geht, weil es weder Testamente, noch Blutsverwandte gibt. Schreib die auf eine Extraliste, das können wir gleich weitergeben." Die Staatskasse würde sich freuen.

    Als Cincinnatus erwähnte, daß er in der Jugend eher faul gewesen war, mußte Ursus unwillkürlich schmunzeln. Hatte nicht jeder in seiner Jugend solch eine faule Phase? Gerade so mit dreizehn war es besonders schlimm gewesen. Bei ihm selbst jedenfalls. Irgendwie erinnerte der Iulier ihn sehr an sich selbst. Die gleiche Ausbildung, etwa das gleiche Alter. Ursus versuchte sich zu erinnern, ob er ihn in Athen einmal gesehen hatte. Aber das Gesicht war ihm unbekannt. Wenn sie sich mal gesehen hatten, dann nur flüchtig.


    Er hatte also die gleiche Ausbildung und die gleiche Erfahrung mit Verwaltungstätigkeiten - nämlich keine. Ursus hatte es sehr bedauert, daß er keine Gelegenheit gehabt hatte, vor dem Amtsantritt erste Erfahrungen zu sammeln. Zwar hatte er beim Einarbeiten in die Unterlagen gemerkt, daß es durchaus auch so zu bewältigen war, doch wäre vielleicht manches leichter gewesen, hätte er erst jemandem assistieren dürfen.


    Und nun war dieser Iulier hier und bat genau um dies: Erfahrungen sammeln zu dürfen. Und ob der Mann sich nun vielleicht doch als Versager oder Faulpelz herausstellen würde oder nicht: Ursus wußte schon jetzt, daß er ihn nicht abweisen würde.


    "Ich nehme an, daß Du hier einfach erste Erfahrungen sammeln willst? Deine Zukunftspläne sind bei einer solch grundlegenden Ausbildung aber doch sicher weiterreichend?" Neugierig musterte Ursus den jungen Mann vor sich. Ob er ebenfalls auf einen Sitz im Senat hinarbeitete?

    Ursus schüttelte entschieden den Kopf. "Ich halte Dich nicht für dumm, Cadhla. Wenn Du versuchen würdest zu fliehen, würdest Du es gewiß auf schlaue Art und gut geplant tun. Trotzdem ist die Wahrscheinlichkeit, es zu schaffen, verschwindend gering. Du brauchst Wochen, um das Imperium überhaupt zu verlassen. Und in diesen Wochen wirst Du niemandem trauen können. Denn jeder hier hält Ausschau nach entlaufenen Sklaven. Es gibt Belohnungen, wenn man sie wiederbringt, verstehst Du?" Und da alle aurelischen Sklaven gekennzeichnet waren, - er ging ganz selbstverständlich davon aus, daß auch Cadhla solch ein Zeichen trug, - wußte jeder, daß die Belohnung nicht klein ausfallen würde.


    Als er den Blutstropfen sanft fortwischte, den Blick noch immer in den ihren versenkt, purzelten plötzlich Tränen über ihre Wangen. Sie weinte nicht, wie er es sonst kannte. Kein Schluchzen, überhaupt kein Ton war von ihr zu hören. Helle, warme Tränen aus offenen Augen, das grelle Blut auf ihrer Lippe in einem blassen Gesicht, die weiterhin stolze Haltung. An diesem Weinen war nichts jammervolles, umso bestürzender fand Ursus es. Umso mehr überforderte ihn diese Situation.


    Einen Moment lang stand er einfach nur regungslos da, seine Gedanken überschlugen sich. Er wollte sie weder beschämen noch etwas erzwingen. Doch wollte er ihr auch zeigen, daß sie nicht so allein war, wie sie glaubte.


    Schließlich bewegte er sich, streichelte er mit seiner Hand ganz sanft die Tränen von ihrer Wange, dann trat er ein wenig näher und legte den anderen Arm um sie, drückte sie leicht an sich. Wenn es ihr unangenehm war und sie sich befreien wollte, konnte sie dies tun. Doch sie konnte auch einfach den Moment des Umarmt-, des Festgehaltenwerdens annehmen. Sich einen Augenblick des Kraftschöpfens erlauben und sich anlehnen. Ob sie verstand, daß er sie deswegen keinesfalls für schwach hielt? Sie war doch auch nur ein Mensch.