Beiträge von Titus Aurelius Ursus

    Durus und Lucianus. Zwei Männer, denen Ursus schon immer Bewunderung entgegen gebracht hatte. Konnte es falsch sein, was diese beiden Männer gemeinsam in Bewegung brachten?


    "Ist das nicht genau das, was wir herausfinden müssen? Ob der Kaiser in der Lage ist, Entscheidungen zu treffen? Und sei es nur die Entscheidung, wer ihn in allen Belangen vertreten soll? Ich begreife nicht, wie ein so kranker Mann, ein über so viele Jahre schon so kranker Mann es unterlassen kann, einen Nachfolger zu bestimmen. Wie er es unterlassen kann, seinen Sohn der Öffentlichkeit bekannt zu machen. Wie er es unterlassen kann, abzudanken und die Geschicke Roms in zuverlässige und auch würdige Hände zu geben, wenn doch nicht mehr mit seiner Gesundung zu rechnen ist. Und wir wollen uns nichts vormachen: Nach so vielen Jahren ist nicht mehr damit zu rechnen, daß er je wieder richtig zu Kräften kommt."


    Ursus fuhr sich mit den Händen durch die Haare. "Ich möchte ihm treu sein. Er muß ein guter Mann sein, sonst hätte der vergöttlichte Iulianus ihn niemals zu seinem Nachfolger ernannt. Warum schafft er es dann nicht, jetzt die richtigen Entscheidungen zu treffen?"




    Sichtlich erstaunt hob Ursus eine Augenbraue. "Und da schickt man mir einen persönlichen Boten statt einer schriftlichen Einladung?" Da durfte er sich wohl gebauchpinselt fühlen. Oder aber gedrängt. Offenbar legte jemand besonderen Wert auf seine Anwesenheit. "Also, von wem genau kommt die Einladung? Und was weißt Du über diesen Marius?" Ursus mußte zugeben, daß er den Namen noch niemals gehört hatte. Und gerade das machte ihn durchaus mißtrauisch.


    Es gab einen Grund, warum er den Miles zum Setzen aufgefordert hatte. Er wollte noch ein wenig mehr hören von den Vorgängen in Rom. Und wer könnte besser darüber Auskunft geben, als ein Praetorianer? "Du kommst mir bekannt vor, Iulius. Hilf mir mal auf die Sprünge, wo sind wir uns schon begegnet?"

    Für den Fall der Fälle. Forschend blicke Ursus seinem Patron in die Augen. Wie weit ging dieser Fall der Fälle? Dem Kaiser war Ursus stets treu gewesen, auch wenn er von Valerianus nicht viel wußte. Ganz langsam nickte er. "Ich verstehe. Gibt es weitere Unterstützung? Gibt es... Verbündete bei den Praetorianern? Gibt es ... Verbindungen zur Classis?"








    Ein Kribbeln in seinem Nacken zeigte an, daß sich seine feinen Nackenhärchen aufzurichten begannen. Sein Patron schickte die Sklaven hinaus. Nun ging es ans Eingemachte, ganz ohne Zweifel. Ganz sicher war Ursus sich plötzlich nicht mehr, ob er das alles hören wollte. Doch dann atmete er tief durch. In allen Zeiten hatte es Momente gegeben, wo sich Männer hatten entscheiden müssen, auf welche Seite sie sich schlugen. Nun war eben der Zeitpunkt für ihn gekommen.


    "Wenn auch nur die Hälfte von dem wahr ist, was über den Praefectus Urbi berichtet wird, dann ist er ein sehr gefährlicher Mann. Aber... was ist mit dem Kaiser? Er vertraut dem Vescularier offenbar blind. Wie gewinnen wir ihn?"







    Ursus war neugierig. Zugegebenermaßen. Doch er versuchte, sich davon nicht allzu viel anmerken zu lassen. "Salve, Miles Iulius." Das Gesicht kam ihm dunkel bekannt vor. Woher nur? Doch, ganz sicher, er hatte den Mann schon einmal gesehen! "Nimm Platz, Iulius, Du hast sicher einen anstrengenden Ritt hinter Dir. Und dann berichte, wer mir eine so dringende Botschaft schickt und wie sie lautet."

    Puh, wenn man sie öfter hinter sich bringen mußte, war die Strecke von Mantua nach Rom wirklich anstrengend. Eigentlich hatte Ursus schon überlegt, nicht zu dieser Kommandoübergabe zu reisen. Doch dann hatte er sich klargemacht, daß viele wichtige Leute anwesend sein würden und dies eine der wenigen Gelegenheiten für ihn war, mit diesen zusammenzutreffen. Außerdem würde es sicherlich in gewissen Kreisen positiv aufgefaßt. Nicht zuletzt aber war er neugierig auf den Mann, der jetzt als Praefectus Praetorio eingesetzt werden sollte. Noch dazu, wo der zweite Praefectus Praetorio schon lange abwesend war, aus welchen Gründen auch immer.


    Er war recht früh dran und suchte sich einen guten Platz in der ersten Reihe. Als Senator und Kommandant der Prima meinte er durchaus, darauf ein Anrecht zu haben. Er sah Tiberius Durus bereits dort sitzen und gesellte sich zu ihm. Immerhin war er der Onkel Septimas und Ursus hegte nach wie vor Bewunderung für den Tiberier, der für ihn der Patrizier schlechthin war. "Salve, Tiberius Durus. Darf ich?" Er deutete auf den Platz neben Durus.

    "Und ob wir fertig sind", grinste Ursus. "Wir haben unsere Wagen schon mal vorausgeschickt, sie warten hinter dem Stadttor auf uns. Ich würde sagen: Laßt uns aufbrechen. In ein paar Stunden machen wir Rast mit einem Picknick, da können wir dann plaudern und überlegen, ob wir die Besetzung der Wagen ein wenig mischen, damit die Reiseunterhaltung abwechslungsreich ist."

    Nachrichten aus Rom. Und es ging auch noch um die Praetorianer. Das waren Nachrichten, die der Legat gewiß gerne hören wollte. "Moment, ich frage kurz, ob er Zeit für Dich hat." Der Scriba betrat das Officium und kehrte direkt schon wieder zurück. "Er empfängt Dich, geh einfach hinein."

    Ja, das klang durchaus bissig. Was Ursus zu einem leichten, - sehr leichten, Schmunzeln veranlaßte. Warum glaubte der Duccier, daß keiner der Senatoren dergleichen tat? Nur weil er nichts davon bemerkte? Ein Barbar aus dem Norden? Der gerade mit dem Cursus Honorum begonnen hatte? Wer sollte ihn wohl einbeziehen? Er ließ das Thema einfach fallen.


    "Die Antworten eines Politikers." An sich machte der Duccier keinen schlechten Eindruck, das mußte Ursus widerwillig zugeben. Er mußte sich mal kundig machen, wessen Klient der Duccier wohl war. Schließlich war es wichtig zu wissen, mit wem man es eigentlich zu tun hatte und wem man im Zweifelsfall auf die Füße trat.


    "Als Tribunus Laticlavius bist Du ganz offiziell mein Stellvertreter. Sollte ich aus irgendwelchen Gründen ausfallen, liegt das Kommando in Deiner Hand. Als ich hier als Tribun war, ist genau dieser Fall eingetreten und ich war heilfroh, daß es mein zweites Tribunat war und nicht mein erstes. Da man Unglücksfälle nie ausschließen kann, möchte ich zunächst, daß Du Dich hier gründlich umschaust. Sprich mit den Offizieren, sprich mit den Männern, halte eine Nacht lang Nachtwache. Mach Dir ein Bild davon, wie die Männer leben und arbeiten, wie das Zusammenspiel aller funktioniert. Ich denke, vier Tage genügen für solch einen ersten Eindruck. Danach kommst Du wieder zu mir und wir sprechen darüber, welchen Verantwortungsbereich Du fest übernehmen kannst, um möglichst viele Erfahrungen zu sammeln. Natürlich kannst Du auch zwischendurch zu mir kommen, wenn Fragen auftreten, die andere Dir nicht zufriedenstellend beantworten können. Es ist gut, daß Du bereits das zweite Examen hast, wenn ich das recht in Erinnerung habe, war der Aufbau der Lager das Hauptthema. Es sollte Dir also nicht schwer fallen, Dich im Lager zurecht zu finden."

    Schon weil es hier gemütlicher war und er hier auch seine Frau häufiger zu Gesicht bekam, hatte sich Ursus etwas Arbeit mit nach Hause genommen. Es war nichts sonderlich kompliziertes. Er hatte einige Berichte durchzusehen, machte ein paar Notizen, wenn er bei dem einen oder anderen Punkt noch näher nachhaken wollte.


    Zuerst bemerkte er Cimons Eintreten gar nicht. Der Sklave war immer so zurückhaltend und leise, daß Ursus seine Gegenwart irgendwie schon für selbstverständlich hielt. Doch irgendwann fiel ihm auf, daß der Nubier dort kniete, nichts sagte, nichts tat. Seine Augenbraue hob sich, sein fragender Blick fiel auf den Nubier. "Alles in Ordnung, Cimon?" Der Tonfall war freundlich besorgt.

    Kaum daß der Sklave geklopft hatte, wurde die Tür auch schon geöffnet. Ursus und Septima, samt der mitreisenden Familienmitglieder* und dem Personal waren bereit. Die Wagen hatten sie vorsichtshalber doch vorausgeschickt, nur für den Fall, daß die Zeit knapp werden könnte. "Guten Morgen", grüßte der Sklave, der die Tür öffnete - und schon schien es, als hätte jemand ein Faß aufgemacht. Ursus schien von der Aufregung unbeeindruckt und trat zu Sedulus. "Salve. Na, gut geschlafen und guter Laune?" Er schaute zum Wagen herüber, wo er Serrana vermutete, und hob grüßend die Hand. Daß auch Sabina mitkam, das hatte Ursus noch nicht so recht realisiert, obwohl es ja nahe lag.






    Sim-Off:

    *bin nicht ganz sicher, wer nun wirklich mitkommt. Sie werden sich bestimmt dazu schreiben ;)

    Einer nach dem anderen kam in das unfertige Haus. Ursus und Septima waren bereit, begrüßten sie alle. "Willkommen in meinem Haus. Kommt herein, sucht euch einen Platz und nehmt euch einen Becher." Noch waren nicht alle da, doch Ursus zweifelte nicht daran, daß der Rest auch noch erscheinen würde. Trotzdem ergriff er schon mal das Wort. "Wir sollten zunächst zusammentragen, was es alles zu besprechen gibt. Ich denke, damit können wir auch jetzt schon anfangen. Beim Plaudern fällt uns bestimmt einiges ein. Cimon wird die einzelnen Punkte notieren, damit wir nichts vergessen. Tilla, bist Du so nett, die Bewirtung zu übernehmen? Personell sind wir hier noch etwas dünn besetzt." Er lächelte dem Mädchen zu, lange hatte er sie nicht mehr gesehen, aber er hatte nicht vergessen, wie sie vor vielen Jahren eine Zeichensprache entwickelt hatten, damit sie ihm unauffällig Nachrichten zukommen lassen konnte.






    Eine Frage, die Ursus gerne ganz spontan und überzeugt mit Ja beantwortet hätte und eigentlich auch meinte, so beantworten zu können. Trotzdem dachte er erst nach, bevor er antwortete. Würden sie im Fall der Fälle? Es gab sicherlich Grenzen. Doch die gab es auch für ihn. Und er war sicher, daß auch sein Patron diese Grenzen hatte. Also konnte er guten Gewissens und mit innerer Sicherheit antworten. "Ja, das denke ich."








    Ursus konnte nicht verhindern, daß seine Augenbraue sich hob. Das war ein ziemlich vernichtendes Urteil. "Dann werden wir wohl in nächster Zeit etwas über die Ergebnisse seiner Reise hören." Er mußte seinen jungen Verwandten mehr auf die Füße treten, daß sie ihn über die Geschehnisse im Senat auf dem Laufenden hielten.


    "Glaubst Du das? Daß sie es nicht durchschauen? Wie würdest Du handeln, hättest Du bereits einen Sitz im Senat?" Ursus wußte es besser. Niemand war so blind, die Absichten des Vescularius nicht zu durchschauen. Doch die ersten Köpfe, die sich erhoben, würden vermutlich fallen, so war es doch immer. Wer hatte dazu schon den Mut? Zumal Salinator nie einen wirklichen Angriffspunkt bot. Es war alles erklärbar unter dem Vorwand, nur das Beste für Rom zu wollen. Somit machte man sich strafbar, ging man direkt gegen ihn vor.


    Der Duccius ließ sich nicht in die Karten blicken, das hatte Ursus auch nicht wirklich erwartet. Wenigstens log er nicht und versuchte auch keine Ausflüchte. "Kommen wir zu Dir und der vor Dir liegenden Aufgabe. Ich möchte wissen, wie Du Dir Dein Tribunat vorstellst. Und auch, was Du erwartest. Ich nehme an, daß Du mindestens das Examen Primum an der Academia abgelegt hast?"

    Ursus tauschte noch einen Blick mit den beiden anderen Aureliern und unterdrückte den Drang, mit den Schultern zu zucken. "Ich bin mir nicht sicher, was ihr zu finden erwartet habt. Die ganze Sache ist ein furchtbares und gänzlich unerwartetes Unglück. Wenn wir nur selber wüßten, was genau geschehen ist, wäre uns auch wohler. Bitte sagt es uns, wenn wir etwas beitragen können, um die Götter zu versöhnen. Zwar werde ich nicht selbst nach Rom kommen können, um an einer entsprechenden Zeremonie teilzunehmen, doch kann ich natürlich nötige Mittel zur Verfügung stellen." Selbstverständlich begleiteten die Aurelier die Gäste doch noch zur Tür, auch wenn diese versicherten, daß dies nicht nötig sei. Überhaupt wirkte Durus mehr als mißgestimmt, was Ursus nicht recht nachvollziehen konnte. Gab es etwas, das sie hätten besser machen können? Nein, er war immer noch der Überzeugung, daß sie alles richtig gemacht hatten. "Ja, ich muß leider sehr bald wieder nach Mantua. Meine Erlaubnis, mich hier aufzuhalten, erstreckt sich nur über sehr wenige Tage. Es würde mich freuen, wenn wir postalisch in Kontakt bleiben könnten. Habt einen guten Weg. Valete."




    "Das werde ich tun. Und grüße Du bitte die Deine. Bis dann." Den Segen der Götter zu erbitten, sparte sich Ursus. Er wußte ja, daß Sedulus keinen besonderen Bezug zur Religion hatte. Also ließ er sich einfach zur Tür bringen und verließ das Haus der Germanicer. Er hatte noch einiges zu erledigen und irgendwie viel zu wenig Zeit für das alles.




    "Nein, in der Stadt ist alles ruhig, bisher hat es da keine Probleme gegeben. In der Legion stehen die Männer hinter mir, ich habe einen guten Stab. Es war nicht so schwer für mich, da ich ja schon für ein Jahr das Kommando dort vertretungsweise inne hatte. Meine Aufgabe macht mir Spaß, aber ich fühle mich arg von Rom abgeschnitten." Es hatte eben alles seine Vor- und Nachteile.




    "Sehr schön. Ich freue ich auf euch. Auch die Reise wird mit euch zusammen viel angenehmer und abwechslungsreicher sein. Also dann... In drei Tagen an meinem neuen Haus." Ursus erhob sich, denn sie hatten nun wohl vorerst alles besprochen. Was es sonst zu erzählen gab, konnten sie sich auf der Reise erzählen und sich damit die Reisezeit verkürzen.





    Ursus lächelte. Das war ja einfach gewesen. "Wunderbar, dann hätten wir das ja geklärt. Gibt es irgendetwas, das ich besorgen kann, um euch das Leben in Mantua zu verschönen? Hat Deine Frau Appetit auf besondere Dinge? Manche Schwangere sollen da sehr eigenartig sein." Er schmunzelte. Auch Septima hielt ihn manchmal ziemlich auf Trab, was ihre Wünsche anging. Und er war sich nicht immer sicher, ob diese tatsächlich auf ihre Schwangerschaft zurückzuführen waren.