Beiträge von Titus Aurelius Ursus

    Ursus zuckte mit den Schultern. Angeboten hatte er es zumindest und er meinte es auch ernst. Doch man konnte niemanden dazu zwingen, Hilfe anzunehmen. "Sollte ich doch etwas tun können, schick mir einen Boten. Der Postdienst ist in letzter Zeit recht unzuverlässig geworden." Einige Klienten hatten darüber geklagt. Und auch Ursus war es schon aufgefallen, daß selbst die Post innerhalb Italias ungewöhnlich lange Zeit benötigte.


    Nachwuchs sollte also alles richten? Ursus war sich nicht sicher, ob das so einfach funktionierte. Wenn die Eltern so unglücklich und mißtrauisch waren, wie konnte daraus ein Kind entstehen? Doch er wollte seinem Onkel die Hoffnung nicht nehmen. Es war den beiden ja auch zu wünschen, das alles in Ordnung kam. Auch mit dem Nachwuchs. Ob er etwas davon sagen sollte, daß Septima höchstwahrscheinlich schwanger war? Nein, lieber nicht. Noch wollte sie es nicht bekannt geben, sie wollte erst ganz sicher sein. Und es würde Marcus vielleicht auch verletzen in solch einem Moment. Mehr als Ursus ihn trotz aller Differenzen je verletzen wollte.


    "Ja, ich wollte Dich ohnehin darum bitten. Wenn Du ein paar Mann für die Reise entbehren könntest?" Es war gut, daß Marcus von allein darauf zu sprechen kam. Ursus war sich nicht sicher gewesen, ob er noch die Kurve zu diesem Thema gekriegt hätte.




    "Mund-zu-Mund-Propaganda ist immer die beste Werbung. Doch leider funktioniert sie allzu schleppend. Dein Vater ist sicher stolz auf Dich, Du hast eine großartige Karriere hingelegt." Ursus wußte nicht, ob der Vater von Lucinus noch lebte, doch selbst wenn nicht, hielt er gewiß seine Hände über seinen Sohn. "Nun, ich denke dabei an ansprechende Aushänge auf den wichtigsten Marktplätzen Italias. Eine Anzeige in der Acta wäre gewiß auch nicht verkehrt. Und auch unseren Männern sollte nahegelegt werden, in der Öffentlichkeit positiv über das Soldatenleben zu sprechen. Die Prima hat einen ausgezeichneten Ruf, wie Du selbst schon festgestellt hast. Und es ist die einzige in Italia stationierte Legion. Wir sollten normalerweise guten Zulauf haben." Die Ursachen für das Fernbleiben von Anwärtern sah Ursus allerdings auch nicht bei der Prima. Er wußte ja, was für eine hervorragende Truppe dies war. Diesem Gedanken verlieh er auch sogleich Ausdruck. "Es ist wohl ein Zeichen, daß es dem Volk gut geht." Denn der regelmäßige Sold, die Unterkunft, die regelmäßige Verpflegung, das alles waren immer gute Gründe für junge Männer gewesen, Soldat zu werden.



    Sim-Off:

    Ja, daran dachte ich unter anderem :) Hilfe wird gern genommen.

    Fasziniert schaute Ursus zu, wie der Vogel immer weiter hüpfte und die Körner eifrig aufpickte. "Wenn wir ihn noch ein Stück weiter weglocken wollen, dann wäre das nicht schlecht. Er hüpft sonst zurück und sucht hier vorne nochmal nach Körnern. Damit wäre alles umsonst. Wir verteilen reichlich davon dort hinten im Garten, dann wird er sich dort ganz wohl fühlen. Ich habe immer noch keine Ahnung, was das für ein Vogel ist. Aber er ist auch nicht so bunt, daß ich ihn für einen entflogenen Ziervogel halten würde." Ursus sprach eigentlich eher zu sich selbst als zu Áedán und bemerkte dann, daß er keine klare Anweisung gegeben hatte. "Hol noch etwas Getreide."






    Sim-Off:

    Habe nichts dagegen, das einfach so anzunehmen ;)


    "Ich möchte, daß morgen zwei außerplanmäßige Patrouillen losgeschickt werden, die unsere Baufachleute begleiten. Sie sollen sich genau umsehen. Eingreifen werden wir erst, wenn die Magistrate sich als völlig unfähig erweisen. Aber ich möchte wissen, wie es dort aussieht und wo mit Problemen zu rechnen ist." Mit den Magistraten mußte er auch noch sprechen, das machte er aber erst, wenn er hier alles im Griff hatte.


    "Es gibt also nur wenig Nachwuchs? Vielleicht sollten wir mal ein wenig die Werbetrommel rühren. Es ist schließlich nicht das Schlechteste für einen jungen Mann, zur Legion zu gehen. Was hat zum Beispiel Dich dazu gebracht, Dich zu verpflichten?"

    Die Stimme klang nun gar nicht nach dem Soldaten, der für ihn die Schreibarbeiten erledigte. Ursus blickte ruckartig auf und erkannte seinen guten Freund Artorius Reatinus. "Salve, Tribun", grüßte er ganz militärisch ernst, dann aber verzog sich seine Miene zu einem breiten Grinsen. "Komm und setz' Dich, Reatinus. Ich kann Dir nicht einmal etwas zu trinken anbieten. Noch nicht." Er deutete auf einen Stuhl, um damit seine Aufforderung zu unterstützen. "Hier bin ich also nun. Mir kommt es fast wie ein Wunder vor, daß ich diesen Posten erhalten habe."

    Er hatte ihr Wort. Ursus sagte nichts dazu. War das Wort vertrauenswürdig? Das Wort einer Frau, die ihren Mann so bald nach der Hochzeit mit einem Sklaven betrog? Irgendwie konnte es Ursus immer noch nicht glauben. Er dachte an jenen Tag, an dem er sie vor den Thermen getroffen und mit ihr einige Stunden verbracht hatte. Sie hatten sich gut unterhalten, einen kleinen Imbiß zusammen genommen. Sie hatte damals so nett und so unschuldig gewirkt. Aber wenn er dann wieder an das letzte Gespräch dachte. An das stickige, verkommene Zimmer, auch wenn sie vorher versucht hatte, es halbwegs vorzeigefähig herzurichten. Dann der Ton, mit dem sie auf seine Worte reagiert hatte. Nein, irgendwie war sie eine völlig andere Frau gewesen. Was hatte sie verändert? Die Ehe mit Corvinus? Die Lüge durch den Ehebruch? Immer wieder stellte er fest, wie wenig er seinen Onkel kannte. Wer wußte schon wie es war, mit ihm verheiratet zu sein?


    "Ich danke Dir für Dein Vertrauen. Und werde es nicht enttäuschen." Ursus wußte, daß es ihm schwerfallen würde, doch dies war tatsächlich eine so ungeheuerliche Sache, daß er es nicht über seine Lippen bringen würde. Das erste Geheimnis, das zwischen Septima und ihm stehen würde. Zumindest das erste, von dem er wußte. "Kann ich irgendetwas tun... kann ich irgendwie helfen? Es mag ein schlechter Zeitpunkt sein, da ich nach Mantua gehe. Aber vielleicht kann ich gerade durch diese Entfernung helfen?" Es konnte ja sein, daß Corvinus sicherheitshalber noch jemanden aus der Nähe seiner Frau entfernen wollte.

    Tatsächlich ließ der Vogel sich von den Körnern anlocken. Der Sklave stellte sich gar nicht ungeschickt an, wie Ursus anerkennend bemerkte. Doch leider hatte der Vogel die Körner sogleich aufgepickt und fing wieder an zu jubilieren. Vermutlich hielt er das Futter noch für eine Belohnung für sein unerträgliches Gelärme. Áedán lockte den Vogel geschickt näher zu sich heran, doch aus der Hand fressen wollte er ihm denn doch nicht. Trotzdem. Das Tier machte einen ungewöhlich zahmen Eindruck. Der Sklave holte weit aus, um die Körner weiter weg zu werfen, doch da schien er das Gleichgewicht zu verlieren. Schnell faßte Ursus an die Leiter, um wenigstens sie zu stabilisieren. Doch Áedan schaffte es auch so, sich wieder zu fangen. Nur die Körner waren einfach zu Boden gefallen, wo der Vogel sich an ihnen vergnügte. "Hast Du noch Körner? Komm vorsichtig herunter, mit etwas Glück können wir ihn jetzt langsam ein bißchen weiter weg locken."





    Zitat

    Original von Servius Artorius Reatinus
    Aus seinem Officium stürmend hatte sich Reatinus in Richtung des Büros begeben, welches schon seit langem leer stand, wo er dementsprechend seit langem auch nicht mehr war. Seit der letzte Legat verstorben ist, war Reatinus wenig in dieser Ecke der Principia unterwegs. Womöglich würde sich dies bald ändern - unter dem neuen Legaten Aurelius Ursus. Einen Vorteil hatte es, dass ausgerechnet er Legat wurde: Sie kannten sich schon!


    Es hörte sich vor der Türe so an, als wäre schon jemand drinnen. Wahrscheinlich war das Ursus. Reatinus zupfte sich noch einmal seine Kleider zurecht, bevor er kräftig an der Türe klopfte.


    Der Scriba war gerade gegangen, um für Ursus etwas zu trinken zu besorgen, deshalb konnte Reatinus einfach so durchgehen. Als es klopfte, glaubte Ursus natürlich, daß es der Mann war und rief einfach "Herein" ohne großartig aufzuschauen. Es gab so vieles durchzusehen und in eine für ihn logische Ordnung zu bringen.



    Aufmerksam folgte Ursus den Ausführungen des Ersten Speers. "Das hört sich nach einer größeren Menge Schutt, also auch nach größeren Gebäudeschäden an. Wie sieht es mit dem Wiederaufbau aus?" Das Unwetter mußte wirklich ungewöhnliche Kräfte entwickelt haben, wenn er diesen nüchternen Bericht mit dem zusammen brachte, was Reatinus auf der Feier neulich erzählt hatte.


    "Die Rekrutierungen der Praetorianer reißen ziemliche Löcher in die Reihen, was? Aber sehen wir es positiv: Wenn sie gerade da waren, werden sie wohl nicht so schnell wiederkommen. Wie sieht es bei der Ausbildung aus? Gibt es ausreichend Probati? Und auch genügend fähige Ausbilder?"

    "Hab Dank für das herzliche Willkommen." Ursus lächelte, er hatte wirklich Glück, daß er die meisten der Offiziere bereits kannte. Als neuer Legatus mußte man sich schließlich auch erst durchsetzen. Dann hörte er aufmerksam zu, was sich alles getan hatte. "Ja, auf Deiner Feier sprach Artorius Reatinus über das Unwetter. Sind die Folgen inzwischen beseitigt oder liegen da noch Arbeiten an? Der schwer verletzte Eques, ist er wieder auf den Beinen? Oder hat er dauerhaften Schaden genommen?" Die Auszeichnungen quittierte er mit einem Nicken, er zweifelte nicht daran, daß sie verdient waren. Das Verschwinden des Praefecten allerdings veranlaßte ihn zu einem Stirnrunzeln. Er würde später darauf näher eingehen. Erst einmal wollte er die Angelegenheiten besprechen, die vermutlich schnell und einfach abgehandelt waren.



    Sim-Off:

    In Ordnung, schieben wir das Thema also etwas nach hinten ;)

    Wenn Ursus mit etwas nicht gerechnet hatte, dann damit, daß sein Onkel nun doch bei diesem Thema blieb. Wieder einmal hatte Corvinus ihn überrascht und wieder einmal wurde ihm bewußt, wie wenig sie sich eigentlich kannten. Als dann nach und nach in seinen Verstand sickerte, was da nun gesagt wurde, entwich erst einmal hörbar Luft aus seinen Lungen. Er wußte zunächst gar nichts zu sagen.


    Eine ganze quälend lange Weile später nickte Ursus dann. Noch fühlte er sich ganz benommen, doch er begriff, wie wichtig Schweigen war. Was das für ein Skandal für die ganze Familie, nein für beide Familien wäre, würde es in Rom die Runde machen! "Ich schwöre es. Niemals wird dies über meine Lippen kommen." Er sagte es fest und würde es auf alles schwören, was Corvinus verlangen könnte. Er erhob sich und blickte Corvinus nun gerade in die Augen. Natürlich würde es schwer werden, Septima gegenüber Schweigen zu bewahren. Doch es mußte sein, das sah er ein. Auch wenn er ihr vertraute, jedes Mal, wenn es ausgesprochen wurde, stieg die Wahrscheinlichkeit, daß es bekannt wurde, um ein Vielfaches. "Auf Iupiters Stein, auf was auch immer." Er atmete ein weiteres Mal hörbar durch. "Marcus... Celerina... niemals hätte ich so etwas für möglich gehalten. Sie..." Er schüttelte den Kopf. "Von allein wird jedenfalls niemand darauf kommen."


    Seine Gedanken rasten durcheinander, dementsprechend ungeordnet waren seine Äußerungen. "Du hättest ihnen sagen können, daß der Parther mit einer Freien intimen Kontakt hatte..." Natürlich hätte das zu Spekulationen geführt, aber wurde nicht auch so spekuliert? Ausgerechnet Celerina! Niemand wäre darauf gekommen, daß dieses Paradebeispiel einer Patrizierin mit einem Sklaven schlafen würde! "Ihr Götter", brach es nach einer weiteren Pause aus ihm hervor. "Ich weiß nicht, ob ich ihn leben gelassen hätte."

    "Ja, ich war bei Deiner Frau, weil Phraates schließlich ihr Sklave ist. Erst von ihr erfuhr ich, daß Du es warst, der die Strafe angeordnet hat. - Daß kein Sklave mit Dir darüber spricht, wundert mich nicht im Geringsten. Auch nicht, daß sie sich alle bemühen, sich in Deiner Gegenwart unverändert zu benehmen. - Gut, ich habe Dich über die Verunsicherung der Sklaven informiert. Alles Weitere liegt in Deiner Hand." Damit war die Sache für Ursus erledigt. Mit seinen eigenen Sklaven würde er nochmals sprechen. Und nun war er tatsächlich auch ein wenig froh, hier auszuziehen. Aus einem Haus, in dem solche Strafen vor anderen Sklaven durchgeführt wurden, ohne daß sie erfuhren, was der Grund dafür war. Sie mußten nun glauben, daß es Willkür gewesen war, daß es jeden von ihnen jederzeit treffen konnte. Angst war keine gute Grundlage für ein Zusammenleben.


    Natürlich bemerkte Ursus, wie unangenehm das Thema für seinen Onkel war. Jetzt war das Gespräch vermutlich nicht mehr zu retten. Er mußte daran denken, was Septima vor einiger Zeit gesagt hatte, worum sie ihn gebeten hatte. Er seufzte unhörbar. Und sprach dann sehr leise weiter. "Eigentlich wollte ich Dir noch versichern, daß Du nicht so allein bist, wie Du immer zu denken scheinst. Eigentlich wollte ich Dir sagen, daß Du auf mich bauen kannst. Aber ich fürchte, daß jetzt nicht mehr der richtige Moment für so etwas ist." Er bezweifelte ohnehin, daß Corvinus ihm glaubte oder auch nur ernst nahm. Dabei meinte er es ehrlich. Wie auch damals schon, als er immer und immer wieder von seinem Onkel abgewiesen worden war. Vertrauen würde wohl niemals so richtig zwischen ihnen entstehen. Dabei wäre es so wichtig...




    Hätte Ursus gewußt, daß er in Gedanken gerade mit Commodus verglichen wurde, hätte er vermutlich wutentbrannt den Raum verlassen. Denn er wollte keine Teilung der Familie und so etwas anzunehmen war auch völliger Unsinn. In jeder römischen Familie zogen junge Männer nach ihrer Heirat aus und gründeten einen eigenen Hausstand. Das bedeutete doch nicht, daß die Familie nicht mehr zusammenhielt. Daß sie hier ein sehr großes Haus zur Verfügung hatten und unter Umständen mehr als eine Familie darin Platz fand, war doch eher ungewöhnlich. Außerdem würden auch andere Aurelier noch ausziehen müssen, wenn wirklich alle jungen Aurelier heirateten. Kein Umbau konnte dies verhindern.


    "Ich habe bereits eine Auswahl vorbereitet. Ich wußte ja schon länger, daß ich auf der Kandidatenliste für den Posten des Legaten stand. Zwar glaubte ich zum Schluß nicht mehr daran, doch die Haussuche habe ich schon vor Monaten in Auftrag gegeben. Septima und ich werden uns nun die am ehesten in Betracht kommenden Objekte ansehen." Irgendwie war es zu leicht und Ursus fühlte, wie sich seine Nackenhaare leicht aufstellten. So als wäre nun gerade deswegen etwas im Busch, weil Marcus so wenig Widerstand leistete. "Ja, ich glaube, es ist das Richtige. Und ich halte es für eine gute Idee, das Haus umbauen zu lassen, um mehr Platz zu schaffen." Nicht, daß Corvinus ihn um seine Meinung gebeten hätte. Vermutlich hätte er das nicht mal getan, wenn Ursus hätte hier wohnen bleiben wollen. Und das wäre wieder etwas gewesen, das zu Streit geführt hätte.


    "Ich habe dann noch eine Bitte. Du hast vor einiger Zeit Phraates sehr hart bestrafen lassen. Selbstverständlich ist das Dein gutes Recht, da will und darf ich Dir auch gar nicht dreinreden. Aber diese Bestrafung hat zu großer Unsicherheit unter unser aller Sklaven geführt, da niemand weiß, warum er bestraft wurde. Ich bitte Dich darum, ihnen zu erklären, warum diese harte Strafe nötig war. Ohne Begründung ist es keine Lehre, sondern es ist einfach nur Schrecken und führt zu Mißtrauen und Haß."



    Der Vogel schien völlig unbeeindruckt. Er beobachtete Ursus ebenso wie Ursus ihn. Es war schon irgendwie putzig, wie er den Kopf ruckartig schieflegte, als wollte er genauer hingucken. Ursus schüttelte den Kopf. Vielleicht war das ja auch ein zahmer Vogel. Und irgendwem entflogen?


    Der Sklave erschien mit der Leiter und legte sie an. Der Vogel hüfte ein klein wenig zur Seite, doch er flog nicht davon. Besonders viel Furcht schien er nicht zu haben. Auch nicht, als Áedán die Leiter erklomm. "Biete ihm nicht zuviel an. Nur ein, zwei Körner. Ob der Dir auch aus der Hand fressen würde?" Inzwischen war seine Neugierde geweckt. Wie lange würde der Vogel wohl die Bemühungen der beiden Männer mitmachen? Ursus hatte schon lange erwartet, daß er wegflog. Und im Grunde wäre das auch das Beste für alle Beteiligten.






    Dieses Officium zu betreten, hatte Ursus schon ein etwas eigenartiges Gefühl vermittelt. Als er hier Tribun gewesen war, hatte er es ein paar mal betreten, damit keine Arbeit liegenblieb. Und zuletzt, um dem neuen Legaten Berichte dazulassen. Nun war er selbst der Legat, wer hätte das damals gedacht? Natürlich hatten seine Nachfolger ebenfalls alles bearbeitet und Berichte hinterlassen. Doch Ursus hatte bei der Durchsicht aller auf dem Tisch liegenden Unterlagen seine eigene Wachstafel gefunden. Nun saß er ein wenig gedankenverloren an dem Tisch und starrte diese Tafel an. Erst als der junge Soldat, der sein Officium sozusagen bewachte, anklopfte und den Primus Pilus ankündigte, wurde Ursus aus seinen Gedanken gerissen. "Ja, natürlich, laß ihn herein."


    Und wenige Augenblicke stand der Iulier vor ihm, mit dem er schon während seines Tribunats so gut zusammengearbeitet hatte. Vor gar nicht zu langer Zeit hatte er mit ihm Geburtstag und Beförderung gefeiert. "Salve, Iulius", grüßte er den Mann lächelnd und erwiderte den militärischen Gruß. "Laß mich Dir jetzt noch einmal in aller Ruhe zu Deine Beförderung gratulieren. Bitte, setz' Dich doch und berichte mir, was sich hier getan hat, seit ich euch verlassen mußte."



    Edit: Gedächtnisschwund, ich werde alt

    "Nein, auf das Dach zu klettern sollte nicht nötig sein, wir wollen keine Schäden riskieren. Lehne die Leiter direkt bei dem Vogel an das Haus. Vielleicht fliegt er dann ja auch fort, dann hätte es auch seinen Zweck erfüllt." Für Ursus stand außer Frage, daß Áedán die Leiter erklimmen würde und nicht er selbst. Er beobachtete einfach den Vogel weiter, während er den Sklaven arbeiten ließ. Nicht einmal Gedanken machte er sich darüber, es war doch normal, daß der Sklave arbeitete und der Herr zuschaute und die Anweisungen gab. Oder nicht?







    "Danke. Ich gebe zu, daß es mich nicht wenig stolz macht. Gerade das Kommando über die Prima ist sehr prestigeträchtig. Natürlich möchte ich das nicht ewig machen. Aber ein paar Jahre Erfahrung auf diesem Posten werden mir schon nützlich sein." Immerhin hatte Ursus bereits entsprechende Erfahrungen sammeln können während seines zweiten Tribunats. "Ja, natürlich wird Septima mich begleiten. Allerdings wird sie sicherlich häufig nach Rom kommen, sie möchte ja nicht in der Castra versauern. Mantua ist gesellschaftlich nicht sonderlich reizvoll. Natürlich hoffe ich auch darauf, daß wir oft Besuch von der Familie erhalten." Er räusperte sich leise.


    "Damit kommen wir auch zu einem sehr wichtigen Punkt, den ich mit Dir besprechen möchte. Du kennst mich sicherlich gut genug, um zu wissen, daß auch ich ungern Rom fernbleibe. Natürlich darf ich den Bereich des Pomeriums nicht betreten, daran werde ich mich auch strikt halten. Aber ich möchte doch den Kontakt zur Familie, zu den Freunden und auch zur Politik nicht völlig verlieren. Aus diesem Grund plane ich, ein Haus knapp außerhalb des Pomeriums zu erstehen und nach Septimas und meinen Wünschen herrichten zu lassen. Es soll möglichst nah an der Villa Aurelia gelegen sein, damit Besuche keinen großen Umstand bedeuten. Im Grunde wünsche ich mir, daß ihr alle in unserem neuen Haus ebenso zuhause seid wie hier." Er räusperte sich abermals, denn nun kam die für Ursus eigentlich logische Folge, die aber wie er vermutete bei Corvinus auf wenig Gegenliebe stoßen würde. "Jenes Haus soll das Zuhause für meine Frau und meine Kinder werden. Auch wenn ich irgendwann das Kommando nicht mehr innehaben sollte. Weißt Du, ich habe da lange drüber nachgedacht und es fällt mir auch nicht leicht, diese Entscheidung zu treffen. Ich bin in diesem Haus geboren. Ich habe es immer als mein Zuhause betrachtet, es war immer Teil meines Lebens. Doch schau Dir an, wie groß die Familie ist. Orestes heiratet in nächster Zeit. Ich bin sicher, bei Avianus wird es auch nicht mehr lange dauern. Und dann noch Lupus und Pegasus. Das Haus wird aus allen Nähten platzen. Es wird Jahre dauern, bis ich das Pomerium und damit dieses Haus wieder betreten kann. Wenn es soweit ist, werdet ihr froh sein um jedes Zimmer, das nicht für meine Familie und mich freigehalten werden muß. Jetzt sind wir ohnehin gezwungen, ein Haus zu suchen, da dieses hier innerhalb des Pomeriums liegt. Es wäre Unsinn, es anschließend wieder aufzugeben, hierher zurückzuziehen und die Familie zu zwingen, noch enger zusammenzurücken." Das andere für ihn sehr schwerwiegende Argument, nämlich der Herr im eigenen Haus sein zu können, ließ er weg. Er wollte keinen Streit heraufbeschwören.


    Die villa rustica in Mantua? Gehörte die nicht inzwischen Tiberius Durus? Deshalb hatte der Onkel wohl auch hätte gesagt. "In Mantua werden wir im Praetorium in der Castra wohnen. Es ist ein sehr großes und prachtvolles Haus. Was das angeht, gibt es also gar keine Probleme. Und nein, ich werde meine Tätigkeit bei der Schola nicht aufgeben. Natürlich werde ich weniger aktiv mithelfen können, Kurse abhalten wird gar nicht gehen. Aber Kurse zusammenstellen oder vorhandene Prüfungsbögen überarbeiten, das kann ich auch fern von Rom. Da gibt es viel Arbeit, zu der man im laufenden Betrieb gar nicht kommt." Er hatte noch eine ganze Kiste voller Wachstafeln, die er schon lange hatte überarbeiten wollen. "Wir reisen ab, sobald alles geregelt ist. Ein paar Tage werde ich noch brauchen."






    Nun wurde es doch langsam voll hier. Ursus freute sich sichtlich über die Vielzahl der Familienmitglieder, die doch zu so früher Stunde aus dem Haus kamen, um sich zu verabschieden. "Habt Dank für die guten Wünsche. Natürlich schreiben wir. Und ihr müßt ebenfalls schreiben! Und uns möglichst oft besuchen kommen. - Und Lupus... das Lamm glaubt Dir niemand." Er lachte und umarmte die Zwillinge, Prisca, Lupus und sogar Corvinus. Bei Celerina zögerte er - und ließ es dann auch. Aber er lächelte ihr freundlich zu und dankte auch ihr für die guten Wünsche. Ja, ihr Verhältnis war belastet. Aber doch nicht so sehr, daß sie sich anhassen mußten. Zumindest von seiner Seite aus.


    Die Holzkiste von Avianus staunte Ursus für einen Moment an. "Danke, Tiberius. Ich nehme an, Du wirst mir nicht verraten, was drin ist? Das wird mir wirklich schwer fallen, nicht hineinzusehen, bevor wir angekommen sind." Er übergab die Kiste an Cimon, der sie sicher verstauen würde. Dann zog er auch den Vetter in eine herzliche Umarmung, wie sie unter Verwandten durchaus üblich war. "Mantua ist nicht wirklich weit weg, vergeßt das nicht. So, ich denke, wir sollten jetzt los." Sein Blick suchte den seiner Frau, um herauszufinden, ob sie auch soweit war.

    Also hatte auch der Sklave Bedenken, vielleicht ein höheres Wesen zu beleidigen, da der Vogel sich so ungewöhnlich aufführte. "Füttern?" Ursus blickte zweifelnd drein. "Signalisieren wir ihm damit nicht, daß wir ihn und seinen Gesang ganz wunderbar finden? Vielleicht können wir ihn mit Futter woanders hinlocken? Dort drüben im Anbau ist eine Leiter und in der Küche wirst Du ein paar Getreidekörner bekommen. Wir locken ihn mit wenigen Körnern vom Dach weg bis in den hinteren Teil des Gartens, weg von den Schlafzimmern. Was hältst Du davon?" Ja, eigentlich benahmen sie sich wie die Kinder, vor allem Ursus. Er sollte diese ganze Geschichte gleich den Sklaven überlassen, da gehörte es hin. Und doch... irgendetwas war eigenartig an dieser Sache. Er konnte einfach nicht davon lassen.