Beiträge von Titus Aurelius Ursus

    "Als Junge habe ich sehr zum Mißfallen meiner Mutter Vögel mit der Steinschleuder gejagt. Also, dann. Verscheuchen wir dieses Vieh und sorgen so wenigstens dafür, daß die anderen Bewohner dieses Hauses ihre Ruhe haben." Ganz abgesehen davon, daß so etwas Spaß machen konnte. In dem ach so seriösen Senator erwachte der kleine Junge, der wohl in jedem Mann schlummerte. Er wartete nicht mal eine Antwort ab, sondern ging sogleich in den Garten, um sich dort nach dem Krachmacher umzuschauen.


    "Ein Sklave, der sich unterbeschäftigt fühlt, ist mir auch erst selten untergekommen." Nunja, Cimon neigte dazu, sich unwohl zu fühlen, wenn er nicht genug zu tun hatte. Deshalb hatte er dem Nubier ja auch aufgetragen, sich weiterzubilden, wann immer er freie Zeit hatte. "Kannst Du eigentlich lesen, Áedán?"




    Ursus erwiderte den Salut und nickte dem Mann anerkennend zu. Anscheinend hatte die Nachricht die Prima doch schon erreicht. "Nein, das ist vorerst alles, Optio." Er deutete auf die Wagen und seine Begleiter - allen voran Cimon. Seiner Meinung nach war das auch wirklich genug Gefolge. Als Tribun hatte er weitaus weniger dabei gehabt. "Benachrichtigt den Praefectus Castrorum, daß ich gleich zu ihm komme. Ich begleite meine Familie zunächst zum Praetorium, dann können sie schon anfangen, sich einzurichten." Er wollte Septima die Gelegenheit geben, sich frisch zu machen, bevor die Vorstellungsrunde begann. Außerdem hatte sie bestimmt das Bedürfnis, sich das Haus anzusehen und die Wagen abladen zu lassen.

    Ursus lachte herzhaft. "Und ich dachte, man schläft sogar besonders lange, wenn man nicht fürchten muß, aus dem Bett gestoßen zu werden", nahm er den Scherz nochmals auf. Dabei war er ein überzeugter Frühaufsteher, auch wenn es manchmal schwer fiel. Am Morgen war der Tag noch frisch und er selbst Energiegeladen. Er war morgens einfach am leistungsfähigstgen.


    "Nun, gegen zuschauen ist sicher nichts einzuwenden, solange Du sogleich zu ihr eilst, wenn sie Dich ruft. Sehr früh habe ich sie allerdings noch nie auf den Beinen gesehen." In letzter Zeit hatte er sie eigentlich gar nicht außerhalb ihres Zimmers gesehen. Und das machte ihm Angst. Mit Gewalt verscheuchte er diesen unangenehmen Gedanken, der ihn unwillkürlich Parallelen zu Minervina ziehen ließ.
    "So, Du hast also zumindest Erfahrung. Welche Waffen benutzt Du für die Vogeljagd?" Ursus war inzwischen fest entschlossen, diesen Vogel zum Schweigen - oder Davonfliegen zu bringen. Sollte der sich andere Gärten zum Lärmen suchen.




    Eine Stunde vor Mantua hatte Ursus den Reisewagen verlassen und hatte sich in den Sattel seines Pferdes geschwungen. Natürlich trug er seine Rüstung, der man die gute Pflege durch Cimons fleißige Hände deutlich ansah. Als sie sich auf das Tor zubewegten, fragte sich Ursus unwillkürlich, ob die Prima wohl überhaupt schon informiert worden war. Der Postdienst hatte schließlich in letzter Zeit sehr zu wünschen übrig gelassen.


    "Salvete", grüßte er die Wachen, als sie das Tor erreicht hatten und musterte die Männer eingehend, um festzustellen, ob sie ihm bekannt vorkamen. "Titus Aurelius Ursus. Euer neuer Legatus Legionis", stellte er sich selbstbewußt vor, um jeden Zweifel von vornherein auszuräumen.

    Sie kamen leider nicht so schnell voran, wie Ursus es gewohnt war. Denn bisher hatte er diese Strecke zumeist zu Pferd hinter sich gebracht und konnte daher ganz andere Tagesetappen schaffen. Zumindest kannte er die Gasthäuser noch von seiner Zeit als Tribun und konnte seiner Frau somit die übelsten Kaschemmen ersparen. Ohnehin hatten sie einen Sklaven zu Pferd vorausgeschickt, der dafür sorgte, daß sie ordentliche, saubere Zimmer für die Nacht erhielten. Mit dem nötigen finanziellen Anreiz konnte man schließlich so manches zuwege bringen. Die Tage zogen sich eintönig dahin auf der Reise. Aber war das nicht auf jeder Reise so? Und es war besser, als unterwegs in Schwierigkeiten zu geraten.

    Kaum hatten sie das Stadttor hinter sich gelassen, wurde die Sänfte abgesetzt. Der Wagen wartete bereits auf sie, bereit zur Abreise. Natürlich wurden sie von ihren Sklaven begleitet, die nun halfen, alles, was mitsollte, ordentlich zu verpacken und den Herrschaften in den Reisewagen zu helfen. Ursus hatte beschlossen, seiner Frau im Wagen Gesellschaft zu leisten und nur das allerletzte Stück auf seinem neu erstandenen Wallach zu reiten. Ein braves Tier, wie es Arbo auch gewesen war, aber edler vom Körperbau her und auch ein bißchen lebhafter. Doch Ursus zweifelte nicht daran, mit dem Tier zurecht zu kommen, gar so ein schlechter Reiter war er ja nicht, dank seines Tribunats in Germania.


    "Cimon, reite Du bitte direkt beim Wagen mit. Marei, Du wirst beim Kutscher sitzen - oder wenn es Dir lieber ist, laufen. Baldemar, wenn Du gut reiten kannst, dann reite Du auch." Über Frija sollte Septima lieber selbst bestimmen. Die anderen Sklaven hatten ohnehin ihren Platz. Zumeist auf dem Wagen mit dem Hausrat und dem Gepäck. Wenn es nach Ursus ging, konnte es sogleich weitergehen.

    Ursus legte den Kopf schief. Bei der Konkurrenz fragen? Andererseits waren die Flavier gute Freunde. Und Flavius Furianus ohne Frage ein Ehrenmann. "Ich finde die Idee sehr gut. Doch wäre es vielleicht besser, wenn ich Dich begleiten würde." Immerhin waren Geschäfte normalerweise Männersache. Und so ganz allein lassen damit wollte er seine Frau nicht. Wie sah das denn aus? Was würde Furianus von ihm denken? Nein, er wollte nicht wie ein Drückeberger dastehen. "Ich wußte gar nicht, daß Dein Herz derart für Pferde schlägt. Früher besaßen die Aurelier bereits solch eine Zucht, doch sie mußte dann aufgegeben werden. Nunja, wie das Leben so spielt."







    Ursus nickte erfreut. Ihre Ansichten deckten sich einigermaßen mit den seinen. "Ja, so in etwa stelle ich es mir auch vor. Allerdings wäre ich auch froh über einen größeren Garten, damit unsere Kinder auch Mal herumtollen können. Was gar nicht in Frage kommt, ist ein Haus an einer der Hauptstraßen. Der Lärm ist dort nachts unerträglich. Aber die Objekte, die wir heute besuchen, liegen alle halbwegs günstig. Fangen wir mit dem an, das am weitesten von der Villa Aurelia weg ist, ja? Und arbeiten uns dann immer näher heran?" Es dauerte nicht lange, bis die Sänfte die genannte Adresse erreichte. "Bitte laß Dich nicht vom ersten Anblick täuschen. Renovierungsbedürftig sind sie alle." Was ja kein Problem war, da sie sich erst in Mantua einleben mußten, bevor an einen Besuch in Rom zu denken war. Die Sänfte hielt und Ursus half seiner Frau heraus. Er war sicher, daß Cimon bereits klopfte, um den Hausverwalter auf den Besuch aufmerksam zu machen.






    Es war soweit. An diesem Morgen würde Ursus Rom verlassen, um für sehr lange Zeit zumindest den Bereich des Pomeriums nicht mehr zu betreten. Während die letzten Gegenstände auf die Pferde gepackt wurden, lag sein Blick auf dem Haus, in dem er geboren wurde. Es fiel ihm schwer, zu gehen. Auch wenn die Aufgabe, mit der er betraut war, reizvoll und auch ehrenvoll war. Ein Kommando, das war schon etwas. Vor allem für einen noch so jungen Senator wie ihn. Und dann auch noch die Prima! Diese Legion zu kommandieren, war besonders prestigeträchtig. Dazu kannte er die Truppe bereits. Natürlich hatte es personelle Veränderungen gegeben seit seinem Tribunat. Aber er hatte den Vorteil, daß er die meisten Offiziere kannte. Und sie ihn auch.


    Ursus zwang sich, den Blick vom Haus abzuwenden und drehte sich um. Sicher würden sich die Familienmitglieder noch von ihnen verabschieden wollen. Er wandte sich weiter um, betrachtete die Sänfte, die seine Frau bis zum Stadttor bringen würde. Jenseits des Tores würde ihr Wagen auf sie warten, den sie bereits vor Morgengrauen vorgeschickt hatten.

    Nur ungern entließ Ursus seine Frau aus der Umarmung, aber natürlich hatte sie nun sehr wichtige Pflichten zu erfüllen. "Ja, ich bleibe hier bei den Mädchen", bestätigte er ihr, doch sein Blick sprach Bedauern aus. Gerne wäre er mit ihr nach vorne gegangen, allein schon, weil er gerade an diesem Tag ihre Nähe spüren wollte und eben auch, um ihr beizustehen, auch wenn das nur in geringstem Maße möglich war. Doch er hatte auch eine Verpflichtung den Blümchen gegenüber. Sie kannten hier praktisch niemanden und waren vermutlich auch noch nicht auf vielen Hochzeiten gewesen. Er mußte bei ihnen bleiben, um ihnen für Fragen zur Verfügung zu stehen. Und auch, um zu verhindern, daß irgendein Rüpel die schönen Mädchen in Verlegenheit brachte. Bei diesem Gedanken lag sein Blick kurz auf dem Praefectus Urbi, der seiner Meinung nach eine sehr merkwürdige Art von Humor hattte.


    Die Zeremonie war sehr warmherzig und feierlich. Septima machte das sehr gut, fand Ursus. Und er war sicher, auch ihre anderen Pflichten als Pronuba hatte sie sehr gut gemacht und würde sie auch noch sehr gut machen. Sie war eine wundervolle Frau. Wie genau hatte es eigentlich geschehen können, daß ihm diese wundervolle Frau an die Seite gestellt wurde? Wie auch immer, er war ein glücklicher Mann!




    "Dann hast Du noch etwas mit Cimon gemeinsam. Der scheint auch keinen Schlaf zu benötigen." Eigentlich beneidenswert. Gerade in letzter Zeit, seit seiner Hochzeit genau genommen, hatte Ursus das Gefühl, nicht mehr genug Schlaf zu bekommen. "Hab Dank für das Kompliment." Aus dem Mund eines Sklaven mutete solch ein Kompliment schon etwas eigenartig an. Doch zu dieser Zeit war Ursus gewillt, über manches hinweg zu sehen. Und so nahm er es einfach als nett gemeinte Geste.


    "Ja, genau so ein schriller, nerviger Vogel. Ich kann nicht genau sagen, ob er es war, der mich geweckt hat. Aber er hat mich auf jeden Fall daran gehindert, wieder einzuschlafen. Was es für einer war, kann ich Dir auch nicht sagen. Aber ich hätte nicht übel Lust, den Burschen zu suchen und ihm den Hals umzudrehen. Oder ihn wenigstens wirkungsvoll zu verjagen. Hast Du schon mal Vögel gejagt?" Er selbst konnte sich an eine Zeit erinnern, als er mit einer Steinschleuder Vögeln nachgegangen war. Seine Mutter hatte das gar nicht lustig gefunden und die folgende Unterhaltung mit seinem Vater war recht unangenehm verlaufen. Gut, damals war er auch noch sehr jung gewesen.




    Es war nicht mehr viel Zeit, Ursus würde bald abreisen müssen. Doch er wollte nicht nach Mantua abreisen, ohne seinen Patron noch einmal besucht zu haben. Als sie das Haus der Vinicier erreicht hatten, nickte Ursus Cimon auffordernd zu. Eigentlich eine unnötige Geste, wußte der Nubier doch sehr gut, was zu tun war.

    Keine Nacht mehr? Ursus schmunzelte. "Wenn Du die Bewohner dieses Hauses fragen würdest, dann wette ich mit Dir, daß neun von zehn sagen werden, daß noch Nacht ist." Daran hatte Ursus keine Zweifel. Wer schlief denn nicht gerade in den frühen Morgenstunden gerne noch ein bißchen? "Ja, ich bin Titus Aurelius Ursus, hatte ich das nicht gesagt?" Anscheinend nicht. Nein, wohl wirklich nicht, wenn er näher darüber nachdachte. Er zuckte mit den Schultern, jetzt wußte der Sklave es ja.


    "Cimon trainiert jeden Tag sehr hart. Du wirst ihn sicherlich erst schlagen können, wenn Du auch jeden Tag hart trainierst. Ich mache nur ein bißchen mit, damit ich mich nicht blamiere, sollte ich doch noch zum Kommandanten einer Legion ernannt werden. Und damit meine Frau mich nicht aus dem Bett schmeißt, weil sie meinen Anblick nicht mehr ertragen kann." Er lachte über seinen Scherz, den sich natürlich kein Sklave hätte erlauben dürfen. "Wenn sie Dich nicht benötigt, wüßte ich nicht, warum ich es Dir verwehren sollte. - Ein nerviger Vogel, ja? Kommt mir irgendwie bekannt vor." Er schmunzelte wieder, denn es war wohl anzunehmen, daß der gleiche Vogel verantwortlich war für ihrer beider Schlaflosigkeit.





    Quintus Claudius Lepidus: decemvir litibus iucandis


    Dieser Teil war für Ursus gar keine Frage. Octavius Macer war da schon ein ganz anderer Fall. Als der Praefectus Urbi so vehement für den Octavier im Amt des quaestor principis sprach, waren viele überraschte Gesichter zu sehen. Doch Ursus hatte schon einmal gehört, daß Macer dem Vescularier den Ordo verdankte. Und außerdem war da noch diese Geschichte, daß während des Schaffens des Octaviers in Ostia Salinator der Patron der Stadt geworden war. Waren sie nicht zusammen am Bau dieses Tempels beteiligt gewesen? Septima mochte Macer und Ursus hielt ihn für einen tüchtigen jungen Mann. Deshalb hatte er sich auch für ihn ausgesprochen. Aber wo lag seine Loyalität? Der Aurelier nagte kurz auf seiner Lippe, hörte das Votum seines Onkels an. Nun, war dies nicht die beste Gelegenheit herauszufinden, wo der junge Octavier wirklich stand? Ob das auch ein Grund war, warum Salinator so überraschend gestimmt hatte? Wollte auch er feststellen, wie der junge Mann zu seinen Schulden stand?


    Ursus gab sich einen Ruck. Es war einfach die interessantere Variante.


    Faustus Octavius Macer: quaestor principis



    Ursus unterdrückte den Drang, sich im Ohr zu bohren, da er heute anscheinend nicht so gut hörte wie sonst. Als Corvinus auf den Stuhl deutete, nahm er dort Platz. Durchaus bequem und nicht verkrampft. "Danke, daß Du Dir Zeit für mich nimmst. Es sind tatsächlich mehrere Dinge, wegen derer ich zu Dir komme. Vielleicht hast Du es ja schon gehört? Ich wurde zum Legaten der Prima ernannt. Die Ernennung wurde vom Palast bekannt gegeben und sicher wird spätestens morgen die persönliche Benachrichtigung hier eintreffen." Immer schön eines nach dem anderen, Ursus wollte nicht, daß irgend etwas unterging, nur weil er zuviele Dinge auf einmal in den Raum warf. "Ehrlich gesagt hatte ich schon nicht mehr damit gerechnet, da es viel länger gedauert hat, als ich gedacht hatte. Außerdem ist ja bekannt, wie der Praefectus Urbi zu Patriziern steht. Ich bin sehr überrascht darüber, daß er dieser Ernennung zugestimmt hat."





    "Ja, das Anwesen ist sehr groß. Und es ist sicher nicht verkehrt, wenn Du es besser kennenlernst. Aber allein in der Nacht hier herumzustreunen könnte Dir ganz leicht falsch ausgelegt werden. Ich muß gestehen, daß ich mich bei dem Gedanken auch nicht sehr wohl fühle." Auch bei diesem Geständnis beobachtete Ursus den Mann eingehend. Würde er mit Genugtuung darauf reagieren? "So, Cimon hast Du also auch schon kennen gelernt. Er ist mein Leibwächter. Wir trainieren fast jeden Morgen im Hortus. Was ist mit Dir? Was tust Du, um zu trainieren? Als Leibwächter mußt Du doch auch Kampfesfertigkeiten besitzen."





    "Áedán also. Hat Dir denn niemand das Haus gezeigt?" Ursus beobachtete den Sklaven sehr eingehend. Sehr jung schien er noch zu sein. Gut durchtrainiert und unzweifelhaft gut aussehend. Naja, das ging ihn ja nichts an. Warum sollte eine Frau sich nicht mit schönen Sklaven umgeben?


    Seinen eigenen Namen zu nennen, vergaß Ursus schlichtweg. Vermutlich war er doch noch nicht so wach, wie er gedacht hatte. "Für welche Aufgaben hat Celerina Dich vorgesehen? Kennst Du schon alle Sklaven im Haus?" Es klang nicht unbedingt unfreundlich, Ursus nahm schließlich nicht an, daß dieser Sklave ihn belogen hatte.