Beiträge von Flaviana Brigantica

    Die Schriftrollen, die sie trug, waren etwas hinderlich. Bridhe suchte nach einem geeigneten Platz, wohin sie sie kurz ablegen konnte. Außer dem Schreibtisch, der recht groß war, bot sich aber nichts als geeignete Ablage. Also legte sie ihren Ballast dot ab, um sich voll der Aurelierin widmen zu können. Die hatte sich inzwischen nach ihr umgesehen. Ihre Augen waren geradezu an ihr kleben geblieben.
    "Ich arbeite hier", erklärte Bridhe kurz und bündig. "Ich bin die Scriba deines Gatten, domina."
    Offenbar hatte Prisca ihr kurzes Zusammentreffen vor vielen Jahren nicht vergessen, obwohl es doch nebensächlich gewesen war. Oder was hätte die Aurelia dazu bewegen sollen, sich das Gesicht einer Sklavin zu merken?
    "Ja, vor einigen Jahren. Ich hatte dir damals eine Botschaft meines ehemaligen dominus überbracht und ein Geschenk", fuhr sie weiter erklärend fort. Bridhe hatte bewusst auf Aquilius Namen verzichtet. Sie war sich nicht sicher, ob sie damit in Prisca unliebsame Erinnerungn wecken würde. Prisca hatte damals sehr verliebt gewirkt. Und Bridhe wusste nur zu gut, wie sehr alte Wunden schmerzen konnten.

    Kleine Kinder- kleine Sorgen, große Kinder- große Sorgen. Sagte man nicht so? Hätte man Bridhe gefragt, sie hätte da nur zustimmen können. Aber niemand fragte sie. Sie blieb mit ihren Sorgen, die sie sich machte, allein. Im Grunde war das nichts neues, hatte sie doch ihren Sohn über die Jahre auch allein großgezogen. Alles was sie mit ihrer Hände Arbeit erwirtschaftete, kamen seinen Bedürfnissen zu gute. Sie achtete darauf, dass er stets gut gekleidet war, dass es ihm an nichts fehlte. Lieber verzichtete sie. Schon längst hätte sie eine neue Tunika gebraucht. Aber sie sparte das Geld und besserte die alte imer wieder aus. Was übrig blieb, investierte sie in die Bäckerei, die ja eines Tages auch ihrem Sohn gehören würde, wenn es der Wunsch der Götter war. Doch nichts was sie tat, schien gut genug zu sein. Ihr Sohn entfernte sich immer mehr von ihr. Das war es, was ihr am meisten zu schaffen machte. Sie sehnte die Zeit zurück, als er noch klein war und seine Mutter alles für ihn gewesen war.
    Um nicht ständig darüber nachdenken zu müssen, hatte sie sich in ihre Arbeit gestürzt. Von früh bis spät versuchte sie sich mit irgendetwas zu beschäftigen. Die Akten, die sie gestern schon sortiert hatte, überprüfte sie am Tag darauf noch einmall doppelt oder sogar dreifach. Es grauste ihr davor, am Abend allein in ihrer Kammer zu sitzen und über sich und ihren Sohn nachzugrübeln. Diarmuíd, wie sie ihn immer liebevoll genannt hatte, hatte vor einiger Zeit ein eigenes Cubiculum erhalten. Seitdem waren sie nun auch räumlich getrennt. Was hatte sie nur falsch gemacht? Das fragte sie sich immerzu in den nicht enden wollenden Nächten.


    Nachdem nun auch der letzte von Pisos Klienten die Villa wieder verlassen hatte und endlich Ruhe eingekehrt war, konnte sie sich wieder auf ihre eigentliche Arbeit konzentrieren. Es galt heute einige wichtige Briefe ins Reine abzuschreiben und einige Aufstellungen für Piso vorzubreiten. Hierfür hatte sie einige Schriftrollen aus der Bibliothek benötigt, die sie auf dem Weg zu Pisos officium gleich mitgenommen hatte. Reichlich beladen näherte sie sich dem tablinum, in dem sie, nachdem nun alle Klienten fort waren, niemand mehr vermutete. Umso mehr wirkte sie überrascht, als ein knapper aber deutlicher Befehl zu ihr drang.
    Sie machte noch ein paar Schritte, bis sie einen Einblick ins Tablinum gewann. Dort am Tisch saß Aurelia Prisca, die neue Frau ihres Arbeitgebers. Sie war gerade dabei, einen Brief zu schreiben.
    Bridhe trat näher heran, bis sie direkt neben ihr stand. "Ja, domina?" Obwohl sie schon viele Jahre keine Sklavin mehr war, konnte sie sich diese Unterwürfigkeit, die in dieser Bezeichnung lag, nicht abgewöhnen. Geduldig wartete sie auf Priscas nächsten Befehl. Zwar war sie Pisos Angestellte, aber Prisca war Pisos Frau. Von daher war es selbstverständlich für sie, auch von ihr Aufträge entgegen nehmen zu müssen.
    Die neue Frau in der Villa war noch völlig fremd für sie, obwohl sie ihr schon früher, vor vielen Jahren einmal begegnet war. Damals war Bridhe noch Sklavin in dieser Villa gewesen und Aquilius hatte sie zu ihr in die Villa Aurelia mit einem Geschenk geschickt. Es waren goldene Ohrringe gewesen, wenn sie sich recht entsann. Ja, goldene Ohrringe hatte er damals seiner Zukünftigen geschickt. Damals hatte sie schon etwas hochmütig auf die noch junge unerfahrene Sklavin gewirkt, die zudem noch nicht perfekt die lateinische Sprache beherrscht hatte. Doch trotz der Hochmütigkeit hatte sie Bridhe damals schon beeindruckt. Ihre Schönheit, ihr Reichtum, einfach alles. Damals, es war ihr erstes Jahr in Rom und somit auch ihr erstes Jahr in Gefangenschaft gewesen. Das war so viele lange Jahre her!

    Kaum hatte Bridhe ihre Übersetzung beendet, hatte sich Aoife auch schon den Stoffen auf dem Boden zugewandt. Interessiert beobachtete sie ihre Landsmännin, die offensichtlich etwas von ihrem Handwerk verstand. Wenn sie Glück hatte und die kleine Flavia nicht verärgerte, dann gestattete sie ihr vielleicht auch hier diesem Handwerk nachzugehen. Und wenn sie irgendwann einmal frei kommen sollte, dann hatte sie ein einträgliches Geschäft, denn die wollenen Stoffe aus Britannien und westlich der hibernischen See waren hierzulande recht begehrt.
    Bridhe übersetzte, was Aoife sagte, Wort für Wort, auch wenn nicht alle Stoffe, die das Mädchen gekauft hatten, Aoifes geschultem Auge standgehalten hatten. Doch wenn die junge Flavia klug war, würde sie Aoife nicht für ihre Ehrlichkeit strafen.


    Als die Sprache auf Aidan kam, bemerkte sie bei den beiden eine berechtigte Art von Furcht, selbst Bridhe war es bei dieser Sache unwohl. Sie mochte die Arena nicht und konnte sich für diese Art von Unterhaltung nicht begeistern. Dennoch war es ihre Pflicht, zu übersetzen. Was sie dabei dachte, spielte keine Rolle.
    Bridhe nickte, als Aidan ihr erläuterte, was sie übersetzen sollte. Bevor sie aber damit anfangen konnte, fragte er sie etwas Persönliches, etwas vor dem sie sich selbst immer gefürchtet hatte. Sich eines Tages dafür rechtfertigen zu müssen, weshalb sie noch hier war und nicht mit dem ersten Schiff, dass in Richtung Hibernia ging, abgereist war.
    Sie schluckte, als ob sie damit den entstandenen Klos im Hals loswerden könne. "Wegen meinem Sohn", begann sie und schaute betreten zu Boden. "Mein ehemaliger dominus ist der Vater und ich habe ihm versprochen, dass er in Rom aufwächst. So sehr ich mich nach meiner Heimat zurück sehne, aber dieses Versprechen konnte ich nicht brechen. Außerdem..." Bridhe stockte, bevor sie das aussprach, vor dem sie wohl am meisten Angst gehabt hatte. "Er ist der Sohn eines Fremden, mit dunklen Augen. Ich hatte Angst, er sei nicht willkommen, zu Hause in Hibernia." Sie sah auf und ihre Augen, denen man ansah, wie sehr sie litt, trafen Aidans Gesicht. Nach einer Weile drehte sie sich wieder Domitilla zu, die sicher schon auf die weitere Übersetzung von Aidans Worten wartete.

    Betrunkene fielen bekanntlich weich. Auch in diesem Fall traf dies zu. Piso hatte sich nicht ernsthaft verletzt. Vielleicht hatte höchstens sein Stolz gelitten, sofern er sich in den nächsten Tagen noch an diesen Abend zurückerinnern konnte. Es war kein schöner Anblick, ihn dort am Boden zu sehen. Noch weniger gefiel es ihm, Bridhes Hilfe in Anspruch zu nehmen.
    Irritiert richtete sie sich wieder auf und beobachtete den sich aufrappelnden Flavier. Ihr hatte noch so einiges auf dem Herzen gelegen, was wichtig gewesen wäre, aber was nun einfach bis morgen warten musste. Angesichts ihrer neuen Tätigkeit als Calatrix war ihr nicht ganz wohl. Und noch mehr beschäftigte sie die Bäckerei. Wie sie das unter einen Hut bekommen sollte.
    Aber das behielt sie vorerst für sich. "Äh.. ja...Gute Nacht, dann!" wünschte sie ihm verunsichert und sah ihm noch nach, wie er an ihr vorbei, aus dem Zimmer stolperte.
    Ob sie ihn nicht besser zu seinem cubiculum begleitet hätte? Sie machte sich zu viele Sorgen. Schließlich war sie ja nicht seine Sklavin, sondern nur seine Scriba, mehr nicht.

    Das Mädchen war ganz aufgekratzt, nachdem Bridhe übersetzt hatte, was Aidan über seine Fähigkeiten, zu kämpfen gesagt hatte. Sie hatte gleich dabei an Gladiatoren gedacht. Bridhe überlegte, wie als dieses Kind überhaupt war, denn es stand außer Frage, dass sie noch eines war. Ob man sie wirklich schon zu Gladiatorenkämpfen mitgenommen hatte? Nur ungern erinnerte sie sich, als sie vor einigen Jahren einem dieser Kämpfe beigewohnt hatte, nur um Severus noch einmal zu sehen. Es schauderte sie noch jetzt. Die Arena hatte ihn vollkommen verrohen lassen. Vielleicht war er schon längst tot. In all ihren Überlegungen vergas sie sich selbst, bis sie schließlich wieder die Stimme Domitillas vernahm, die sie unterschwellig daran erinnerte, weswegen sie eigentlich hier war.
    Die Flavia erläuterte, was sie mit ihren Sklaven vorhatte. Bridhe übersetzte Wort für Wort. Schließlich wandte sie sich noch einmal speziell an Aidan, denn sie hatte Domitillas Frage bezüglich des Kämpfens noch nicht gestellt.
    "Domitilla möchte wissen, ob du auch mit wilden Tieren kämpfen kannst, Aidan." Bridhe fand es für angemessen, ihn darüber in Kenntnis zu setzen, welche Sitten und Gebräuche hier herrschten und wie verrückt die Römer nach Gladiatorenkämpfen waren. "Du musst wissen, es gibt hier spezielle Stätten, wo solche Kämpfe stattfinden. Man nennt sie Arena. Dort wird Mann gegen Mann oder Mann gegen Tier gekämpft." Mehr sagte sie vorerst nicht.

    Bridhe konnte nichts darauf erwidern, außer nur stumm und betroffen zu nicken. Die Reaktion der beiden auf die "Neuigkeiten", waren genau so ausgefallen, wie es sich Bridhe gedacht hatte. Diese fremde Welt war einfach so anders und vor allem so ungerecht. Die beiden konnten sich glücklich schätzen, dass sie einander hatten und nicht mutterseelenallein in Rom gestrandet waren, so wie Bridhe damals. Sie konnten sich einander Halt geben, den Halt den Bridhe damals bei Severus gefunden hatte. Ah, Severus! Die Erinnerung an ihn löste immer noch etwas aus. Sehnsucht, Trauer und auch Wut. Schnell schob sie das weit von sich. Sie hatte anderes zu tun, als in alten Wunden zu bohren.


    "Hoffnung gibt es immer. Seht mich an! Man hat mich auch vor vielen hierher verschleppt und ich wurde freigelassen." Damals war sie nur freigelassen worden, weil sie von ihrem Herrn schwanger geworden war und sie ihn um die Freiheit für ihr Kind gebeten hatte. Warum Aquilius damals eingewilligt hatte, war ihr noch immer schleierhaft. Er hatte sie nicht geliebt. Aber vielleicht wollte er nicht Herr seines eigenen Fleisch und Blutes werden. Diarmuíd, ihr Sohn war auf vielerlei Weise ihr ganzes Glück.


    Ihre beiden Landsleute fingen sich wieder etwas, was es Bridhe auch etwas leichter machte, mit ihnen zu sprechen. Sie lächelte mild, als Aoife sich aufraffte und willens war, an ihrem Schicksal zu arbeiten. Nur so konnten sie beide die dunklen Tage hinter sich lassen und an eine hoffnungsvolle Zukunft denken.
    Sie wollte noch etwas aufmunterndes entgegnen, da wurde sie von dem ungeduldigen Mächen unterbrochen. Bridhe sah kurz zu ihr hinüber und begann wieder, zu übersetzen.
    "Sie sagen, sie wollen dir dienen." Auch wenn es Aidan vielleicht nicht anzusehen war, als er einen Apfel mit einer Faust zerquetschte. "Aoife sagt, sie war zu Hause Weberin. Sie kennt sich gut mit Wolle und Stoffen aus. Frisieren kann sie auch. Aber Schminken, das kann sie leider nicht." Sie verschwieg es besser, was Aoife alles über das Schminken gesagt hatte.
    "Und Aidan kann kämpfen. Mit seinen bloßen Händen aber auch mit Waffen. Du hast soeben sehen können, welche Kraft er besitzt."

    Rotweinflecken zu entfernen, war ein aussichtsloses Unterfangen, genauso wie Piso vom trinken abhalten zu wollen. Zuerst hatten sich Bridhes Augen geweitet, doch gleich darauf resignierte sie, weil sei sowieso nichts ändern konnte. Es war auch keine gute Idee, beim eigenen Chef auf Schadensersatz für ihre ruinierte Tunika zu pochen. Zumal ihre Tunika die besten Tage schon längst hinter sich hatte.


    Piso indessen, war aufgestanden und wankte nun auf sie zu. Er war schon so angetrunken, dass er kam noch gerade gehen konnte. Noch ehe sie sich versah, wurde er ein Opfer der Schwerkraft und stürzte vor ihr nieder zu Boden. Bridhe, vor Schreck vielleicht sogar aus Sorge, spritzte von ihrem Stuhl auf. Die vor Entsetzen aufgerissenen Augen sahen nur noch den hilflosen Piso, dessen Arme wild umher ruderten und schließlich den Kübel einer Zimmerpflanze zu fassen bekamen.
    Die Natur aber meinte es heute nicht besonders gut, weder mit dem Flavier noch mit der unschuldigen Zimmerpflanze, die absolut gar nichts dafür konnte, dass sie zufällig an Ort und Stelle stand. Was vorher ganz unbedenklich eingeflößt worden war, trat nun schwallartig, begleitet von einem widerlich Geruch und einem noch abstoßender klingendem Geräusch, wieder hervor.
    Bridhe ekelte sich, als er sie ansah, vollkommen verschmiert. Aber sie überwand ihren Ekel und beugte sich zu ihm hinunter, um ihm zu helfen.
    "Hast du dir weh getan? Bist du verletzt?" Der dumme Rotweinfleck war längst vergessen und auch ihr Ansinnen, Piso von ihrer Bäckerei erzählen zu wollen.

    Bridhe war nicht wohl in ihrer Rolle als Übermittler von Schreckensnachrichten. Aus dem einzigen Grund, weil sie selbst einmal in der Lage ihrer beiden Landsleute gewesen war. Damals war es ihr recht schnell klar gewesen, wie ausweglos ihre Lage war und das es nur eines gab, was sie noch retten konnte: sich zu beugen und das Schicksal anzunehmen, was die Götter für sie vorgesehen hatten. Niemand hatte behauptet, das dies einfach gewesen wäre und das tat sie auch jetzt nicht. Betroffen senkte sie ihr Haupt und nickte dem Mann zu. "Doch das hat sie. Und was noch schlimmer ist, sie kann alleine über euch bestimmen." Bridhe wollte ehrlich mit den beiden sein und wollte ihnen nichts vorenthalten. "Das einzige, was ihr tun könnt, ist zu gehorchen und zu hoffen. Hoffen, dass sie euch eines Tages gehen lässt."


    Die Hibernierin hatte bereits geahnt, dass sich die Flavia von der Geschichte der beiden nur wenig beeindrucken ließ. Warum auch hätte ausgerechnet diese Mädchen hier anders sein sollen? Sie waren alle gleich, wenn es um ihren Besitz und um ihre Macht ging. Da zählten keine Missverständnisse. Das Unrecht, was anderen zugefügt worden war, wog weniger in ihrer Denkweise. Ganz im Gegenteil, sie glaubten sogar, den so genannten Barbaren etwas Gutes zu tun, wenn sie sie unterdrückten und sie zu ihren Sklaven machten. Wie überheblich sie doch waren! Bridhe zügelte ihre aufkommende Wut. Sie hatte im Laufe der Jahre gelernt, in Gegenwart der Römer ihre eigenen Gedanken und Gefühle für sich zu behalten. Drum erwiderte sich nichts auf Domitilla Antwort, die eindeutig erahnen ließ, wie unreif doch dieses Kind noch war. Stattdessen begann sie wieder zu übersetzen und versuchte auch den beiden Hibernern gegenüber sachlich zu bleiben. Es nützte ihnen nichts, wenn sie sie nun bemitleidete und die beiden dann in ihrem eigenen Selbstmitleid ertranken.

    Es regte sich etwas in den Gesichtern des Mannes und der Frau, als sie die wohlklingenden Laute ihrer Sprache aus Bridhes Mund hörten. Auch in Bridhe wuchs die Gewissheit, dass die beiden sie verstanden hatten und sie aus keinem anderen Land aüßer Éirinn selbst entstammen konnten. Eine unsagbare Freude aber auch Trauer zugleich ergriff Bridhe. Es war das eingetroffen, wonach sie sich so lange gesehnt hatte. Doch welchen Preis hatten ihre beiden Landsleute zuzahlen? Ergriffen hörte sie zu, als der Mann von ihrer Gefangennahme berichtete. Die beiden hatte das gleiche Schicksal erlitten, wie sie selbst vor vielen Jahren, als sie ahnungslos am Strand nach Muscheln gesucht hatte und fremde Männer sie verschleppt hatten.
    "Dort wo der Fluss Boann ins Meer mündet, dort bin ich aufgewachsen. Da war meine Heimat." Bridhe lächelte. Doch in ihrem Lächeln lag all die Sehnsucht nach ihrer Heimat, die sich in den Jahren der Diaspora angesammelt hatte. "Sie kann euch nicht verstehen.", versuchte sie dann zu erklären. Da sprach die junge Flavierin auch schon an, damit sie sogleich klarstellen sollte, was nun Fakt war. Bridhe konnte sich vorstellen, wie schrecklich die Wahrheit für die beiden werden würde. Es fiel ihr schwer, Domitillas Worte zu übersetzen und auszusprechen. Aber auch wenn die Realität grausam war, musste sie es tun.
    Vielleicht gelang es ihr aber wenigstens bei dem Mädchen etwas Verständnis für ihre neuen Sklaven entstehen zu lassen, wenn sie ihr mitteilte, dass die beiden völlig schuldlos in diese missliche Lage gelangt waren. Domitilla war noch jung und vielleicht noch nicht so sehr vom Gift der Hartherzigkeit Roms infiziert.
    "Er sagt, man habe sie verschleppt und sie können nicht verstehen, was nun mit ihnen passiert. Sie sind unschuldig!" Ein flehen lag in ihrer Stimme, als sie sich nun wieder Domitilla zuwandte.

    Es gab jede Menge zu tun für Bridhe. Bereits geschlagene zwei Stunden hatte sie damit verbracht, allerhand Schriftstücke zu ordnen und sie an ihren richtigen Platz abzulegen. Es gab beileibe erquickendere Aufgaben, als diese. Da war eine kleine Abwechslung sehr willkommen.
    Bridhe sah auf, als sich die Tür öffnete und sie die Sklavin ihres Arbeitgebers völlig aufgelöst und außer Atem erblickte. Was war denn nur los? Aus der Sklavin sprudelte es nur so heraus, so dass sie ihr kaum folgen konnte. Wenigstens einiges hatte sie herausfiltern können. Ein Mann und eine Frau, zwei Sklaven, seltsame Sprache, Domitilla. In ihr begann es zu arbeiten. Die Möglichkeit, dass die beiden tatsächlich, so wie sie selbst aus Hibernia stammten, war denkbar gering. Doch es war möglich!
    Sie ließ alles stehen und liegen und folgte der Sklavin zum cubiculum Domitillas. Von der erst kürzlich aufgetauchten Schwester Pisos hatte sie schon gehört. Jedoch hatte es bisher noch keine Gelegenheit gegeben, das Mädchen zu sehen. Mit ihrer Besonnenheit, die sie an den Tag legte, sobald sie es mit den Flaviern zu tun hatte, klopfte sie an die Tür und trat dann ein.
    "Salve, domina. Mein Name ist Flaviana Brigantica. Semiramis sagte mir, du könntest eventuell meine Dienste benötigen." Bridhe deutete eine leichte Verbeugung an und sah zu den beiden Sklaven hinüber. Die Frau fiel ihr sofort auf, aufgrund ihres flammendroten Haars. Doch das war noch lange kein Indiz für ihre Herkunft. Dass alle Menschen in Hibernia rothaarig waren, beruhte nur auf einem Klischee.
    Dicht beieinander standen sie, damit sie sich gegenseitig schützen konnten. Der Mann hielt die Hand der Frau. Fast wirkten sie furchtsam. Bridhe konnte gut nachvollziehen, wie sie sich fühlen mussten. Sie selbst hatte es am eigenen Leibe zu spüren bekommen. In der Fremde, unter Menschen, die sie nicht verstanden und die sie zu Gegenständen degradiert hatten. Eine Situation die auswegslos erschien.
    "Beannachtaí! Mo Bridhe ainm. An féidir leat a thuiscint dom?*" Sie sprach die beiden an, ohne abzuwarten, was die kleine Flavierin zu sagen hatte. So sehr brannte sie darauf, festzustellen, ob es sich wirklich um ihre Landsleute handelte.



    Sim-Off:

    *Seid gegrüßt! Ich heiße Bridhe. Könnt ihr mich verstehen?

    Seit sie in Rom war, hatte Bridhe schon eine Menge ausgestanden. Man konnte sagen, sie war darin zu einer Expertin geworden. Immer alles erdulden und wenig oder gar nicht zu klagen. Von den Jahren der Sklaverei angefangen, in denen sie gelernt hatte, was es hieß, der Besitz eines Anderen zu sein und in der Fremde zu leben, bis hin zu den Tagen der wiedererlangten Freiheit, in denen sie für sich und ihren Sohn sorgen musste. Verglichen dazu war die jetzige Situation ein unbedeutender Klax, der keinerlei Nachwirkungen auf ihr weiteres Leben hatte, glaubte sie. Sie ließ das Johlen und Röhren, das dämliche Gekichere und das lautstarke Gelächter einfach über sich ergehen. Und dies mit einem ungerührtem Gesichtsausdruck, als müsse es so sein, ja als sei es das normalste auf der Welt.
    "Oh ja!", pflichtete sie ihm bei, als er sich für einen großen Sänger hielt. Ihre ganz eigene Meinung behielt sie tunlichst für sich, wollte sie ihre Anstellung und das Recht, hier zu wohnen nicht gefähren. Piso wäre es sicher nicht recht gewesen, hätte sie ihn als einen der größten Dilettanten nach Nero bezeichnet.
    Selbst als der Flavier sich mit seiner in Wein getränkten Hand durchs Haar fuhr, verzog sie nicht angewidert ihr Gesicht, obwohl ihr eigentlich danach war. Aber Piso liebte nun mal den Wein, so wie fast alle Römer. Ob Aquilius sich auch so gehen gelassen hätte, wäre er zum Senator ernannt worden? Wahrscheinlich nicht. Er hatte sich stets nur betrunken, wenn er seinen Kummer ersäufen wollte.
    Warum Bridhe gerade jetzt an den Vater ihres Sohnes dachte, war ihr auch unbegreiflich. Piso und er waren doch grundverschieden in ihrem Wesen. Sie teilten nur den Gensnamen und nicht mehr.
    Inzwischen hatte Piso begonnen, weiter zu sprechen. Oder sollte man besser sagen: lallen? Anfangs verstand sie nicht, was er damit meinte. Sie zu etwas ernennen? Zur senatorischen Oberscriba etwa? Begann er sich nun tatsächlich auch über sie lustig zu machen? Sie war sich unschlüssig, ob sie ihn ernst nehmen oder sich besser still und heimlich ärgern sollte. Calatrix, so etwas hatte sie noch nie gehört. Verlegen schüttelte sie ihren Kopf. Doch die Erklärung dazu folgte sofort. Sie begann zu verstehen. Eine Art Assistentin bei kultischen Angelegenheiten, also. Dabei stellte sich ihr die Frage, ob man auch Calatrix sein konnte, wenn man gar nicht an die Götter Roms glaubte.
    "Ja, ich glaube, das..." Erschrocken verstummte sie, als Pisos flache Hand mehrmals die Tischplatte, begleitet von einem lauten Knall, berührte und wieder zu Krakeelen begann. Dabei waren die Erschütterungen so heftig, dass Bridhes fast noch voller Weinbecher überschwappte. Dummerweise war diesmal keine Ernennungsurkunde zu Hand, die den Wein hätte aufsaugen können. Aber Bridhes Tunika...

    Bridhe hatte sich doch verhört? Kleines? Er hatte sie Kleines genannt! Und auch sonst ließ der austretende Wortschwall nur eine Vermutung zu. Piso hatte nicht nur ein bisschen getrunken. Er hatte schon ordentlich viel Wein in sich hineingeschüttet. Und vermutlich war es noch gar nicht absehbar, bis wann er damit aufhören würde. Aber der Anlass zu diesem Besäufnis war, wie es schien ein freudiger, denn er lachte und grinste bis über beide Ohren hinaus.
    Sie trat näher und nahm Platz. Als er ihr Wein anbot, erschien nur ein flüchtiges Lächeln. In all den Jahren hatte sie sich absolut gar nichts an Wein finden können. Sie trank ihn eigentlich nur, wenn sie dazu gezwungen war. Bevor sie sich jedoch dazu äußern konnte, stellte er ihr bereits einen Becher vor die Nase und versuchte dann auch noch selbst einzuschenken, was natürlich, wen wunderte es, etwas danebenging. Die Weinlache auf der Tischplatte, näherte sich gefährlich schnell der Tischkante und somit ihrer Tunika. Aus eigener Erfahrung wusste sie auch, wie schwer sich Rotweinflecken wieder aus dem Gewebe entfernen ließen. "Soll ich das nicht lieber… erledigen, H... Piso?" Nicht nur, weil sie damit mehr Erfahrung hatte, auch weil sie noch vollkommen nüchtern war. Und überhaupt, sie hatte ihn Piso genannt. Einfach so! Aber auch hier war Piso wieder schneller. Der Becher war bereits voll.
    Ständig die Weinlache beobachtend, in welche Richtung sie sich weiter ausdehnte, wirkte sie estwas unaufmerksam. Dem Gelalle folgte sie eh nicht wirklich, stattdessen überlegte sie, was man gegen die drohende 'rote Gefahr' tun konnte. "Der Wein… sollte man nicht…" Aber Piso löste auch hier wieder das Problem von ganz alleine. Er schob ihr seine Ernennungsurkunde hin und als diese die Rotweinlache erreichte, sog sich das Papyrus voll mit dem roten Rebensaft. Somit war das Schlimmste verhindert worden, was man allerdings von der Ernennungsurkunde nicht behaupten konnte.
    Bridhe warf einen Blick auf das versiffte Schriftstück und las selbst. Da stand es schwarz auf rot. Oh ja, jetzt war sie die Scriba eines Senators, was immer das auch bedeuten würde. Dann plötzlich verschwand die Urkunde wieder und hinterließ einige Rotweinstreifen auf der Tischplatte. Bridhe sah wieder auf. Ein 'Glückwunsch' oder sogar ein lobendes 'gut gemacht' lag ihr auf der Zunge. Und da blieb es auch vorerst einmal. Denn Piso, der sich leidenschaftlich gern selbst reden hörte, fuhr weiter fort. Er sprach von mehr Arbeit für sie als Scriba und tat geheimnisvoll, als es darum ging, wie sie mehr Geld für ihre Arbeit bekommen konnte.
    Dann trank er auf den Senat und auch Bridhe sah sich genötigt, den Becher zu heben, um wenigstens einen kleinen Schluck daran zu nippen. "Ähm, ja.."
    Pfui, der Wein schmeckte schrecklich, auch wenn er zweifellos ein erlesener Tropfen war. Piso trank, als ob der Wein klares reines Quellwasser aus einer der unzähligen hibernischen Quellen wäre und gurgelte sogar damit. Die Hibernierin zeigte keinerlei Regung dabei. Sie hatte ja schon viel, sehr viel gesehen, wie sich die Römer solchen Exzessen hingegeben hatten.
    Dann traf sie wieder Pisos Blick. Tja, was sagte man dazu? "Ja…" Bevor sie noch etwas sagen konnte, begann er auch noch zu ihrem Leidwesen ganz schrecklich schräg zu singen. Nein, besser sie sagte nichts mehr! Sie zwang sich nur noch, zu lächeln und diesen grauenvollen Singsang geduldig über sich ergehen zu lassen.

    Wohl kaum einem Bewohner der Villa war der Lärm entgangen, der aus dem Atrium stammte. Ebenso Bridhe nicht. Sie war gerade im Begriff gewesen, zur Bäckerei aufzubrechen, um dort nach dem Rechten zu sehen. Über ihre Absichten, nun stundenweise auch dort mitzuarbeiten, hatte sie Piso noch nicht unterrichtet.
    Als es dann auch noch an ihrer Tür klopfte und sie Antiochos erblickte, der ihr manchmal in Pisos Büro zur Hand ging, ahnte sie bereits, dass aus ihrem Vorhaben heute nichts werden würde. So war es dann auch. Der Sklave teilte ihr mit, sie solle sich sofort in Pisos Büro begeben, wo sie erwartet wurde. Sie nickte, legte ihren Mantel wieder zur Seite und folgte Antriochos.
    Es hatte doch etwas Gutes, nun zu Piso zu müssen, dachte sie sich. Denn dann konnte sie ihm gleich von ihrer neuen alten Bäckerei erzählen.


    Als Bridhe das Büro betrat, fand sie den Flavier in ausgelassener Stimmung und in einem Korbsessel sitzend, vor. Seltsame Geräusche kamen aus Piso heraus, über deren Bedeutung sie sich noch nicht ganz im Klaren war. Sie hatte keine Idee, was oder wer den Flavier in eine derartige Stimmung versetzt hatte. Doch sie war nun schon lange genug in Rom, um zu wissen, dass es nur wenig bedurfte, warum ein Römer dem Wein frönte. Sich nichts anmerken lassend, ging sie auf seinen Schreibtisch zu und begrüßte ihn
    "Salve, Herr. Du wolltest mich sehen? Gibt es etwas zu tun?" Sie sah sich um, ob eventuell Akten zu verräumen waren, oder etwas abgeschrieben werden musste. Aber sie fand nichts dergleichen. So wartete sie Pisos Antwort ab.

    Die Rückkehr zur Backstube war wie die Reise in eine andere Zeit gewesen. Nach dem der römische Centurio sie aus dem Tiber gerettet hatte und sie daraufhin zu den Flaviern zurückgegangen war, war sie nicht mehr hier gewesen.
    Da auch Catubodus verschwunden war, hatte Lentida, die Frau des ehemaligen Bäckermeisters , die Geschäfte übernommen. Für ihr Entgegenkommen hatte sie nichts von den Einnahmen an Bridhe abtreten müssen. So war beiden Frauen geholfen.


    Als vor einigen Tagen dann ein Schreiben Bridhe erreicht hatte, in dem ihr mitgeteilt worden war, dass Lentida ganz plötzlich verstorben war und sie sich wegen der Backstube melden sollte, war die Hibernerin zuerst sehr betroffen gewesen und schließlich beinahe in Panik ausgebrochen. Was sollte sie denn jetzt nur mit einer Bäckerei anfangen? Ihre gute Stellung als Scriba wollte sie keinesfalls auf´s Spiel setzen, denn das bedeutete, dass sie in der Nähe ihres Sohnes bleiben konnte.
    Soviel sie wusste, hatten Lentida und Marcus keine Kinder. Keine, die noch lebten. Ihr einziger Sohn war vor Jahren in Parthien während der Feldzuges gefallen. Auch sonst gab es keine Verwandten.


    Ihren Sohn hatte sie nicht mitgenommen, obwohl es ihm bestimmt Freude bereitet hätte, seine alten Freunde von damals wiederzusehen. Schritt um Schritt näherte sie sich der Insula, bis sie schließlich direkt vor dem Haus stand, in dem sie einst so etwas wie glücklich gewesen war, wenn man so etwas von einer Entwurzelten überhaupt behaupten konnte.
    Die Bäckerei und die Garküche waren geschlossen. Bridhes Blick ging nach oben, zu dem Fenster, wo einst ihr Zimmer gewesen war. Dann betrat sie das Haus und lief die Treppen hinauf, bis zu Lentidas Zimmer, in dem noch alles so wie, wie sie es gekannt hatte. Lentida war erst am Tag zuvor beigesetz worden. Die Zeit war so schnelllebig. Sie ließ kein Innehalten zu.
    Sie traf sich dort mit Nestor , einem Peregrinen, den Lentida nach Bridhes Fortgang als Bäcker eingestellt hatte.
    "Salve, ich bin Bridhe! Du musst Nestor sein"
    "Salve, genauso ist es. Danke, dass du gekommen bist. Lentida hat immer viel von dir erzählt."
    "Hat sie das? Lentida war eine gute Frau. Indem sie sich damals bereiterklärte, sich um die Bäckerei zu kümmern, hat sie mir sehr geholfen."
    "Um die Bäckerei geht es auch jetzt wieder. Was soll mit ihr geschehen? Lentida sagte immer, wenn ihr etwas passieren sollte, dann soll ich mich an dich wenden."
    "Die Bäckerei hat mir nicht alleine gehört Catubodus…" Schon seit scheinbar ewigen Zeiten, war ihr dieser Name nicht mehr über die Lippen gekommen. Er war gegangen, als sie gegangen war und war nicht mehr wiedergekommen. Nur die Götter wussten, ob er noch am Leben war.
    "Ich kann die Bäckerei nicht übernehmen! Ich habe eine andere Anstellung als Scriba, Von dort kann ich nicht weg. Ich werde sie wohl oder übel verkaufen müssen." Nestor sah sie betroffen an. Das bedeutete, er würde seinen Lebensunterhalt verlieren und einer ungewissen Zukunft gegenüberstehen, denn er besaß nicht die Mittel, selbst die Bäckerei zu kaufen.
    "Und wenn du mich behältst und noch jemanden für den Verkauf einstellst? Dann könntest du die Bäckerei behalten und müsstest nicht erst noch nach einem Käufer suchen. Das Geschäft ging immer gut. Bis zum Abend hatten wir immer alle Brote verkauft." Bridhe bemerkte den kleinen Hoffnungsschimmer in Nestors Augen. Aber das, was er vorschlug, musste zuerst gut durchdacht sein.
    "Ich denke darüber nach! In einigen Tagen komme ich zurück und teile dir mit, wie ich mich entschieden habe. Schuldet dir Lentida noch etwas?"
    "Nein, ist schon gut. Ich erwarte dich dann!"
    Bridhe erhob sich, nickte Nestor zum Abschied zu. Doch am Türrahmen machte sie halt und drehte sich zu Nestor um.
    "Gut, lass es uns einfach versuchen. Ich versuche, mir für den Anfang eitwas Zeit für die Bäckerrei zu nehmen, bis wir eine geeignete Hilfe haben. Mein Arbeitgeber wird bestimmt nichts dagegen haben. Am besten, du gehst gleich an die Arbeit! Wir sehen uns dann morgen!"

    Die Verwerfung persönlicher Interessen, also! Auch wenn Furianus sie damit nur umgarnen wollte, erreichte er dennoch nur, dass seine Worte sie nachdenklich machten. Wie groß nur musste Furianus Hass sein, dass er selbst vor einem kleinen Jungen nicht Halt machte?
    "Deine persönlichen Interessen? Welches Interesse könntest du daran haben, einem kleinen Jungen das Leben schwer zu machen? Oder ist es nur die Tatsache, dass du ihm nicht verzeihen kannst, wer sein Vater ist?", entgegnete Bridhe ihm kühn in gleicher Weise. Wenn er sie wirklich so sehr begehrte, würde er ihr keine Antwort schuldig bleiben, oder sie gar von sich zu weisen.
    Dass es dem Flavier auch nur um die Befriedigung seiner Lust ging, lag offen auf der Hand. Nur ein Abkommen. Nur ein Geschäft. Dies für das.


    Bridhe lächelte nur und kräuselte dann ihre Lippen, als er von ihren Feinheiten zu sprechen begann. Und genau dieses Feinheiten begann er sofort auszuloten. Als ob er darauf gewartet hätte, endlich losschlagen zu dürfen, begann er, sie mit Küssen zu bedecken. Vorsichtig begann Bridhe, ihre Arme um ihn zu legen, während seine Zunge damit begann, mit ihrem Ohrläppchen zu spielen. Damit schaffte er es zweifelsfrei, sie ein erstes Mal erschauern zu lassen. Ein leises Seufzen war von ihr zu hören.
    Ihre Hände wanderten auf seinem Rücken aufwärts, bis ihre Fingerspitzen schließlich seinen Haaransatz erreichten. Entschlossen tauchten sie ein und krallten sich in sein Haar. Je länger er an ihrem Ohr verharrte, desto intensiver wurde ihr Krallen. Bis sie schließlich der Erregung so erlegen war, dass ihre Finger von seinem Haar abließen und seinen Kopf sanft aber dennoch in voller Absicht nach unten schoben, so dass sein nächstes Ziel unweigerlich ihr Hals sein musste.

    Wäre es Bridhe auch nur im Mindesten möglich gewesen, die Gedanken des Flaviers zu lesen, sie wäre wahrscheinlich in schallendes Lachen ausgebrochen. Die Hibernierin hätte niemals auch nur einen Gedanken daran verschwendet, nur wegen Furianus in die Villa zurückzukehren. Bis dahin war er für sie nur ein Grund gewesen, dies nicht zu tun. Jedoch hatte sie sich permanent eingeredet, ihrem Sohn etwas schuldig zu sein und vielleicht auch dessen Vater, dem sie einst ein Versprechen gegeben hatte. Dass sich nun Furianus einbildete, Bridhe habe nur seine Nähe suchen wollen, weil sie sich von ihm angezogen fühlte, hätte sie sich selbst nicht einmal im angetrunkenen Zustand vorstellen können.
    Erst als er ihr sein Versprechen gab, ihren Sohn in Zukunft nicht mehr zu behelligen, war für sie die letzte Barriere gefallen, sich dem Flavier hinzugeben. Niemals hätte sie darin etwas wie Lust, Anziehung oder sogar Liebe sehen können. Es war ein Abkommen, das sie einging, indem sie ihren Körper, nicht aber ihre Seele hergab. Ein Geschäft würde es sein, oder ein Opfer, wie er seinen Teil der Abmachung nannte. Quid pro quo. Dies für das. Mehr nicht, aber auch nicht weniger. An die Möglichkeit, er könne eines Tages sein Versprechen brechen, verschwendete sie keinen Gedanken, denn trotz allem glaubte sie, einen Mann von Ehre vor sich zu haben, der sich an ein gegebenes Wort hält.
    "Ein Opfer? So viel bin ich dir also wert?" Bridhes Augenbrauen waren überrascht nach oben gewandert. Die Brise Sarkasmus, die in ihren Worten mitschwang, war nicht wirklich zu verbergen.
    Als er sich ihr nun näherte, blieb sie so entspannt, wie sie nur sein konnte. Sie wusste, sie hatte nichts von ihm zu befürchten. Er wollte sie sie und er bekam sie nur dann, wenn er nett und freundlich blieb. Es sei denn, er liebte es schreiende Frauen zu vergewaltigen, die sich mit allem wehrten, was sie hatten. Doch Furianus war allem Anschein nach in dieser Beziehung kein Freund von Gewalt. Ein Mann wie er, war ein Eroberer, der einiges dafür tat, sein Ziel zu erreichen. Unter Umständen hieß das auch, ungewöhnliche Allianzen eingehen. Doch so leicht wollte es Bridhe ihm nicht machen! So einfach gab sie sich nicht her.
    "Ach ja, wirklich? Wenn ich dich lasse? Ich dachte immer, ein Römer wie du, greift einfach zu und nimmt sich, ohne darauf auf irgendwelche zweitrangigen Feinheiten zu achten. Liegt das nicht in der Natur deines Volkes?" Bridhes Blick hielt dem des Flaviers eine Weile stand, dann jedoch ließ sie sich von seinen Streichelkünsten ablenken.
    "Ist das alles, was du kannst, um mich erschauern zu lassen?", bemerkte sie schließlich trocken.