Vermutlich mussten erst Tage wie die der Saturnalien heran brechen, um die wahren Menschen, die hinter den Flaviern steckten, hervorzubringen. Ich hatte Arisitides bisher nur in seiner Rolle als despotischen Herrn wahrgenommen, hinter dessen scheinbarer Freundlichkeit sich seine ganze Gefährlichkeit versteckt hatte. Jetzt erlebte ich ihn ganz anders, als freundlich netten Mann, der mich ohne Hintergedanken in seiner Nähe duldete. Dass er es damals, als ich ihm bei seinem Mahl Gesellschaft leisten musste, auch anders gewesen sein konnte, war aus meinem damaligen Blickwinkel nicht ersichtlich gewesen. Dieser ganzen Familie ging ein gewisser Ruf voraus und wenn man ihnen auch noch rechtlos ausgeliefert war, dann lebte man in ständiger Sorge um sein eigenes Wohlergehen.
An seiner Reaktion war es leicht, festzustellen, wie unbedeutend für ihn dieser Vorfall vor einigen Monaten gewesen sein musste. Er konnte sich schon gar nicht mehr daran erinnern. Das war für mich Anlass, einen Schlussstrich darunter zu ziehen und ein neues Kapitel aufzuschlagen. Unmerklich fiel die Furcht, die ich zu Beginn in Gegenwart dieses Mannes gefühlt hatte, ab. Er war ein ganz normaler Mensch und allem Anschein nach, heilfroh, mich getroffen zu haben, denn mit seiner Kochkunst schien es nicht weit her zu sein. Ich hatte keine Ahnung, wovon sich einfache Soldaten ernährten. Mit Sicherheit waren es keine Gänse und Enten, die sie tagtäglich in ihren Kochtöpfen versenkten.
Nein, mit Enten und Gänsen habe ich keine Probleme, gab ich grinsend und weitaus gelöster, zu. Sah man einmal davon ab, wie selten solche Vögel auf meinem heimischen Speiseplan gestanden hatten und ich wenig Erfahrung mit ihrer Zubereitung mitbrachte. Wenn man ein Leben nah am Wasser gewohnt war, dann bestand das Hauptnahrungsmittel aus Fisch und Meeresfrüchten.
Nun begann er aufzuzählen, was alles vorrätig war. Im Grunde fehlte wirklich nichts, was nicht auch an einem anderen, gewöhnlichen Tag da war. Das waren doch ganz gute Voraussetzungen, auch wenn der Profi in der Küche am heutigen Tage Ausgang hatte.
Ach das macht nichts! Das schaffen wir schon!
Ich zögerte nicht lange und band mir eine Schürze um, bereit für alles, was auf mich zukam. Da lagen sie schon, die leblosen Körper der Enten und Gänse. Wenigstens waren sie schon tot. Allerdings waren sie noch ungerupft und nicht ausgenommen. Beides waren Tätigkeiten, denen ich zwar nachgekommen wäre, wenn er mich dazu aufgefordert hätte, die allerdings nicht wirklich zu meinen Lieblingsbeschäftigungen gehörten. Umso erstaunter war ich, als er mir vorschlug, mit dem Backen zu beginnen. Er selbst wollte die Aufgabe übernehmen, den Tieren an die Federn zu gehen. Ich war erleichtert. Vielleicht konnte man mir das auch ansehen, denn Backen lag mir wesentlich mehr.
Ich schritt sofort zur Tat und besorgte mir eine große Schüssel, holte das Mehl und ein wenig Wasser und Olivenöl herbei und wollte schon mit dem Mischen der Zutaten beginnen, als auch ich die nahende Stimme hörte. Ich wusste, zu wem sie gehörte und genau das ließ mich auch wieder versteifen. Dem Hausherrn war ich in der ganzen Zeit als Sklavin nie direkt begegnet. Immer hatte ich ihn nur von weitem gesehen und das, so glaubte ich jedenfalls, war auch gut so. Ich ließ von meiner Tätigkeit ab und wagte es nicht, ihn anzusehen, als Aristides uns vorstellte. Meinen Blick hob ich erst an, als mich Aristides nach dem Namen meines Kindes fragte. Ich war verwirrt und wäre beinahe mit dem Namen herausgerückt, dem ich ihm selbst gegeben hatte.
Diarm.., ähm nein. Er heißt Caius, so wie sein Vater.
Ich sah und spürte, wie Gracchus´ Blicke auf mir lasteten und ich glaubte auch zu wissen, was er dachte. Ich kam mir vor, wie ein Insekt, über dessen Schicksal noch entschieden wurde, ob man es zertreten sollte oder hinaus in den Garten setzte.
Als schließlich ein leichtes Lächeln auf seinen Lippen erschien, das dann auch noch von einem freundlichen Bona Saturnalia gefolgt wurde, brach meine Starre auf.
Salve, dominus! Das wünsche ich dir auch, antwortete ich lächelnd und um einiges erleichtert.
Der kritische Punkt, so schien es, war überschritten. Geschäftigkeit trat wieder ein. Auch ich ging wieder an meine Arbeit. Aristides verteilte sogleich die Arbeit an seinen Vetter, der sich die größte Mühe gab, darin nicht zu überfordert zu wirken.
Aus meinem Blickwinkel beobachtete ich ihn, wie ehrerbietig er mit jedem einzelnen Gemüse umging, so als wären es wertvolle Kultgegenstände, die er seinen Göttern anschließend opfern wollte. Er wusch die Rüben, polierte sie, ließ aber das überflüssige Grünzeug daran stehen. Das beruhigte mich wieder, denn es zeigte mir, er war ein gewöhnlicher Sterblicher, der auch nur mit Wasser kochte, wenn er denn überhaupt kochen konnte, was ich stark bezweifelte.
Eine innere Kraft drängte mich dazu, einzuschreiten und ihn auf den richtigen Weg zu bringen, denn so wurde das nichts!
Ähm, dominus, bitte verzeih mir, aber das Grünzeug muss ab! Das muss man nicht mitwaschen. Und extra abtrocknen ist auch nicht notwendig. Dann wird das Gemüse geschält.
Ohne vorher gefragt worden zu sein, griff ich nach einer polierten Rübe und enthauptete sie mit einem ordinären Küchenmesser, dann begann ich sie mit demselben auch noch zu schälen und legte die nun splitternackte Rübe beiseite. Ein weitere Rübe zu ergreifen, wagte ich nicht, denn im gleichen Moment kam es mir in seiner Nähe so vor, ein schreckliches Sakrileg begangen zu haben, das mich für alle Zeit in Verdammnis stürzte. So ich ließ von den übrigen Rüben ab.