Ich hatte mir nur schnell ein wenig Wasser in einen Becher gegossen und trank hastig daran, bevor ich wieder an die Arbeit ging. Heute konnte sich Glabrio nicht über zu wenig Kundschaft beschweren. Ständig kamen neue Gäste, die sich an diesem schwülheißen Tag nach einer Erfrischung sehnten. Ich hatte alle Hände voll zu tun und musste zwischendurch auch noch ein Auge auf Diarmuid werfen, der sich ausgerechnet heute auch noch strikt geweigert hatte, zu Thea zu gehen, der Frau, die tagsüber während ich arbeitete, auf ihn aufpasste.
Als Krönung des Ganzen wurde dann auch noch die Tür aufgerissen und einige lautstark grölende Trunkenbolde mit Anhang kamen in die Taberna.
Auch das noch! murmelte ich leise vor mich hin. Ich versuchte, ihnen keine große Beachtung zu schenken. Doch sie waren unüberhörbar und auch ihr verwegenes Aussehen und ihr Geruch nach Schweiß ließen keinen Zweifel aufkommen. Ihrem Wortschatz nach zu urteilen, handelte es sich bei den beiden wilden Kerlen um Gladiatoren auf Sauftour, die sich gegenseitig mit ihren derben Kraftausdrücken hochschaukelten und morgen womöglich schon gezwungen waren, sich gegenseitig abzustechen. Zum Glück gehörten solche Leute nicht zu unserer Stammkundschaft. Jedoch vermochten solche Kerle mit ihrem Auftreten besagte Stammkundschaft zu vertreiben.
Zu meinem Entsetzen stellte ich fest, dass mein Sohn Gefallen an den wilden Gesellen gefunden hatte. Aufgeregt rannte er zu ihnen hin und beobachtete die Männer und deren weibliche Begleitung und feixte lautstark mit. Worum es sich bei diesen Frauen handelte war augenscheinlich. Aber der Kleine verstand natürlich nichts von alle dem. Ich hoffte darauf, dass Catubodus in der Nähe war um gegebenenfalls auch einschreiten zu können, falls die Kerle handgreiflich wurden. Schließlich rief einer von ihnen nach der Bedienung, also nach mir. Jetzt konnte ich mich nicht mehr länger davor drücken, zu ihnen zu gehen.
Die beiden waren einfach widerlich. Der eine, der nach mir gerufen hatte, war gerade dabei, die Hure, die er bei sich hatte zu entblättern.
Was darf´s denn sein? fragte ich ziemlich unmotiviert. Eigentlich hatte ich nicht vor gehabt, länger bei den beiden Kerlen zu verweilen. Aber als ich den einen der beiden sah, blieb ich wie versteinert stehen. Ich kannte dieses Gesicht und ich kannte auch diese Stimme. Sie versetzten mir schmerzende Stiche in meiner Brust. Der Kleine tänzelte noch immer um den Tisch der beiden Männer herum und lachte mit seinem fröhlichen, unschuldigen Lächeln.
Diarmuid, geh nach hinten! rief ich meinem Sohn monoton aber bestimmt zu.
Och, Mama! meinte er nur enttäuscht über meine Ansage.
Dul ar chúl, Diarmuid! fauchte ich zurück, so dass der Kleine ganz eingeschüchtert davon lief.
Jetzt gab es nur noch Severus und mich. Seine Begleiter ignorierte ich völlig. Er hatte sich sehr verändert. Nichts mehr war geblieben, von dem Mann, den ich einmal geliebt hatte. Die Narben auf seinem Körper ließen darauf schließen, was er tagtäglich über sich ergehen lassen musste. Severus war vor langer Zeit gestorben und hatte Rutger, die blonde Bestie zurückgelassen. So hatte ihn die Menge bei den Spielen im flavischen Theater gerufen,alsich die zweifelhafte Ehre hatte, ihn in Aktion zu sehen. Ich hatte gehofft, endlich damit abgeschlossen zu haben. Und ich war auch der Überzeugung ihn vergessen zu haben. Jetzt aber war er da und wie damals, vor so vielen Jahren, raste mein Herz. Er hatte mich geliebt, er hatte für mich gemordet, er hatte mich mit Gold beschenkt… Und er hatte mich geschlagen, mich eine Hure genannt und mich verdammt. Damals in jener Nacht - in der Diarmuid gezeugt wurde.