Beiträge von Tilla Romania

    Stumm liess sie alles nötige über sich ergehen und folgte Hektor. Diesen Männern, die Soldaten waren, würde sie nicht zeigen, dass sie ein Paar waren welches sich auch noch liebte. Das würde nur Probleme machen und geben, dachte Tilla für sich und behielt ihre Hände bei sich. Über Hektors Worte und seine Verbeugung lächelnd bemühte sie sich mit seinem Schritttempo mitzuhalten.

    Mit großem Bedauern kehrte sie dem Lavendelfeld den Rücken zu und rief sich immer wieder den rasanten Ritt ins Gedächtnis. Es waren erlebnisreiche Momente gewesen, die sie für immer sich bewahren wollte. Schon gar nicht das 'danach' wollte sie vergessen. Die Pferde standen in einem Stall. Zu Fuß erreichten sie asbald das Tor, welches von Soldaten bewacht wurde. Tilla überliess Hektor das Reden und liess die Durchsuchung über sich ergehen. Seit der Rückkehr aus Ägypten hatte sie keine Waffe mehr in der Hand gehabt. Somit und deshalb war Tilla unbewaffnet. Sie lächelte Hektor zu und liess ein bisschen die Freude darüber durchblicken, dass sie Ursus bald wiedersehen würden. Die Hochzeit ihrer Herrin war schon etwas länger her. Bestimmt wollte der Legat alles über Prisca und ihr Befinden wissen.

    Tilla beobachtete den Flavier und behielt die 'lebenden' Statuen im Auge. Vielleicht hatte der junge Mann irgendeinen Trick angewendet und durch diesen mit den Sklaven kommuniziert. Sie errinnerte sich noch genügend an die Zeit auf der Straße, wo sie hin und wieder zu diebischen Anlässen per Zeichensprache mit anderen Strassenkindern kommuniziert hatte, vor allem um Nahrung zu beschaffen. Bei seinem nackten Anblick peinlich berührt sah sie zur Seite. Zwar war die stumme Sklavin mit Hektor zusammen und hatte den Leibwächter auch schon nackt gesehen. Doch bei diesem Mann hier war es anders: eben weil er nicht mit ihr auf einer Stufe stand. Er war der Herr des Hauses beziehungsweise einer von denen.


    Der Flavier verriet, wo die goldenen Schmuckstücke sich befanden. Es war seltsam. Zu Hause zeigten sie die Standorte ihren Reichtums. Auf der Strasse dagegen wurde alles getan um alles wertvolle zu schützen. Begleitet von einem raschen Nicken ergriff sie fingerflink die Spange. Sie nahm sich keine Zeit diese zu bewundern und tat was ihr befohlen worden war. Davon ausgehend, dass er mit den Vorbereitungen fertig war, ging sie voran zur Tür und hielt sie für ihn auf. Schliesslich schlug Tilla den Weg zu Priscas Gemächern ein. Es konnte ja sein, dass die Herrin inzwischen von den innerhäuslichen Streifzügen zurückgekehrt war. Tilla klopfte an und stellte sich in den Türrahmen. Herrin, einer von denen, äh von den Flaviern. Ein junger Flavier möchte dich kennenlernen. gebärdete sie flink den Grund des Auftauchens und wartete auf die Einladung, dass der junge Mann eintreten durfte/sollte. Die gefaltete Toga hielt sie unterm Arm geklemmt und hoffte, dass Prisca diesen Batzen Stoff nicht als männliches Kleidungsstück erkannte. Sonst würde es schon wieder Ärger geben... ihre Haare waren kurz genug.

    Dieses Mal ritten sie nicht nach Ostia, sondern befanden sich auf dem Weg nach Mantua. Dies Mal kannte sie den zu reitenden Weg nicht und musste sich auf Hektors Ortskenntnis verlassen. Ihr gefiel nicht, was sie über die Vorkommnisse in der unbekannten Stadt gehört hatte. Tilla wollte Hektor nicht wegen einer ansteckenden Krankheit verlieren! Nein, sie wollte mit ihm alt werden! Mit verliebtem Blick erwiderte sie seinen Blick und schüttelte den Kopf. Müde? Nö! gab sie ihm knapp zu verstehen und hielt nichts davon Pause zu machen. Wenn sie schon gemeinsam unterwegs sein durften, dann sollten sie ebenso den Umstand der gemeinsamen Vorliebe 'Reiten' ausnutzen. Lass uns weiterreiten... schlug sie stumm flüsternd vor. Wenn sie seine Gedanken lesen könnte, dann würde sie ihm sagen, dass er ihr noch nicht Bescheid gesagt hatte, wie er ihre kurzen Haare fand.


    Sie setzte gerade dazu an Luna neben Pegasus Seite zu treiben, als er sie auf das lilafarbene Feld aufmerksam machte. Genau so ein Feld war es, wovon sie geträumt hatte. Verdutzt rieb sie sich die Augen. Nein, das durfte doch nicht wahr sein! Es gab tatsächlich solche Felder! Hektor sprach und preschte davon. Tilla hielt Luna zurück, um ihrem Liebsten beim Galoppieren zuzusehen und den Anblick in sich aufzunehmen und nie wieder zu vergessen. Erst dann gab sie der tänzelnden Stute die Zügel frei und liess sich von Lunas Galopp über die lilafarbigen Pflanzen tragen. Tilla bückte sich tief über Lunas Hals, krallte ihre Hände in die wehende Mähne und drückte der Stute ihre Fersen in die Flanken. Da sie nicht sprechen konnte, konnte sie Hektor nichts zu rufen. Es war ein unbeschreibliches Glücksgefühl, den Traum in echt zu durchleben! Noch war Pegasus das schnellere Pferd und der anvisierte Baum weit weg. Die junge Sklavin konnte nicht aufhören zu lächeln und vor allem zu geniessen. Stute Luna schien ebenso zu geniessen und strengte sich langsam aber sicher an ihren vierbeinigen Gefährten einzuholen. Sprung für Sprung kamen sie näher und näher an Pegasus Hinterteil. Aus Tillas Sicht erreichten die Pferde beinahe gleichzeitig den Baum. Oder war Pegasus einen Tick schneller gewesen? Tilla zwang Luna in den Trab und drehte mit breitem glückseligen Grinsen im Gesicht um. Meinen Glückwunsch, du warst erster.. Sag an.. wie lautet dein Wunsch?!? fragte sie atemlos die Liebe ihres Lebens.

    Unter der Bezeichnung, was sie in seinen Augen war, zuckte sie innerlich zusammen. Nun, sie war seit ihrer Geburt schon Sklavin und hatte zwischendrin ein paar Jahre als fingerflinke Diebin auf der Straße verbracht, bis sie wieder eingefangen worden war. Mit sichtlicher Verwunderung beobachtete Tilla, wie sich die drei Sklaven zu Statuen verwandelten. War dieses Verhalten in seinen Gemächern so üblich? Oder hatte er einen Befehl gegeben, den sie nicht mitbekommen hatte? Darüber rätselnd trat sie nach ihm ein und blieb wenige Schritte später stehen.


    Immer noch zierte echte Verwunderung ihre Miene, während sie die stummen und stocksteif stehenden Sklaven betrachtete. Weil sie so oft bei Prisca war und ihr diente, hatte sie sich noch nicht näher mit der hiesigen Sklavengemeinschaft beschäftigen können. Zum Beispiel damit, wie man sich bei den Flaviern verhielt und ob es Unterschiede zu den aurelischen Sklaven gab. Vor Jahren hatte sie einmal Flavia Celerina (Die Götter mögen sie selig haben!) besucht, diese hatte sich mit stummen Sklaven umgeben. Damals war Tilla ganz aus dem Häuschen gewesen: darüber auf andere stumme Sklaven zu treffen und zu sehen, dass ihre Behinderung nicht einzigartig war.


    Durch seine Stimme aus den Überlegungen und Gedanken gerissen nickte sie zu seinem Vorschlag und schenkte ihm ein unschuldiges unbefangenes Lächeln. Mit allem was mit Ägypten, der dortigen Mode und Schmuck zu tun hatte, konnte er Prisca eher für sich gewinnen. Nur warum sollte sie ihm das verraten? Er würde sie ja gleich persönlich kennenlernen.

    Der wievielte Korb war das, den sie ihrer Herrin zuliebe mit zu den Kämpfen schleppte?? Sie schätzte, dass es nur wenige Körbe gegeben hatte, da sie nach wie vor diese blutigen Spiele nicht mochte und sich liebend gerne davor drückte. Stumm stand Tilla hinter ihrer Herrin, die sich mit ihrer Bekannten unterhielt. Das Opfer begann. Prisca zog es deswegen asbald zu den Logen. Die stumme Sklavin hatte vom dahin hinführenden Weg keine Ahnung und war froh, dass weitere Sklaven sie begleiteten und vor den übrigen Besuchern beschützten. Hektor war bestimmt ganz vorne und schob alle im Weg stehenden Personen beiseite, um Platz für die nachfolgende Gruppe zu machen. Tilla wusste nicht, wie Prisca sich nun wegen Hektor entschieden hatte. Ob er weiterhin in den Ställen zu bleiben oder auf außerhäusliche Gänge begleiten sollte? Sie wollte mit der Herrin darüber reden. Die Männer schwenkten an den linken Rand des Ganges und blieben stehen. Denn es ging nicht weiter, der nächste Durchgang war verstopft von stehengeblieben Zuschauern, die das Opfer verfolgten. Tilla berührte die Schulter ihrer Herrin und zeigte an, dass man nach innen auf den Sandplatz schauen konnte. Die Spiele werden von Tiberius Aurelius Avianus geleitet! stellte Tilla flüsternd fest. Das Opfer war schnell vollzogen und die Gladiatoren begannen zu kämpfen. Immer noch konnten sie nicht weitergehen, da die Menschen offenbar beschlossen hatten, den Durchgang vor ihnen weiterhin zu verstopfen. Oder es war auf der anderen Seite etwas passiert, weswegen sie sich hier stauten. War das die Gelegenheit, um mit der Herrin zu reden? Hm, besser nicht, diese wollte wohl die Logen erreichen. Umkehren und eine Treppe höher steigen, domina? fragte ein Sklave bei Prisca um Erlaubnis an.

    Achso. erwiderte Tilla und musste unwillkürlich grinsen, als der Flavier meinte, er wolle sich trotzdem einkleiden. Eitelkeit hin oder her, ein bisschen davon gab es immer. Bene. gab sie zu verstehen, dass sie ihn verstanden hatte und nickte eifrig. Si. Klar kannte sie den Weg zu den Gemächern des anderen Geschlechts und führte ihn eben dahin. Tilla blieb vor der offenstehenden Tür stehen und sah, dass in seinem Zimmer genau drei Sklaven rumwuselten. Sie waren ganz klar mit Aufräumen beschäftigt. Ratlos, ob sie eintreten oder vor der Tür warten sollte, sah sie Flaccus erwartungsvoll an. Er wusste was in dieser Situation zu tun und zu entscheiden war.

    *dideldididudiadidumdudida* Tilla summte die feinen Melodien der Flötenspieler im Kopf mit und bedauerte es einmal mehr, dass sie dieses Instrument immer noch nicht so gut genug beherrschte, um die Herrin damit zu erfreuen. Aus Respekt vor der massigen Kuh, die ihr gewaltig groß erschien und trotzdem brav wie ein Lamm war, ging Tilla hinter Prisca und trug derweil die Opfergaben in einem großen Weidenkorb. Sie konnte die flatternden bunten Bänder des Hörnerkranzes gut beobachten.


    Dann erreichten sie den Tempel. Tillas letzte Begegnung mit Tempeln und Göttern war nicht gerade nett ausgefallen. Von daher sah sie dem Aufsuchen und dem darauffolgenden Opfer skeptisch entgegen. Sie legte die Opfergaben beiseite, wusch sich Hände sowie Füße und wollte ihren Zopf öffnen. Doch die stoppelige Kurzhaarfrisur errinnerte sie daran, dass sie wegen Aurelia Flora keine langen Haare mehr trug. Rasch liess sie die Hand sinken und eilte dem Platz entgegen, der ihr vorab zugewiesen worden war.


    Geduldig wartete sie auf die Rückkehr ihrer Herrin und tat was sie tun musste. Sie hatte es sich erklären lassen müssen und erkannt wie wenig sie über diesen Teil im Alltag ihrer Herrin wusste. Tilla wusste nun ganz genau, weshalb sie hier waren: ihre Herrin betete darum, ein Kind von ihrem Mann zu bekommen. Die stumme Sklavin selber wollte kein Kind haben. Sie fühlte sich nicht reif genug und tat was sie konnte, um eine Schwangerschaft zu vermeiden. Der Weihrauch breitete sich aus. Die Gaben wurden von Prisca verteilt. Die Statue der Iuno betrachtend, bevor sie den Kopf senkte, wartete Tilla auf den nächsten Teil. Sie spitzte ihre Ohren sobald Prisca zu flüstern begann, konnte jedoch kaum etwas verstehen. Das Flüstern verstummte.


    Mit leeren Weidenkorb verliess Tilla hinter Prisca den Tempel und hielt sich in direkter Nähe von ihrer Herrin auf. Die massige Kuh würde gleich durch die Hand des Priesters sterben. Die Sklavin würde nicht hinschauen können, da sie den Anblick von Blut seit der brutalen Bestrafung, dass hiess der Wegnahme ihrer Stimme, nicht ertragen konnte. Den Korb fest im Griff wartete die stumme Sklavin auf den schaurigen Moment und hoffte darauf, dass ihre Knie nicht weich werden würden. Womit konnte sie sich ablenken? Am besten mit dem Gedanken, dass die Opferung der Kuh samt Organlesung klappte und dadurch die Wünsche ihrer Herrin erfüllt wurden.

    Er war ganz klar dafür ihre Herrin zu sehen und kennenzulernen. Mit Erstaunen erfuhr sie, dass er sie nicht näher kannte. Nanunana? Tilla schob diesen Umstand fürs erste auf die imposante Größe des flavischen Hauses. Sie erhob sich nach seinem Zeichen und wollte diensteifrig losgehen, den jungen Flavier wie verlangt zu ihrer Herrin bringen. Die stumme Sklavin hielt abrupt inne, weil ihr etwas aufgefallen war, was sie nicht bedacht hatte. Ehm.. entschuldige bitte meine plötzliche Frage, Herr. Möchtest du Aurelii Prisca ohne dass du deine Toga trägst sehen? Tilla trug ihre Tafel und seine Toga schliesslich in ihren Armen. Sollen wir vorher bei deinem Zimmer vorbeigehen zum neu ankleiden?? sprach sie ihrer Meinung nach darauffolgenden logischen Gedankengang aus und hoffte ihn vor einer Peinlichkeit gerettet zu haben. Was gedenkst du zu tun??

    Sein Lachen war freundlich. Tilla spürte, dass er sich nicht über sie lustig machte. Ihm gefiel, was er sah. Der Flavier verstand die spontan dargebotene Pantomime. Eben letzteres war ihr wichtig gewesen und genau deshalb atmete Tilla erleichtert auf. Wenn sie irgendwann Gelegenheit hätte ein Pantomimenspiel zu sehen, sie würde Feuer und Flamme sein und von den Pantomimen-Schauspielern dessen Bewegungen abschauen. Ihm gefiel die erste Idee, nämlich das Toga waschen. Tilla nickte und nahm die gefaltete Toga sogleich an sich. Ihre zweite Idee lehnte er ab. Auch gut, dann blieben die Münzen in ihrem Beutel für andere Dinge, die sie irgendnwann einmal brauchen würde. Er fragte nach Prisca, ob die Herrin Tilla entbehren konnte. Tilla setzte eine fragende Miene auf und erhielt zugleich die Tafel wieder. Das war gut.


    Ich muss die Herrin um Erlaubnis fragen. Das kann ich sogleich machen. Oder ich bringe dich zu ihr?! Habt ihr euch noch nicht oder schon mal einander bekannt gemacht? Sie ist um diese Zeit, ehm.., entweder auf ihrem Zimmer oder im Garten. Oder sie wandelt in den Gängen und sieht sich die unzähligen Mosaike an. Ihr habt total viele davon! Sie sagt, es macht ihr große Freude sie anzuschauen. erwiderte sie flüsternd und wartete auf das Zeichen, dass sie sich erheben und handeln durfte. Das mit den Mosaiken stimmte, die Herrin von den bunten Steinchen wegzulotsen war nicht einfach. Tilla würde ohne wenn und aber seinen Wünschen gehorchen, er war auch ziemlich fesch. Die junge Sklavin bemerkte, dass sie Flaccus insgeheim mit ihrem Schatz Hektor zu vergleichen begann... ohjemine. Wusste der Flavier schon von der munter sprießenden Liebschaft? Wenn du was anderes vorhast.. ich bringe dich dann ein anderes Mal zu ihr.

    Diesmal behielt er die Tafel. Seine nächste Frage überraschte sie, deshalb sah sie auf und wagte einen kurzen Blickkontakt mit seinen schönen Augen. Tilla sah rasch weg und schaute auf die verstreuten Lagen seiner Toga. Tja, wie machte sie dieses Missgeschick wieder gut? Sie überlegte und stand auf, kurz darauf begann sie seine Toga zusammenzulegen und kehrte mit einem ordentlich gefalteten Rechteck zurück. Da er ihre Tafel immer noch bei sich hatte, blieb ihr somit übrig mit Gesten und Mimik ihre spontane Idee zu demonstrieren. Tilla 'malte' einen Waschzuber in die Luft, 'legte' das Rechteck hinein und tat letztendlich so, als ob sie es waschen würde. Die Toga als nasses Kleidungsstück handhabend, hängte sie diese auf eine in die Luft gemalte Leine auf.


    Wie man einen Mann ankleidete, wusste sie nicht, da sie bisher nur mit Frauenkleidern zu tun hatte. Während die Stoffbahnen imaginär in der Luft trockneten, zeichnete Tilla eine große Schale auf den Boden und packte allerlei Obst und Nüsse hinein und reichte dem Flavier die unsichtbare Schale. Tilla versuchte es zu guter Letzt nun mit stimmlosem Flüstern. Obst und Nüsse werde ich für dich alleine besorgen von meinen gesparten Münzen. Sage mir, von wo du sie immer besorgen lässt. Ich gehe hin und kaufe ein. Sie zögerte, ob der neuen Idee, die sie erdachte und fuhr flüsternd sowie langsam sprechend fort. Oder du bestimmst über mich, dass ich dich begleiten soll. Weil du wolltest offensichtlich außer Haus gehen.

    Mit einer kurzen Bewegung, begleitet von einem kurzen Aufschauen, nahm sie die Schreibtafel wieder an sich und presste diese an ihre Brust. Während sie auf seine Worte und Reaktion wartete, blickte sie konsequent auf ihre Zehen nieder. Immer noch war niemand Unbeteiligter vorbei gekommen und hatte sich dazu gesellt. Die flavische Villa musste riesig sein, wenn mann/frau sich derart aus dem Weg gehen konnte oder wie in ihrem Fall rein zufällig übereinander stolperte. Er sagte ihren Namen. Ein kurzes heftiges Kopfschütteln ihrerseits beantwortete seine darauffolgende Frage. Sie sah nicht auf, wischte die Tafel sauber und begann wieder in ihrer schönsten Schrift zu schreiben. Ich bin keineswegs ohne Stimme auf die Welt gekommen. Von Geburt an war ich Sklavin. Meine Stimme wurde mir durch Bestrafung weggenommen. Irgendwann wurde ich verkauft und gelangte auf Umwegen zu Aurelia Prisca. Bei ihr bemühe ich mich sehr. Bitte entschuldige den Zwischenfall, Herr, es wird nicht wieder passieren. Wieder reichte sie ihm die Tafel und sah zu Boden.

    Nach vorne gebeugt, die Arme angewinkelt und den Kopf auf die Arme gebettet, saß Tilla auf einem Dreibein-Schemel am kleinen Tischchen, der nun in ihrer Kammer bei Priscas Zimmer stand. Die Tischplatte war mit allerlei Schriftgut überhäuft, welche Hektor zum gemeinsamen Studieren mitgebracht hatte. An seiner Seite paukte sie die Feinheiten einer majordomus-Stelle und lernte außerdem die Finanzen des Landgutes in Ostia kennen. An letzteren gab es nichts zu bemängeln. Nur die nicht enden wollenden Zahlenkolonnen allerdings machten Tilla zu schaffen und brachten ihren Kopf zum rauchen. Sie hatte schon festgestellt, dass mit Zahlen jonglieren wesentlich schwerer war als Briefe zu schreiben.


    Hektor war schon fort, zurück in den Stall, um nach den Vierbeinern zu sehen. Draußen regnete es wieder einmal, die schweren Tropfen klatschten nur so an den straff gespannten Vorhang. Stumm seufzend wendete Tilla den Kopf und starrte zur Tür. Wegen dem anhaltenden schlechten Wetter konnten sie noch nicht fort. Noch nicht über lavendelgesäumte Felder reiten. Ein dunkler vierbeiniger Schatten schob sich durch den Türspalt und nahm Kurs auf Tillas Pritsche. Mit mehreren Drehungen tretelte Saba die Decke zurecht und liess sich mit einem zufriedenen Maunzen nieder. Tilla grinste die Katze an und belächelte das offenherzige Gähnen der stolzen Katze, die damit ihr prächtiges Gebiß präsentierte. Diese Nacht gab es demnach keine tote und nasse Maus zu entsorgen.


    Der Blick der stummen Sklavin wanderte weiter und landete auf der hölzernen Truhe, welche ihre Habseligkeiten beherbergte. Aus einem Impuls heraus erhob sich Tilla und hockte sich vor die Truhe. Ihre schlanken Finger fanden als allererstes ein fein besticktes Taschentuch. Es war kein gewöhnliches Taschentuch, außerdem barg es viele Erinnerungen. Tilla knüllte es zusammen und sog den Duft mit der Nase sowie zeitgleich geschlossenen Augen ein. Prompt errinnerte sie sich an Appius Aurelius Cotta, Sohn des Decimus Aurelius Galerianus und der Aurelia Camilla sowie dessen Sklaven Maron. Letzterer war längst verstorben. Die Sklavin wusste seit mehreren Tagen über seinen Tod Bescheid. Sie hätte Maron so gerne noch einmal wieder gesehen, aber dies war nicht möglich gewesen, da sie selber sich noch im fernen Ägypten befunden hatte, während er sich in Sizilien befand.


    Tilla hielt die Tränen nicht zurück, die aus ihren Augen rollten und liess die aufsteigende Trauer zu. Es war besser, Tränen und damit verbundene Gefühle zuzulassen als niemals zu weinen und Gefühle zu unterdrücken, hatte Hektor gesagt. Abermals erhob sich Tilla und setzte sich zu Saba auf die Decke. Die Anwesenheit der Katze war mehr als beruhigend und tröstete Tilla damit nicht alleine zu sein, während sie still weinte und zuletzt kräftig ins Taschentuch schneuzte. Hoffentlich hatte sie niemanden geweckt... ihre Beine kribbelten. Tilla hielt es nicht mehr auf der Pritsche neben der inzwischen fest schlafenden Katze aus und ging zur angelehnten Tür, um von dort auf den Flur zu spähen. War noch jemand wach? Das nassgeweinte Taschentuch hielt sie immer noch in ihrer geballten Faust fest.


    Es war nicht weit zu Priscas Kammer, jedoch hatte sie keine Lust die Herrin zu stören. Es konnte ja sein, dass sie bei ihrem Mann war oder der Mann bei ihr. Der Gang war schwach beleuchtet. Hier, nicht weit von diesem Ort hatte Flavia Celerina geschlafen, bevor sie als verheiratete Frau zum Hausherrn gezogen war. Beide waren verstorben und beerdigt worden. Weitere Angehörige der aurelischen Gens waren gestorben. Narcissa war auch tot. Die Katze strich um ihre Beine herum und maunzte leise. Schhhtt... flüsterte Tilla leise und begab sich auf den Gang hinaus. Komm, lass uns ein Glas Milch trinken gehen. Mit hocherhobenen Schwanz stolzierte die Katze voran, drehte sich an der nächsten Ecke nach Tilla um. Ich komme..

    Liebe Aurelia Prisca,
    euer Postfach ist voll...
    Besen und Kehrbleche sind verschwunden..
    sollten nicht neulich neue Feger eingekauft werden? *zwinker*
    LG Tilla

    Nanu.. wie seltsam. Ihre kurze Abwesenheit und die Bemühungen um die Kline herum schienen seine Desorientiertheit verringert zu haben. Sie zog sofort ihre Hand von seiner Wange fort, als er seinen Kopf alleine bewegte. Tilla sah mit sichtlich erstaunter Miene zu, wie er sich bewegte und zu guter letzt auf die Kline setzte. Mit spontaner Unterstützung half sie ihm dabei ein bisschen und blieb unten auf dem Boden hocken. Die junge Sklavin wusste ganz genau, dass sie niedriger zu sitzen hatte als die aurelischen und flavischen Herren und Herrinnen sowie deren Freunde und Gäste.


    Endlich sprach der junge Mann und stellte gleich unangenehme Fragen. Tilla wollte nicht riskieren, dass er wütend wurde, weil sie nur flüstern konnte und zückte ihre Schreibtafel. Ja, das war ich. Mein Senkel war offen und ich hockte zum neu zubinden nieder. Du kamst in Eile rasant um die Ecke gebogen. Ich konnte nicht ausweichen. Du bist über mich gefallen. Du wusstest nicht was los war. Ich versuchte zu helfen. Ich bin Tilla, Aurelii Priscas Leibsklavin. Es tut mir wirklich leid, Herr. schrieb Tilla in ihrer schönsten Schrift und gab die Tafel zum Lesen an Flaccus weiter. Mit gesenktem Kopf wartet sie auf seine Reaktion, blickte auf ihre nackten still haltenden Zehen nieder.