Argwöhnisch folgte Chimerion seiner neuen Herrin, die ihn in ihr Cubiculum führte. Hier war es ein wenig kühler als draußen, die Vorhänge waren zugezogen worden und ließen nur difuses Licht einfallen. Er hoffte, dass die Leibsklavin von Celerina nicht dablieb, aber sie schloss sofort wieder die Türe und stand wartend an der Türe.
Während sich die Herrin auf einen Stapel mit Kissen legte, schaute sich Chimerion um. Die Wände waren prächtig geschmückt, es roch nach Gewürzen, die Chimerion nicht kannte. Und diese komische Katze lief schon wieder herum... Wie konnte man so ein Tier nur in einem einzigen Raum behalten?
Und nun wollte sie auch noch unterhalten werden? Wie erniedrigend, beim Wort "vollführen" musste Chimerion an einen Zwerg denken, der einmal auf einem Sklavenmarkt in Germanien Kunststücke vollführt hatte, sehr zur Belustigung der Zuschauer. So weit war es also mit ihm gekommen. Er überlegte einen Augenblick, womit er die Herrin beglücken könnte. Sein Blick blieb wieder auf ihrer weißen Haut hängen, einen Moment betrachtete er sie fasziniert. Dann riss er sich zusammen und begann zu reden.
"In meinem Land erzählt man sich die Geschichte des Orpheus, eines thrakischen Königssohns. Er war der Sohn der großen Erdenmutter und besaß eine so liebliche Stimme, dass die Bäume und Steine weinten, wenn sie ihm zuhörten. Die wilden Tiere des thrakischen Landes, Bären und Wölfe, kamen zu ihm hingelaufen, um zu seinen Füßen seinem Gesang zu lauschen.
Sogar das wilde Meer hörte auf zu brüllen, als er mit den Argonauten zog, um das goldene Vlies zu suchen.
Seine Geliebte war eine schöne Waldnymphe namens Eurydike, die er über alles liebte. Er liebte sie sogar so sehr, dass er nach ihrem Tod an einem Schlangenbiss in die Unterwelt hinabstieg, um sie zurückzuholen. Er bezwang den Höllenhund Cerberus allein mit seinem Gesang und seine Stimme erweichte schließlich Hades´Herz, der ihm seine Eurydike zurückgab.
Aber er stellte eine Bedingung: Orpheus musste vorausgehen und durfte sich nicht nach ihr umsehen, bis sie die Unterwelt verlassen hatten... Sie liefen und liefen, aber Orpheus hatte Angst, seine Geliebte könnte ihm nicht folgen und drehte sich um. So entschwand Eurydike für immer in die Unterwelt.
Zu Tode betrübt kehrte Orpheus in die Oberwelt zurück und fristete ein trostloses Leben. Man sagt, er habe der Liebe zu Frauen abgesagt, einige behaupteten sogar, er wäre der Knabeliebe verfallen. Aus diesem Grund wurde er von den berauschten Mänaden in Stücke gerissen. In der Unterwelt war er dann wieder mit seiner Geliebten vereint.....
So die Legende. Aber ihr Römer kennt diese Geschichte wohl auch?"
Er blickte fragend auf seine Herrin hinab, ob ihr die Geschichte wohl gefallen hatte.