Beiträge von Chimerion

    Der Blick dieser reichen Römerin brannte sich förmlich in Chimerions Haut ein, andererseits fühlte er sich noch immer wie ein Stück Fleisch.
    Mit säuselnder Stimme wiederholte sie seinen Namen und betrachtete ihn weiter.


    Als die Aufforderung zum Ablegen der Tunika kam, zögerte er einen Moment und hob seinen Blick, um ihr genau in die Augen zu schauen. Für eine kleine Zeitspanne flackerte die Wut in ihm wieder auf, die Wut auf die verhassten Römer, die sein ganzes Leben bestimmt hatten. Und nun musste er als Erniedrigung über sich ergehen lassen, sich auf Befehl einer Frau ausziehen zu müssen. Er war zwar nicht schamhaft, hatten die Sklavinnen seines ersten Besitzers oft hinter seinem Rücken getuschelt und gekichert.
    Doch so schnell der Zorn gekommen war, so schnell verflog er und machte kalter Berechnung Platz.


    Er zog sich die Tunika über Kopf und ließ sie zu Boden gleiten. Nur mit seinem Subligaculum, dem kurzen Lendenschurz bekleidet stand er vor ihr und ließ seine Muskeln hervortreten. Wenn sie seinen Rücken ansah, würde sie verheilte Striemen sehen.


    "Ich war der Sklave eines Peregrinus, der mich auf dem Sklavenmarkt erstand, davor der Leibwächter eines Centurio. Da ein Soldat keine Sklaven haben darf, sollte ich nach Hispanian in eine Gladiatorenschule. Aber ich floh...
    Man fing mich wieder ein und mein Herr Cupidus schickte mich nach Rom zu Duccia Clara."

    Dieser Ort gefiel Chimerion überhaupt nicht. Es roch förmlich nach Sklaven. Sklaven die die Pflanzen versorgten, die Böden auf den Knien schrubbten, den Herrschaften den Hintern nachtrugen und als Lohn froh waren, nicht die Peitsche zu spüren.


    Und dann kam die Hochnäsigkeit in Person in das Atrium. Zugegeben, für eine Römerin sah sie nicht schlecht aus, dachte Chimerion. Ihre Haut war weiß, die Augen funkelten... Mit einem Ruck riss sich Chimerion von dem Anblick los und sein Blick senkte sich zu Boden und würde düster. Die Große Lupa war gekommen, um ihn auf die Probe zu stellen.... Der Succubus, dem er dienen musste.


    Er spürte förmlich ihre Augen über seinen Körper wandern. Sie betrachtete ihn wie ein Stück Fleisch, einen Teppich vielleicht, den man irgendwo hinhängt, um seine Gäste zu beeindrucken.
    Als sie ihn ansprach hielt er die Augen gesenkt. Er antwortete kurz: "Mein Name ist Chimerion"

    Mit aufmerksamen Augen musterte Chimerion die Umgebung. Das Atrium war prachtig gestaltet, die hier lebende Familie musste sehr reich sein, dachte er für sich.


    Den Ausgang hatte er immer im Blick, um vielleicht davonlaufen zu können, wenn sich eine Gelegenheit bot.
    Doch vorerst wollte er die neue Herrin sehen.

    Es war Chimerion unmöglich gewesen, sich den Weg zu merken. Die vielen Menschen, der Lärm und der Gestank waren zum Teil schlimm gewesen. Nun stand er mit seinen beiden Begleiterinnen vor einer herrschaftlichen Villa. Was sollte er hier nur?

    Chimerion war die ganze Nacht über auf seinem Bett gesessen und hatte über die vergangenen Wochen nachgedacht. Seine Reise mit dem Sklavenhändler, die Begegnung mit dieser Clara und nun der neue Haushalt, in den man ihn gesteckt hatte.


    Nun rief ihn die Skalvin, die ihn ins Balneum gebracht hatte. Sicher gab es Arbeit zu erledigen.
    "Ja, was gibt es?", fragte er in Richtung der Türe.

    Ein wenig verlegen schüttelte Chimerion den Kopf.
    "Nein, Herrin, aber ich bin nicht hungrig, der Sklavenhändler hat mit heute schon etwas zu essen gegeben."


    Dann zögerte er noch einen Moment und nahm seinen Mut zusammen.
    "Cupidus sendet dir die besten Grüße, er hat gehofft, bald persönlich nach Rom kommen zu können, aber es herrschte Aufruhr in Confluentes, als ich aufbrach.
    Der Herr wollte mich eigentlich freilassen, aber er hat ja kein Bürgerrecht. Er hofft, dass ich vielleicht in Rom an einen guten Herrn komme.... Und er vermisst dich, Herrin."

    Die junge Sklavin sprach ein sehr schlechtes Latein, aber aus ihren Worten hörte Chimerion tiefe Trauer heraus und so etwas wie Mitleid regte sich ihn ihm.
    Die Sklavin war recht hübsch und der traurige Ausdruck wollte garnicht recht zu ihr passen.
    Er zögerte einen Moment, bevor er sprach. "Auch wurde von den Römern gefangen genommen, als kleiner Junge in Dakien... Meine Familie habe ich nie wieder gesehen. Aber ich wollte sie suchen und ich konnte aus Spanien fliehen. Ich kam bis nach Gallien."


    Dann strich er sich die Tunika noch einmal zurecht und fragte: "Wir müssen zu deiner Herrin, oder?"

    Chimerion nickte. "Ja, ich bin fertig", meinte er.


    Dann nahm er eine der drei Tuniken, aber als er sie über den Kopf ziehen wollte, stellte er fest, dass sie doch ein wenig eng um die Brust war. Die zweite passte mehr oder weniger. Zumindest war seine Kleidung sauber und roch nicht mehr nach Schweiß.


    Dann streifte er sich die Sandalen an die Füße. Die Frage von Fhionn verwirrte ihn ein wenig.


    "Mein Herr hat mich an Duccia Clara verschenkt... Er hatte keine Verwendung mehr für mich. Und wie kommst du hierher?"
    War die Sklavin neugierig? Oder konnte sie ihm vielleicht helfen, aus dieser verdammten Stadt herauszukommen?

    Chimerion nickte, murmelte ein kurzes "Ja" und machte sich daran, in die Wanne zu steigen. Das Wasser war ein bisschen zu heiß, aber Chimerion fühlte sich ein wenig beobachtet von Fhionn und ließ sich schnell in die Wanne gleiten.


    Einen Moment lang war es sehr heiß, aber gleich darauf war die Temperatur angenehm. Chimerion entspannte sich langsam, das Wasser lockerte seine verspannten Muskeln und er wurde schläfrig.
    Er dachte an seine Flucht aus Spanien und wie er dem Freund von Cupidus entkommen war. Unglücklicherweise war seine Flucht in Gallien zu Ende und er wurde wieder eingefangen. Nun war er also in Rom gelandet, bei dieser Clara, von der Cupidus manchmal erzählt hatte.


    Beim Gedanken an sie fiel ihm ein, dass er ja noch zu ihr ins Atrium musste.
    Er griff nach der Seife und machte sich an die Arbeit. Das bräunliche Wasser zeugte von seinem Erfolg und als er aus der Wanne herausstieg, war er wieder sauber und roch auch nicht einmal übel.
    Schnell trocknete er sich ab, als er bemerkte, dass er ja noch garkeine neuen Kleider hatte.


    Es half alles nichts. "FHIIIOONNN"

    Chimerion folgte der Sklavin, die anscheinend nicht richtig sprechen konnte. Er überlegte, wo sie wohl herkam, konnte ihr Aussehen aber keinem Volk zuordnen, das er kannte.


    Als sie das Bad verließ, um anscheinend heißes Wasser zu holen, zögerte Chimerion ein wenig. Er sah an sich hinunter. Schmutzig und verschwitzt, wie er nach der langen Reise im Wagen war, konnte er der neuen Herrin wirklich nicht unter die Augen treten. Er war weniger geschlagen worden, als er gedacht hatte. Cupidus, sein letzter Herr, hatte wohl entsprechendes veranlasst.


    Also machte sich Chimerion an dem zu schaffen, was einmal eine grobe Tunika gewesen war. Verdreckt und übelriechen, zog er sich das Kleidungsstück über den Kopf und wartete ein wenig verschämt auf die Ankunft von Fhionn.

    Chimerion blickte seiner neuen Herrin in die Augen und nickte.
    "Ja Herrin, ich haben dich verstanden", antwortete er ihr.


    Dann folgte er der gerade erschienenen Sklavin ins Balneum.

    Chimerion hob scheu den Blick, als ihn die hübsche Frau ansprach.
    Erst jetzt verstand er seinen Herrn, der so viel von dieser Frau erzählt hatte.


    Mit leichtem Akzent antwortete er: "Mein Name ist Chimerion, Herrin. Natürlich verstehe ich eure Sprache, Herrin."

    Im Gehen murmelte Gaius nur "Chimerion".


    Dann verließ er das Atrium so schnell wie möglich. Nur weil Cupidus seinen Rücken vor einer Auspeitschung gerettet hatte, war Gaius bereit gewesen, den Transport dieses Sklaven auf seine Kosten durchzuführen.
    Wieder nichts verdient, dachte er noch bei sich.

    Cupidus schien irgendetwas vor Gaius versteckt zu haben, vielleicht hätte er die Schriftrolle doch lesen sollen....
    Natürlich wusste er nicht, dass Cupidus schon lange gemerkt hatte, was er für ein Schlitzohr war und hatte ihm alle Strafen angedroht, würde er den Brief für Clara öffnen.


    Mit einer leichten unterwürfigen Verbeugung antwortete er Clara:
    "Er wird draußen gerade ausgeladen. Ein großer Kerl...." Irgendwie fühlte er sich nicht willkommen.
    "Wenn du erlaubst, ich habe noch Geschäfte zu tätigen", meinte er dann noch schnell und machte sich auf den Weg zum Ausgang.

    Liebste Clara.



    Viele Wochen sind nun schon vergangen, seit ich das letzte Mal Nachricht von dir bekommen habe. Noch weiter zurück liegt der Tag, an welchem du Germanien verlassen hast. Mir scheint, als hättest du ein Stück meines Herzens mitgenommen, denn seit du nicht mehr bei mir bist, fühlt sich vieles so leer und trostlos an.


    Seit deinem Fortgehen hat sich vieles ereignet. Der Winter bei uns war kalt und hart, die Ernte im letzten Herbst war wieder einmal so schlecht wie schon lange nicht mehr. Viele Menschen sind verhungert oder haben versucht, ihre Heimat zu verlassen und bei Verwandten unterzukommen. Und eine dritte Gruppe hat sich entschieden, ehrbare Bürger zu überfallen, zu rauben und zu brandschatzen.
    Nun naht der Frühling und ich habe meine erste Schlacht hinter mir. Wir mussten die Banditen, die sich in der Gegend um Borbetomagus herumgetrieben und viele Unschuldige getötet haben, endgültig vernichten....
    Ich habe meinen ersten Menschen getötet und es war nicht der letzte an diesem blutigen Tag. Seit diesem Tag hatte ich oft Albträume von toten Banditen und sterbenden Kameraden, denn auch wir haben Verluste erlitten und der eine oder andere Freund war dabei, der nun nie wieder mit einem reiten wird.


    Ich hoffe, mit ihrem Blut haben sie dazu beigetragen, die Menschen um Borbetomagus zu schützen und vielleicht haben wir ja mit dem Tod von 15 Mann 100 anderen das Leben gerettet....
    Zumindest hoffe ich das....


    Wenn du diesen Brief erhälst, werde ich hoffentlich wieder im Lager sein und wieder meinem gewohnten Tagesablauf nachgehen. Oft habe ich die Götter angefleht, sie mögen ihre schützenden Hände über dich halten und dir Gesundheit geben.
    Ich hoffe, dass es dir wieder besser geht und muss immer wieder an jene unvergessliche Nacht denken, in der sich unser beider Leben verändert hat....


    Liebste, ich bitte dich mit diesem Brief auch noch um einen Gefallen. Der Sklavenhändler Artorius ist ein Gauner, aber ein ehrlicher. Er hat von mir den Auftrag erhalten, meinen Sklaven Chimerion bei dir abzuliefern, mit der Bitte, dass du ihn bitte weiterverkaufst. Das Geld behalte bitte du, hier in Germanien nützt es mir nicht viel.
    Sollte ich einmal fallen, wäre es mein Wunsch, einen Weihestein zu bekommen...


    Aber soweit will ich nicht denken. Ich hoffe jeden Tag, dass ich die Gelegenheit bekomme, dich in Rom zu besuchen. Meine Beförderung zum Decurio rückt in greifbare Nähe, denn wir haben jetzt wieder zu wenige Offiziere in unserer Einheit. Vielleicht ist es mir vergönnt, ein paar Wochen Urlaub zu bekommen oder Botengänge für den Präfekten in Rom zu machen.


    Ich würde mich sehr freuen, wieder etwas von dir zu hören, mein Herz verzehrt sich nach deiner schönen Handschrift und nach dir, meine Göttin.



    Vale bene.
    Cupidus

    Gaius Artorius verbeugte sich leicht und zeigte sein strahlendstes Lächeln, das eine Reihe gelblicher Zähne aufblitzen ließ.


    "Mein Name ist Gaius Artorius Macer, von Beruf Sklavenhändler. Ein alter Freund, Justinianus Cupidus schickt mich, um dir seinen Sklaven zu bringen.
    Alles weitere steht in diesem Brief, den er mir für dich mitgab".


    Er reichte ihr eine versiegelte Schriftrolle
    "Wo soll ich den Sklaven hinbringen?", fragte er grinsend, als sie das Schriftstück an sich genommen hatte.

    Der Sklavenhändler Gaius Artorius nickte zufrieden, als in der Junge ins Atrium führte. Hoffentlich konnte er seinen Weg bald fortsetzen.
    Während er wartete, kaute er wie üblich auf seinen Fingernägeln herum. Schließlich griff er in seinen Reisemantel und zog einen Brief hervor, den er mit der Ware abliefern sollte.
    Wie gerne er ihn geöffnet hätte, aber Cupidus hatte ihm unter Androhung sämtlicher Strafen verboten, den Brief zu öffnen.


    So wartete er in Gedanken versunken auf Duccia Clara.