Beiträge von Straton

    Kurz hob der Grieche eine Augenbraue, als eine neue Spielfigur das Spielbrett des flavischen Haushalts in dieser Angelegenheit betrat, die er bisher nicht unbedingt mit eingerechnet hatte - aber gut, man konnte Annahmen auch nachträglich korrigieren, und so kam Lucanus wieder auf die Liste der Mitspieler im Halsreif-Drama. Es erweiterte zudem die sich ergebenden Möglichkeiten um einige recht amüsante Details, die vielleicht noch etwas Würze in das gesamte Spiel bringen würden, nun, man würde abwarten müssen, und Geduld zählte zu den Stärken des Griechen, der keiner Betrachtung einer menschlichen Tragikomödie jemals abgeneigt gewesen war. Hätte man die Verwicklungen der Flavier jemals als Bühnenstück aufgeführt, wäre der Erfolg sicher gewesen.


    "Ich glaube kaum, dass er Dir diesen Wunsch abschlagen wird," meinte Straton sinnierend und wandte sich dann der Türe zu, durch deren Öffnung man schon Cungah nahen hören konnte, zweifelsohne mit der zuvor erwähnten Brühe. "Und jetzt ruhe Dich aus, Bridhe, Du wirst wieder zu Kräften kommen und dann wird sehr vieles anders aussehen, als es das in dem Augenblick der Dunkelheit getan hat." Er nickte ihr noch einmal zu und trat dann beiseite, um der fülligen Schwarzen Platz zu machen, die mit ihren großen, weichen Händen eine irdene Schale trug, aus der es verlockend dampfte und roch. "Da ist sie, die gute Brühe für mein Mädschen!" kündigte sich Cungah gutgelaunt an, sie schien so fröhlich, als müsse sie Bridhe durch ihr Lächeln wieder genau den Mut machen, der ihr zuvor gefehlt hatte. "Wenn noch etwas gebraucht wird, lasst es mich wissen," sagte Straton und ging nach einem Nicken auch gen Cungah hinaus, um sich seinen anderen Aufgaben zu widmen, während Cungah sich zu Bridhe setzte und ihr die Schale mit der wohlriechenden heißen Flüssigkeit darin einladend hinhielt.

    Es gab so Tage, an denen der Grieche ernsthaft überlegte, ob sein Herr nicht vielleicht doch eine etwas zu übertriebene Neigung zu Frauen kultivierte. Vor allem, da dies meist mit Extraarbeit für ihn, Straton, verbunden war, auf die er weder Lust hatte noch dass er sie mit allzu viel Freude erfüllt hätte. Gackernde Römerinnen aus der Oberschicht waren nie sein Fall gewesen, und die kreischenden Weibchen auf der Empore gehörten ganz gewiss nicht zu den Frauen, bei denen man sich freute, sie zweimal zu sehen - wäre es nach seiner persönlichen Meinung gegangen. Aber Auftrag war Auftrag, und so hatte sich der Grieche zu einem der Erfrischungenverkäufer begeben, um diesem eine große Schale mit frischen Melonenstückchen abzukaufen, ebenso eine Schale mit gesüßten Datteln - eins von beidem würden sie schon mögen - und war durch einen Nebenaufgang in Richtung der Frauen vorgestoßen, um sie mit den Gaben seines Herrn zu beglücken.


    In einer Pause des Gekreisches - zwischen zwei der Springern war gerade etwas Ruhe eingetreten - wühlte sich also der tapfere vilicus zwischen anderen vorn sitzenden Menschen hindurch und blieb beim äußersten Ausläufer der Damenriege stehen, räusperte sich vernehmlich und sagte sein Sprüchlein mit genau jener Mischung aus Nachdruck und devoter Höflichkeit aus, die einen langjährigen Sklaven auszeichnete:
    "Salvete, werte, hochgeschätzte Damen. Mein Herr, Flavius Aquilius, schickt mich, um Euch mit diesen bescheidenen Gaben diese Veranstaltung etwas zu versüßen, und hofft inständig, ihr möget dies Geschenk annehmen." Innerlich wand sich Straton bei den Worten, am liebsten wäre er ganz woanders gewesen, aber man konnte sich manche Sachen einfach nicht aussuchen ... um etwas Distanz zwischen die Frauen und sich zu bringen, hielt er ihnen die beiden Schalen einladend hin, die auch für die doppelte Menge an Frauen gereicht hätten.

    "Dann wird es Zeit, dass Du an diesem Umstand etwas änderst, Bridhe. Nur wer sich aufgibt, ist wirklich alleine, für alle anderen Menschen gibt es stets Hoffnung," sagte Straton ernst und ließ die in ihren Worten ungestellte Frage ohne eine eindeutige Antwort, denn eine solche hatte er nicht. Waren sie befreundet? Verglich er sein Verhältnis zu ihr mit dem zu seinem Herrn, dann sicher nicht. Aber er war seit jeher auch ein Mensch gewesen, der sich in vielem selbst genügt hatte und darob war er wenig besorgt darum, eventuell über zu wenige wirklich enge Verbindungen zu verfügen - er hatte schlichtweg nie danach gesucht und würde es wohl auch nie tun. Langsam erhob er sich von Aquilius' Bett, ließ ihr aber das Taschentuch vorerst, richtete sich dann auf und straffte seine Gestalt wieder in jene Haltung, die einen unbeteiligten Beobachter oft vermuten ließ, er hätte einen Stock verschluckt.


    "Nun, einen Grundstock besitzt Du bereits - Deinen Halsreif. Und der Rest wird sich sicher finden lassen, solltest Du bereit sein, dafür Mühe und Anstrengung zu opfern. Musikalisches Talent ist in Rom gefragt, und an Deiner Stelle würde ich mir Gedanken darüber machen, ob Du dies nicht ausbilden willst. Der Herr schätzt Deinen Gesang, wie er mir sagte, und ich bin mir sicher, er würde Dir einen Lehrer beschaffen, wenn Du es wirklich willst." Dreitausendfünfhundert Sesterzen ... ja, für eine junge Frau war das viel Geld, aber es war zumindest ein Rahmen, eine Möglichkeit, mehr als nichts, mehr als ein stetig über einem Menschen schwebendes Damoklesschwert, weil er nichts konnte und zu nichts Talent besaß.

    Die Einkäufe am Käsestand wandten sich ihrer Erfüllung zu, und Straton bezahlte diese, ohne mit der Wimper zu zucken - der Preis war sicherlich nicht der billigste gewesen, aber es war guter Käse, und der war einige Sesterzen mehr wert, als billige Ware, die dann auch billig schmeckte - nichts würde den Unmut seines Herrn leichter erregen als Essen, das ihm nicht schmeckte, wenn man bedachte, wie spät er derzeit nach Hause kam, dann blieben ihm nicht viele andere Freuden als eine angenehme Entspannung beim Essen. Wenn er also irgendwo Abstriche akzeptieren würde, dann bei sehr vielem, aber sicherlich nicht beim Essen.
    "Das scheint mir auch so," kommentierte der Grieche ihre Worte über die Abneigung der Germanen zu Bitten recht trocken - Severus war genauso, und dazu noch unverschämt, als hätte er jederzeit das Recht, sich schlecht zu benehmen und könnte dann noch hoffen, ob seiner Unverschwämtheiten noch mehr zu bekommen, als er bisher hatte. Wirklich sympathisch war ihm der germanische Menschenschlag bisher nicht gewesen, und Siv bildete eine Ausnahme, die er selbst nicht unbedingt erwartet hätte.


    "Ich denke, wenn Du die Wahl hast, zwischen einem vorhersehbaren, bequemen Leben, und einem Leben, bei dem Du täglich um Deine Existenz selbst ringen musst, wird nur ein sehr charakterstarker Mensch die zweite Möglichkeit wählen - faule Menschen gibt es überall, allerdings werden sie hier in Rom noch besonders in ihrer Faulheit unterstützt." Straton warf einen prüfenden Blick auf einen der flavischen Sklaven, der den gekauften Käse entgegen nahm und wandte sich dann wieder den durcheinander drängelnden Menschenmassen zu, die sie bald würden verlassen können - noch ein Stand fehlte auf seiner Einkaufsliste, und jenen steuerte er nun an, eine Insel unter vielen Menschen, die sich ruhig und stetig voranbewegte, ohne sich durch die vielen durcheinander rufenden Römer beeindrucken zu lassen.
    "Je mehr Du kannst, desto wertvoller wirst Du als Mensch angesehen werden - denn Menschen, die nichts können, gibt es viele. Hast Du aber ein Talent, das besonders ist, oder ein Können, das für andere nützlich ist, werden sie Dich irgendwann bitten müssen, damit Du hilfst, weil es außer Dir nicht viele geben wird, die man bitten kann. Wenn Du zeigst, dass Du imstande bist, Dich anzustrengen, zu lernen, Dich zu verbessern, wird ein kluger Herr dies anerkennen."


    Kurz umspielte die Mundwinkel des Griechen jenes sparsame, selten genug auftauchende Lächeln, als er für einen Moment lang eine Erinnerung auftauchen ließ, aber diese Regung verblasste schnell wieder. "Die Alpen sind ein Gebirge - sehr hohe Berge - auf deren Gipfel Schnee und Eis zu finden sind, einige Tagesreisen nördlich von hier, zwischen Deiner Heimat und Italia. Du hast sie sicher auf dem Weg hierher überqueren müssen - und ja, die Römer können das, wenn man nur schnell genug reist und genug davon mitnimmt." Im Grunde war das unnötiger Luxus, aber es war immer dasselbe - wann immer man glaubte, dass etwas besonders selten und schwer zu bekommen war, dann wollte man es umso mehr haben. Der Teil des Marktes, in dem die Obststände lokalisiert waren, tauchte in der Ferne zwischen vielen Körpern auf, und Straton hielt unbeirrt darauf zu. "Auch hier gibt es Wald, und nicht einmal wenig. Vielleicht wird er Dir gefallen - Du solltest Deinen Herrn einmal fragen, ob er einen Ausflug zu den Wäldern plant, dann kannst Du ihn sehen. Ich weiss nicht, ob so viel wilde Natur mir gefallen würde - sie ist letztendlich doch sehr unordentlich."

    Still betrachtete der Grieche die junge Frau und überlegte sich, wie es ihm wohl ergangen wäre, wäre er nicht als Sklave aufgewachsen, hätte er nicht die Gelegenheit gehabt, seine Bildung schon im frühesten Kindesalter zu erweitern und all jene Kenntnisse zu erwerben, die ihm nun im täglichen Tun hilfreich waren. Wäre er irgendwann an derselben Gabelung angelangt, an der Bridhe nun zu stehen schien, ohne das Wissen, wie es weitergehen sollte? Kamen alle 'gefangenen' Sklaven unzweifelhaft an jene Gabelung? Die wenigsten Sklaven aus dem Haushalt der Eltern seines Herrn waren zuvor frei gewesen, und so fehlten ihm da die Vergleichsmöglichkeiten, ausfsässige Sklaven waren recht schnell auf einem der flavischen Landgüter gelandet, um die Herren nicht zu verärgern. Wahrscheinlich wäre es Bridhe in absehbarer Zeit nicht anders ergangen, je weiter der Einfluss Severus' gereicht hätte.
    "Hast Du Dir die Mühe gemacht, außer Severus jemanden ernsthaft kennenzulernen? Letztendlich ist die Liebe flüchtig, aber ohne Freundschaften wirst Du in einem großen Haushalt wie diesem nicht überleben können." Wer allein stand, wurde deutlich schneller zu unangenehmen Arbeiten eingeteilt, hatte niemandem, der ihm helfen konnte ... es war letztendlich ein stetiger Zirkel des Seins.


    Den Kopf schieflegend, lauschte Straton den Worten der jungen Frau, um dann sinnierend zu antworten. "Solange seine Tat nicht auf den Herrn zurückfallen kann, wird ihm daraus wohl kein Nachteil erwachsen - aber was hast Du erwartet? Er war wohl Krieger in seiner Vergangenheit, wenn ein Mann nichts anderes gelernt hat, wird er auch weiterhin kämpfen, um Geld zu verdienen - und das hat er ja offensichtlich dann für Deinen Schmuck ausgegeben. Bisher hat sich kein Fremder hier gemeldet, um ihn anzuklagen, ich denke, es wird auch nicht mehr passieren, so kannst Du einstweilen beruhigt sein, Bridhe," sprach der Grieche nachdenklich und durchaus nicht überrascht. Die Information über Severus, die er ohnehin im Hinterkopf behalten hatte, erweiterte er um die neuen Stichpunkte und wandte sich dem nächsten Themenpunkt zu. "Das kann ich Dir genau sagen. Dreitausendfünfhundert Sesterzen, was für eine ungebildete Sklavin wie Dich sehr viel Geld ist. Normalerweise wäre Dein Preis wohl zwischen fünfhundert und tausend Sesterzen angemessen gewesen."

    "Du bist stolz," stellte Straton nach einigen Augenblicken sinnierend fest und es war weder Hähme noch Ehrfurcht im Klang seiner Stimme, schlichte Neutralität. Genausogut hätte er feststellen können, dass es gerade regnete, leidenschaftslos wohl in genau demselben Regen dann stehend, als könnte ihn nichts davon wirklich berühren. "Die wenigsten Menschen stoßen sich daran, andere um etwas zu bitten, wenn Du Dich hier in Rom umschaust, wirst Du sehr viele finden, die im eigenen Leben nichts erreicht haben und von den Almosen anderer leben. Die Spiele, welche der Staat oft veranstaltet, sind das beste Mittel, diese Menschen zu beschäftigen, und Brot bekommen sie auch - es ist traurig, zu was Menschen fähig sind, wenn sie erst einmal bequem werden." Daraus klang nun mehr als Sachlichkeit, mit dem Wissen um die Qualität und Quantität seiner Arbeit leistete sich Straton den Luxus, auf jene römischen Bürger herabzusehen, die er als Schmarotzer an der Gefälligkeit anderer betrachtete - die vielgerühmte Masse des Volkes, inzwischen politisch fast bedeutungslos, die sich nur nach dem colosseum drängelte, um sich in ihrem täglichen Müßiggang zu zerstreuen, fand ganz und gar nicht die Zustimmung oder aber den Respekt des Griechen, der wie die meisten Sklaven auch einen ausgesprochen randvollen Tagesplan hatte und seine Aufgaben bewältigte.


    "Für den Anfang wirst Du bitten müssen, auch wenn Dir dies nicht schmeckt - aber je mehr Du lernst, je mehr Du kannst, desto eher hast Du die Chance darauf, gebeten zu werden, weil man Deine Kenntnisse schätzen lernt. Viele Sklaven setzen sich kein Ziel und verharren in Untätigkeit, aber ich denke, dass Du vieles wirst erreichen können, wenn Du es willst und daran arbeitest." Wieder gab er dem Händler einen Wink, der Ziegenkäse schien ihm zu behagen und erneut wurde ein großes Stück vom vorhandenen Block abgeschnitten und für ihn in ein Leinentuch eingewickelt, dann einem anderen der flavischen Haussklaven übergeben. Stratons ganze Haltung deutete an, dass er wusste, was er wollte und wie er es bekommen würde, und so hatte auch dieser Händler den Sklaven wie einen guten Kunden, nicht wie den Besitz eines anderen Menschen behandelt. Als sie hingegen von ihrer Heimat und den klimatischen Verhältnissen berichtete, wurden seine Züge ein wenig weicher, fast unmerklich ließ er sich von ihrer Begeisterung und Wehmut etwas anstecken, denn ihre Worte passten gut zu jenen Berichten, die er über ihre Heimat gelesen hatte - ein ungezügeltes Land, in dem noch so vieles möglich war.


    "Du meinst Eis," sagte er auf ihre Erklärung hin. "Hier nutzt man es, um Getränke und Speisen zu kühlen, in großen Blöcken wird es in den Alpen gebrochen und hierher gebracht, als Spielzeug für die Reichen," vollendete er die Erklärung mit einigen eindeutigen Gesten über die Größe der Eisblöcke - seit er gesehen hatte, wie die Römer solche transportierten, nur um Getränke kalt zu halten, hielt er dieses Volk für nahe am Wahnsinn, und wurde einen jeden Tag einmal mehr in seiner Annahme bestätigt, man musste nur ein wenig mit offenen Augen durch die Stadt gehen. "Man sagt, Reisen erweitere den Horizont - je mehr Du Fremdes siehst, desto mehr kannst Du Dir vorstellen, desto klarer siehst Du, wie Dein eigenes Volk lebt, was es erreichen kann, was es erreicht hat. Wenn Du erst einmal ein Jahr hier warst, wirst Du über vieles noch ganz anders denken als heute ... was hat Dir an Deiner Heimat am besten gefallen?"

    "Nun ... es gibt durchaus auch in diesem Haus Menschen, denen Du etwas bedeutest. Überlege, wo Du liegst - das ist das Bett des Herrn, nicht das Deine, und auch wenn Du hier bisweilen liegst, ist es doch sein Vorrecht, Dich zu jeder Zeit hinauszuwerfen, wenn ihm danach sein sollte. Tut er das? Nein. Heute nacht hat er auf seinem Reisebett im Arbeitszimmer geschlafen, damit Du in Ruhe gesund werden kannst. So etwas tut man nicht bei einem Menschen, der einem vollkommen egal ist. Auch der junge dominus Lucanus scheint Dich zu mögen - und glaubst Du wirklich, dass Dich sonst kein Mensch auf dieser Welt leiden kann? Gibt es keine anderen Sklavinnen, die Dir Freund sind? Keine anderen Menschen, deren Gesellschaft Dir angenehm ist?" Er betrachtete die verzweifelte junge Frau von der Seite und kam wieder zu dem Schluss, dass sie wohl noch weit davon entfernt war, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen - aber das wurde gemeinhin von Sklaven auch nicht erwartet. Auch unter den freien Bürgern Roms hatte Straton wenig genug kennengelernt, die bereit gewesen wären, für sich selbst Verantwortung zu übernehmen und selbst zu denken, wie sollte dieser Wille also einer Sklavin erwachsen, die stets dazu gezwungen war zu gehorchen?


    "Eine Familie gründen kannst Du überall, und mit einem Mann leben sicherlich auch - was immer zwischen Dir und Severus geschehen ist, es sollte Dir doch auch Stoff zum Nachdenken geben, dass er Dich offensichtlich so sehr verletzt hat, dass man es heute noch sieht. Ist das wirklich die erfüllte Liebe, wenn Du Schläge befürchten musst, sobald Du einen Fehler begehst? Ich wage das zu bezweifeln." Nun kam wieder die übliche, nüchterne Überlegung bei ihm durch, und Straton führte seine Gedanken in derselben rationalen Art und Weise fort, die er so oft bemühte, wenn es darum ging, Verworrenes zu ordnen.
    "Was das Freikaufen angeht - nun, es ist nicht alltäglich, aber es ist doch auch ein Weg, der sich Sklaven eröffnet, die das Vertrauen ihres Herrn besitzen. Letztendlich muss jeder Herr an seinen Namen denken, den ein freigelassener Sklave tragen wird, und das ist im Fall unseres Herrn der einer Familie von römischen Kaisern. Du kannst, wenn Dein Herr damit einverstanden ist, versuchen, Dich freizukaufen, indem Du eigenes Geld verdienst - man vereinbart üblicherweise einen Preis, und der Sklave erhält die Möglichkeit, an vorher bestimmten Tagen auf eigene Rechnung zu arbeiten oder Dinge herzustellen, die er auf eigene Rechnung verkaufen kann. Faktisch geht das Geld an den Herrn, der den Sklaven dann freilässt, wenn der vereinbarte Betrag erreicht ist. Man kann natürlich auch insgeheim sparen, aber das bringt meist mehr Ärger als Nutzen."

    "Ich glaube, jeder Mensch vermisst seine Heimat irgendwie - auch wenn die wenigsten es wirklich gerne zugeben. Selbst mein Herr vermisst Hispania, dort ist er aufgewachsen, aber er spricht nicht darüber, man merkt es nur an sehr wenigen, kleinen Dingen, woran er denkt und wonach er sich sehnt," erklärte Straton und atmete leise ein. Er kannte Aquilius gut genug, um diese kleinen Zeichen zu erraten, die von den wenigsten Menschen sonst gelesen wurden, und er wusste auch sehr gut, dass es ihm nicht behagen würde, dass es überhaupt jemand vermochte. Wie die meisten Flavier wusste sich sein Herr gut vor anderen Menschen zu verbergen, sie trauten den wenigsten, und noch weniger legten sie ihre Gedanken offen.
    "Wenn Dein Herr irgendwann einmal nach Achaia reisen sollte, kannst Du ihn ja bitten, Dich mitzunehmen - ich bin mir sicher, Dir würde meine Heimat gefallen. Viele Menschen haben schon über den Reiz Achaias geschrieben, und Dichter sind jene, die es mit den schönsten Worten tun. Sie beschreiben fremde Orte mit einer Melodie in ihren Worten, die jeder vestehen und hören kann, und durch ihre Kunst erfährt man mehr über anderes, als man es selbst ausdrücken könnte."


    Straton nahm noch ein Bröckchen Käse, nickte dem Händler bei der würzigeren Sorte zu, dass er ihm davon etwas einpacken möge, und zeigte schließlich auf kleine, winzige Käsekleckse mit der intensivsten Sorte, dass er auch diese zu probieren wünsche. Auch Siv bekam nun gleich vom Händler ein Stück dieses wirklich sehr außergewöhnlich stark schmeckenden Käses gleich auf die Hand, und mit halb geschlossenen Augen kostete der Grieche, ob auch dieser Käse es wert wäre, ihn seinem Herrn zu bringen.
    "Das klingt nach einem sehr wilden, rauhen Land, aus dem Du stammst. Sind die Winter sehr kalt? Schnee habe ich bisher nur einmal gesehen, es fällt schwer, sich viel davon vorzustellen, wenn er so selten ist wie hier." Die germanischen Worte konnte Straton natürlich nicht verstehen, aber er entnahm dem Klang ihrer Worte, dass sie die Erinnerung an ihre Heimat bewegen musste, dass es starke Bilder waren, die sie vor sich sah, sie konnte sie nur noch nicht ausdrücken. "Ich kann mir ein Land mit viel Regen nur schwer vorstellen - in Achaia und Hispania ist es im Sommer trocken, und auch hier in Italia regnet es nicht sehr viel, mehr im Winter denn im Sommer. Wie seltsam musst Du Dich hier fühlen, da doch so vieles anders zu sein scheint."

    Straton hatte eine Schale Wasser und ein Tuch bereitgehalten, auf dass sich sein Herr nach dem Lauf würde erfrischen können, und schritt nun auch auf den Pulk Männer zu, um Aquilius dies anzubieten - geduldig wartete der vilicus darauf, dass sein Herr die gebotene Möglichkeit auch annahm, um sich dann zu ihm zu neigen und ihm leise etwas zuzuflüstern.
    "Dort vorn, siehst Du die Damenriege? Eine von ihnen hat Dich lauthals angefeuert und gerufen, sie wolle ein Kind von Dir," gab der Grieche mit schlecht verhohlenem Grinsen an seinen Herrn weiter, und deutete auf die entsprechende Dame, deren Namen er natürlich nicht kannte.

    Lange genug hatte dieses Gespräch nun gedauert, und Straton kannte seinen Herrn gut genug, um zu wissen, dass Grenzen gezogen werden mussten, sonst kam Aquilius nie ins Bett - so klopfte er leise an die Tür zum Arbeitszimmer und wartete darauf, hereingerufen zu werden. Der neue Sklave sollte schließlich noch versorgt werden und brauchte eine Unterkunft.

    Jetzt tat sie genau das, was Straton an Frauen am ehesten abgestellt hätte, wäre er ein Schöpfergott gewesen - Tränen waren einfach ungerecht, denn sie nahmen einem Mann grundsätzlich die Möglichkeit, hart und direkt zu sein. Es war wohl naturgegeben, bei Tränen immer sofort auch mit einer Regung des Mitleids kämpfen zu müssen, und auch wenn Straton seine Gefühle normalerweise gut im Griff hatte, so war es doch die verhängnisvolle Kombination zwischen Bridhes Tränen und dem Thema, dass es ihm dieses Mal nicht ohne weiteres möglich war, dies alles zu ignorieren. Innerlich seufzend trat er weiter auf sie zu und setzte sich auf die Kante des Betts, in welchem sie lag, um ihr dann ein Taschentuch zu reichen.
    "Ich kenne dieses Gefühl, Bridhe, und doch, ich lebe weiter, ein bisschen erfahrener als zuvor. Irgendwann verliebt sich wohl jeder Mensch einmal in einen anderen, und wird enttäuscht oder unglücklich, und man beginnt, das eigene Leben und den Sinn desselben in Frage zu stellen. Aber willst Du wirklich einem Mann nachtrauern, der Dich schlägt? Der anscheinend nichts mehr von Dir wissen will? Natürlich tut es weh und das wird es noch eine ganze Weile tun, aber das Leben an sich besteht doch aus mehr als aus einem einzigen anderen Menschen. Ich würde vermuten, es gibt in diesem Haushalt nicht nur einen, der Dich vermissen würde, wenn Du Dich tötest, sondern mehrere."


    Natürlich würde sie das nicht unbedingt trösten, aber es musste auch einmal gesagt werden. "Was siehst Du als Sinn des Lebens, Bridhe? ICh kenne unseren Herrn, und er ist selten wirklich ungerecht. Vielleicht in vielem sogar viel zu geduldig und nachsichtig, und ich glaube kaum, dass er Dich ewig als Sklavin besitzen wird wollen. Ich rate Dir, mache etwas aus Deinen Talenten, lerne die Dinge, die Dir später nützen können, Du hast durch diese Sklavenschaft auf Deine Lebenszeit einen reichen Mann gewonnen, der beginnt, auch mächtig zu werden, der Dich stets unterstützen wird, auch wenn Du freigelassen sein solltest - und jeder Sklave kann sich auch freikaufen, wenn der Herr damit einverstanden ist. Du solltest ihn, wenn Du als Sklavin so unglücklich bist, danach fragen, ob er damit einverstanden wäre. Warum versuchst Du nicht mit einem Instrument die Meisterschaft zu erstreben? Künstler sind in Rom gefragt, vorallem bei so vielen patrizischen Haushalten, und damit könntest Du sehr wohl Geld verdienen." Warum diese jungen Leute immer so bereitwillig vor Wände rannten, das würde Straton nie verstehen. Wo war das Geschick geblieben, sich selbst aus den Tiefen des Lebens zu ziehen, wieder neu zu beginnen, alle sich bietenden Chancen zu nutzen? Zu viele waren eher selbstmitleidig.

    Erst als Siv mit ihren Worten offenbarte, dass er offensichtlich linguistisch ein wenig zu weit vorgaloppiert war, fiel dies auch dem Griechen auf, und er musste doch mit einer gewissen Zufriedenheit feststellen, dass sie offensichtlich versuchte, dennoch so viel wie möglich seiner Worte zu verstehen - ihr Gesicht leuchtete dabei vor Eifer, ließ sie noch fast kindlich wirken, ein Anblick, der ihn mehr rührte, als er es für möglich gehalten hatte. Wieder einmal kehrte der Gedanke an die Überlegung zurück, die er einstmals gehegt hatte - vielleicht als grammaticus Kinder zu unterrichten, die wirklich lernen wollten, die wissbegierig waren, aber von diesem Traum war er ebenso weit entfernt wie von seiner Freiheit. Im Grunde war dieser Gedanke einer jener, die er ab und an einmal aus den verborgenen Tiefen seiner Persönlichkeit hervor holte, ihn drehte und wendete, von allen Seiten sorgsam betrachtete und schließlich als noch nicht realisierbar beiseite legte. Noch hatte er den Kaufpreis nicht zusammen, den er wert wäre, und mit jedem Jahr, das er bei Aquilius verbrachte, würde er ihm Wert steigen, soviel war sicher. Und wie so oft schob er auch diesen Gedanken gekonnt beiseite und würde ihn vielleicht ein andermal betrachten, vielleicht eingehender, vielleicht gar nicht, es war ein so müßiger Gedanke.


    Der Stand mit den verschiedenen Käsesorten war da schon eine deutlich angenehmere Alternative, und Siv als Begleiterin hatte seine Aufmerksamkeit mehr verdient als nutzlose Träume, die ihn nur wehmütig machen würden, das wusste Straton ebenso genau, wie er im Grunde seines Herzens wusste, dass auch diese rationale Überlegung den sinnlosen Gedanken nicht würde fortspülen können. "Achaia ist ein wundervolles Land, und jeder, der sich nicht dorthin sehnen würde als Achaier, der ist sein Blut nicht wert," gab Straton schließlich zu, und diese Worte enthielten deutlich mehr persönliche Empfindung, als er sie in den letzten Wochen irgendwo offenbart hätte. Warum er sich überhaupt so verriet, konnte er nicht erklären, nur, dass er langsam senil wurde, zu einem alten Mann, dem alten Mann, als der er sich oft genug fühlte. Er ließ sich noch ein Bröckchen des würzigeren Käses auf der Zunge zergehen und kostete das Echo des herben Aromas am Gaumen, ohne den Blick abzuwenden.
    "Vielleicht erlebst Du meine Heimat eines Tages, und kannst Dir selbst ein Bild der Hügel und Täler machen, das kann man nie wissen. Ansonsten kann ich Dir die Worte der Dichter zitieren, wie sie über Achaias Schönheit schreiben, und dass viele der ihren auch aus meiner Heimat stammen, lässt dieses Bild klarer werden. Irgendwann wirst Du alle Worte verstehen, die ich spreche, und dann erzähle ich Dir noch einmal davon. Chaire - das ist unser Gruß - als würde ein Römer salve sagen."

    Letztlich war es die Aufgabe eines guten vilicus, zu wissen, was im Haushalt seines Herrn vor sich ging, und spätestens, seit Cungah hinzu gezogen worden war, hatte alles ohnehin die Runde im flavischen Haushalt gemacht. Sklavenzungen waren oft genug müßig, und solche Gerüchte waren eindeutig ein absoluter Renner, der in Lichtgeschwindigkeit von Mund zu Mund flog.
    "Was Du noch wollen sollst? Definierst Du die Grenzen Deine Existenz wirklich anhand eines Mannes, der Deinem Herzen nahe steht? Dann wirst Du noch oft an dieser Schwelle stehen, denn die Liebe ist selten gerecht. Hänge Dich nicht in dem, was Dich ausmacht, an eine Liebe, Liebe ist flüchtig, auch wenn sie vieles schenken mag - sie nimmt Dir auch allzu viel. Ist Severus Dein einziger Lebensinhalt? Dann ist Dein Leben vielleicht wirklich sinnlos, denn ich glaube kaum, dass er ebenso empfindet, diese vollkommene Hingabe an einen anderen Menschen und dessen Urteil ist selten genug vorhanden." Die Brauen auf der Stirn zusammengezogen, betrachtete Straton die im breiten Bett seines Herrn schmal und zerbrechlich wirkende Gestalt Bridhes eingehend, um dann leicht den Kopf zu schütteln. "Du bist klug, Bridhe, Du bist attraktiv, Du hast ein freundliches und offenes Wesen - und Du scheinst Talent für das Lernen und die Musik zu haben. Ist dies denn nichts für Dich wert? "

    Als der augenscheinlich reiche Römer ihn überbot, war für Straton schon fast klar, dass das nichts mehr werden würde - und erwartungsgemäß ging der Zuschlag an einen anderen. Nun, es wäre eine Gelegenheit gewesen, und sie war verstrichen - es würde andere Gelegenheiten geben, auch wenn es sicherlich interessant gewesen wäre, eine solche Frau weiter auszubilden. Dass sie nun zu einem Herrn kam, der anscheinend wenig Humor zu besitzen schien, ließ den Griechen kurz den Kopf schütteln, öffentliche Bestrafungen waren für ihn eher ein Zeichen de Schwäche denn der Stärke, aber das war nun auch nicht mehr irgend etwas, das ihn zu interessieren hatte. Leicht neigte er den Kopf in die Richtung der jungen Frau, ihr stumm mehr Glück als im Augenblick in ihrem neuen Haushalt wünschend, bevor er sich abwandte und wieder mit der Menge verschmolz, um darin zu verschwinden, wie er gekommen war.

    Das Bild stammt ja auch aus einem sehr sehr klassischen SciFi-Film ;)
    Bei weiteren Fragen zum Bilder-posten melde dich einfach wieder hier.

    Für einen Moment lang zuckten die Mundwinkel des Griechen - Amüsement? Verachtung? es war schwer zu erkennen! - doch ließ er sich keineswegs von Severus' Ablehnung in irgendeiner Weise beirren. Wo Aquilius den Germanen sicherlich stehen gelassen hätte, war der Grieche deutlich unbeugsamer und sturer, und sein Vorhaben, über eine bestimmte Sache mit dem aufs Meer blickenden Menschen zu sprechen, setzte er denn auch in die Tat um, ohne durch eine allzu deutliche Reaktion zu verraten, was er sich dabei dachte. Zuerst die Pflicht, dann ...
    "Nun, dann wirst Du eben nicht sprechen, sondern zuhören, auch wenn es Dir, wie ich bisher beobachtet habe, ausgesprochen schwer zu fallen scheint, Dich mit etwas zu beschäftigen, das nicht mit schlechtem Benehmen, Frauen oder Nutzlosigkeit zu tun hat," sagte der Grieche trocken und blickte ebenso auf das Meer hinaus, das durch die schimmernden und doch dunklen Farben der wogenden Wellen geheimnisvoll und anziehend zugleich war. Wie sehr er die hellen, sonnigen Farben Hispanias doch vermisste! Aber das war vorerst Vergangenheit, und konnte schlecht zurückgebracht werden. Irgendwann, wenn sein Herr genug Karriere gemacht hatte und sich nach seiner Heimat sehnte, dann vielleicht ... aber sicher nicht vorher. Hispania schien so fern zu sein, zu weit entfernt, um sich der Illusion hinzugeben, dass sie nicht zu lange in Rom sein würden.


    "Der Haushalt wird sich in absehbarer Zeit vergrößern, sobald der Herr verheiratet ist, und wird für seine Sicherheit mehr Männer brauchen, ebenso die künftige domina," fuhr Straton fort, ohne zu betrachten, was der Germane gerade tat, und auch, ohne den Blick vom Meer zu lassen. "Das bedeutet, je höher der Herr im politischen Rang steigt, desto mehr werden wir darauf achten müssen, dass er überlebt, und vor allem unverletzt bleibt. Du bist sein Leibwächter, und gelingt es Dir nicht, ihn zu schützen, kannst Du kaum hoffen ihn zu überleben. Ich habe die Absicht, zur normalen Ausbildung der Leibwächter stetige Übung und gemeinsames Vorgehen zu etablieren, und da wären Deine Fähigkeiten als Krieger, als jemand, der weiß, wie man mit Angriffen aller Art umzugehen hat, um sie abzuwehren, nützlich. Du kannst es Dir also überlegen - ob Dir die dauernde, gleichförmige Tätigkeit als herumstehender Leibwächter lieber ist oder die Herausforderung, andere auszubilden und ihnen die Härten des Kampfes beizubringen und sie letztendlich anzuführen. Überlege es Dir, ich werde Dir dieses Angebot kein zweites Mal machen."


    Damit nickte Straton dem widerspenstigen Germanen leicht zu, wandte sich ab und schritt in Richtung der Zelte zurück, ohne sich nach ihm umzusehen. Erst das Geschehen im Meer vermochte ihn wieder zu fesseln, und er gab dann auch prompt einem der Sklaven den Wink, einen Fischspieß zu holen, um zur Not den Herrn und seine Begleiterin zu verteidigen - die Delphine allerdings waren in dieser Angelegenheit eindeutig geschickter. Schon eilten weitere Sklaven herbei, um Tilla und Hektor beizustehen, und er selbst ging in Richtung seines Herrn. "Was auch immer dieses Tier war - es war schwer von hier aus zu erkennen, es scheint fort zu sein, dominus. Aber ich würde empfehlen, dass ihr vorerst dem Meer fern bleibt, bis wir sicher sein können, dass dieser Fisch nicht wiederkehrt."