Während Straton mit dem Händler die Bezahlung abwickelte, bedauerte er fast, den Olivenstand alsbald verlassen zu müssen, aber es gab noch andere Stände, die er besuchen musste, um alle Sachen zu bekommen, die er auf seiner Liste stehen hatte - kurz zog er, nachdem die letzten Oliven verspeist waren, seine Wachstafel hervor und strich die Oliven von der Liste, um den nächsten Punkt anzusehen - Käse. Da wusste er auch schon, wohin er gehen würde, und bedeutete ihr, dass er vorangehen wollte - der Händler überschlug sich vor Höflichkeit, der Einkauf war gut gewesen, und hatte diesem einiges an Sesterzen eingebracht, was er auch zu würdigen wusste. Letztendlich war es für einen Händler nicht entscheidend, ob der Einkäufer nun Sklave, Freigelassener, peregrinus oder Bürger - gar Patrizier - war, solange am Ende das Geld stimmte. Zudem, die wirklich reichen Römer kamen nicht selbst, sondern schickten ihre Sklaven, und die Sklaven und Freigelassenen des kaiserlichen Palastes verfügten ohnehin über einen Einfluss und oft auch Reichtum, der einem reichen eques gleichkam. So war es nicht erstaunlich, dass Straton das Interesse und die Aufmerksamkeit des Händlers besessen hatte und dieser den ein oder anderen weniger gut gekleideten Käufer erst einmal hatte warten lassen.
"Ausgezeichnet - oder wunderbar - oder herausragend," lieferte Straton Siv gleich drei Wörter, mit denen besondere Zufriedenheit ausgedrückt werden konnte, wenn einem danach war. "Ich freue mich, dass Du lernen willst. Dieser Wunsch fehlt so vielen Menschen leider, und die meisten begnügen sich mit dem Wissen, das sie von ihren Eltern vorgegeben erhalten." Er gab sich zwar noch immer Mühe, Worte zu wählen, die einem Anfänger in der lateinischen Sprache bekannt vorkommen mussten, aber seine Wortwahl geriet unbewusst doch immer wieder in die Bahnen eines gebildeten Mannes, so sehr er sich auch anstrengen mochte. Wahrscheinlich konnte kein Mensch wirklich aus der Haut, die er viele Jahre getragen hatte, so leicht schlüpfen, und so mischten sich immer wieder einige verräterische Worte, die einem gebildeten Römer die Herkunft Stratons aus einem hohen Haus leicht verraten hätten, in dessen Formulierungen.
"So schnell langweile ich mich nicht," fügte er auf ihre Worte hin an und gestattete sich einen kurzen Anflug eines Lächelns. Es musste schon viel geschehen, dass er sich wirklich langweilte, und wenn es nicht gerade um Nichtigkeiten ging, dann passierte dies eigentlich nie. Gemächlich führte er die junge Sklavin abermals durch die Menge, ging selbst voran, und achtete darauf, dass sie nachkam, bis sie schließlich nach einigem Drängeln und Rangeln den Stand jenes Händlers erreicht hatten, der den gewünschten Käse anbot.
"Achaia ist ein rauhes und zugleich liebliches Land," begann er seine Erzählung und deutete auf einen milden Ziegenkäse, der seine Worte unterstreichen sollte - auch dieser Händler, ein rundlicher kleiner Mann mit schwarzglänzendem Haar, verstand die Geste und hatte den Griechen in dessen Landessprache begrüßt - "Chaire!" - und die ebensolche Erwiederung erhalten. Schon erhielten Siv und Straton zwei kleine Häppchen des Käses zum probieren, und als er sich diesen auf der Zunge zergehen ließ, trieb ihn der würzigmilde Geschmack in eine Vergangenheit fort, die er lange verbannt hatte. "Die hohen Berge meiner Heimat sind oftmals nur von wenigen Bäumen bewachsen, und die Olivenhaine - Bäume, an denen die Früchte wachsen, die wir gerade gegessen haben - erfüllen die Luft mit ihrem Duft, mit der Ahnung des Genusses, den sie uns schenken. Jene Berge bieten saftiges Gras, und die Ziegen, die darauf weiden, geben einen herrlichen Käse - so einen isst Du gerade." Er deutete auf eine andere Sorte, und auch hier wurde beiden etwas zum Probieren gereicht, nun ein etwas schärferer Geschmack, aber dennoch einzigartig würzig. "Die Sonne scheint fast immer, und die Winter sind mild, milder noch als hier. Die größte polis - Stadt - meiner Heimat ist Athen, welche einst auch über ein Reich herrschte wie es Rom heute tut. Auf der agora - dem forum - kannst Du viele Ideen hören, die Philosophen, die ihre Gedanken anderen vorstellen, streiten dauernd miteinander, und man kann sich selten satthören daran." Er seufzte leise, und zum ersten Mal seit langem überkam ihn wieder ein gewisses Heimweh, die Sehnsucht nach der Ferne, die ihm doch im Herzen näher war als jeder andere Ort.