Beiträge von Straton

    Ihre Worte glitten an seiner Schale ab, und schweigend blieb er im Raum stehen, betrachtete Bridhe einfach nur einige Momente lang, die sich ob seines Schweigens deutlich in die Länge zu ziehen schienen - einem Strang Honig gleich, den man fast bis in die Unendlichkeit zu verlängern imstande war, solange man einigermaßen vorsichtig vorging. "Nun, Bridhe, es gibt nichts zu danken. Letztendlich waren die Bemühungen um Dein Leben ohnehin wirkungslos, wenn Du Dich nicht dazu entschließt, weiterleben zu wollen - für den Fall, dass Du tatsächlich willens sein solltest, mit allem abzuschließen, werde ich Dir gerne mit einem Gift behilflich sein, das mit Sicherheit wirkt. Ansonsten aber solltest Du Dir gut überlegen, ob Du es noch einmal versuchst, denn auf Dauer wird es Dir nur schaden. Eine unzuverlässige Sklavin verliert schnell die Geduld ihres Herrn, und auch wenn der unsrige in vielem sehr weichherzig ist, wird er doch irgendwann auch sehr klar sehen, wer ihn mehr Mühe kostet als Nutzen bringt, und dann möchte ich nicht in Deiner Haut stecken."


    Die Worte klangen kühl, überlegt und vor allem unpersönlich - der Straton, der ihr den Halsschmuck versteckt hatte, schien erst einmal nicht mehr zu existieren, oder hatte dem Straton, der den Haushalt seines Herrn in Ordnung zu halten hatte, einstweilen Platz gemacht. "Wenn Du also ernsthaft weiterleben willst, wirst Du die Brühe widerstandslos essen, die Dir Cungah bringt, und Du wirst ausreichend ruhen, bis Dein Körper wieder gesund ist - und dann solltest Du endlich damit beginnen, Dir darüber klarzuwerden, was Du eigentlich willst."

    Schweigend betrachtete Straton auf einem seiner Streifzüge über den Markt das vorhandene Angebot - eine Frau mal wieder, und eine Kriegerin noch mit dazu. Titus Tranquilius hatte wirklich immer wieder interessante Sklaven, auch wenn die wenigsten auf den ersten Blick zu halten versprachen, was der Händler so vollmundig anpries. Aber letztendlich war dies seine Arbeit, und er wäre kaum ein guter Händler gewesen, hätte er nicht versucht, das Maximum aus einem neuen Sklaven herauszuholen. Sinnierend betrachtete der Grieche die junge Frau und versuchte einzuschätzen, wieviel dessen, was Tranquilius über sie gerühmt hatte, den Tatsachen entsprach. Bisher stand sie ja recht ruhig da, blickte nicht aufsässig umher ... nun, eine weibliche Leibwächterin wäre auch einmal etwas neues. Latein schien sie auch zu sprechen, das war immerhin ein Anfang, exotisch sah sie auch aus, nun, was wollte man schon mehr erwarten? Dass sie kaum als neue Frisiersklavin geeignet sein würde, war durchaus klar, man durfte sich einfach keine Illusionen machen. Nachdem der Kerl, der ohnehin bei jeder Auktion anwesend schien, seine obligatorischen Fragen gestellt hatte, schritt der vilicus voran und blieb am Bühnenrand stehen, um zu Lysandra empor zu blicken, sie abermals musternd.
    "Salve. Der Händler sagt, Du verstehst Latein, also hoffe ich, Du kannst mir auch antworten. Mit welchen Waffen hast Du gekämpft und hast Du auch den waffenlosen Kampf erlernt?"

    Während Straton mit dem Händler die Bezahlung abwickelte, bedauerte er fast, den Olivenstand alsbald verlassen zu müssen, aber es gab noch andere Stände, die er besuchen musste, um alle Sachen zu bekommen, die er auf seiner Liste stehen hatte - kurz zog er, nachdem die letzten Oliven verspeist waren, seine Wachstafel hervor und strich die Oliven von der Liste, um den nächsten Punkt anzusehen - Käse. Da wusste er auch schon, wohin er gehen würde, und bedeutete ihr, dass er vorangehen wollte - der Händler überschlug sich vor Höflichkeit, der Einkauf war gut gewesen, und hatte diesem einiges an Sesterzen eingebracht, was er auch zu würdigen wusste. Letztendlich war es für einen Händler nicht entscheidend, ob der Einkäufer nun Sklave, Freigelassener, peregrinus oder Bürger - gar Patrizier - war, solange am Ende das Geld stimmte. Zudem, die wirklich reichen Römer kamen nicht selbst, sondern schickten ihre Sklaven, und die Sklaven und Freigelassenen des kaiserlichen Palastes verfügten ohnehin über einen Einfluss und oft auch Reichtum, der einem reichen eques gleichkam. So war es nicht erstaunlich, dass Straton das Interesse und die Aufmerksamkeit des Händlers besessen hatte und dieser den ein oder anderen weniger gut gekleideten Käufer erst einmal hatte warten lassen.


    "Ausgezeichnet - oder wunderbar - oder herausragend," lieferte Straton Siv gleich drei Wörter, mit denen besondere Zufriedenheit ausgedrückt werden konnte, wenn einem danach war. "Ich freue mich, dass Du lernen willst. Dieser Wunsch fehlt so vielen Menschen leider, und die meisten begnügen sich mit dem Wissen, das sie von ihren Eltern vorgegeben erhalten." Er gab sich zwar noch immer Mühe, Worte zu wählen, die einem Anfänger in der lateinischen Sprache bekannt vorkommen mussten, aber seine Wortwahl geriet unbewusst doch immer wieder in die Bahnen eines gebildeten Mannes, so sehr er sich auch anstrengen mochte. Wahrscheinlich konnte kein Mensch wirklich aus der Haut, die er viele Jahre getragen hatte, so leicht schlüpfen, und so mischten sich immer wieder einige verräterische Worte, die einem gebildeten Römer die Herkunft Stratons aus einem hohen Haus leicht verraten hätten, in dessen Formulierungen.
    "So schnell langweile ich mich nicht," fügte er auf ihre Worte hin an und gestattete sich einen kurzen Anflug eines Lächelns. Es musste schon viel geschehen, dass er sich wirklich langweilte, und wenn es nicht gerade um Nichtigkeiten ging, dann passierte dies eigentlich nie. Gemächlich führte er die junge Sklavin abermals durch die Menge, ging selbst voran, und achtete darauf, dass sie nachkam, bis sie schließlich nach einigem Drängeln und Rangeln den Stand jenes Händlers erreicht hatten, der den gewünschten Käse anbot.


    "Achaia ist ein rauhes und zugleich liebliches Land," begann er seine Erzählung und deutete auf einen milden Ziegenkäse, der seine Worte unterstreichen sollte - auch dieser Händler, ein rundlicher kleiner Mann mit schwarzglänzendem Haar, verstand die Geste und hatte den Griechen in dessen Landessprache begrüßt - "Chaire!" - und die ebensolche Erwiederung erhalten. Schon erhielten Siv und Straton zwei kleine Häppchen des Käses zum probieren, und als er sich diesen auf der Zunge zergehen ließ, trieb ihn der würzigmilde Geschmack in eine Vergangenheit fort, die er lange verbannt hatte. "Die hohen Berge meiner Heimat sind oftmals nur von wenigen Bäumen bewachsen, und die Olivenhaine - Bäume, an denen die Früchte wachsen, die wir gerade gegessen haben - erfüllen die Luft mit ihrem Duft, mit der Ahnung des Genusses, den sie uns schenken. Jene Berge bieten saftiges Gras, und die Ziegen, die darauf weiden, geben einen herrlichen Käse - so einen isst Du gerade." Er deutete auf eine andere Sorte, und auch hier wurde beiden etwas zum Probieren gereicht, nun ein etwas schärferer Geschmack, aber dennoch einzigartig würzig. "Die Sonne scheint fast immer, und die Winter sind mild, milder noch als hier. Die größte polis - Stadt - meiner Heimat ist Athen, welche einst auch über ein Reich herrschte wie es Rom heute tut. Auf der agora - dem forum - kannst Du viele Ideen hören, die Philosophen, die ihre Gedanken anderen vorstellen, streiten dauernd miteinander, und man kann sich selten satthören daran." Er seufzte leise, und zum ersten Mal seit langem überkam ihn wieder ein gewisses Heimweh, die Sehnsucht nach der Ferne, die ihm doch im Herzen näher war als jeder andere Ort.

    Als die Umstehenden bei dem neuen Bieter seinen Namen getuschelt hatten, hatte Straton diesen schweigend betrachtet und war zu dem Schluss gekommen, dass es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit tatsächlich um den genannten Aelier handelte - Aelius Callidus, zu dem sein Herr ihm besondere Instruktionen gegeben hatte. Unter keinen Umständen sollte Straton diesem Mann einen Sklaven wegsteigern, und auch wenn er schwer in Versuchung gewesen war, den Preis ein wenig höher zu haben - die Aelier hatten schließlich eine Menge Geld - hatte er sich schließlich doch dafür entschieden, dem Wort seines Herrn linientreu zu folgen, auch wenn er es bedauerte. Die junge Sklavin schien gut erzogen zu sein und demütig, zudem von freundlicher Wesensart, sie hätte sicherlich der Frau gut gedient, die sich sein Herr als Gemahlin ausgewählt hatte. Da auch der andere Mann nicht mitsteigerte, wurde es eine recht ereignislose Auktion, und die Sklavin wurde für einen Preis verkauft, der eigentlich lächerlich war, wenn sie wirklich all dies konnte, was von ihr behauptet worden war. Ein Schnäppchen für den Aelier, und er konnte zufrieden sein - nun, es würde andere Gelegenheiten geben, und andere Sklavinnen, solange er nur einen Blick darauf hatte, ob jemand der Aufmerksamkeit wert war oder nicht. Leicht nickte er Fhina zu und wünschte ihr insgeheim Glück - den schlechtesten Haushalt hatte sie nicht gefunden. Damit wandte sich der Grieche ab und schlenderte weiter, an anderen Ständen das Angebot begutachtend, bevor er sich schließlich wieder dem Einkauf widmete, der sein eigentliches Ziel gewesen war.


    Sim-Off:

    Tja, miese Zufälle - der einzige Tag der Woche, an dem man unvorhergesehen länger unterwegs ist, ist auch der Endtag der Versteigerung, dumm gelaufen! Schade! ;)

    "Die wenigsten wirklich wertvollen Dinge erreicht man einfach so, aus purem Glück - die meisten muss man sich erarbeiten, und sehr vieles davon erreicht man niemals, auch wenn man sich sehr anstrengt," sagte Straton gemessen und wie so oft, ernst. Er verspeiste eine Olive, um Zeit zu gewinnen, bevor er die unangenehme Wahrheit weiterspinnen musste, die ohnehin auf der Hand lag. Sie war noch sehr jung, und wahrscheinlich war die Verliebtheit in ihren Herrn ihre erste überhaupt.
    "Zudem, Du hast Dir einen Menschen ausgesucht, zu dem Dich die Liebe wahrscheinlich nicht wird glücklich machen können. Ein Patrizier muss irgendwann heiraten, und mit seiner Frau Kinder zeugen, so sieht es die römische Tradition vor, und die meisten verbindet irgendwann wenn nicht Liebe, dann sehr viel Gewohnheit mit ihren Gemahlinnen. Wenn Du Glück - oder Pech - oder beides zugleich hast, dann nimmt er Dich mit in sein Bett, und Du erlebst einige schöne Nächte, und irgendwann wird er sich eine andere suchen, und seiner Ehefrau im Geiste treu bleiben, denn das sind die Werte, die für Patrizier wichtig sind, nicht die Gefühle einer Sklavin. Bedenke wohl, wen Du für Deine Gefühle wählst." Letztendlich würden die Worte des Griechen jedoch nicht vieles ändern können - das wusste er aus eigener, leidvoller Erfahrung. Auch er war gewarnt worden, auch er hatte nicht hören wollen und dafür bitter bezahlt.


    Als sie erwähnte, dass der Alkoholkonsum seine Folgen haben würde, verzog Straton nur kurz das Gesicht und nickte dann leicht. Wenigstens würde er heute nicht saubermachen müssen - oder irgendein anderer Sklave der Familie - denn auch dafür wurden die Freien fast fürstlich bezahlt. Saturnalienfeiern waren geradezu dafür prädestiniert, dass sich jemand übergeben musste, der das ganze Jahr über nur Wasser oder Säfte getrunken hatte, und es kam sehr häufig vor, dass Sklaven beim Alkohol über die Stränge schlugen. Extra für die Beseitigung etwaiger Spuren und zum Beiseiteräumen der alkoholgeplagten Gäste, die irgendwann im halben Delirium in einer Ecke hängen würden, hatte er einen der Freien abgestellt, und diesen winkte er nun heran, auf dass er Caelyn im gebotenen Höflichkeitsabstand folgen und die Ergebnisse des Rauschs beseitigen würde. Ein kluger Grieche sorgte eben für alle Eventualitäten vor. Seiner Gesprächspartnerin nun ledig, konnte er die restlichen Oliven in seliger Stille genießen, das Gefühl nicht loswerdend, dass sie wahrscheinlich in genau dieser Art noch leicht hätte zwei Stunden weiterreden können.

    Es war Straton, und nicht Aquilius, der nach dieser ereignisreichen Nacht das cubiculum seines Herrn betrat, und schweigend die Türe hinter sich schloss. Auch wenn der Sklave nicht allzu viel Schlaf bekommen hatte, sah man ihm dies nicht unbedingt an - seine beherrschten Gesichtszüge spiegelten wie so oft wenig von dem wieder, was er denken oder empfinden mochte, eine liebgewonnene, wenngleich nicht ideale Gewohnheit, wollte man in der Gesellschaft anderer nicht allzu viel auffallen. Sein ganzer Missmut war zumindest an diesem Morgen durch einen ausgiebigen Lauf im Villenviertel gewichen, seine beste Methode, sich ein wenig zu entspannen - und so hatte er wieder ein ruhiges Gemüt, als er den Raum betrat, in dem normalerweise sein Herr nächtigte.
    "Guten Morgen, Bridhe. Wie geht es Dir?" fragte der Sklave in seiner üblichen, von ausgesprochen wenig emotionaler Regung geprägten Intonation. "Ich habe Cungah eben auf dem Korridor getroffen, und sie meinte, sie wolle Dir eine Brühe zubereiten - aber bevor Du isst, werde ich Dich untersuchen müssen, um zu sehen, wie die Medizin gewirkt hat." Natürlich war Straton kein Arzt und hatte auch nie medizinische Kurse belegt, aber wenn man als Sklave in einem Haushalt aufwuchs und von klein auf daran gewöhnt wurde, sehr viele Dinge beherrschen zu müssen, eignete man sich auch einige medizinische Kenntnisse an, und mit Fiebern, Verstauchungen, kleineren Wunden wurde der vilicus durchaus fertig.

    "Du hast einen guten Geschmack," sagte der Grieche anerkennend, denn nicht jeder schmeckte die besondere Komponente dieser Oliven sicher heraus. "Ja, es ist Fisch, genauer gesagt, kleine Stücke Sardelle, die man in die Oliven steckt, um das Aroma mit Salz zu verbessern." Eine Olivensorte, die er selbst sehr gern hatte - und dass sie so ein großes Gefallen daran zu finden schien, bedachte man ihre genießende Mimik, ließ ihn sie einige Momente länger betrachten, als es sonst im Gespräch mit anderen Menschen der Fall war. Wie ihr Gesicht zu leuchten begann, wenn sie sich an etwas erfreute - eine so ehrliche, jugendliche Freude sprach noch davon, dass die Welt sie nicht verdorben haben konnte, was gerade bei Sklavinnen viel zu schnell geschah. Im Grunde war sie um diese unschuldige Freude zu beneiden, und war sich dessen wahrscheinlich nicht einmal bewusst. In einem gewissen Alter lebte man intensiv, ohne zu wissen, was dies für ein wundervoller Umstand war, und sobald diese Intensität verloren gegangen war, wusste man erst, wie begnadet diese Zeit doch gewesen war, ohne sie jemals zurück zu erlangen. Er hatte auch einmal so gelacht, so genossen, und wie lange schien dies her ...


    Aber bevor er sich selbst einen Ausflug in traurige Erinnerungen gestattete, und sich dies womöglich in seinen Augen wiedergespiegelt hätte, drängte er diese Gedanken beiseite, wie er es in den letzten Jahren immer wieder getan hatte, hatte tun müssen, um nicht zu verzweifeln. "Ich kann Dir sagen, wo Deine Heimat liegt, ja - wenn man eine Karte vor Augen hat, kann man es sich meistens besser vorstellen, es hat mir früher auch geholfen, diese Welt zu verstehen." Sie wirkte so neugierig, so wissbegierig, dass er sich insgeheim wunderte, warum sie keinen Lehrer bekommen zu haben schien, der sich um die Nutzung dieses Wunsches zu lernen kümmerte. Ihr Herr schien sich wohl eher darum zu kümmern, dass sie das Haus hütete, was für eine gedankenlose Verschwendung vorhandenen Potentials - im Grunde eine traurige Entwicklung, aber die jungen römischen Herren von heute schätzten gebildete Sklaven auch höher ein als kluge Sklavinnen, Frauen dienten ihnen doch meist eher als Bettwärmerinnen oder etwas dergleichen. "Wenn Du etwas wissen willst, frage nur, ich werde versuchen, es Dir zu erklären, Siv. Es gibt so vieles zu erleben und zu entdecken, gerade hier in Rom, in dem so viele Kulturen und Menschen zusammenleben wie an keinem anderen Ort des Imperiums."


    Und er hatte lange nicht mehr wirklich gelehrt - sicher, er hatte Bridhe Hilfen zum Schreiben und Lesen gegeben, auch das Rechnen mit ihr geübt, um sie auf den Umgang mit einem Abakus vorzubereiten, aber ihr Wunsch nach Wissen schien anders motiviert zu sein als der Sivs. Wissen zu erreichen, um einfach mehr zu wissen, eine solche Motivation war selten genug. "Aber ich stelle Dir eine Bedingung - ich gebe Dir dieses Wissen nicht umsonst. Wenn ich Dir von der Ferne erzähle, erzählst Du mir etwas von Deiner Heimat, denn über diese weiss ich nicht allzuviel." Es war ein faires Tauschgeschäft, und die Germanen waren zudem ein interessantes, in vielem kaum für ihn verständliches Volk, bei Severus' merkwürdigem Benehmen angefangen und bei Siv's Lernfreude aufgehört. Bisher hatte er einige Barbaren kennengelernt, aber die meisten waren doch eher laut und geistig nicht besonders rege gewesen. Er kaute genüsslich auf einer weiteren Olive und ließ auch von diesen ein kleines Gefäß füllen.

    Straton hatte Zeit - die Entscheidung, für die junge Frau zu bieten, war für ihn recht schnell gefallen, und was sie bisher auch zu jenem anderen Mann gesagt hatte, überzeugte ihn dessen, dass es kein Fehler gewesen war. Sie blieb höflich, auch wenn dieser andere ganz offensichtlich versuchte, sie in die Enge zu treiben, um mehr über sie zu erfahren, und wie so oft erwies er sich als besserer Beobachter denn Sprecher. Wenn ein anderer so bereitwillig Fragen stellte, war es sicherlich kein Fehler, Geduld zu beweisen und abzuwarten, ob sich jener zu einem Gebot aufraffen würde - aber schätzungsweise gehörte er zu jenen, die lieber bellten anstatt zu beißen. So kehrte sein ruhiger, sinnierender Blick immer wieder zu Fhina zurück, nicht forschend, nur registrierend, wie sie sich hielt, wie sie sprach, wie sie antwortete. Leidenschaftslos betrachtete er sie, und doch, der aufrechten und ruhigen Haltung konnte man durchaus ein gewisses Interesse entnehmen, wenn man darauf achtete.

    Es wurde nicht besser, nein, es wurde immer schlimmer, je mehr sie sprach. Alles in Straton drängte danach, ihr den Mund mit einer Handvoll Oliven zu stopfen, auf dass sie in ihrem Wortschwall wenigstens die ein oder andere Pause einlegen würde - wahlweise auch mit Fladenbrot, so die Oliven gerade nicht greifbar wären - aber er war der einzige im ganzen Raum, der es sich heute definitiv nicht erlauben konnte und durfte, in irgendeiner Form ausfällig zu werden, auch wenn ihm sehr danach war. Was er nun am allerwenigsten hatte wissen wollen, servierte sie ihm mit einer Miene, als wäre es das Bedeutsamste auf der Welt - bei Iuppiter, dachte der Grieche, warum kann mich nicht endlich jemand aus diesem Gespräch erlösen? Warum auch immer dieses Mädchen zu glauben schien, in ihm den idealen Gesprächspartner für ihre Seelenpein gefunden zu haben, er war sich keiner Versäumnisse den Göttern gegenüber bewusst, die jetzt zu einer solchen Bestrafung hätten führen dürfen. Gleich morgen würde er sicherheitshalber nochmal opfern, ein zweites Gespräch dieser Güteklasse würde er kaum durchstehen, ohne dass sein Kopf implodierte.


    "Ich kenne Aurelius Ursus zu wenig, um ihn einschätzen zu können, was seinen Geschmack an Frauen angeht und was er wirklich erwarten dürfte, um sich für eine Dame zu interessieren," hob er schließlich an, winkte einen der Freien zu sich und nahm sich ein Schälchen Oliven vom dargebotenen Tablett. "Aber an Deiner Stelle würde ich versuchen, ein akzentfreies Latein zu sprechen, das einen nicht sofort an einen Kutscher erinnert, wenn man es vernimmt, auf mein Äußeres und meine Kleidung achten und vor allem lernen, wann es besser ist zu schweigen und nur zu lächeln. Die wenigsten Männer wissen eine Frau zu schätzen, die ohne Unterlass plappert." Wahrscheinlich würde sie das Gespräch angesichts ihres Alkoholkonsums morgen ohnehin wieder vergessen haben, es schien ihm doch, als seien ihre vollmundigen Worte über ihre Trinkfestigkeit weit weniger wert als alle anderen bisherigen Aussagen aus ihrem Munde.

    Als Lars den Griechen dort vorfand, wo er sich des Abends meist aufhielt - in seiner privaten Kammer nahe der Räumlichkeiten seines Herrn, war Straon gerade damit beschäftigt gewesen, eine Rechnung fertigzustellen, die sich mit den Ausgaben des Aquilius beschäftigte, man konnte die Perlen des Abakus leise klicken hören, bevor die Stille durch Lars' Stimme gestört wurde. Ob des Aufzugs des Jungen verlor er kein Wort, immerhin war dies einer der Sklaven des Lucanus, und erst wenn er seinem Herrn unter die Augen kommen würde, hörte sich an, was er zu sagen hatte, und schloss seine Arbeit mit dem Hinweis ab, dass er gleich kommen würde.
    Erst als das Tintenfass verschlossen, der Abakus ordentlich verstaut und die Schriftrolle mit einem Lederband zusammengefasst worden waren, verließ der Grieche seine Räumlichkeit und schritt durch die ville hin zu Hannibals Quartier, an dem er klopfte, und dann eintrat, in der Hoffnung, den Sklaven dort auch vorzufinden. Wie so oft sah man ihm seine Gedanken nicht an, die dunkelblaue tunica, die er in der villa oft trug, wirkte im Zwielicht des spärlich erhellten Korridors fast wie schwarz gefärbt, und das stoisch anmutende Antlitz des Griechen hätte aus Stein gemeißelt sein können, so sehr ähnelte er an diesem Tag einer Statue.
    "Hannibal? Bist Du da?"

    Bona dea. In den letzten Tagen schien er wirklich andauernd auf Sklavinnen zu stoßen, deren Latein wirklich grausam war oder die sich, obwohl sie Latein sprachen, nicht auszudrücken verstanden - als im Haus ausgebildeter Sklave krümmte sich bei ihrer Ausdrucksweise Straton innerlich, aber er ließ es sich nicht allzu deutlich anmerken. Nun, ihre Sprechweise war enttäuschend, aber das, was sie zu sagen hatte, ließ ein wenig Hoffnung aufkommen, sie könnte eine angemessene Bereicherung des Haushaltes darstellen.
    "Was Du meinst, ist sicherlich eine Massage." Die Stimme des vilicus klang trocken, fast ein wenig spröde, bar jeglicher tieferen Emotion, doch nickte er leicht, zufrieden ob der genannten Informationen. "350 Sesterzen für diese Frau!" rief er in Richtung des Auktionators und behielt Fhina dabei im Blick seiner ruhigen Augen. Sollte sie wider Erwarten der Noch-nicht-aber-bald-Verlobten seines Herrn nicht gefallen, würde er sicherlich eine Verwendung für sie im flavischen Haushalt finden, auch die Gemahlin des Flavius Gracchus mochte eine zusätzliche Schönheitspflegerin gebrauchen können oder massierende, weiche Hände. Straton selbst mochte man die Herkunft aus einem der gehobeneren Haushalte Roms durchaus anzusehen - die dunkelblaue tunica, die er trug, war aus gutem Stoff geschneidert und hatte einen eleganten Schnitt, ebenso war er gepflegter als der Durchschnittsrömer.

    Ihr Latein war - offen gestanden - grässlich. Für einen Mann wie Straton, der in einem gebildeten Haushalt aufgewachsen war, bei dem auch Wert auf die Ausbildung der Sklaven gelegt worden war, sodass er neben Latein und Griechisch fließend auch noch den ein oder anderen hispanischen Dialekt beherrschte, war Sivs Vergewaltigung der lateinischen Sprache ziemlich schwer zu ertragen, aber er rechnete ihr an, dass sie bemüht war, ihre Fehler zu verbessern, wenn sie diese selbst entdeckte. Zu viele Menschen verließen sich darauf, dass man sie dann doch irgendwie verstehen würde, und trafen keinerlei Anstalten, irgend etwas an ihren Sprachkenntnissen zu verändern, was dann dazu führte, dass es immer wieder Sklaven gab, die zwar zwanzig und mehr Jahre in einem Haushalt verbrachten, aber doch ein Latein sprachen, für das sich selbst ein peregrinus schämen würde. Und da er Bildung zu schätzen wusste, konnte er auch eine Frau nicht deswegen verurteilen, weil sie eben das Lateinische noch nicht beherrschte, sich aber Mühe gab zu lernen. Im Grunde hätte Stratons Welt sehr einfach sein können - gäbe es nur lernwillige und wohlerzogene Menschen auf der Welt, wäre er erheblich zufriedener mit der menschlichen Rasse an sich gewesen, aber sicherlich auch sehr viel gelangweilter.


    Ihr leiser Laut des Genusses ließ ihn seine Gedankenwelt verlassen und zur Realität zurückkehren, gleichsam etwas überrascht wie auch erstaunt. Dass sie eventuell Oliven gar nicht kennen könnte, hatte er nicht bedacht, aber auch dieser Umstand fand Eingang in seine zukünftigen Überlegungen. "Von denen zwei Handvoll," sagte er in Richtung des Händlers, der die Oliven, die Siv so gut geschmeckt haben, sogleich in einen kleinen Tonkrug füllte und diesen mit einem Tuch verschloss, wie man es bei den meisten Mengen dieser Art, die zudem Öl oder Flüssigkeit mit sich führten, meist tat. "Sehen wir, was er sonst noch hat," damit neigte sich der Grieche, von einer gewissen Zufriedenheit über ihre Freude an den Oliven ergriffen, über das Angebot und deutete schließlich auf dunkelgrüne, mit winzigen geräucherten Sardellenstücken gefüllte Oliven, die wegen der Fischfüllung ziemlich teuer waren. "Die hier auch zum probieren," sagte er so bestimmt, dass der Händler gar nicht mehr protestierte - die Attitüde des Sklaven war die eines Mannes, der gewöhnt war, Geld beim Einkaufen auszugeben, und ob es nun seines war oder das seines Herrn, war dem Händler herzlich egal, hauptsache, er verdiente daran. "Versuche diese einmal." Damit bot Straton die Oliven Siv an, die er eben erhalten hatte, und wieder zeigte sich ein Anflug eines Schmunzelns auf seinen Lippen, denn dieser Geschmack war schon ein ganz anderes Extrem als die milden Oliven von eben - aber eben auch reizvoll.


    "Wenn Du Germanin bist, kann ich Dir leicht erklären, wo Deine Heimat liegt - aber nicht hier, dafür brauchen wir ein bisschen Platz auf dem Boden, dann zeichne ich Dir die Karte des römischen Reiches auf," führte er seine Gedanken fort, als sie ihm gesagt hatte, woher sie stammte. Das hatte er damals gemeinsam mit Aquilius fast spielerisch gelernt, die Karte des Imperiums und der umgebenden Länder, sie hatten wilde Schlachten mit Tonfiguren geführt, die Legionen versinnbildlichten, alles in allem sicherlich ein geschickter Schachzug seines Vaters, um zwei übermütige Jungen für das eher trockene Thema der Geographie zu interessieren. Wie lange war dies doch alles her ...

    Der vilicus des Flavius Aquilius hatte sich, wie es seine Pflichten erforderten, wieder einmal auf den Markt begeben, und eher zufällig denn gewollt führten ihn seine Schritte auch zu jenem Abschnitt, in dem die Sklaven feilgeboten wurden. Dass sein Herr die Absicht hatte, seiner Noch-nicht-aber-bald-Verlobten eine Sklavin für deren persönliche Bedürfnisse zu schenken, wusste er, aber auch, dass er bisher noch nicht die geeignete Frau gefunden hatte. So bummelte der Grieche sinnierend an den Ständen vorbei und betrachtete das aktuelle Angebot, das sich rein vom Aussehen der Damen her eher auf solche erstreckte, die eher im Bett ihrer Herren landen würden denn in den Räumlichkeiten der Gemahlinnen, um ihnen zur Hand zu gehen. In müßige Gedanken versunken, die sich vor allem um den noch anstehenden Einkauf drehten, passierte er die Stände, ohne eine Sklavin entdeckt zu haben, die ihm zusagte, bis die Rufe des Titus Tranquilius schließlich doch seine Aufmerksamkeit zu erregen wussten. Er nahm die junge Frau in seinen Blick und runzelte etwas die Stirn - rein von ihrer Haltung her schien sie weit weniger darauf bedacht, ihren Leib ansprechend zu präsentieren als die vollbusigen Negerinnen und die langhaarigen Ägypterinnen, die sonst noch so angeboten wurden, und ihr Blick wirkte offen und klar. So drängelte sich der Grieche mit einigen gezielten Ellenbogenstößen nach vorn, schubste einen fetten peregrinus beiseite, der wohl nur zum Gaffen gekommen war, und sprach die junge Frau direkt an.
    "Salve! Verstehst Du Dich auch auf die Künste des Frisierens und Schminkens einer Dame? Oder war Deine Ausbildung eher den handwerklichen Tätigkeiten in einem Haushalt zugewandt?"

    Zitat

    Original von Caelyn


    Langsam wanderte der Blick des Griechen an Caelyn herab und er stellte abermals fest, dass sie für ihn deutlich mehr Ähnlichkeit mit einem Jungen hatte als mit einer Frau - diese Grasflecken an den Knien waren fast schon der Gipfel. Zudem war sie nun wirklich unzweifelhaft angetrunken, etwas, das er an Frauen ebensowenig schätzte wie an Männern - er selbst achtete stets darauf, nicht zuviel Alkohol zu trinken, um alle Sinne beieinander zu behalten. Und wieso bezeichnete sie ihn ausgerechnet als Freund? Die zweite Augenbraue stieg in die Höhe und verlieh seinem Gesichtsausdruck mehr und mehr den deutlichen Anflug direkten Zweifels. Beim Schulterklopfen spätestens war das Maß an Vertraulichkeiten, die er von einer Fremden erdulden würde, gerammelt voll und überschritten.
    Gemächlich, aber durchaus nachdrücklich berührte er sie am Arm und traf Anstalten, sie in Richtung des Gartens zu führen, damit die kühle Abendluft ihr ein wenig der Trunkenheit aus dem Kopf wehen würde. Betrunkene Frauen hatten doch stets etwas jämmerliches an sich, und wenig davon war dergestalt, dass es ihm angenehm oder anziehend erschien.


    "Du empfindest also etwas für ... Ursus?" In dieser Zeit des Jahres konnte er getrost das nomen gentile weglassen, aber es fühlte sich doch seltsam an, einfach das cognomen eines Aureliers zu benutzen. "Wenn Du ihn also wirklich für Dich interessieren willst, sollte es Dir kein Opfer sein, einige Verhaltensweisen an seinen Geschmack anzupassen, sonst wird er Dich stets als etwas sehen, was ihm nicht als anziehend erscheinen kann - Patrizier sind wohlerzogene, junge Damen gewöhnt, die wissen, wo sie stehen und die man schon von klein auf gelehrt hat, zwar eine eigene Meinung zu besitzen, diese aber nicht brachial zu äußern. Zumeist erreicht man doch mehr bei anderen Menschen, wenn man sie nach und nach an bestimmte Dinge zu gewöhnen versucht, anstatt ihnen mit einem Holzhammer die eigenen Ansichten einzuprügeln." Wobei er sich eine Caelyn mit Holzhammer durchaus vorstellen konnte, es war nicht mal ein sonderlich abwegiges Bild. "Vor allem aber erkennt man das Wesen eines Menschen an seiner Bereitschaft, sich zu verändern, und Opfer zu bringen für ein selbstgewähltes Ziel. Wenn es also wirklich Dein Ziel ist, diesem Mann nahe zu kommen, solltest Du Dir überlegen, was an Deinem Wesen änderungsfähig wäre."

    Leise öffnete der Grieche die Tür zum cubiculum seines Herrn und stellte mit einem gewissen Maß inneren Missfallens fest, dass Bridhe sich noch immer in Aquilius' Bett befand und er ihr sogar die Hand hielt - bona dea, er hatte sich doch wohl nicht etwa in diese junge Weibsperson vernarrt? Wobei er es seinem Freund aus Kindertagen und nun Besitzer durchaus zutraute, sich richtig sinnlos zu verlieben, und welche sinnlosere Liebe hätte es schon zwischen einem Herrn und einer Sklavin geben können? So vertraut, wie er neben ihr saß, war ziemlich alles möglich, und von allen Flaviern wusste wohl Aquilius am meisten um seine körperliche Anziehungskraft und wie diese zu nutzen war. Innerlich seufzend dirigierte er die massige Cungah herein, die trotz ihrer dunklen Haut ein bisschen bleich wirkte, als sei sie durch Bridhes Krankheit erschrocken. Eilig trippelte sie an das Bett des Herrn und hatte der Kranken schon ihren ersten Wunsch erfüllt, bevor sich sein Herr überhaupt rühren konnte. Liebevoll wie eine Mutter setzte Cungah Bridhe den Becher Wasser an die Lippen und ließ sie trinken, soviel sie konnte, bevor sie Straton Platz machte, der den erhitzten Stein in einem Lederumschlag mit sich trug und diesen kurzerhand am Fußende des Betts unter der Decke verstaute, unter der Bridhe lag.


    "Ich habe Weidenrindentee gemacht, der das Fieber senken sollte bis der Tag anbricht, spricht sie darauf nicht an, muss ich etwas anderes versuchen - oder ein medicus ins Haus," sagte Straton nüchtern, während er den Krug mit dem Tee auf den Tisch neben dem Bett abstellte und den geleerten Wasserbecher mit der dampfenden, intensiv stinkenden Flüssigkeit füllte. Gut schmecken würde es nicht, aber helfen, und darauf kam es an. Cungah nahm den Becher in die breiten, weichen Hände, pustete vorsichtig darüber, und setzte Bridhe vorsichtig auf, um ihr dann den Becher anzubieten - es war leichter, sie trank selbst, als wenn man ihr die heiße Flüssigkeit eingeflößt hätte. Währenddessen bereitete Straton mit einigen Tüchern die heißen Wickel vor, die Bridhe noch bekommen würde, und die das Fieber mit Gewalt aus ihrem Körper treiben sollten.

    Während der Wortschwall Caelyns weiter und weiter über den Kopf des Griechen hereinbrach, behielt dieser den Blick auf seiner Umgebung, wie er es gewöhnt war - letztlich war eine wichtige Voraussetzung für das Gelingen eines Festes auch, dass sich zumindest im Haus niemand prügelte, und die im Raum liegenden Spannungen des Abends mussten sich nicht unbedingt in der villa selbst entladen. Was dem vilicus allerdings bei all den gesprochenen Worten doch seltsam ankam, dass diese junge Frau einem völlig Fremden so viel erzählte, was eigentlich vertraulich war - ihm wäre ein solcher lapsus sicherlich niemals passiert, war er doch mit dem Wissen um seinen Stand und dessen Grundlagen aufgewachsen, und ihre Art offenbarte schon durch diesen Umstand mehr, als sie jemals hätte sagen können. Welcher der Aurelier war verrückt genug gewesen, sich so eine Sklavin zu kaufen? Das konnte ja auf Dauer nicht wirklich gutgehen.
    "Auch wenn Du aus einer Weingegend stammst, wirst Du doch sicher wissen, welchem Wein ein gewisser Respekt ob der Reife und des Geschmacks gebührt, und welchen man trinken kann, als sei er gefärbtes Wasser," brachte Straton seine Kritik schließlich doch noch an den Mann - beziehungsweise die Frau. Ob sie jemals irgendwann aufhören würde, ihm Dinge zu erzählen, die ihn weder angingen noch interessieren durften? Aber wie es seine Art war, bewahrte er auch diese Informationen in einem Winkel seines Gedächtnisses, um sie später irgendwann zu nutzen.


    "Wenn Aurelius Ursus ein wohlerzogener Mann ist, was mir ob seines Erscheinens durchaus der Fall zu sein scheint, wird er auch von einer Frau ein gewisses Maß an Erziehung, Zurückhaltung und Benehmen erwarten - und auch eine Form von Sprache, die sich nicht anhört, als sei man gerade einem Pferdestall oder der Gosse entsprungen," fuhr der Grieche ungerührt fort. "Zudem dürfte er einer ansprechenden Erscheinung in Form von schöner Kleidung, ordentlichem Haar und gepflegter Haut sicherlich mehr Aufmerksamkeit zollen als einer Erscheinung, bei der man sich zuerst fragt, ob man einen Mann oder eine Frau vor sich hat. Patrizier haben an Frauen im Allgemeinen hohe Ansprüche, und einer der wichtigsten ist, dass man zu schweigen lernt und ihnen in vielem zustimmt, das lernen junge Damen schon sehr vieles, da es der Eitelkeit eines jeden Menschen schmeichelt, Recht zu bekommen, selbst wenn man nicht Recht hat." Schätzungsweise würden seine Worte an ihr wirkungslos abprallen, wie auch die vorherigen nicht allzu viel Wirkung gezeigt hatten, aber für ihn begann die Sache langsam ihren Reiz zu entwickeln.
    Was sie von den Ereignissen im Garten erzählte, liess er zufürderst erst einmal unkommentiert - dass sie auf jene Cadhla unbekannterweise eifersüchtig schien, war eine der Hauptinformationen, dass jene Tilla ebenso eifersüchtig auf eine unbekannte Rothaarige gewesen war, zudem. Warum lernten diese Sklavinnen nie, bei ihresgleichen zu bleiben? Sich in den Herrn zu verlieben, brachte nur Ärger, aber sie waren ja auch noch so jung. Es würde wohl die erste Lektion sein, die sie lernen mussten.

    "Ich schätze, ich würde mich im weiten Land oder im Wald eher verloren fühlen als in einer Stadt - aber es ist auch immer eine Frage, was man kennt, und was man gewöhnt ist," gab Straton zu bedenken, während er die schwarzen Oliven sinnierend probierte und den darin enthaltenen Kern zur Seite hin weg in elegantem Bogen ausspuckte. Dass weder sie noch er bald die Heimat wiedersehen würden, war nun einmal ein Teil des Sklavenlebens, und er hatte sich über die Jahre hinweg daran gewöhnt.
    Die Wochen, in denen er bei seinem Herrn in Achaia geweilt hatte, um dessen Angelegenheiten zu regeln, waren die schönsten seines Lebens gewesen, und das schwarze, dunkle Loch, das sich davor aufgetan hatte, war ein wenig verblasst, nicht aber die Erinnerung an jene, wegen derer es sich überhaupt aufgetan hatte. Einen kurzen, sinnierenden Seitenblick warf er bei diesem Gedanken auf Siv - was sie wohl erlebt hatte, bevor sie Sklavin geworden war? Aber sie danach zu fragen, erschien ihm als verfrüht und vor allem, es rührte bei den meisten Sklaven ein schlechtes Gefühl an, die einstmals die Freiheit gekostet hatten. Diesen Tag wollte er nicht unbedingt mit trüben Gedanken fortführen, zum Grübeln würde sie sicherlich früh genug kommen, wenn ihr danach war.


    "Du kannst mir helfen, die Waren zu kosten, damit mich diese übereifrigen Händler nicht betrügen, und das versuchen sie immer," meinte Straton, als er dem Händler zunickte, die schwarzen Oliven waren qualitativ einfach besser als die dunkelgrünen, und er ließ sich gleich ein Fässchen davon einpacken, das einer der anderen Sklaven übernahm. "Koste einmal diese hier," damit deutete er auf Oliven, die eine sehr helle grüne Farbe hatten und in Kräuterlake eingelegt waren. "Sie sind milder und werden meistens vor dem Essen verspeist, damit man sich nicht den Appetit verdirbt durch einen zu starken Geschmack."
    Dazu ein guter Schluck Rotwein von den Gütern seines Herrn und ein Stück Ziegenkäse samt Fladenbrot, und er war schon sehr zufrieden. Es war zwar eine sehr einfache Mahlzeit, aber man konnte sehr viele verschiedene Geschmäcker dabei erleben, und das machte für ihn den Reiz aus. "Aus welchem Land stammst Du, Siv? dann erkläre ich Dir, wie die anderen Länder liegen, damit Du es Dir besser vorstellen kannst." Er machte eine kurze Pause und sah ihr beim Olivenkosten zu, ohne zu sehr zu starren - immerhin war sie hübsch, ihr Lächeln hatte einen Reiz für ihn, und so beließ er es bei wenigen Blicken, bevor er die Schätze in der Auslage weiter mit seinen Blicken durchforstete. Seltsam genug war es, dass ihre Begleitung den Reiz des Einkaufs zu erhöhen wusste.

    "Dir ist schon bewusst, dass Du gerade einen edlen Falerner trinkst, als sei er Brunnenwasser? In Deinem eigenen Interesse hoffe ich, dass Du das gewöhnt bist, sonst hast Du morgen früh einen Kopf, der ungefähr die dreifachen Ausmaße offenbaren wird, die er nun besitzt - gefühltermaßen," kommentierte Straton recht knapp Caelyns Weinkonsum. Wie konnte eine Frau schon von sich aus so viel trinken? Es war nicht nur unstatthaft, sondern verlieh ihr auch die unsolide Ausstrahnung einer Weibsperson, die durch den Alkohol besonders leicht zu haben sein würde - nicht umsonst waren die Saturnalien einer der Hauptgründe, warum neun Monate später besonders viele Kinder geboren werden würden. Es hätte ihn nicht gewundert, würde gerade diese junge Frau am heutigen Abend die ein oder andere Lebenserfahrung machen, die sich später in lautem Geplärr und einer Neigung zur Windelverunreinigung äußern würde. "Das Fest entwickelt sich zufriedenstellend." Fremdworte kannte sie auch nicht - ein weiterer Punkt, der sie auf seiner inneren Achtungsskala ein wenig absinken ließ, denn eine Sprache nicht zu beherrschen, weil man aus einem anderen Land stammte, war noch immer etwas anderes, als Latein zu sprechen, das als solches schon fast nicht mehr zu erkennen war.


    In solchen Augenblicken bedauerte er es, als Ausrichter dieses Festes zur Höflichkeit gezwungen zu werden - schließlich sollte sich jeder Gast wohlfühlen - denn seine mehr oder minder knappen Kommentare schienen die Erzähllust dieser jungen Frau nur noch mehr herauszufordern. Dass sie ihm nun auch noch ihre Seelenpein anvertraute, nahm Straton als ein weiteres Indiz dafür, warum es immer wieder Männer gab und geben würde, die ihre Lust beim gleichen Geschlecht zu stillen vorzogen, Frauen redeten einfach oftmals viel zuviel.
    "Wenn Du Dir wünscht, von einem Mann wahrgenommen zu werden, solltest Du nicht auf den Zufall hoffen, sondern die Dinge selbst in die Hand nehmen. Herausfinden, was er schätzt, und dann entsprechend handeln." Ursus? Wahrscheinlich Aurelius Ursus, einen anderen Ursus kannte er nicht vom Namen her - und das brachte ihn wieder einmal zu dem Gedanken, dass Liebschaften zwischen Herren und Sklaven selten funktionierten und noch seltener Glück brachten. "Warum sollte Flavius Lucanus schuld an alledem sein? Letztendlich ist er, wie es einem Gastgeber gebührt, freundlich gegen alle Gäste, nicht gegen einen alleine. Weiß er überhaupt, dass sie sich für ihn interessiert?" Menschliche Beziehungen waren vor allem unübersichtlich und kompliziert, und die meiste Zeit zudem kräftezehrend, soviel war sicher.

    In der Tat, wenn man den hochgewachsenen Griechen von der Seite ansah, konnte man durchaus auf den Gedanken kommen, er hätte irgendwann einen Stock verschluckt, und seitdem nicht mehr losgeworden, er hielt sich sehr aufrecht, nicht zuletzt aus der Gewohnheit langer Jahre. Der Gegensatz zwischen dem etwa dreissig Sommer zählenden Mann und der jungen Frau hätte im Grunde nicht größer sein können - und er schien sich dessen bewusst zu sein. "Die gens Flavia zählt zu den angesehensten patrizischen Familien, da muss ich Dir recht geben, und schätzungsweise auch zu den vermögendsten." Also war sie tatsächlich aus der villa Aurelia, und ebenso wie er Sklave. Dass sie zu den Römern gehörte, schloss ihre Sprache samt dem blonden Haar wie von selbst aus. "Mein Name ist Straton, und außerhalb der Saturnalien bin ich der vilicus des Flavius Aquilius." Was die Rang- und Hackordnung recht eindeutig klarstellte - als Hausverwalter und damit der erste Vertrauensmann seines Herrn empfand sich Straton als höherstehend als die meisten Haussklaven der Flavier, die seinen Weisungen gegenüber gebunden waren, und auf diesen Umstand war er durchaus stolz.


    Ihre Worte allerdings ließen auch auf einen Streit schließen, der sich an einem solchen Fest eigentlich nicht ereignen sollte - aber man konnte es wohl kaum verhindern, wenn sehr unterschiedliche Menschen zusammen waren, die ansonsten durch Standesgrenzen und Pflichten voneinander getrennt waren. "Das Fest entwickelt sich durchaus agreabel," kommentierte der Grieche das Geschehen und stellte auch zufrieden fest, dass einige der Gäste sich dem Essen widmeten, und es ihnen zu schmecken schien. Was konnte man sich schon mehr wünschen als einen halbwegs friedlich verlaufenden Abend, der so viel schiefer gehen könnte? "Ist dies Dein erstes größeres Fest oder hast Du in Deinem Haushalt schon andere mitgemacht?" Freundliches Festgeplauder war Stratons Sache nicht und würde es wohl nie werden, das konnte man deutlich merken.

    Schweigend hatte er seine Schreibarbeiten zusammengelegt, um sie später weiterzuführen, und hatte eigentlich nicht mehr erwartet, dass Bridhe ihm etwas sagen würde - aber so wandte sich Straton ebenfalls kurz um und nickte ihr leicht zu, ohne wirklich zu antworten - aber dem vagen Lächeln, das seine Mundwinkel dabei umspielte, war durchaus zu entnehmen, dass er ihren Dank ernst nahm. Dann drehte er sich wieder zum Schreibtisch, schob die Perlen des Abakus alle auf dieselbe Seite und begab sich kurze Zeit später zur Tür des Raumes, um sich auf den Weg zu machen, das geeignete Versteck für Bridhes Schatz zu finden.