Beiträge von Caius Aelius Archias

    »He, ihr Landratten, zack zack, wir haben nicht ewig Zeit!« Caius wandte sich um und sah die Planke entlang noch oben auf das Deck des großen, bauchigen Schiffes. Der bullige Kerl sah ihn an. Caius runzelte die Stirn und deutete mit beiden Zeigefingern auf seine Brust. Lautlos formten seine Lippen ein Fragezeichen.
    »Na wen denn sonst, Schlaumeier? Seh sonst keinen außer euch da rumlungern!« Ein kehliges Lachen folgte, dann winkte der Seemann ab und ging über Deck nach achtern, wo er sich außer Sichtweite von Caius befand. Der sah Katander und Firas fragend an, zuckte dann aber mit den Schultern.


    Ehe er noch etwas dazu sagen konnte, stach ihm etwas anderes ins Auge. Ein dürrer Nubier, an dem die Kleider wirkten wie ein Sack in Übergröße, hatte sich eine der Kisten auf die Schulter gestemmt und balancierte damit die Planke hinauf. Caius wurde kreideweiß, als er sah, wie der Kerl in der Mitte etwas stehen blieb und sein Hab und Gut einfach nach oben warf, in die Arme eines nicht weniger schmächtigen zweiten Seemanns.
    »Heeee! Vorsichtig da, das kann kaputt gehen!!« brüllte er und gestikulierte wild in Richtung der Truhe. Der Kerl lachte nur zahnlos und warf die Kiste hin zu noch einem Seebären. Katander grinste, schwieg aber. Caius seufzte ergeben.
    »Vielleicht sollten wir dann mal... Sonst fahren die noch ohne uns los«[, bemerkte er zu Caius gewandt. Dem war die Gesichtsfarbe noch nicht wieder zurück gekommen.
    »Mhm-mhm...« Apatisch nickte er. Weil aber nichts passierte, begann Katander kurz darauf, Caius langsam Richtung Schiff zu schieben.


    Eine ganze Weile später befanden sich dann alle an Deck. Caius war bereits weiß um die Nase herum, Katander grinste nur. Befehle wurden gebelllt, Seile gelöst, Segel vorbereitet und Ruder ausgefahren. Es ging nach Hause. Im Moment aber wäre Caius liebend gerne in Alexandria geblieben, und zwar für den Rest seines Lebens....

    Tatsächlich war es dann wenige Tage später auch soweit. Während Caius noch am Packen war, hatte Katander die ehrenvolle Aufgabe, Merula eine Nachricht zu überbringen. Leider passte er dafür genau die Mittagspause ab, so dass er die Wachstafel lediglich hinlegen konnte, ehe er wieder ging.



    Salve Merula,


    es ist soweit, für mich geht es jetzt nach Rom. Leider habe ich bis jetzt noch keine Rückmeldung von Germanicus Avarus. Ich werde auf jeden Fall gleich bei ihm vorbeischauen, wenn ich angekommen bin, damit du weißt, woran du bist. Ansonsten bleibt mir nur zu sagen: War ne schöne Zeit bei der Post und am Ende auch mit dir. Halt die Ohren steif. Und ärger dich nicht über die Schreibfaulheit der Ägypter!


    Archias



    Mit erheblich grummeligem Gesicht wartete Caius also erneut am Ende der Schlange. Dann mittendrin. Und schließlich hatte er nur noch zwei andere Leute vor sich. Schließlich war er dran und legte dem hämisch grinsenden Verwalter die Wachtafel unsanft auf den Tisch.
    »Ach da schau her. Na, alles ausgefüllt?« Der Beame grinste hämisch. Oder kam Caius das nur so vor?
    »Mh-mh«, erwiderte er nur gepresst. Dann nahm der Hafenverwalter die Wachstafel auf und überflog sie grob.
    »Hier steht bei 'Grund des Aufenthalts', dass du leitender Postbeamter bist. Ist das richtig?« Er sah auf und fixierte Caius scharf mit seinen Augen.
    »Ja, warum?« fragte dieser.
    »Och. Nur so. Bei mir gingen erstaunlich viele Briefe verloren in letzter Zeit, weißt du...« Der Beamte fuhr mit dem Zeigefinger über die Einrahmung der Tafel und sah scheinbar zärtlich darauf hinunter. Caius glaubte sich allmählich im falschen Film.
    »Aha. Das tut mir leid«, entgegnete er gepresst.
    »Ahja. Hm. Ich glaube, hier ist etwas nicht richtig ausgefüllt...« Süffisant lächelnd reichte er Caius die Tafel zurück. Dieser war inzwischen rot angelaufen. Er nahm die Tafel und knallte sie dem Kerl zurück auf den Schreibtisch.
    »Jetzt hör mir mal zu, du nautischer Sesselpuper: Ich werde heute ein Schiff nach Rom nehmen! Und es ist mir schnurzpiepegal, ob ich dabei auf deiner blöden Tafel etwas falsch ausgefüllt habe! Mein Name steht drauf und wer mit mir zusammen Alexandria verlässt. Entweder reicht das oder nicht!« Und damit drehte er sich herum und stapfte wütend aus dem Büro hinaus. Katander grinste sich eins und folgte ihm, während der Beamte nur blöd gaffte und seine Sprache nicht wiederfand, ehe sie den Raum verlassen hatten.

    »Das daaaaauuuuert«, nörgelte Caius halblaut herum, während sie anstanden und warteten. Katander wurde angeflirtet, bemerkte es jedoch nicht. Rings um sie herum war ein ständiges Gemurmel und Getuschel, denn sie waren nicht die einzigen, die warteten. Da war ein seltsam stilles Pärchen mit komischen Turbanen auf dem Kopf. Von der Frau waren nur die Augen sichtbar und ihr unförmig sackartig wirkender Körper. Es gab einen griechischen Händler, der bis hinüber zu ihnen sagenhaft nach einer Weihrauch-Opium-Mischung stank (und sie standen quasi am anderen Ende des Raumes), und direkt hinter ihm versuchte eine spanische Hure, die wohl Lassiranda Dennsiwillja hieß, gerade, einen Freier abzuschleppen.


    Ein Mann mit Rauschebart und klimpernden Goldohrringen verhandelte gerade mit dem Hafenverwalter. Er trug einen dreieckigen Hut auf seinen perlenverzierten Haaren und stellte sich als Kapitän Sparronis vor, der mit seiner Schwarzen Perle heute den Hafen verlassen wollte. Irgendwas hatte da wohl nicht mit den Papieren gestimmt, deswegen war er hier und hatte schlechte Laune. Caius horchte auf - das war das Schiff, auf dem er eine Überfahrt gekauft hatte! Als er sich endlich fertig gestritten hatte und an ihnen vorbei stapfte, wollte Caius ihn erst ansprechen, aber dann sah er die dunklen Ringe um die Augen und das grimmige Gesicht und verschob seine Vorstellung in eigenem Interesse auf später. Eine halbe Stunde später war er dran.


    »Name, Ein- oder Ausreise?« murrte der Verwalter.
    »Caius Aelius Archias. Ich möchte mich und meine Sklaven Katander und Firas aus den Listen austragen lassen. Wir wollen heute nach Rom segeln«, erwiderte Caius und begegnete dem langweiligen Blick des Hafenverwalters mit einem Lächeln.
    »Aha.« Er zog eine abgegriffene Wachstafel hervor und schob sie Caius hin.
    »Das ausfüllen und dann wieder hier abgeben«, instruierte er Caius. Der sah sich um und entdeckte die Schlange, die inzwischen aus dem gebäude heraus stand.
    »Ähm, aber anstellen muss ich mich dann nicht noch mal, oder?« vergewisserte er sich. Der Beamte grinste nur und nickte langsam und schadenfroh.
    »Doch.« Caius fiel das Lächeln aus dem Gesicht, nahm die Tafel und ging zur Seite, um sie auszufüllen.

    Caius besah sich Axilla prüfend. Etwas an ihr wirkte plötzlich seltsam, so als sei sie es nicht gewöhnt, jemand so etwas zu versprechen oder überhaupt auf sich achtzugeben. Das registrierten sogar seine beinahe emotionalresistenten Sensoren. Deswegen legte er den Kopf schief, als sie ihn fragte, ob ihm das wichtig war, und hob nur viel sagend die Augenbrauen an. Es schien zu klappen, denn kurz darauf versprach Axilla ihm das, was er hatte hören wollen. Zufrieden lächelnd nickte er.


    Ihm entging auch nicht, dass sie ihn Caius nannte, aber ohnehin fand er, dass das schon längst überflüssig war. Auch vorher schon, als sie noch nicht intim miteinander gewesen waren, denn immerhin waren sie inzwischen so gut miteinander befreundet, dass es das durchaus rechtfertigte. Und er selbst sagte ja auch schon Axilla zu ihr seit...seit...soweit er sich erinnern konnte. Er machte nun kein Drama draus, weil sie es ihm endlich gleich tat. Vielmehr freute ihn, dass sie ihn überhaupt so nannte. Er erwiderte den Abschiedskuss recht kurz, aber herzlich, dann folgte er ihrem Blick und nickte.


    »Ja, dann lass uns mal.« Sprach's und ließ Axilla den Vortritt. Wenig später verließ er Axillas Zuhause, ganz so, als wäre nichts weiter gewesen.

    »Sehr gut«, erwiderte Caius zufrieden.
    »Nichts anderes wollte ich hören. Wär ja schon schlimm, wenn mich jemand für so einen verkorksten alten Schnösel hält. Und auch gut, dass ich kein Patrizier bin.« Da fiel ihm ein, dass Quarto ja ein Senator und Piso ein Patrizier war. Schnell fügte er in Gedanken eine Ausnahme hinzu, die seine Freunde und Verwandten außen vor ließ.


    »Ahso«, gab Caius dann zurück, als Axilla das mit ihrem Vater erwähnte. Ihm war natürlich entfallen, dass Axillas Vater tot war. Andererseits war er auch nicht dumm, und da er noch nicht von einem berühmten (ehemaligen) spanischen Tribun in Alexandria gehört hatte, der obendrein noch ein Iunier war, schlussfolgerte er einfach, dass er tot war. Oder zumindest wo anders lebte. Besser war es, nichts weiter dazu zu sagen, zumal Axilla auch nicht so locker wirkte. Tjaha, das war mal ein Näpfchen, das Caius erkannte, bevor er hinein stolperte.


    »Danke«, sagte er wegen der akkuraten Falten.
    »Du begleitest mich noch heraus, oder? Aber erst, wenn du mir dein Versprechen gegeben hast.« Denn ihm war nicht entgangen, dass sie darauf nicht geantwortet hatte.

    Dann wurde er sauer.
    »Na und?« blaffte er Katander an. Der sah sich dadurch bestätigt und verdrehte die Augen.
    »Ja wie, na und? Du weißt doch, wie Seiana ist! Kein Rumgepoppe vor der Hochzeit und so, dann wird sich das ganz sicherlich nicht toll finden!« Schon holte er Luft, um weiterzumachen, da unterbrach Caius ihn nüchtern.
    »Das wird sie gar nicht erfahren.« Und das nahm Katander den Wind aus den Segeln, so dass ihm erstmal nur Luft entwich statt einer Schimpftirade. Dann...
    »Wie jetzt?«
    »Naja, ich sag es ihr nicht. Und du auch nicht«, fügte er mit scharfem Blick hinzu. Katander glotzte.
    »Gut. Ich tippe trotzdem darauf, dass sie gewinnt«, entgegnete Katander dann patzig, und da war es Caius, der glotzte.
    »Wie, gewinnt?«
    »Naja, also mal ehrlich, du bist ein hundsmieserabler Schauspieler. Ich tippe darauf, dass Seiana gewinnt, wenn ihr euch dann deswegen prügelt.« Katander schlenderte gemütlich neben Caius her, als er das sagte.

    Als Axilla sich vollständig angezogen hatte (und Caius fand, dass eine einseitig entblößte Schulter durchaus etwas für sich hatte!), kam sie zu ihm und half bei den grottig gelegten Falten. Caius ließ dafür die Hände sinken und reckte das Kinn ein wenig nach oben. Dann, als sie fertig war, reckte er in Rednerpose eine Hand und setzte eine durch und durch arrogante Miene auf.
    »Na, was denkst du? Wäre ich wohl ein guter Politiker?« Er grinste, denn er hatte bisher nicht vor, sich auf eine Stufe mit diesen Speichelleckern und Möchtegernimperatoren zu stellen. Er hätte wohl auch einen gar grausigen Redner abgegeben, aber das war eine andere Sache. Selbst Quarto verstand er nur selten, wenn der seine politische Redekunst zur Schau stellte.
    »Wie, Rüstung? Da kommt mein Bauch doch gar nicht zur Geltung«, frotzelte er und grinste breit.
    »Na na, lass mal. Eine Rüstung ist glaube genauso wenig was für mich wie eine Senatorentoga.« Und das war nicht nur seine Meinung, sondern auch eine Feststellung. Fand er. Dann dachte er etwas nach und fragte sich, woher sie das mit der Rüstung wusste.
    »Soso. Also ziehst du öfters Soldaten aus? Hätte ich ja nie im Leben angenommen«, scherzte er und sah sie gespielt kritisch an. Dann sah er Axilla prüfend an und fing ihre beiden Hände ein.
    »Du musst mir versprechen, dass du gut auf dich acht gibst.« Er wartete und sah sie ernst dabei an.

    Nachdem Caius nun auch der Vermieterin bescheid gesagt hatte, dass sie sich einen neuen Mieter suchen musste (und die Alte war nicht gerade begeistert), war nun eigentlich alles bereit für die Abreise. Naja, bis auf Katander. Der stand auf der Veranda und sah aus, als würde er gleich losheulen. Caius warf zum letzten Mal schlampig seinen Umhang auf die Ottomane, dann ging er hinaus zu seinem Sklaven und legte ihm die Hand auf die Schulter.
    »So. Eigentlich wär's das jetzt«, sagte er und klopfte dem guten Katander den Rücken.
    »Ja«, seufzte der Sklave und ließ die Schultern hängen.
    »Na, nu komm. Es geht heim, du siehst Elena wieder...«
    »Ja, das schon... Nur gefällt es mir hier eigentlich auch gu, weißt du? Denkst du denn, dass wir irgendwann wieder nach Ägypten gehen?« Katander drehte sich um und sah Caius an, der nun ebenfalls seufzte.
    »Ich denk schon. Mir hat es hier nämlich auch gefalllen.«
    »Das hast du in Germanien auch gesagt«, rief Katander ihm in Erinnerung und zog einen Mundwinkel nach oben. Caius grinste.
    »Da hat's mir ja auch gefallen. Du weißt doch wie das ist. Man muss nehmen, was man kriegen kann. Ich hab keine Ahnung, wo es als nächstes hingeht. Aber jetzt bleiben wir erstmal eine Weile in Rom. Und dann hat ja auch Seiena Mitbestimmungsrecht«, wandte Caius ein und folgte Katander nach drinnen. Katander sagte dazu nichts. Das mit Seiana dürfte spannend werden.


    Caius schloss sorgfältig die Balkontür und warf einen Blick auf das Zimmer. Damals hatte er es möbliert angemietet, deswegen blieb auch ein Großteil der Möbel hier zurück. Allerdings hatte sich im Laufe der Zeit eine erhebliche Menge Schnickschnack angehäuft, und den nahmen sie selbstverständlich mit. Katander sah sich noch einmal um.
    »Ich werd das hier ganz schön vermissen.«
    »Ja. Ich auch.« Beide seufzten synchron.
    »Na, nun komm. Wir müssen das Schiff kriegen.«
    »Ich bin mir sicher, du kannst es kaum noch erwarten...« Katander grinste, als Caius einen bösen Blick auf ihn schleuderte. Die Truhen waren bereits verladen. Es fehlten nur noch Caius und Katander. Und die zogen soeben die Tür hinter sich zu und schlossen ab.


    Das einzige, was zurück blieb, war der Umhang.
    Denn den hatte Caius im Tran vergessen.

    »Hier sind die Sandalen, die du haben wolltest.« Katander, der ein Handtuch über die Schulter geworfen trug, reichte Caius besagte (gesäuberte) Sandalen. Dieser stopfte sie zu den Tuniken und Toilettenartikeln in die Truhe und versuchte dann, den Deckel noch zu zu bekommen. Ächzend setzte er sich darauf und hüpfte ein wenig herum.
    »He, hilf mir mal!« fuhr er Katander an und winkte unwirsch mit der Hand. Katander hob eine Augenbraue, sagte er nichts, sondern wischte sich die Hände am Handtuch trocken und warf es dann auf das Bett. Statt sich neben Caius zu setzen und mitzuhüpfen, stemmte er allerdings die Hände in die Hüften.
    »Steh mal auf.« Caius hielt inne und starrte Katander fragend an.
    »Na mach schon«, legte dieser nach und machte eine auffordernde, ungeduldige Geste mit der Hand. Caius erhob sich. Katander hob den Truhendeckel an und stopfte den geplätteten Sandelenriemen auch noch in die Truhe. Danach ließ sich das Ding verteufelt einfach schließen. Caius grummelte. Katander grinste.
    »So, das wär's«, meinte er fröhlich, klopfte sich die Hände klatschend und verschwand wieder in der Küche. Caius zog eine Grimasse und äffte Katander mit Schweinchennase nach, während er los zockelte, um die nächste Truhe zu packen.

    Dass man ihn vielleicht anklagen würde, daran dachte Caius nicht einmal im Geringsten. Es hatte sicherlich auch etwas für sich, den Namen des Kaisers zu tragen und zu dessen Familie zu gehören. Aber schließlich musste er nicht darüber nachdenken. Er schwang die Beine über die Bettkante und stand auf. Da sah er dann auch, was Axilla meinte. Wieder musste er grinsen.


    »Komisch, hab gar nicht mitbekommen, dass ich für dich gestrippt habe?« bemerkte er, als er seine Tunika von einer umgefallenen Vase fischte und den zerknitterten Überwurf unter dem Bett hervor zog. Ein wenig umständlich zog er sich an und versuchte, sich die Falten des schräg sitzenden Überwurfs gescheit zurechtzulegen. Katander war ja nicht da, also musste er es wohl oder übel selbst hinbekommen. Allerdings sah er, als er fertig war, eher aus wie ein verpacktes Geschenk als ein stattlicher Römer. Selbst sah er das natürlich nicht. Caius bekam noch den letzten Rest des Anziehens von Axilla mit. Er pflückte eine der Spangen vom Boden und sah sie skeptisch an. Das Metall war seitlich ein wenig verformt.
    »Hmh. So schwer bin ich aber doch gar nicht«, überlegte er laut und versuchte, das Metall zurückzubiegen. Der Versuch endete mit einem leichen Kracken. Daraufhin hielt Caius die nun weziteilige Spange in Händen und sah Axilla zerknirscht an.
    »Ups...«

    »Iiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaah !!!«
    Katander fiel in der Küche fast vom Stuhl, als dieser Schrei durch das Treppenhaus hallte, dicht gefolgt von dem Poltern, das Caius auf dem Holz verursachte, als er hinauf gestürmt kam. Katander eilte ihm entgegen (man konnte ja nie sicher sein, was er nun schon wieder angestellt hatte). Sein Herr wedelte mit zwei Briefen herum.
    »Rom! Rom! Wir sehegeln nach Rom!« verkündete er grinsend, und Katander verstand.
    »Quarto hat mir geschrieben. Er sagt, da geht irgendwas vor sich mit den Flaviern. Wurde aber auch Zeit! Jedenfalls soll ich so schnell wie möglich nach Rom kommen. Er hat da was an Valerians Hof in Aussicht und freut sich schon. Und Pi hat auch geschrieben. Den besuchen wir als allererstes, wenn wir nicht mehr seekrank sind...«
    »Du«, bemerkte Katander.
    »Äh?«
    »Naja, du wirst seekrank, ich nicht.« Caius grummelte und verdrückte sich mit den Briefen in sein Arbeitszimmer.
    »Werden wir ja sehen.«

    »Dann wär das ja geklärt«, erwiderte Caius und grinste zufrieden. Über die womöglich aufkommenden Probleme würde er nachdenken, wenn es soweit war, aber nicht jetzt. Und überhaupt, irgendwie musste er plötzlich mal. Deswegen war er auch gar nicht so böse, dass Axilla plötzlich die Zeit ansprach und ihren Blick noch einmal über ihn gleiten ließ. Er versuchte, seine Brustmuskeln anzuspannen, aber es gelang nicht so recht. Caius gab auf und setzte sich hin.
    »Hm. Ist sicher bald Zeit für Merula«, sagte er. Caius selbst hatte heute ja frei. Er hatte noch so einiges an Überstunden, und wenn Merula mal seinen Platz einnehmen wollte, war es gar nicht so schlecht, dass er den Laden mal alleine schmeißen musste.
    »Ehem. Meinst du, wir sollten dann vielleicht...?« fragte er. Immerhin war das hier Axillas Zuhause, da konnte sie entscheiden. Aber besser wäre es wohl schon, wenn sie nicht gerade aus Axillas Privatzimmer kamen, wenn Merula nach Hause kam... Caius wandte Axilla den Kopf zu, überlegte nicht lange und zog sie kurz zu sich heran, um ihr einen Abschiedskuss zu verpassen. Als er sie wieder los ließ, grinste er.
    »So. Jetzt können wir.«

    Seit dem Absenden seines Briefes an Quarto saß Caius sozusagen auf glühenden Kohlen. Er rechnete jeden Tag mit einer Antwort, auch wenn es erst zehn Tage her war, dass er den Brief auf die Reise geschickt hatte. Rechnete man die doppelte Schiffspassage ein, war es unsinnig, dass er jetzt schon wartete. Das hinderte ihn allerdings nicht daran, trotzdem nervös die tabellarii abzupassen. Spätestens nach dem dritten Tag schüttelten die schon vorsorglich den Kopf, wenn Caius um die Ecke gepest kam, um sie zu Briefsendungen für ihn zu interviewen.


    Aber Quarto war ja nicht der einzige, auf den er wartete. Er hatte auch dem Legaten geschrieben, Seiana und seinem Freund Piso, und bisher hatte er noch von keinem eine Rückmeldung erhalten. Katander war ebenfalls ein Nervenbündel. Nicht etwa, weil er selbst es kaum erwarten konnte zu erfahren, ob sie nach Italien oder Germanien reisen würden, sondern weil Caius ihn schlichtweg kirre machte. So warteten Herr uns Sklave darauf, dass möglichst bald ein tabellarius mit vollen Händen bei ihnen Halt machen würde, statt nur den Kopf zu schütteln.

    Caius hatte sich gewünscht, dass Seiana etwas aufgeschlossener gewesen wäre, was das Beisammensein vor der Hochzeit anging. Aber Seiana hatte ihren Standpunkt relativ deutlich gemacht. Deutlicher ging es eigentlich gar nicht mehr. Das gab ihm aus ihrer Sicht ganz sicher nicht den Freischuss, aber andererseits waren sie ja auch noch nicht verheiratet. Und Caius wollte gar nicht wissen, wer sich selbst in der Ehe gelegentlich mal seinen Spaß wo anders holte. Er selbst hatte dazu noch keine Meinung, aber immerhin hatte er bisher auch noch nicht daran denken müssen.


    Er hatte seinen Arm lässig um Axilla gelegt und wäre wohl in den nächsten Minuten eingepennt, wenn sie nicht plötzlich eine Frage gestellt hätte, die er nicht nachvollziehen konnte.
    »Hm? Äh, wieso solltest du nicht kommen dürfen?« fragte er sie verständnislos und verrenkte den Kopf im Liegen nach unten, um Axilla anzusehen. Er sah aber nur verworrene Haare, deswegen ließ er den Kopf wieder fallen und seufzte kurz. Dann dachte er im Zusammenhang ihrer körperlichen Aktivität im neuen Licht über Axillas Frage nach. Jetzt ergab sie mehr Sinn.
    »Ach so. Naja, klar kommst du mich besuchen«, sagte er noch mal.
    »Das würde mich freuen. Also, wenn du möchtest.« fügte er an und dachte daran, was Seiana dann dazu sagen würde.

    Es vergingen geschlagene zwanzig Minuten. Sie waren inzwischen fünfundzwanzig Stände weiter und hatten neben einem Rückenschrubber und einer Dose für Milchzähne auch einen quietschgelben Schleier, eine Kette aus Krokodilszähnen und eine Tüte getrocknete Datteln gekauft. Katander wunderte sich schon lange nicht mehr. Er begriff allerdings langsam, dass diese Kaufwut für Caius wichtig war. Womöglich kompensierte er damit etwas, das Katander nicht einmal erahnen konnte.


    »Caius. Caius, warte mal eben.« Er war eben doch ein netter Bursche. Und er konnte seinen Herrn ja nicht sich selbst überlassen. Also versuchte er es anders. Caius ging noch ein paar Schritte, dann blieb er stehen und drehte sich zu Katander um, scheinbar genervt.
    »Was.«
    »Warum sagst du mir nicht, was passiert ist? Vielleicht kann ich helfen? Was ist denn nur los mit dir?« Katander war nun ernsthaft besorgt und zeigte das auch.
    »Weil ich weiß, dass du zu Elena rennst. Und die rennt dann damit zu Seiana«, erwiderte Caius kurz und bündig, zog eine Grimasse und wollte weitergehen, doch Katander brachte es trotz seiner Lasten irgendwie fertig, ihn am Arm zu fassen und festzuhalten. Dass dabei die Milchzahndose verloren ging, merkte keiner von beiden, auch später nicht.
    »Hast du jemanden umgebracht?« wollte Katander ganz ernsthaft wissen. Caius machte ein Gesicht, als hätte man ihn geschlagen, dann runzelte er missbilligend die Stirn und schüttelte den Kopf.
    »Blödsinn«, murrte er. Katander wirkte erleichtert.
    »Dann warst du mit ihr in der Kiste«, stellte er sachlich fest. Und diesmal sagte Caius nichts.

    Caius hatte noch nie eine Gallierin vernascht. Aber wenn das das gewesen war, was die gallischen Frauen besonders gut konnten, dann war das...das war...woauhh... Er hatte das Gefühl, als würde er schmelzen, so warm war ihm. Gerade dachte er wieder an Seiana, aber diesmal anders. Ob sie sowas auch konnte? Vielleicht konnte sie sich biegen wie eine Brezula? Das würde er (mit etwas Glück) noch herausfinden. Träge legte er einen Arm um Axillas schwitzige Schultern und seufzte tief. Mei mei mei....


    Da fiel es ihm siedendheiß ein! Vielleicht ergab sich ja eine Möglichkeit, dass Axilla und Seiana und er einmal zu Dritt etwas unternahmen...? Fasziniert starrte er die Decke an, deren gleichmäßiger Farbton dabei half, sich gewisse Fantasien auszudenken und sie liebevoll mit Details zu schmücken. Wie damals bei der Inspektionsrunde, nur eben ohne Sklaven und Sand im Bett. Das könnte ihm gefallen. Aber Caius' Traum zerplatzte wie eine Seifenblase, als er daran dachte, dass Seiana da niemals mitspielen würde. Nicht, wo sie doch schon Keuschheit vor der Ehe gepredigt hatte. Dementsprechend tief war der Seufzer dann auch, der folgte, ehe er den Kopf zu Axilla drehte und sie ansah.


    »Puh, also... Das war...« Caius wedelte mit der freien Hand irgendwo in der Luft herum und ließ sie dann wieder fallen.
    »Bei Isis, du bist ja eine Wildkatze!«


    :D

    Das war eine gute Frage. Zu besagtem Zeitpunkt aber war sich Caius noch nicht bewusst, dass er gar nicht schauspielern konnte. Das würde die ganze Sache nicht nur schwieriger, sondern nahezu unmöglich machen.
    »Ich weiß nicht«, antwortete Caius daher und dachte nur kurz an die Sklaven, die sie bei ihrem Ausrutscher beobachtet hatten. Aber daran wollte er lieber gar nicht denken, also dachte er auch nicht mehr daran. Und Caius war ziemlich gut darin, Dinge auszublenden.


    »Ähmmmhhhhmmm...« Worin er nicht so gut war, war Hitzewallungen zu unterdrücken. Und gerade kam eine, wenn auch nur emotional. Sie konnte doch wohl unmöglich... Oder...aber doch? Die Hände auf seiner Brust waren warm, die Haut weich. Rom war weit weg...und sie waren allein. Caius schluckte. Die eben noch stark ausgeprägten Schuldgefühle wurden mit jeder Streicheleinheit gemildert. Und Axilla war warm. Vor allem aber befand sie sich [strike]direkt neben[/strike] halb auf ihm. Caius hatte die Augen halb geschlossen und bemerkte gar nicht, dass Axilla ihn fragend ansah. Irgendwo tief in seinem Gewissen piekte noch ein winzig kleines Schuldgefühl, aber auch Caius erkannte, dass es vermutlich gleichgültig war, ob er nun ein- oder mehrmals mit Axilla schlief. Man ging ja schließlich nicht zu seiner Angebeteten und beichtete, wie oft man mit einer anderen geschlafen hatte, sondern nur dass man es getan hatte. Insofern war es für Caius in diesem Moment mehr als nachvollziehbar, dass er Axilla schalten und walten ließ, wie sie wollte. Genüsslich kräuselten sich seine Lippen und die Augenlider sanken beinahe ganz hinunter. Er verschränkte die Arme hinter dem Kopf und eriwderte...gar nichts.


    :P

    Caius wartete. Die Tränen würden sicherlich jeden Moment losplätschern. Aber stattdessen hing Axilla ihm plötzlich wieder am Hals und bedeckte das, was sie erreichen konnte, mit Küssen. Den armen Caius irritierte das dermaßen, dass er sie entgeistert anschaute, kaum dass sie etwas von ihm abrückte und sein miserables Geständnis wundervoll fand. Spätestens jetzt dachte er wirklich, dass sie ihm etwas vorspielte. Aber die Freude in ihrer Stimme klang dermaßen echt, dass das eigentlich nicht sein konnte. Caius kniff die Augen ein wenig zusammen und beschloss, einfach nachzuhaken.
    »Du bist nicht, äh, traurig oder sowas?« fragte er behutsam und mit mehr als skeptischem Blick.


    Ob er es ihr sagen wollte? Eigentlich nicht. Er dachte an die ohnehin angedrohte Prügelei mit Serapio, Seianas Bruder. Sicher würde die um einiges schlimmer ausgehen, wenn er Wind davon bekam, weshalb seine Schwester unglücklich war. Axillas Schreck war ihr aufs Gesicht gezeichnet. Caius knirschte kurz mit den Zähnen. Sicher würde das Seiana verletzen.
    »Naja, meinst du nicht? Besser, als wenn sie es irgendwann selbst herausfindet.« Davor hatte Caius jetzt schon Bammel. Er konnte ja auf den richtigen Moment warten, wenn er ihr das sagte, überlegte er. Vielleicht wäre es gar nicht so dämlich, erstmal die Klappe zu halten. Vielleicht kam es ja auch nie raus. Caius plante zwar sicher nicht vorsätzlich, durch andere Betten zu tingeln, aber der Sex mit Axilla war doch recht angenehm gewesen. Und wenn Seiana nicht herausfand, dass... Dann bestand doch bestimmt die Möglichkeit, hin und wieder ein kleines Schäferstündchen... Uh, nein, daran durfte er nicht einmal denken! Und doch dachten andere Körpertele unpassenderweise gerade sehr angestrengt darüber nach. Caius grabschte sich die dünne Bettdecke und stopfte sie etwas umständlich mit einer Hand um seine Hüften.


    »Ähm.« Er räusperte sich, leicht verlegen, und versuchte, auf Axillas Worte einzugehen, soweit er sie erfasst hatte.
    »Ich möchte dich eigentlich auch in Zukunft hin und wieder sehen«, sagte er. Dann fiel ihm auf, wie zweideutig das schon wieder klang, und er zog seufzend eine Flunsch. Allerdings erhellte sich augenblicklich sein Gesicht, als er Axillas Ausredenvorschlag hörte. Genau! Sie hatten es beide gebraucht. Das stimmte ja auch. Caius konnte auf Anhieb keinen Haken daran erkennen.
    »Ja, ein Freundschaftsdienst«, bestätigte er.
    »Ich wäre auch gerne weiterhin dein Freund. Obwohl wir... Naja.« fügte er hinzu. Und auch das war unerhört zweideutig, ohne dass er es registrierte.

    »Wie hab ich denn das zu verstehen?« fragte er, plötzlich hellwach, und taxierte Katander, der ungerührt zurück starrte.
    »Du hast mich schon verstanden«, sagte er ruhig.
    »Glaubst du, ich bin blind? Wir kennen uns jetzt seit dreißig Jahren oder so. An dir nagt doch was, seitdem wir bei den Iuniern waren. Und du kaufst doch nicht umsonst diesen ganzen Plunder.« Katander runzelte verärgert die Stirn und hätte am liebsten seine Arme von den Paketen und Tüten befreit. Doch er raschelte nur ärgerlich damit und sah Caius vorwurfsvoll an. Caius schwieg. Er sah weg.
    »Das geht dich nichts an«, sagte er gepresst.
    »Aha, na fein. Bitte, geht es mich nichts an. Du musst ja wissen, was du machst. Der Herr Aelius hat sich ja auch noch nie geirrt oder wo hinein manövriert, wo er nicht mehr rauskam!« Katander sah nun ebenfalls weg und hielt den Mund. Caius ließ eine Frau vorbei, die einen abgeschnittenen Gänsehals trug, und fühlte sich unbehaglich. Wenn Katander ihm schon ansah, dass etwas nicht stimmte, dann konnte er vor Seiana erst recht nicht verbergen, was er getan hatte. Das war zumindest erst sen Plan gewesen, aber eigentlich hatte er ihn schon vorher verworfen. Er konnte sie nicht heiraten und anlügen. Das hatte sie nicht verdient. Schweigend setzte er sich wieder in Bewegung. Katander zockelte mit etwas Abstand hinter ihm her.