Beiträge von Caius Aelius Archias

    Caius hatte die Hände auf dem Rücken zusammengefasst und besah sich den eindrucksvollen Platz der regia. Kassandros Worte und die untermalenden Gesten ließen seinen Blick mal hierhin, mal dorthin huschen. Der Wohntrakt des Präfekten wirkte von außen recht normal, doch erzählte man sich von seiner Frau, dass sie einen ganz eigenen Geschmackssinn habe. Dementsprechend bunt musste es dort drinnen wohl aussehen, doch durch die Fensteröffnungen sah man leider nichts.


    »Großveranstaltungen? Auch Theateraufführungen und sowas?« hakte Caius sogleich nach, als Kassandros davon sprach. Schließlich musste man immer etwas in petto haben, wenn Seiana ihn vielleicht besuchen kommen wollte. Irgendwann. Etwas verträumt bedachte er die sie begleitende Iunierin mit einem abwesenden Blick, zumindest bis Katander flüchtig seinen Ellbogen zwischen Caius' Rippen steckte.

    Caius lächelte zerknirscht. Was hätte er auch sonst anderes tun können? Es schien keinen Ort im imperium zu geben, in dem man nicht wenigstens einen seiner Verwandten kannte, der besser bekannt oder auf der Karriereleiter weiter war als er selbst. Ein sonderlich guter Gesprächspartner schien er auch nicht zu sein. Starke Zweifel kamen in ihm auf, doch er kämpfte sie irgendwie nieder. Da läutete der praefect auch schon das Ende ihrer Unterhaltung ein.
    »Oh, ich habe zu danken, praefect. Ich hatte ehrlich gesagt nicht damit gerechnet, dass du einen stationarius empfangen würdest.« Was im Grunde die nackte Wahrheit war. Dafür war Caius ohnehin ein Spezialist.
    »Ich habe sonst keine Fragen mehr, vielen Dank. Dein scriba war bereits so freundlich, mir eine Stadtführung anzubieten. Ich hoffe, bald auch eine nette insula zur Miete zu finden. Ich nehme an, wir werden uns noch das ein oder andere Mal begegnen, Präfekt.« Und das wirkte nun wie eine Drohung, war aber im Grunde nur der Versuch, freundlich zu sein. In der Nähe von Kassandros seufzte Katander tief und verkniff sich gerade noch rechtzeitig ein Kopfschütteln.

    Während sie hinunter gingen, schien der Grieche zu überlegen. Den Preis, den er letztendlich nannte, war Caius nur zu bereit zu zahlen. Er befand sich, im Gegensatz zu den Preisen Ravennas, wie er fand, noch in durchaus angemessenem Rahmen, um nicht zu sagen im unteren Preisniveau. Die Szenerie, die sich ihnen im Schankraum bot, war mit der einer ganz normalen, römischen Schenke zu vergleichen, und so schenkten weder Caius noch Katander irgendwem groß Interesse. Hünen wie den bulligen Ägypter hatte wohl jedes Gasthaus vorzuweisen. Wie der Wirt mit seinem Sklavenjungen umging, stieß zwar nicht auf Gegenliebe bei den beiden, wohl aber auf Akzeptanz. Hier hatte man nichts davon, wenn man sich deswegen beschwerte. Und außerdem war die Aussicht auf das Hühnchen doch zu verlockend, um etwas einzuwenden, was den Jungen nur davon abhalten würde, seine Beine in die Hand zu nehmen und sich zu sputen.


    »So«, sagte Caius, als sie ächzend am Tisch saßen.
    »Sechzig Drachmen...hm, nimmst du auch Sesterzen an? Wenn nicht, müsste ich erst wechseln gehen«

    »Für...« Caius warf Katander einen Blick zu.
    »...na gut, wir nehmen das Zimmer zwei Wochen, erstmal, würde ich sagen.« Katander seufzte.
    »Mehr Knete hab ich gerade nicht«, presste er zwischen den Zähnen hervor, und augenblicklich trat Verständnis in Katanders Augen. Er nickte und ließ den Seesack fallen.
    »Dann wär das abgemacht und wir könnten etwas essen, nicht?« sagte der Sklave, und synchron knurrte sein Bauch.
    »Am besten einen Braten oder sowas«, pflichtete Caius ihm bei, und gemeinsam folgten sie dem Wirt wieder nach unten.

    Katander tippte sich ungesehen zweimal an die Stirn und verdrehte die Augen, als der Wirt von seinen Dämpfen redete. Caius zuckte mit den Schultern und folgte ihm einfach. Schließlich konnte nicht jeder das innige Verhältnis zwischen ihnen richtig deuten, sagte er sich entschlossen. Er hatte Mühe, den Ausführungen des Wirts zu folgen, verwirrte ihn dieser doch mit den Preisen und seinen Touristentipps. So ließ er etwas abwesend seinen Blick durch den kleinen, aber feinen Raum schweifen. Erst, als Katander sich räusperte und so die schon eine Weile existente Stille durchbrach, äußerte sich Archias.
    »Ja, also, nein, wir waren noch nicht auf dem...Zapfen. Aber dazu ist sicher noch Zeit, der läuft ja nicht weg. Und die Zimmer... Naja, ich denke, wir nehmen eins. Wenn du noch ein Bett herschaffen könntest, wär das praktisch. Wir werden wohl eh nur zum Schlafen hier sein, vielleicht zum Essen, wenn es so gut schmeckt wie die Zimmer aussehen«, gab er zurück, und auf Katanders Gesicht zeigte sich ein zufriedenes Lächeln.

    Katander und Caius sahen sich erstaunt an.
    »Er ist mein Sklave, musst du wissen«, sagte Caius und argwöhnte nicht, dass er damit einiges noch schlimmer machen könnte. Katander jedoch besaß genug Geistesgegenwart bei seiner Reaktion.
    »Würden wir darauf Wert legen, täte uns ein Bett genügen«, entgegnete er kühl und verschränkte die Arme. Erst jetzt dämmerte Caius der Sachverhalt, und er errötete leicht - ob vor Scham oder Ärger, war erstmal nicht absehbar, und glücklicherweise zeigte der Grieche ihnen nun die Zimmer, weshalb Caius nicht in Verlegenheit kam, zu antworten, und nur nickte. Sie folgten dem Wirt durch einige Korridore nach oben zu den Zimmern über der Küche.
    »Fünfzehn«, murmelte Archias.
    »Drei pro Nacht, wenn wir länger nach was zur Miete suchen. Ich finde, du solltest das machen, man weiß nie...« murmelte Katander zurück. Da blieb der Grieche stehen, und beide sahen ihn erwartungsvoll an.

    »Zuerst das Zimmer«, sagte Caius.
    »Zuerst was zu essen!« sagte Katander im gleichen Moment. Die beiden sahen sich erstaunt an, grinsten dann und Katander zuckte mit den Schultern, während Caius sich erneut an den Chef wandte.
    »Also, zuerst das Zimmer. Wir stellen unser Gepäck ab und dann würden wir gern etwas essen«, erklärte er und sah dann rätselnd den Griechen an, der ihnen eine weitere Frage stellte.
    »Wie lange wir bleiben werden, kann ich noch nicht abschätzen. Mindestens eine Woche, schätze ich. Wir werden länger in Alexandrien bleiben und werden uns wohl nach etwas eigenem umsehen«, entgegnete Caius treudoof.
    »Wie viel? Hm. Naja, wir brauchen zwei Betten, einen Schrank und etwas, wo man sich setzen kann. Eine Zimmerflucht ist da wohl das falsche. Wir werden wohl ohnehin die meiste Zeit unterwegs sein. Hast du sowas da?«

    »Oh, es ist mir eine außerordentliche Freude, Iunia Varilia«, erwiderte Caius und lächelte der Dame zu. Katander nickte nur zum Gruße und sparte sich eine weitere Bemerkung. Wie kam es nur, dass sein Herr bei den unpassendsten Gelegenheiten Worte fand, nach denen er in wichtigen Situationen vergebens suchte? Caius indes schmunzelte belustigt über die Formulierung des Schreibers, er würde den Postdienst übernehmen. Annektieren würde er ihn, besetzen, sich dessen bemächtigen...sein Schhaaaaattzzzzz....


    »Das stimmt soweit, Kassandros, aber ich stamme aus Ravenna. Rom war nur eine Zwischentsation meiner Reise«, berichtigte Caius gut gelaunt, schließlich hatte Kassandros nicht ahnen können, woher er tatsächlich stammte.
    »Natürlich nicht«, fügte er an, als es um die Besichtigung ging.
    »Zu dritt macht es mehr Spaß als zu zweit.« Woraufhin Katander ihm einen finsteren Blick zuwarf, den Caius nicht bemerkte.

    »Ja«, erwiderte Caius in Ermangelung einer passenderen Antwort. Er konnte doch schlecht sagen, dass er diesen Passienus als äußerst geschwätzigen Mann in Gestalt einer Boje und mit dem Intellekt eines Weißbrots während eines Empfangs kennengelernt hatte, und dass jener sich am Schluss der Feier mit je einer ansehnlichen Dame rechts und links hurtig nach Hause begeben hatte... Caius aber kam gar nicht in Versuchung, diese Gedanken überhaupt auch nur ansatzweise auszusprechen, denn der praefectus warf nun einen Namen ins Gespräch, der Caius' Lächeln die Ehrlichkeit ein wenig nahm. Dennoch hielt er es aufrecht.


    »Der...Sohn von Quarto«, wiederholte er etwas ungeschickt, noch ehe er sich eine Antowrt zurechtgelegt hatte. Er lächelte nochmals gezwungen und schüttelte dann den Kopf.
    »Wir haben nicht mehr gemein als unseren nomen gentile«, erwiderte er schließlich so sachlich, wie es ihm möglich war. Wie kam es, dass er überall und ständig von den Größen seiner Familie überschattet würde? Er musste daran dringend etwas ändern. Nicht zum ersten Mal beschloss Caius dies, und doch war es ihm diesmal ernster als jemals zuvor. Irgendwann sollte schließlich auch jemand von ihm so reden. »Bist du eigentlich mit Aelius Archias verwandt? Dem großen Eques - Senator!-Eques!-Senator!-Eques!! - dem großen Eques, der das ganze Imperium damals...« Caius blinzelte und konzentrierte sich wieder auf das Hier und Jetzt. Er musste ernster werden, das stand fest. Und irgendwann würde er sich entscheiden müssen, doch bis dahin war es noch ein langer Weg, den er bei weitem nicht nur wegen einer Dame gehen wollte, die im fernen Rom ganz allein war.

    Passienus, Passienus... Ah!
    »Passienus Lollianus? Als ich zurück in die Heimat reiste, war er sogar drauf und dran, zum praefectus ernannt zu werden. Ob etwas daraus geworden ist, kann ich dir aber leider nicht sagen«, erwiderte Caius und versuchte sich an das grobschlächtige Gesicht besagten Mannes genauer zu erinnern. Doch das einzige, dessen er sich erinnerte, war das Mundwerk, das zu oft zu voll genommen worden war.
    »Meine Zeit in Germanien ist allerdings auch schon wieder ein knappes Jahr her.«

    Sim-Off:

    Und da isser :D


    Nach der Audienz waren Katander und Caius noch schnell ihre Habseligkeiten in dem Gasthaus verstauen, das Kassandros ihnen zuvor genannt hatte. Gut gelaunt und mit frischem Elan fanden sich die beiden schließlich wieder im Palast des Statthalters ein und begaben sich direkt zum Zimmer der scribae, von dem sie nun ja wussten, wo es lag. Katander klopfte und trat hinter Caius ein.
    »Salve Kassandros - und salve, schöne Dame«, grüßte er zuerst den Schreiberling und danach die Frau, welche sich in seiner Begleitung befand.
    »Komme ich ungelegen?« fragte Caius, denn er wusste schließlich nicht, dass die Frau sie begleiten würde.

    Der Knabe schien doch recht verunsichert, aber wenigstens konnte er den beiden Suchenden an jemanden verweisen, der wohl zuständig war.
    »Salve«, entgegnete Caius.
    »Und danke für die freundliche Begrüßung. Wir hätten gern ein Zimmer und etwas Warmes im Bauch. Was kannst du uns denn anbieten?« fragte Caius gut gelaunt, während Katander sich in der Schankstube umsah. Sein Magen knurrte, und er hatte wenig Lust, jetzt noch lange darauf zu warten, dass Archias sich ein Zimmer aussuchte. Er wollte gleich etwas essen und vor allem den leckeren Gewürzwein probieren, der gerade in dieser Lokalität so angenehm lecker sein sollte.

    »Nein, praefectus«, antwortete Caius und schüttelte den Kopf.
    »Ich war zuvor in Germanien als scriba des Hafenmeisters von Brigantium tätig.« Und er hoffte, dass die dort erworbenen Kenntnisse ihm auch beim Postdienst helfen würden. Immerhin hatte der praefectus portuensis ihn mit Arbeit zugeschüttet, auch wenn sie gar nicht in sein Tätigkeitsfeld gefallen und er zudem absolut unterbezahlt gewesen war - aber das war eine andere Geschichte.
    »Ich denke, ich werde mich schnell einarbeiten können«, fügte er hinzu.

    Schon hatte Caius den Mund geöffnet, um zu beteuern, dass der PP nicht explizite Namen genannt, sondern nur von Ämtern gesprochen hatte, da trat Kassandros vor und warf einen Namen ins Spiel, den Caius sich besser merkte. Zur Sicherheit vermerkte auch Katander den Namen gedanklich, und Caius nickte.


    »Postumius Vortex. Gut, vielen Dank, ich werde ihn später aufsuchen. Gibt es denn etwas, dass du vielleicht noch wissen musst oder möchtest, praefectus?« fragte Caius, da er selbst nicht so genau wusste, was er noch sagen sollte, war diese Audienz doch ein wenig plötzlich gekommen und er nun zu überrumpelt. Bestimmt fielen ihm später noch tausend Fragen ein. Fürs erste aber begnügte er sich damit, den praefectus genauer in Augenschein zu nehmen, er wirkte selbstsicher, aber auf eine entspannende Weise normal. Und war er nicht ein Klient von Quarto?

    »Herzlichen Dank, praefectus. Die Reise war ehrlich gesagt weniger angenehm, aber ich bin immerhin heil angekommen«, erwiderte Caius und lächelte schief.
    »Wie lange ist denn die Stelle vakant? Und kannst du mir vielleicht sagen, wer mein Ansprechpartner hier vor Ort ist?« Irgendwer musste schließlich die ganzen Briefe nach dem Scheiden des letzten stationarius abgehandelt haben. Und der PP hatte etwas gemurmelt von wegen Aushilfe aus anderen mansiones, nur Namen hatte er Caius keine nennen können. Vermutlich hatte man als Prätorianerpräfekt aber auch anderes im Kopf als die Namen irgendwelcher Postbeamten.

    »Das ist es also.«
    Caius stand mit in die Seiten gestemmten Armen im Türrahmen und besah sich das kleine, schlichte Bürochen. Katander stand hinter ihm und versuchte, an seinem Herren in irgendeiner Weise vorbei zu spähen, was ihm aber nicht gelang.
    »Aha...Hm-hm... Wenn ich was sehen könnte...« murrte er, was Caius dazu veranlasste, kurz zusammenzuzucken und ein wenig beiseite zu treten.
    »Tschuldigung. Und - was sagst du?«
    »Hm. Bisschen...mau«, entgegnete Katander und raubte damit dem breiten Strahlen auf Caius' Gesicht ein wenig der Intensität.
    »Also, ich find es toll, dafür, dass es sozusagen mein eigenes erstes Büro ist.«
    »...sieht man von Germanien mal ab.«
    »Ach komm, das war eine Abstellkammer. Ganz winzig, da hat gerade mal ein Schreibtisch und ein Stuhl reingepasst, das kannst du doch gar nicht vergleichen. Dagegen ist hier richtig Luft, und es gibt sogar ein Fenster...« Caius trat ein wenig weiter in den Raum hinein und besah sich die Möblierung genauer, während Katander nur den Kopf schüttelte und ans Fenster trat, um hinaus zu sehen.
    »...und schau dir mal die Maserung an, ist die nicht prächtig? Richtiggehend hochwertig, und...«
    »Mhm.«
    »....die Besucher einen Platz, und wenn es mal länger dauert und sie warten müssen, dann brauchen sie sich nicht die Beine in den Bauch stehen. Und...«
    »Hm-hm.«
    »...ganz toll, wirklich. Und so viel Stauraum, da kann man ja Unmengen an...«
    »Aham.«
    Schweigen.
    »Nun sag doch auch mal was!«
    »Huh? Wie? Ich meine, was war?«
    »Katander, also manchmal würde ich mir wirklich wünschen, du wärst ein wenig mehr wie ich.«
    »Alles, nur das nicht... Äh, ja. Entschuldige. Ich hab mich nur gerade gefragt, ob die diesen Platz hier nutzen wie das forum romanum in Rom«, redete er sich heraus und deutete mit dem Daumen über seine Schulter das Fenster hinaus und auf die agora.

    »Und du bist dir auch wirklich sicher, dass es das hier ist?«
    »Jahaaa«, gab Caius entnervt zurück.
    »Nagut. Wollt nur noch mal nachfragt haben«, murmelte Katander, der schon wusste, warum er besser dreimal fragte statt keinmal. Er zog die schwere porta auf und trat hinter Caius ein. Immer noch hatte er den schweren Sack geschultert, der alles Nötige für Reise und die ersten Tage in Ägypten enthielt, alles weitere würden sie erst noch einkaufen müssen, wenn Caius sein erstes Gehalt erhalten hatte.


    »Das nenn ich mal heimelig«, sagte Caius und sah sich begeistert um. Essensgerüche dampften durch den Raum, überall summten und murmelten die Stimmen der Gäste.
    »Ganz nett«, meinte Katander nur und hievte den Sack von der Schulter.
    »He du«, sagte Caius zu einem vorbeieilenden Bediensteten und hielt ihn an.
    »Kannst du uns sagen, wo wir jemanden finden, der uns eine Unterkunft zuteilt?«