Beiträge von Merit-Amun

    [Blockierte Grafik: http://img231.imageshack.us/img231/4549/sklave6mq2.jpg]


    Da Ursus sich nicht setzen wollte, blieb auch Matho stehen. Er hatte schon erwartet, dass Ursus nicht gerade begeistert war. "Nein, dominus. Aber wäre ich an seiner Stelle, würde ich mich auch nicht mehr blicken lassen", erwiderte Matho und wiegte den Kopf hin und her. Dann nickte er. "Werde ich. Sowohl was die Schlösser als auch diesen Phelanson angeht. Bitte folge mir, Herr." Matho machte eine einladende Bewegung und begann anschließend, Ursus das haus zu zeigen, während sie sich weiter unterhielten.


    "Ja", erwiderte er und überlegte nur kurz. "Aber wenn du mich nach meiner Beurteilung fragst, hat Fhionn doch mehr dazu beigetragen, dass die Kleine wieder gesund wird." Mehr gab es dazu auch nicht zu sagen, und da Matho in einem recht beiläufigen Tonfall sprach, ging er davon aus, dass Ursus es dabei belassen würde. "Das werde ich." Auch wenn das kleine Biest damit für die Reise eigentlich von gar keinem Nutzen war, dachte er bei sich.


    "Das officium. Wir haben die Gegenstände bereits verstaut, die Corvinus angefordert hat. Nur bei denen hier waren wir nicht so sicher." Matho wies auf eine Reihe Dinge, die auf dem Schreibtisch aufgereiht dalagen, darunter auch ein Brieföffner in Löwengestalt und eine kleine Fortunastatue. "Was sollen wir damit machen?"

    Sivs Gesichtsausdruck änderte sich und wurde weicher. Merit-Amun wusste nicht recht, was die Veränderung ausgelöst hatte, doch sie fand sie nicht schlecht, denn wenn Sivs Ärger verraucht war, bedeutete dies, dass Merit nicht mehr zerknirscht sein musste. Die zierliche Ägypterin beugte sich ein wenig zur Seite, um dem feuchten Nieser zu entgehen, mit dem Sertorio seine Bazillen verbreitete, und sah dann erneut Siv an, die gerade den Löwenzahn wieder einsammelte. Merit-Amun hatte sehr oft Schwierigkeiten, Sertorio zu verstehen. Er sprach nicht so wie Matho oder Hektor, auch nicht wie Siv oder Fhionn. Mehr wie Caelyn, auch wenn sie Caelyn besser verstand als Sertorio.


    Als er auf sie wies, hörte sie genauer hin, verstand jedoch nur, dass es ums Putzen ging. Mit großen Augen sah sie den Sklaven an - sollte sie nun wieder arbeiten, wo sie doch sozusagen das erste Mal seit Wochen wieder aus eigenen Kräften stehen könnte? Zweifelnd warf sie Siv einen Blick zu und verfluchte wieder einmal, dass sie nicht verstand, was um sie herum vorging. In diesem Moment reifte ein Entschluss in Merit-Amun. Sie musste dringend besser die Sprache der Römer lernen, auch wenn sie sie nicht um der Römer Willen lernen wollte, sondern vielmehr der Sklaven wegen. Aber eines war sie sich bewusst: Sie würde nur eine Chance haben, wenn sie sich verständigen konnte. Und dazu musste sie Latein lernen.


    Ergeben seufzte Merit-Amun und folgte Sivs Aufforderung. Sie setzte sich auf einen Hocker nahe des Herdfeuers und betrachtete aufmerksam die Germanin und den...ja wo kam er eigentlich her? Im Versuch, freundlich zu sein, zeigte sie auf Sertorio. "Serrrtorió. Du wo? In Hause?" fragte sie ihn mit ihrem singsangähnlichen, ägyptischen Dialekt.

    [Blockierte Grafik: http://img231.imageshack.us/img231/4549/sklave6mq2.jpg]


    Eine gehässige Antwort lag Matho auf der Zunge, als Siv ihn anfuhr, doch er war klug genug, in Ursus' Gegenwart die Klappe zu halten. Später würde er noch genug Zeit haben, um Siv zu verhöhnen. Vorerst ließ er also einen beflissentlich ernsten Ausdruck auf seinem Gesicht erscheinen, musterte Siv mit missbilligend erhobener Braue und sparte sich jeden Kommentar. "Sehr wohl, dominus", intonierte er, ganz der vernünftige Sklave, der er meistens war.


    Besonders freute ihn Ursus' beiläufige Bemerkung, er werde Corvinus schreiben, denn natürlich grassierte in der Sklavenschaft die Meinung, dass der Herr wohl eine Lieblingssklavin hatte, was sich nicht in Bevorzugung äußerte, sondern von den vielen Nächten herrührte, in denen Siv nicht in ihrem Bett lag, sondern in einem anderen. "Wir erwarten morgen einen Handwerker wegen des defekten impluvium. Zudem soll der Wein geliefert werden, den du bestellt hast, dominus. Je nach dem, wie lange der Handwerker benötigt, wäre ein Aufbruch in etwa einer Woche recht realistisch, sofern du uns nicht mehr benötigst." Matho hatte inzwischen die Arme auf den Rücken gelegt und stand sozusagen Spalier. Er konnte es gar nicht erwarten, Siv unbeaufsichtigt in die Finger zu kriegen.

    [Blockierte Grafik: http://img231.imageshack.us/img231/4549/sklave6mq2.jpg]


    "Möchtest du dich währenddessen vielleicht setzen und etwas trinken, dominus?" fragte Matho zuvorkommend. Grips hatte er ja, das musste man ihm lassen. Sonst hätte er es wahrscheinlich auch nicht soweit gebracht.


    "Das macht nichts, Herr, wirklich nicht. Ich habe mich um alles gekümmert und veranlasst, dass die Räumlichkeiten auf Vordermann gebracht werden", versicherte er. "Der Keller sah grauenhaft aus, vier Amphoren Wein waren ausgelaufen - vermutlich eine minderwertige Lieferung - und wir haben neben den üblichen Spuren auch einige Nester von Nagetieren gefunden. Was die Zimmer angeht, so wurde schon ein Auge darauf geworfen, auch wenn wohl nur das Nötigste gemacht worden ist. Die Fensterläden waren ordnungsgemäß verschlossen und die Möbel mit Laken geschützt. Das heißt, bis auf das Gemach, in dem die junge Helena seinerzeit genächtigt hat. Das Bett war nicht gemacht und auf dem Tisch standen recht frische Essensreste. Wenn du eine Mutmaßung erlaubst, Herr, ich denke, dass dort vor kurzem noch jemand geschlafen hat, vielleicht sogar über einen längeren zeitraum hinweg. Im triclinium und der Küche haben wir ebenfalls solche Spuren gefunden. Sertorio sagte, dass dort einige Töpfe und Pfannen herumstanden, ungesäubert und teilweise noch mit Essen drin. Und im Esszimmer wirkte es so, als hätte dort vor kurzem jemand zu einem Gelage geladen und anschließend nur mäßig sauer gemacht." Matho runzelte beteuernd die Stirn und zuckte mit den Schultern. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass die villa damals so verlassen worden ist. Alle anderen Räume scheinen aber in Ordnung zu sein."


    Als er nun nach Merit-Amun fragte, überlegte Matho nicht lange. Er wusste wohl, wem die kleine Sklavin das Leben zu verdanken hatte, doch er ließ bewusst einen Namen aus. "Es geht ihr besser, dominus. Fhionn hat sich fabelhaft um sie gekümmert. Sertorio und Caelyn waren ebenfalls eine Hilfe, auch wenn die beiden kurz nach deiner Abreise ja ebenfalls fort gegangen sind. Ähm, Herr? Hast du etwas von dominus Corvinus gehört?"

    [Blockierte Grafik: http://img231.imageshack.us/img231/4549/sklave6mq2.jpg]


    Matho beaufsichtigte gerade Hektor und Fhionn beim Waschen der Vorhänge - er kaute einen Apfel und lehnte an der Tür - als jemand nach ihm rief. Er seufzte tief und rollte mit den Augen, dann zuckte er die Schultern und wandte sich zum Gehen. "Dass ihr mir ja ordentlich weitermacht", maulte er noch, ehe er ging.


    Während er Ursus ansteuerte, dessen Stimme ähnlich nervig wie die von Hektor klang, wie er fand, sann er über mögliche Strafarbeiten nach, die er noch verteilen konnte, nachdem der Keller strahlte wie ein Juwel und der größte Teil der persönlichen Dinge von Corvinus bereits ausgemistet und sortiert worden waren. Ihm fiel nichts ein, doch es würde sich bestimmt noch etwas finden lassen, wenn er genauer darüber nachdachte. "dominus", grüßte er Ursus und lächelte freundlich. Die Herrschaften wussten nicht, welche Tyrannei Matho in der Sklavenschaft walten ließ, weswegen die meisten ihm mit Neutralität statt Argwohn begegneten. Und er machte seine Sache nach außen hin schließlich auch recht gut - alle Aufgaben waren stets erledigt.

    [Blockierte Grafik: http://img231.imageshack.us/img231/4549/sklave6mq2.jpg]


    Matho bedachte Caelyn mit einem missmutigen Blick. Die hatte ihm nun echt noch gefehlt, mit ihrem treulosen Verhalten und der Klappe, die eindeutig eine Nummer zu groß für sie war. Was machte sie überhaupt hier - wieso war sie nicht im Kastell? "Nein, es ist nicht alles locker", presste der maiordomus der römischen villa zwischen den Zähnen hervor, mit bekannt hochrotem Gesicht. "Es gibt schließlich auch Leute, die ihre Arbeit gewissenhaft verrichten und nicht mal eben bummeln gehen, wie andere!" schnauzte er sie grob an, ehe er davondampfte und sowohl Caelyn stehen ließ als auch denjenigen, den er angebrüllt hatte.


    In der nächsten halben Stunde war Matho unauffindbar. Nicht, dass überhaupt jemand freiwillig nach ihm gesucht oder sich über seine Abwesenheit beschwert hätte. Zumindest bis jetzt, denn just in diesem Moment quäkte eine Stimme nach ihm, hallte im atrium wider und drang ein wenig später an das noch gerötete Ohr des Sklaventreibers. Eher gemächlich als eilend bahnte er sich seinen Weg zu dem Schreihals, sichtlich Haltung annehmend, als er erkannte, wem die Stimme gehörte. "dominus?" fragte er verwundert, denn zum einen hatte er Ursus nicht erwartet, zum anderen wirkte Siv...seltsam. Eine Aura umgab sie, die irgendetwas zwischen zornig und schamerfüllt war. Und als Matho näher darüber nachdachte, fiel es ihm siedendheiß ein - sie hatte etwas angestellt! Vorerst noch verhalten triumphierend musterte er Siv, dann wieder Ursus. "Was ist denn passiert?" fragte er, während er sich insgeheim bereits hohntriefend die Hände rieb.

    Viel hatte Sertorio ja nicht zu sagen. :P


    Merit-Amun wurde gehalten und wieder hingestellt, was anhand ihres Gewichtverlusts und der Körpergröße auch nicht sonderlich schwer war. Sie blickte ein wenig verwirrt auf den Boden, wo plötzlich einige Löwenzahnblätter herumlagen, dann hob sie den leicht glasigen Blick und entdeckte Siv in dem Moment, als diese zu schnattern begann. In Merits Ohren klang Sivs Sprache sehr rauh und zornig, vermutlich zorniger, als sie es eigentlich meinte. Merit-Amun war zwar nie jemand gewesen, der kleinbei gab oder sich einschüchtern ließ, aber die Ereignisse der letzten Wochen - und die vermeintliche Schelte ihrer Götter - hatten sie im Wesen gewandelt. So senkte sie nun schuldbewusst den Blick unter Sivs tadelnden Worten, hörte Sertorio hinter sich niesen und suchte nach einer Lösung des Problems und einer Möglichkeit, noch ein wenig erleben zu können, ehe sie wieder ins Bett würde gehen müssen.


    "Nicht...Streit sein, du. Siv. Mir geht schön", sagte Merit-Amun mit einer klapprigen Reibeisenstimme. Sie räusperte sich und versuchte ein Lächeln, als sie zu Siv hochsah und gleichzeitig auf Sertorio wies mit einer Hand. "Ich...essen. Fragt Serrrtorió? Ob Suppe, warmes Essen. Aber er kommt und erschreckt mir, dann du, schimpfen weil...Angst...So gehn? Sogeehn?" Merit-Amun runzelte nachdenklich die Stirn. "Aber nicht machst muss. Nur essen. ..........und Zeit langsam", erklärte sie und seufzte resignierend.

    [Blockierte Grafik: http://img231.imageshack.us/img231/4549/sklave6mq2.jpg]


    "...und was soll das eigentlich schon wieder hier? So ein Scheiß. Ich hab euch doch gesagt, dass ihr die Dinger wegräumen sollt! Mannmannmann, alles muss man selber machen..." Dass Matho ganz und gar nicht bester Dinge war, konnte man wahlweise hören oder an der pochenden Ader an seiner zornesroten Schläfe ablesen. Wutend stapfte er aus dem Speisezimmer - das ohnehin nicht gebraucht werden wurde, da außer Aurelius Ursus kein Aurelier anwesend war, der es hätte nutzen wollen, und Ursus zudem im Kastell nächtigte. Die Sklaven begnügten sich mit der culina oder der exedra, zum Draußenessen war es definitiv noch zu kalt, und somit gab es eigentlich keinen Grund, die zum Schutz der Möblierung aufgespannten Tücher fortzuräumen. Das würde nur dem Schmutz neue Nahrung bieten.


    Doch Matho fand schnell ein neues Ziel, hielt irgendwen an und schnauzte: "Und wo ist Siv eigentlich schon wieder? Hier denkt wohl auch jeder, dass er machen kann, was er will. Das wird euch eines Tages mal Kopf und Kragen kosten, sowahr ich hier stehe, und dann kommt bloß nicht an und bittet mich um Hilfe. Ich zieh eure Köpfe ganz sicher nicht aus der Schlinge!" Abschließend nickte er grimmig und verschränkte die Arme vor der Brust. "Also, weißt du nu was von Siv oder nicht?" Konnte ja nicht angehen, dass sie auf dem Markt herumlungerte, nur um wieder mal ihrer Arbeit hier zu entgehen. Das war aber auch ein Kreuz mit diesen Sklaven. Wenn sie doch nur alle Mathos Mentalität hätten, da wär vieles einfacher. Aber so? Faulheit und Hochmut trieb sich um, und Matho sah sich quasi als persönlichen Verfechter von Recht und Ordnung innerhalb der aurelischen Mauern. Ob die nun römisch oder germanisch waren. Ungedildig musterte er den Befragten.

    Eine Woche lang hatte Merit-Amun mehr oder minder mit dem Tod gerungen. Sie hatte nichts um sich herum mitbekommen, weder die Sorge der anderen noch die Mühen, die sie wegen ihr hatten. Die Tage nach dem tiefsten Tiefpunkt ihres Seins verstrichen zäh und langweilig, da die anderen natürlich Arbeiten und Pflichten hatten, aber Merit war inzwischen sichtlich auf dem Weg der Besserung und dementsprechend wurde sie nun wieder wagemutiger. Eigentlich hatten ihr Fhionn, Caelyn und Siv jede für sich unmissverständlich klar gemacht, dass sie im Bett bleiben sollte und sie regelmäßig nach ihr schauen kommen würden... Doch gen Mittag hielt es sie einfach nicht länger im Bett. Ausgemergelt und deutlich schwankend schlüpfte sie in so viel Kleidung, wie sie auf Anhieb fand - seit ihrer Ankunft fror die kleine Ägypterin ständig - und machte sich dann auf den Weg, um das fremde Haus zu erkunden.


    Wie es kommen musste, zog sie lautes Poltern und Fluchen nahezu magisch an, und Merit lenkte ihren wackeligen Schritt in Richtung culina. Gerade, als sie die Tür öffnen wollte, wurde sie aufgerissen, und noch ehe sie erschrocken zurückweichen konnte, rannte jemand sie um. Merit-Amun glaubte zu wissen, dass der Sklave dort Sertorio hieß, auch wenn sie noch nicht wirklich mit ihm geredet hatte bisher. Aber sie hatte seinen Namen von Caelyn aufgeschnappt, und die hatte ihr auch erzählt, dass er nett sei. Das änderte jedoch nichts an der Tatsache, dass die ohnehin schon wankende Ägypterin sich einen sicher ungewollten, aber dennoch unsanften Stoß einfing, strauchelte und mit verdutztem Gesicht im Stürzen begriffen war.

    Die Nacht im Gasthaus hatte Merit nicht groß geholfen. Zwar hatten sie so dem eisigen Wind und der Kälte draußen entfliehen können, und auch die heißen Steine hatten ihr in Verbindung mit warmem Sud gut getan, doch als sie am nächsten Morgen erneut aufbrachen, war ihr deswegen nur umso kälter. Bibbernd und zitternd hatte Merit auf dem Wagen gehockt, was sie wenigstens nicht allein hatte tun müssen, da Caelyn und Siv seit ihrem Malheur die Ehre hatten, sie zu umsorgen und zu wärmen. Während ihrer wachen Momente war Merit ganz und gar nicht glücklich darüber, doch da jene Momente während des weiteren Verlaufs ihrer Reise immer mehr abnahmen, mussten weder die zwei Sklavinnen noch der Rest viele Einwände seitens Merit ertragen.


    Vor zwei Tagen hatte es eine kleine Auseinandersetzung gegeben. Alexandros und dieser komische, sie begleitende Römer waren verschiedener Meinung gewesen, was die kleine Ägypterin anbelangte. Während der Grieche darauf gepocht hatte, einen medicus ausfindig zu machen und auszuharren, bis es Merit besser gehen würde, unterstützte der Römer das Drängen des römischen Soldaten. Angeblich würde er dringend erwartet werden, daran bestünde gar kein Zweifel. Und Merit war schließlich nur eine Sklavin, eine von vielen. Natürlich hatte Alexandros klein beigeben müssen, schließlich war auch er einer von vielen und damit ebenso ersetzbar wie alle anderen auch. Doch der Stimmung war dies natürlich abträglich gewesen. In den vergangenen zwei Tagen hatte kaum jemand geredet, und alle schienen nun froh darüber, endlich das Ziel ihrer Reise erreicht zu haben. Merit selbst hatte in den letzten Tagen kaum etwas getrunken, vom Essen ganz zu schweigen. Sie glühte regelrecht, ihre Haut fühlte sich an wie Pergament. Aufgesprungen waren die Lippen, ihre Stimme nur mehr ein heiseres Krächzen. Zumindest hatte man dafür Sorge getragen, dass ihr alle entbehrlichen Decken zu Verfügung standen, doch selbst unter diesem Wust zitterte sie noch schwitzend, Espenlaub gleich. Längst schon argwöhnte man, dass die Reise für Merit noch ein anderes Ziel bereithielt, eines, an das man sie nicht würde begleiten können.


    Die gelegentlichen Streicheleinheiten über Stirn oder Wangen machten ihr die Stunden zumindest etwas erträglicher, so auch jetzt, als der Wagen gehalten hatte und Siv ihr die Haare aus der Stirn strich. Verklärt blinzelte Merit nach oben zu den blonden Strähnen der Germanin und glaubte, in den Armen der Göttin Bastet zu liegen, ehe es sie erneut das Bewusstsein verlor.

    Weder die skeptischen noch nie zweifelnden Blicke hatte Merit gespürt, so sehr hatte ihr Gebet sie vereinnahmt. Mit glasigen Augen und fiebriger Haut ließ sie sich schließlich zurückziehen. Man zog ihr die tunica über den Kopf, kleidete sie in eine neue und wickelte sie hernach in eine Decke ein. Von alledem bekam Merit jedoch nicht mehr viel mit. Sie war in einen tranceähnlichen Zustand geglitten und nahm alles um sie herum nur noch wie durch dichten Nebel wahr. Auch, dass der Tross sich allmählich wieder in Bewegung setzte, entging ihr.


    Während des weiteren Weges, erhöhte sich Merits Temperatur sogar noch. Längst war ihre tunica wieder durchgeschwitzt, das Haar klebte an ihrem Kopf und die Augen - so Merit einen wachen Moment hatte - waren glasig und blickten sowohl müde als auch teilnahmslos aus ihren Höhlen. Hin und wieder stammelte sie einige ägyptische Worte, die niemand verstand, nicht einmal sie selbst, denn es waren wahllos aneinander gereihte Verben ohne jeglichen Zusammenhang. Schließlich verlangsamte sich die Reisegruppe, die Zeit zwischen den Hufschlägen erhöhte sich, und schließlich hielten sie an. Fiebrig sah sich hinauf zu Siv und Caelyn, blinzelte einige Male und fragte schließlich matt: "Wir....wir da?"

    Sie glitt durch das Nichts, als es neben ihr plötzlich Streit gab. Das löste die Schwelle zwischen Wachsein und dem körperlosen Dahingleiten. Merit-Amun war sich nicht sicher, glaubte aber, dass sie der Auslöser für den Streit war. Sie fühlte sich nun auch noch deswegen schlecht und schüttelte den Kopf, als Siv ihre Hände unter ihren Körper schob. "Nein, lass mir, bitte. Nichts ich mache Scher...Schere. Scherereien." protestierte sie, aber Siv ignorierte sie einfach und hob sie stattdessen hoch. Merit-Amun ließ es geschehen und blickte im Vorbeigetragenwerden entschuldigend zu Caelyn und Ursus, als sie merkte, dass sie es waren, die sich wegen ihr stritten. Siv sagte irgendwas in ihrer seltsamen gutturalen Sprache. Und mit einem Mal, als sie auf den kühlen Grund des Wagens gelegt wurde, wusste sie, warum Corvinus sie mit auf diese Reise geschickt hatte. Dies war ihre Strafe. Hier würde sie büßen, dass sie fortgelaufen war. Er hatte ihr Schicksal in die Hände der Götter gelegt. Ob ihre eigenen hier noch Einfluss auf die Ägypterin ausüben konnten? Merit-Amuns Blick hing in der Ferne, sie sah den Schakalkopf und das wabernde Nichts, spürte den heißen Sand unter ihren Füßen, obwohl sie doch Schue trug. Das Auge des Seth war auf sie gerichtet. Er hatte ihnen das schlechte Wetter beschert, um ihr Läuterung anzugedeihen. Merit-Amun machte sich von Siv los und drehte sich irgendwie auf die Knie, um in Demutshaltung dazuhocken. Kälteschauer durchliefen ihren Körper, die lechzenden Finger des Fieberwahns griffen nach ihr oder hatten sie bereits in ihrer Gewalt. "Mächtiger Seth, du Herr der Wüste, Wächter der Oasen, Widersacher des Horus und des Osiris und Gebieter über das Wetter. Vergib mir meinen Starrsinn. Vergib mir mein Handeln", krächzte Merit inbrünstig. Sie zitterte, blendete gleichsam all jenes aus, was um sie herum vor sich ging. "Sachmet, gütige Gebieterin, Mächtige, Herrin des Zitterns, die du den Tod ausgesandt hast. Ich flehe dich an, wende das Auge des Re von mir, verzehre mich nicht mit dem Feuer der Verdammnis. Ich will...ich...ich werde Reue zeigen, wenn du mir das Leben schenkst", wisperte Merit-Amun, die auf den Fersen hockend damit begonnen hatte, sich sachte vor und zurück zu wiegen. Heiße Tränen rollten über die hitzigen Wangen, die Augen ohnehin schon glasig vom Fieber. Ihre Hände waren ineinander verkrampft und ließen sich nur allmählich wieder lösen, genauso wie sie sich selbst nicht aus ihrer Haltung bugsierte, sondern nun mit sich machen ließ, was man wollte.

    Goldgelbe Sandkörner strichen an ihrer Haut entlang, umschmeichelten zärtlich die dunkle Haut Merit-Amuns. Warmer Wind zupfte an ihrem Haar. Doch irgendetwas wollte nicht recht passen. Sie lag auf etwas...Nassem?


    Ihre Lider flatterten unstet, während Ursus, Siv und Caelyn um sie herumstanden und sich sorgten. Doch davon bekam die kleine Ägypterin nichts mit. Von Caelyn wusste sie gerade einmal ihren Namen. Alexandros tuschelte irgendwo aufgeregt mit jemandem - Hektor? Ihr war so entsetzlich kalt... Und dann hustete sie erneut, bäumte sich wie im Krampf auf, geschüttelt vom scheppernden Keuchen und blickte sich danach gehetzt mit glasigen Augen um. "Mir...ich gut, ich..." murmelte sie und schob die helfenden Hände matt von sich fort. "Nur...missgeschickt, ich..." Wacklig versuchte sie, sich aufzurichten, schaffte es auch beinahe, strauchelte dann jedoch und sank zurück in den Dreck. "Kurz. Nicht wartet auf mir.... Nur kurz..." wisperte sie kaum hörbar, dann war alles um sie herum schwarz.

    Merit-Amun nieste. Ihre braune Stute drehte sogleich die Ohren nach hinten und machte einen nervösen Ausfallschritt. Schon seit einigen Tagen schmerzte Merit-Amuns Hals, und so sprach die zierliche Ägypterin noch weniger als sie es ohnehin schon tat, seitdem sie aufgebrochen waren. Einzig Alexandros und Siv hatte sie erzählt, dass sie sich nicht gut fühlte, und gleichzeitig hatte sie beiden das Versprechen abgenommen, Matho und den Römern nichts davon zu erzählen. Sie wollte nicht als schwächlich dastehen. Viele Tage waren sie nun schon unterwegs, und Merit fror unter ihrer Tunika und dem Umhang, die ihr viel zu dünn vorkamen. Dem Aurelier hatte man ein dichtes Fell um die Schultern gelegt. Für die Sklaven war kein zusätzlicher Kälteschutz vorgesehen, sah man von den Decken ab, von denen sie ohnehin zu wenig mit hatten. Weiß stand die Luft bei jedem Atemzug vor den Gesichtern von Mensch und Tier. Weiß gesäumt waren auch die schlammigen Wege, die Bäume waren gepudert und Äste knarzten unter der Last des Schnees, den Merit-Amun hasste, seitdem sie ihn kennengelernt hatte. Sivs Freude war wahrlich nicht zu verstehen. Alles an diesem Land war abweisend und unfreundlich. Selbst die wenigen Menschen, die ihnen entgegen kamen, hatten selten genug die Höflichkeit zu grüßen.


    Und so zogen sich die Tage dahin, verstrichen zäh wie das Harz, nach dem es in den Wäldern rings um sie herum roch. Durch das schlechte Wetter weichten die Wege immer mehr auf, und ihr Vorankommen verzögerte sich von Tag zu Tag. Schließlich mussten sie Rücksicht auf den Wagen nehmen, den sie dabei hatten. Und auch Merit ging es schlechter. Bald war ihr Atem ein unstetes Rasseln. Man hatte inzwischen dafür Sorge getragen, dass sie gleich zwei der Decken für sich bekam, doch es half nichts. Inzwischen schwitzte sie unter ihrer Kleidung, doch es war kalter Schweiß, der ihre Haut bedeckte, ein scheppernder Husten hatte zudem von ihr Besitz ergriffen.


    Und als sie an diesem Tag erst einige Stadien weit geritten waren, verlor sie irgendwie den Halt, rutschte vom Pferd hinunter und fiel kraftlos in den Matsch.

    Kaum hatten sie die Enge Roms verlassen, fühlte sich Merit-Amun schon viel wohler, obwohl sie natürlich mit einem Römer unterwegs waren. Vor ihnen lagen nun Bäume und ein schier endlos langer Weg, der sie stetig gen Norden führen würde.


    Auf dem Weg hin zu den großen Bergen in der Ferne lernte Merit den seltsamen Sklaven, der sich manchmal wie eine Sklavin aufführte, als Alexandros kennen. Er fuchtelte beim Reden viel mit den Armen herum und beklagte sich laufend über sein schmerzendes Hinterteil. Matho, der so etwas wie der Anführer der Sklaven zu sein schien, ritt die meiste Zeit vorn an der Seite der beiden Römer, und wenn er sich umwandte, dann nur, weil er den anderen giftige Blick zuwerfen wollte. Merit-Amun indes hielt sich an Siv, die sie zunehmend mehr mochte, plauderte auf Griechisch mit Alexandros und genoss die heuchlerische Freiheit auf dem Pferderücken, den Wind im Haar und fröhlich einher trabend.


    Sim-Off:

    Ich mich auch

    Merit-Amun schenkte dem fremden Sklaven nur ein flüchtiges Lächeln, und es war nicht einmal eines, bei dem sie sich wirklich Mühe gegeben hatte, sondern ein mehr denn halbherziges. Im Grunde genommen war es der Ägypterin einerlei, ob sie nun in Germanien oder Rom ihr Dasein fristete - zumindest, wenn man es unter dem Gesichtspunkt des Heimwehs betrachtete. Wetterbedingt wäre ihr Rom lieber gewesen, aber sie würde auch Germanien überstehen. Irgendwie. Sie hatte nicht genug Zeit, darüber nachzudenken, denn plötzlich stand der Römer vor ihr und fragte sie etwas. Fragte sie nach ihrem Namen. "E...äh....M-Merit-Amun", sagte sie und senkte den Blick in der Hoffnung, dass man sie vielleicht übersah. Und das Wunder geschah tatsächlich, der Römer beachtete sie nicht weiter, sondern kommandierte die anderen Sklaven herum. Merit schnappte sich irgendeinen Beutel und hastete in Richtung porta, kam jedoch nicht weit. Corvinus betrat das atrium, und als Merit ihn sah, verbarg sie sich hinter einer Säule. Mathos Rede bekam sie nur am Rande mit, und als die Luft endlich rein war, da sich ihr Besitzer mit Siv unterhielt, flüchtete sie aus dem noblen Haus und hinaus auf den Vorplatz, wo sie den Beutel auf dem Wagen deponierte und sich dann zu den Pferden abseilte. Merit-Amun suchte sich ein - im Vergleich zu den anderen Tieren - recht kleines Pferd aus, streichelte seine Nüstern und saß nur wenige Momente später bereits hoch zu Ross da. Dort oben zog sie ihren Umhang etwas weiter um die Schultern und wartete auf die anderen.

    Das Verhalten der kleinen Sklavin amüsierte Merit. Sie war ja nun alles andere als Furcht einflößend, allein aufgrund ihrer Größe, aber das Mädchen schien trotzdem Angst vor ihr zu haben. Nur zögernd nahm es die Nuss aus ihrer Hand, schenkte ihr aber dennoch ein Lächeln, und Merit erwiderte es. Plötzlich stand Siv neben ihnen und wechselte einige Worte mit dem Mädchen. Überrascht bemerkte Merit, wie die Kleine mit ihren Händen herumfuchtelte. Konnte sie etwa nicht sprechen? Merit blinzelte irritiert. Dann sah sie von Siv zu dem Mädchen und wieder zurück. Die Germanin stellte sie einander vor: Tilla hieß die Kleine also. Ein seltsamer Name, wo sie wohl herkam?


    Merit erntete lediglich ein kurzes Nicken. Siv wurde hingegen herzlich umarmt. Obwohl Merit die kleine Sklavin nicht kannte, spürte sie dennoch einen Stich in der Magengegend. Sie gehörte einfach nicht hierher. Deutlicher hätte man es ihr nicht zeigen können. Merit schluckte, nickte tapfer und begab sich dann wieder zu der Säule, neben der sie zuvor gestanden hatte. Wer der andere Mann war, wusste sie nicht. Aber er schien mit ihnen zu kommen. Und seinem Aussehen nach zu urteilen, war er alles andere als ein Sklave. Merit hatte nichts, was ihr gehörte, sah man von den Dingen einmal ab, die sie gegenwärtig am Leib trug. Daher hatte sie auch keinen Beutel. Reiten konnte sie mehr schlecht als recht, das letzte Mal war lange her und sie wusste nicht, wie gut oder schlecht sie sich machen würde. Sie fühlte sich erbärmlich.

    "Er Römer. Er tun was will. Weil er kann", erwiderte Merit ironisch und zog eine Grimasse. Merit hatte ihren Herrn nicht lange genug kennen gelernt, um sich ein Bild über dessen Charakter bilden zu können. Daher wanderten ihre Augenbrauen nun fragend nach oben, als Siv davon sprach, dass Corvinus nett sei. Wie konnte ein Römer nett sein? Für Merit war das unvorstellbar. Gut, Menas war auch ein Römer. Aber er war auch ein Sklave, und kein reicher Patrizier... Da musste es doch einen Unterschied geben! Vielleicht war Siv aber auch nur zulange in diesem Haus und damit den Römern zu lange ausgesetzt, als dass sie noch unbefangen wirken konnte. Vielleicht sollte sich Merit besser nicht mit ihr abgeben. Das letzte, was sie wollte, war sich kampflos zu fügen in ein Dasein, dass sie nicht wollte. Ob Siv ihre Heimat bereits vergessen hatte?Schließlich schien sie ganz die brave Sklavin abzugeben.


    "Nett? Er Rhomäer, und Rhomäer nicht nett. Rhomäer brutal und nur denken an sich selbst. Ich nicht glaubt dass überrascht und kein Zorn. Überrascht vielleicht, nichts böser aber nicht." Davon war Merit überzeugt. Und bewies die Wartezeit nicht, dass er sauer war? "Früher? Was hat du getan?" wollte sie wissen. Merit griff nach dem Löffel und begann, damit zu spielen. Es war schon eine komische Situation: da war sie vor Jahren geflohen, wurde von einem Sklaven in Ägypten aufgegriffen und saß nun in einer römischen Küche und sprach mit einer Germanin über den verhassten Herren. Trotzdem mochte sie Siv. Die hellhäutige Sklavin schien nicht gutzuheißen, dass Corvinus sie warten ließ. Außerdem wirkte sie nervös, wie sie ständig das Gewicht auf ihren Beinen verlagerte. Merit wusste nicht, was sie von Siv halten sollte. Sie wurde einfach nicht schlau aus ihr. "Ich müde", sagte Merit dann plötzlich.