Beiträge von Merit-Amun

    Die Anspannung fiel jäh von ihr ab, als Siv schließlich versprach, Corvinus nicht holen zu gehen. Sie schloss einen Moment die Augen und war einfach nur dankbar darüber. Als sie sie wieder öffnete, fand sie einen neuen Teller Suppe vor sich, und etwas langsamer und bedächtiger als zuvor begann sie zu essen. Die Suppe war gut, besser als Brühe von ausgekochten Knochen. Es befand sich Gemüse darin und sogar ein wenig Fleisch, wenn auch nicht viel. Während Merit löffelte, herrschte Schweigen in dem geräumigen Raum. Niki werkelte nebenan in einer kleinen Kammer - wohl die Speisekammer - und Siv sah ihr nachdenklich zu. Merit-Amun hatte die Schale beinahe wieder geleert, da stellte sie plötzlich wieder eine Frage, die die kleine Ägypterin innehalten und aufsehen ließ, den Löffel auf halbem Weg zum Mund erstarrt. Schon wollte sie widersprechen, doch Siv hatte auf das bedacht, und so klappte Merit ihren Mund wieder zu und ließ den Holzlöffel langsam sinken.


    Eine geschlagene Minute starrte sie in die Suppe, sich fragend, ob es eine Rolle spielte, wenn sie Siv erzählte, was geschehen war. Im Grunde machte es keinen großen Unterschied, es würden wohl ohnehin bald alle erfahren. Und Siv hatte sich als recht freundlich und nett herausgestellt. Merit-Amun seufzte tief. "Ich Angst wegen Strafe weil ich verdienst und weiß, dass muss kriegt bestraft", flüsterte sie und hob langsam den Blick, um Siv anzusehen. Nervös fuhr sie sich mit der Zungenspitze über die Lippen, lächelte dann gequält. "Sklave das lauft weg nichts anders bekommt." Sie griff nach dem Brot und begann, es in die Schale zu krümeln. Einfach, damit sie etwas zu tun hatte. "Rhomäer ge..genommen? Genommen mich in Land wo geht für Wissen. Nicht weiß wie heißt in Rhomäersprache....ist Land wo kommt Niki", erklärte sie und meinte natürlich Griechenland. "Wenn es gibt guter Möglichkeit zu...verschwinden...sein weg, ich weg. Gegeht zu Hause zu mein Land. Mein Heimat, Ägypten. Rhomäer nicht mich finden. Nicht... bis nun. Ich un...ungescheckt...geschickt auf Markt, nehmen Geld von reiches Mann und werden beobachtet von Sklave von hier." Merit sprach nun immer hastiger. Es tat ihr wider Erwarten gut, zu erzählen, und das tat sie auch, in dem ihr eigenen, Singsang ähnlichen Latein. "Heißt Menas. Er nett ist, aber mag Rhomäer. Er nehmt mich mit, mit Schiff. Er gebringt mich hier. Und jetzt habe Angst ich, weil vor Zorn von Rhomäer. Wegen weglauft vor...vor vieles Jahre. Ich ganz schrecklicher Angst." Merit-Amun zog eine Grimasse und seufzte tief. ganz ins Detail gegangen war sie nicht, aber Siv konnte nachfragen, wenn sie mehr wissen wollte. Nur hatte Merit jetzt schon erhebliche Schwierigkeiten mit der Sprache, wie sicher auch Siv bewusst war.

    Erschrocken zuckte Merit zusammen, als Siv fluchte. Zuerst dachte die Sklavin sie meinte sie, dann aber sprach Siv von Corvinus, und Merit entspannte sich wieder etwas. Sie verstand nicht alles, denn Siv sprach schnell und aufgewühlt und teilweise auch Germanisch, doch den Kern der Aussage verstand die kleine Ägypterin durchaus. Sie wollte etwas sagen, wusste aber nicht was, und war noch am Überlegen, als Siv schnaubte, ihr winkte und davonstieb. Merit-Amun wartete nur einen Herzschlag, dann folgte sie der Germanin durch das geräumige Haus und viele Gänge bis zur Küche, die sie am Geruch bereits erkannte. Ihr Magen knurrte vernehmlich und sie wechselte kurz einige Worte mit der griechischen Köchin, erfreut darüber, zumindest jemanden zu haben, mit dem sie etwas verständlicher sprechen konnte.


    Stumm kauend und schluckend schaufelte sie die Schale Suppe ratzeputz leer, aß auch Brot und Käse auf und fühlte sich schließlich angenehm gesättigt. Ein wenig zufriedener lehnte sie sich dann zurück und seufzte, nur um erschrocken zusammenzuzucken und hastig den Kopf zu schütteln, als Siv vorschlug, ihren Herren zu holen. "Nicht gehen. Nicht. Bitte", stammelte sie leise und sah Siv aus großen Augen an. Bisher war es so gut gegangen, vielleicht würde es noch ein paar Stunden gutgehen... Sie schob ihre leere Schüssel ein wenig näher zu Siv hin und schnitt ein anderes Thema an. "Ich...ich mehr?"

    Merit-Amun nickte lediglich auf das Angebot Sivs hin. Auch, wenn sie wusste, dass sie es nicht annehmen würde. Nicht einmal, wenn sie halb am Verdursten wäre. Zumindest glaubte sie das zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch, aber es war schließlich auch noch nicht soweit, dass Merit dem Verdursten nahe war.


    Für's erste zog sie die Brauen nach oben und starrte Siv nur an. "Nicht darf sitzen Sklave? Wie komische Römer", stellte sie sarkastisch fest, ging hinüber und setzte sich schwungvoll auf die gepolsterte Bank. War ihr doch egal, ob jemand sich aufregte, nur weil sie sich hier setzte. Viel schlimmer als die Strafe, die sie ohnehin schon erwartete, konnte es schließlich nicht werden, wenn man sie erwischte. Zu Siv gewandt, nickte Merit-Amun nur wieder und sah der weißen Sklavin hinterher, während sie verschwand. Was folgen sollte, war eine zermürbende Zeit des Wartens.


    Während Merit-Amun dasaß und wartete, kamen ab und an geschäftig wirkende Slaven durch das atrium. Einer war bärtig und zottelig, wieder einer wirkte eher wie eine Frau denn ein Mann, eine Sklavin sprach mit sich selbst und eine andere trällerte ein Lied, während sie frische Wäsche trug. Es schien alles normal zu sein, wie immer, keiner nahm Notiz von ihr und keiner störte sich an ihr. Merit fühlte ganz deutlich, dass sie hier nicht hingehörte, dass sie niemals hierher gehören würde. Als die Dämmerung näher rückte, was sie am Himmel in der Dachöffnung erkennen konnte, war der Herr und mit ihr die Strafe immer noch nicht gekommen. Ein vager Hoffnungsschimmer bemächtigte sich Merits Geist: Vielleicht hatte er sie vergessen und sie würde noch ein paar Stunden zu leben haben. Wieder etwas später kam Siv dann erneut vorbei, und es wäre gelogen gewesen, hätte Merit behauptet, nicht erleichtert zu sein. Die kleine Ägypterin stand auf und umschlang den Körper mit ihren Armen. "Nein. Nichts kam zu strafen", erklärte sie Siv und scharrte daraufhin ein wenig mit dem Fuß. "Du sagst, Essen gibst für mir? Ich magen. Mögen. Mögen jetzt", sagte sie scheu.

    Merit-Amun stand etwas abseits. Es schien so, als wär sie gar nicht da, zumindest bemerkte man sie nicht auf den ersten Blick, so halb hinter einer Säule versteckt. Stumm und nachdenklich starrte sie auf die neuen Sandalen herab, die ihre Füße so fremdartig umschlossen. Die dunkelbraune Tunika passte zwar wie angegossen, war aber genauso fremd und anders wie die Schuhe und der Umhang, den Merit trug. Tragen musste.


    Dass sie mit den anderen wieder fortgeschickt wurde, hatte sie erst am gestrigen Abend erfahren. Siv hatte es ihr freudestrahlend erzählt, aber Merit war nicht nach freuen zumute. Genaugenommen wusste sie gar nicht, was sie von alledem halten sollte. Eigentlich hatte sie auf ihre Strafe gewartet, zumindest Schläge oder Gebrüll von Corvinus, aber weder das eine noch das andere war gekommen. Er hatte sie nicht mal beachtet, sondern sie eine halbe Ewigkeit warten lassen, bis sie schon halb gehofft hatte, er hätte sie vergessen. Und dann war Siv mit der Neuigkeit zu ihr gekommen. Seitdem schwieg Merit-Amun, unschlüssig darüber, was sie denken oder sagen sollte. Sie fügte sich einfach, etwas anderes wäre wohl ohnehin nicht möglich gewesen. Viele der Sklaven in diesem Haus schienen aus dem Norden zu kommen, keiner kam aus dem Süden, und dementsprechend konnte auch keiner ihre Sprache sprechen. Mit den Griechen konnte sie sich zumindest unterhalten, da Merit-Amuns Griechischkenntnisse recht gut waren, aber sie traute sich nicht so recht, ein gespräch zu beginnen. Mit Niki hatte sie bisher einige Wote gewechselt, vom Großteil der Sklaven aber wusste sie nicht einmal die Namen. Kein Wunder, sie war schließlich auch erst zwei Tage und wenige Stunden hier.


    Merit-Amun wurde aus ihren Gedanken gerissen, als ihr eine Walnuss vor die Füße kullerte. Überrascht sah sie die Nuss an und hob sie auf. Dann suchte sie nach der Quelle und fand ein kleines schwarzhaariges Mädchen, das umgeben von Nüssen neben Sivs Beutel hockte. Überrascht zog Merit eine Augenbraue hoch, ging zu der kleinen Sklavin und hielt ihr die Nuss hin. "Du hast verlierst", sagte sie matt.

    Zum Lachen war merit eindeutig nicht zumute, dementsprechend grimmig blickte sie auch drein, während Siv sich zu amüsieren schien über das unterschiedliche Wetter in ihrer jeweiligen Heimat. Oder lachte Siv sie am Ende aus, weil sie gesagt hatte, es sei hier kalt? Missmutig sah Merit-Amun das Wasserbecken an, das von Statuen gesäumt wurde. Wann der Römer wohl Zeit für sie haben würde?


    Unversehens wurde sie sodann gefragt, ob sie Hunger oder Durst hätte. Genaugenommen hatte sie beides, aber sihr Trotz schien vor ihr zu stehen, mit vor der brust verschränkten Armen und den Kopf schüttelnd. Und so sagte Merit-Amun nur "Nein. Nicht habe." und schüttelte bockig den Kopf. Sie wollte weder auf die Freundlichkeit der anderen Sklavin eingehen, noch irgendetwas von ihr annehmen, obwohl sie doch genau wusste, dass sie es früher oder später ohnehin tun würde, weil sie es musste. Aber noch war ihr Stolz zu stark - und Hunger und Durst nicht zu sehr ausgeprägt. Auf ihre Frage wusste die Germanin auch keine Antwort, wohl aber sagte sie etwas, dass Merit verblüfft innehalten und sie anstarren ließ. War das wirklich ihre Meinung? Obwohl sie ganz die brave römische Sklavin spielte, dachte sie so etwas? Vielleicht, entschied Merit, war es doch nicht so schlecht, sich an diese Sklavin zu halten. Am Ende ergab sich noch die Möglichkeit, hier wieder fort zu kommen, obwohl es sich in einem Land voller Römer als schwieriger erweisen würde denn als in einem Land, in dem die Römer selbst nur Gäste waren. Merit seufzte und deutete auf die Sitzgruppe. "Dürfen sitzen da? Oder ist nur für römisches...römisches Leuter? Und was macht Römer? Ich hab vieler Zeit nicht", maulte Merit und marschierte dann einfach auf die Gruppe zu, hoch erhobenen Hauptes und mit katzengleichem Gang.

    Befangen senkte Merit den Blick, als die Fremde ihren Blick so seltsam erwiderte. Sie überlegte - die andere konnte noch nicht lange mit Römern zutun haben, sonst würde sie bestimmt deren Sprache besser beherrschen, oder nicht? Die kleine Ägypterin nagte an ihrer Unterlippe und betrachtete Sivs Füße. Sie steckte in römischen Sandalen, wohingegen ihre eigenen von ägyptischer Machart waren, ebenso wie das fleckige, rotblaue Gewand, das sie trug. Sivs Kleidung dagegen war römisch, und so standen sich zwei Frauen gegenüber, die unterschiedlicher nicht sein konnten.


    "Ja", sagte Merit schlicht, als Siv, die deutliche Probleme mit ihrem Namen hatte, sie bat, auf einen Teil verzichten zu dürfen. "Siff", wiederholte sie dann und schüttelte den Kopf, kaum dass sie den Namen ausgesprochen hatte. "Ich weiß echt nicht, was ich hier mache." Sie zuckte seufzend mit den Schultern. "Germanien? Nicht kenne...ich. Es gibt großer Land in Süden, heißen Ägypten. Das mein Heimat. Viel warm, kein kalt wie hier", erklärte sie schließlich widerstrebend. Denn warum sollte sie der Sklavin etwas über sich erzählen, wo sie sie doch gar nicht kannte und eigentlich auch nicht kennenlernen wollte? Dementsprechend war auch der Ausdruck auf Merits Gesicht mit einem mal verschlossen, kaum dass Siv nach dem fragte, was sie beschäftigte. "Mir geht gut", war die abweisende Antwort, und der Trotz in ihr war kaum zu überhören. Merit-Amun schlang die baren Arme um ihren Körper und sah an Siv vorbei. Um abzulenken, deutete sie auf das Dach. "Warum Loch in...in...oben? Römer nichts haben Geld für machen zunes...oben?" fragte sie bissig.

    So helle Haut und so helles Haar - fast weiß! - hatte Merit noch nie zuvor gesehen. Dementsprechend verblüfft war auch der Ausdruck auf ihrem Gesicht, als sie die Fremde anstarrte. Dieses Haus barg eine Überraschung nach der anderen. Zuerst der schwarze Hüne an der Tür, dann die weiße Frau hier vor ihr. Ob es in jeder Farbe einen Menschen hier gab? Rot und grün? Schnell schob sie die hinderlichen Grübeleien beiseite und konzentrierte sich wieder auf die Situation. Sie bedachte die Sklavin mit einem entsetzten Blick, als sie zu sprechen begann - rauh und schroff, gar nicht so melodisch wie ihre eigene Sprache oder so zungenbrecherisch wie das Latein der Römer. Melletammu? Es war grotest: Obwohl Merit-Amun die Knie schlotterten vor Angst, musste sie dennoch beinahe hysterisch grinsen, als sie die Verunstaltung ihres Namens hörte.


    "Merit", sagte sie schließlich und deutete auf sich selbst. "Merit-Amun." Die Behauptung, sie müsse keine Angst haben, überging sie, denn es war ganz gleich, was die andere ihr sagte, sie hatte Angst. Es bereitete der kleinen Ägypterin Probleme, die Sklavin zu verstehen, und letzten Endes verstand sie gar nichts mehr außer gutturalen Lauten einer anderen Sprache. Ein wenig beruhigte es Merit, dass ihr Gegenüber genauso schlecht sprach wie sie selbst. Da kam ihr eine Idee, und sie versuchte es zuerst in ihrer Sprache und dann auf Griechisch. "Woher kommst du?" Ein fragender Blick. "Kannst du mich verstehen?" Doch die Versuche blieben fruchtlos, und so musste Merit-Amun in den sauren Apfel beißen und sich der römischen Sprache bedienen. "Ich warte dann. Weil muss." Und sie ließ den Kopf mutlos hängen.

    Und kurz darauf fühlte sich die kleine Ägypterin einfach nur noch verlassen, wie sie da in dem großen Saal stand, der in der Mitte ein Loch in der Decke hatte. Da konnte es reinregnen, aber das schien hier keinen zu stören. Irgendwo hörte sie leise Stimmen, die sich entfernten, dann war wieder alles still. Bis auf das Schlagen ihres eigenen Herzens. Merit-Amun sah sich genauer um. Neben vielen Steinen in Form von Gesichtern von alten Römern gab es hier wunderschöne Bilder an den Wänden und Säulen, die das Dach trugen. Hinter einer solchen versteckte sich Merit-Amun jetzt ersteinmal, um ihre Umwelt genauer in Augenschein zu nehmen.


    Sie verfluchte all diese Römer. Wenn sie sie nur damals schon in Ruhe gelassen hätten! Aber nein, sie hatten sie fangen müssen und nun war sie hier, im Haus ihres sogenannten Besitzers, der ihr vermutlich beide Hände abhacken würde für ihre Flucht damals. Der kühle Stein der Säule kühlte gleichsam auch Merits Gemüt ein wenig ab, doch als sie plötzlich ein Gesicht direkt vor sich gewahrte, konnte sie einen erschrockenen Aufschrei nicht mehr unterdrücken und stolperte einige Schritte zurück, bis ihr Rücken die Wandmalerei eines detailreichen Schiffes beruhrte. Panisch starrte sie das blond eingerahmte Gesicht an und brachte keinen Ton heraus.

    Verschreckt starrte Merit-Amun den Nubier an und war lediglich zu einem hastigen Nicken in der Lage, als er sie nach ihrem Herren fragte. Zwar machte der Türsteher ganz den Eindruck, als wäre er nicht nur höflich, sondern auch freundlich, aber so war es schließlich oft: Manche Menschen verstellten sich, um das Vertrauen eines anderen zu gewinnen. Daher war Merit von Natur aus eine misstrauische Person. Und sie sollte recht behalten.


    Nur wenig später bleckte das schwarze Monstrum seine Zähne, und Merit-Amun tat besser daran, ihm ins haus zu folgen, dass ihr plötzlich sehr viel mehr vorkam wie ein alles verschlingender Schlund aus dem Reich der Nachtmahre.

    Mit jedem Schritt schien Merit-Amuns Körper schwerer zu werden. Ihre Seele brannte mit jedem digitus mehr, den sie und Menas zurücklegten. Sie wusste nicht, wo der reiche Römer wohnte, der sie damals in Griechenland erworben hatte, kannte weder Rom noch das Haus, in dem sie ihre Strafe ereilen würde. Und schließlich lenkte Menas seine Schritte auf ein großzügig bemessenes Anwesen zu, richtete noch einige nette Worte an sie, die sie aber nicht registrierte, weil sie starr war vor Angst und am liebsten in den breiten Fugen der Steine auf der Straße verschwunden wäre. Er klopfte, und kurz darauf war ein Schlurfen zu hören. Merits Herz raste. Wie gern hätte sie sich hinter Menas versteckt, aber sie war wie gelähmt. Feine Härchen hatten sich an ihrem ganzen Körper aufgerichtet, ihre Sinne waren zum Zerreißen gespannt - und dann ging die Tür auf und ein Schwarzer stand plötzlich vor ihnen.


    Menas sagte ein paar Worte, Merit nahm nur die Worte nach Hause begleitet wahr, dann einen Abschiedsgruß, und schließlich ließ Menas sie einfach stehen, schutzlos dem schwarzen Mann ausgeliefert, der sie interessiert musterte. Sie ging ihm knapp bis zur Brust und fühlte sich schlimmer als jemals zuvor. Nicht einmal danken oder sich verabschieden konnte sie sich Menas gegenüber. Und dann war es auch zu spät dafür. Merits große, schwarze Augen musterten voller Angst den Sklaven in der Tür.

    Merit schwieg, die Antwort des Sklaven war auch wirklich nicht sonderlich aufschlussreich gewesen. So haderte sie immer noch mit sich selbst, als Die corbita anlegte und sie von Bord gehen konnten. Auch hier ließ sie Menas wieder den Vortritt, folgte ihm nur stumm die hölzernen Planken hinunter und hinein in das Gewühl der Menschen. Schweigsam und wie ein Anhängsel des selbstbewussten Sklaven fügte sie sich seinen Entscheidungen. Sie konnte ohnehin nicht mehr abwenden, was geschehen würde. Nicht hier, wo es von Römern nur so wimmelte. Alles, was ihr jetzt noch blieb, war die Hoffnung darauf, dass sie am Abend nocht leben würde, wenn man sie ihrem Herren zurückgebracht hatte.

    Zum Glück war Merit-Amun nicht seekrank. Das hatte sie sich oft gesagt, während andere über der Reling gehangen und sich die Seele aus dem Leib gekotzt hatten. Sie meiste Zeit waren sie an Deck gewesen, nur bei den schlimmen Stürmen hatten sie den Tag unterdeck verbracht. Seit zwei Tagen aber war das Meer ruhig, nahezu ein tiefblauer Spiegel, auf dem sie fuhren. Und als sie dem Festland, an dem sie seit geraumer Zeit vorbeifuhren, immer näher kamen, bracht die Unruhe in Merit aus. Rastlos streunte sie auf dem Schiff herum, sofern man sie gewähren ließ. Bei der Einfahrt schließlich hockte sie geistesabwesend bei Menas auf einer Kiste und starrte die Möwen an, die sie lautstark kreischend begleiteten.
    "Was geschieht, wenn Schiff ist in Hafen?" fragte sie unvermittelt den decimianischen Sklaven neben sich. Der Kapitän drehte bereits gemächlich bei.

    Eine Woche, dann noch ein Katzensprung. Merit-Amun hatte Angst, doch das würde sie nicht zugeben. Mit mulmigem Gefühl im Bauch lief sie hinter Menas drein, als er sich in Bewegung setzte und das Schiff ansteuerte, das sie zurück in die Sklaverei bringen würde.

    Merit sah Menas zweifelnd an. Sie schätzte es durchaus, dass er versuchte, ihr Mut zu machen, aber ganz überzeugen konnte er sie nicht. Sie strich sich die flatternde Strähne wieder hinters Ohr und schaukelte kurz mit den Beinen. "Wie lange dauert...Fahrt mit Schiff?" fragte sie ihn.


    Dann blinzelte sie und blickte ihn ungläubig an. "Du sagst nichts von ich nehmen Geld von anderes Rhomäer?" Erstaunt musterte sie sein ansehnliches Gesicht. "Sagen nichts von...erwischen mir? Nehmen mich mit? Mit Schiff nach..Oh-stiah?" Das verwunderte sie doch. Es klang so, als würde er sie mitnehmen und dann gehen lassen, statt sie selbst abzuliefern und eine Belohnung einzustreichen dafür, dass er sie gefunden und zurückgebracht hatte. Merit-Amun sog die Unterlippe ein und kaute nachdenklich darauf herum, während sie die Worte des Sklaven Revue passieren ließ. "Nein", sagte sie schließlich und schüttelte den schwarzhaarigen Kopf. "Nicht kann ich unwahr sagen, wenn...wenn fängt neuer Leben an." Falls ein neues Leben beginnen würde.

    Merit-Amun hockte mit den habseligkeiten des Sklaven Menas auf einer Holzkiste am Rand des Piers und starrte trübselig auf das Meer hinaus. Sie hatte Menas ein wenig näher kennengelernt, wusste jedoch nicht so recht, was sie von ihm halten sollte. Einerseits erschien ihr seine Art seltsam, andererseits mochte sie ihn irgendwie. Was sie allerdings nicht verstand, war diese hundgleiche Anhänglichkeit und Treue zu seinem Herrn. Es mochte sein, dass Merits Sicht der Dinge naiv war, doch sie war es einfach nicht anders gewöhnt. Schon immer war sie frei gewesen, zumindest, bis diese Sklaventreiber sie damals gefangen und halb tot geschlagen hatten, ehe sie sie in Griechenland verkauft hatten.


    Nun hing ihr Blick an den unsteten Wellen und ihre Gedanken malten sich aus, was ihr...Besitzer mit ihr tun würde, wenn sie nach all den Jahren nun zurück kam. Nicht freiwillig, aber doch zerknirschtermaßen einsehend, dass ihr keine andere Möglichkeit blieb, wenn sie leben wollte. Und Merit wollte leben. Sie sah auf und zu Menas hiauf, als er sie erreichte, und ein flüchtiges Lächeln huschte über ihre Züge. "Ich nicht weiß", antwortete sie wahrheitsgemäß und zuckte mit den Schultern. "Vielleicht er mich schlagt bis ich bin tot. Dann werde bereuen ich. Zuflu...Zukunft ist...wie sagt man? Unwissen? Aber du hast recht vielleicht wenn sagst dass besser ist bei...ihm als bei Mann das schlagt und verkauft an schlechtes neuer Mann. Ich weiß das nicht." Merit ließ entmutigt die Schultern sinken und saß vor Menas wie ein Häufchen Elend. "Gefunden du hast Boot für gehen in...in Land von Rhomäer?"

    Ob er kein guter Herr war? Merit starrte den Sklaven an, als sei er ein Lar höchstpersönlich. "Er Herr, das reicht. Ich nutze Möglichkeit zu gehen zurück in Heimat wenn sich bietet in Land jenseits von das Meer. Er hat genennen Krichanland", erwiderte sie und zuckte mit den Schultern. "Ich einsehe nicht. Mensch wie du und der, der sich nennst Herr, ich bin. Einer Recht auf freies Leben." Und davon war sie überzeugt.


    Bald darauf folgte sie ihm nach, wenn auch widerstrebend. Sie war schon dankbar, dass er sie nicht einfach auslieferte. Merits Schicksal stand nun auf Messers Schneide. Ein Messer, welches von Menas geführt wurde.

    Das Stroh gehörte zu den Ziegen, die der nächstgelegene Stand verkaufte. Merit hatte jedenfalls nicht die Absicht, das Blondchen zu spielen, schließlich hatte sie rabenschwarzes Haar. Und der Sklave dort sah auch nicht wie ein aquarius aus, also kam sie gar nicht auf den Gedanken, dasss das Stroh praktisch sein könnte. :D


    Stattdessen sah sie den anderen zweifelnd an und hob erstaunt eine Braue an, als er davon sprach, sie nicht ausliefern zu wollen. Zumindest nicht den Sklavenhändlern. Vielleicht aber ihrem...Herrn? Der nachfolgende Befehl kam so harsch, dass Merit um ein Haar nur deswegen aufgestanden wäre, weil er keine Widerrede duldete. Doch trotzig ließ sie einige Minuten verstreichen, ehe sie sich absichtlich langsam aus dem Stroh stemmte und aufrichtete. Das Geld... "Ich habe gelassen fallen", gab sie zickig zurück und verschränkte die Arme vor der flachen Brust. Und das war sogar tatsächlich die Wahrheit, denn wo hätte sie es verstecken sollen? Taschen besaß ihre Tunika keine. Wohin würde er sie nun bringen?

    Da war der Beweis. Bei den Römern zu leben machte stumpfsinnig. Der Kerl verstand nicht mal die einfachste Frage nach seinem Namen. Merit-Amun schürzte trotzig die Lippen und zupfte sich einen Strohhalm von der tunica. Ein sinnloses Unterfangen, bedachte man, dass sie inmitten von Stroh saß. Sie tat es, um einfach etwas zu tun zu haben. Indes schien der andere Sklave unschlüssig, was er nun mit ihr machen sollte. Insgeheim hoffte die zierliche Ägypterin, dass er sie gehen lassen würde. Andererseits glaubte sie nicht, dass er soviel Courage besaß. Tief in sich drinnen wusste sie bereits, dass sie eher früher als später dem Mann gegenüber stehen würde, dem sie dereinst in griechenland entwischt war. Bei seinem Vorschlag runzelte sie die Stirn.


    "Und dann?" fragte sie provozierend. "Du willst machst was mit mir? Geben zurück zu Römer? Behalten für eigener Freude?" Spott troff aus ihrer Stimme.

    Die Kiefer fest aufeinander gepresst, musterte sie den fremden Sklaven von unten nach oben. "Er nicht findet lange Jahre, er nicht findet jetzt", erwiderte sie trotzig und zog die Nase hoch. "Römer Pah...parah...siten? Pahrahsiten. Nur an ihr selber denken, andere Menschen sind egal." Sie zog eine Grimasse und tastete nach dem Ding, über das sie gestolpert war: Der Stiel einer Heugabel. Daran war sie also gescheitert, nach so langer Zeit. An einer Heugabel und am Hungergefühl. Ironie des Schicksals.


    "Colosseum? Nicht will", beeilte sie sich dann zu antworten und schüttelte den Kopf. "Aber nicht will zurück zu...zu Römer genauso." Mitleid heischend sah sie den Fremden an. "Ich Merit-Amun. Du..? Was du tun jetzt? Mir bringen zurück? Zurück zu...Römer?"

    "Lass...lass los!" fluchte Merit, als der Sklave auf sie zu gekommen war und versuchte, sich die bedauerlicherweise recht gut lesbare Tätowierung genauer anzuschauen. Heiße Röte stieg ihr ins Gesicht, hitzig und von Trotz erfüllt entwandte sie ihm schließlich ihr Handgelenk und funkelte ihn zornig an. "Räudiger Bastard!" zischte sie ihn in ihrer Muttersprache, Ägyptisch, an, indes sie ihn mit Blicken aufzuspießen gedachte.


    Ihr war zum Schreien zumute. Zum Heulen, Fluchen und Klagen. Wie gern hätte sie diesem Sklaven einen Dolch in sein anbiederndes Herz gerammt! Oder war es gar besser, nun die Unschuldige zu spielen? Die brave Sklavin, und dann bei der nächstbesten Gelegenheit erneut davonzulaufen? Merit-Amun barg ihren verfluchten Arm wie ein Kleinkind dicht an der Brust, hockte mit angezogenen Beinen auf dem Boden im Stroh zwischen den desinteressiert schauenden Ziegen und fragte sich, was nun passieren würde. Mit einer Mischung aus Furcht, Überlegenheit und kindischem Trotz bohrte sie ihren Blick in den des Sklaven. Sie war überführt. Nur, weil sie Hunger gehabt hatte. Welch ein Schicksal.


    "Du nicht hast Ahnung von wie sich fühlen wenn gesein frei", spuckte sie ihm vor die Füße- Bestimmt war der dort schon als Sklavenkind geboren worden und kannte nichts anderes. Ein braves Schoßhündchen.