Beiträge von Micipsa

    Nach einigen unfreiwilligen Umwegen war es den Schergen von Titus Tranquillus schließlich doch noch gelungen, ihn an der richtigen porta abzuliefern.
    Micipsa dachte über die veränderte Situation nach: Was würde man von ihm verlangen? Wie ging sein neuer dominus - Micipsa hatte ihn auf dem Markt nur kurz aus der Nähe gesehen - mit seinen Besitztümern um?
    Mit welchen anderen Sklaven würde er eventuell auskommen müssen?


    Nun, es machte keinen Sinn, allzu viel darüber nachzudenken. Er würde stattdessen die erste Begegnung mit seinem neuen Herrn abwarten müssen...

    Micipsa blickte zum Sklavenhändler. Dessen Nicken fasste er als
    Aufforderung auf, die Frage des Mannes zu beantworten:
    "Ich wurde im gleichen Jahr geboren, in dem euer früherer Princeps
    Domitianus sein Amt antrat, bin folglich 23 Jahre alt."

    Tranquillus' Deutungsversuche seines Namen hatten Micipsa amüsiert.
    In Wirklichkeit hatte sich sein erster Besitzer einfach einen Spaß daraus gemacht, seine Dienerschaft nach verstorbenen Königen, Heerführern und Philosophen zu benennen. Warum ihm als Lybier der Name eines längst vergessenen numidischen Königs verliehen worden war, wusste er nicht. Offensichtlich eine Verwechslung.
    Was den für ihn aufgerufenen Preis anging, musste Micipsa dem Sklavenhändler Recht geben.
    Hätte man ihm nicht sein mühsam angesammeltes Geld weggenom-men, er könnte sich fast selbst freikaufen.
    So aber war der Lybier dem Händler und seinen Kunden ausgeliefert.

    Ein Blick über das Geschehen genügte Micipsa, um sich eine Meinung zu bilden. Offensichtlich handelte es sich bei den städtischen Märkten um eine Anlaufstelle für Herumtreiber und Taugenichtse.
    Wie er sich selbst eingestehen musste, war er ein wenig enttäuscht von dem, was er bisher von Rom gehört und gesehen hatte. Er hatte sich alles etwas prunkvoller und weniger schmutzig vorgestellt. Sein Blick blieb an zwei Jugendlichen hängen, die durch ihr nerviges Rumgetue mittlerweile die Aufmerksamkeit der umstehenden Marktbesucher auf sich gelenkt hatten.

    Der junge Mann befolgte die Anweisung und betrat das Podest.
    Da er von frühester Kindheit an in Sklaverei gelebt hatte, fühlte sich Micipsa durch den Ablauf weder gedemütigt noch schlecht behandelt.
    An einer Versteigerung von Sklaven hatte er allerdings noch nicht teilgenommen, zumindest nicht als Verkaufsobjekt. Das war eine neue Erfahrung für den kräftigen Libyer. Ebenso wie Rom selbst.
    Während seiner langjährigen, vielfältigen Tätigkeit für einen italischen Kaufmann aus Leptis Magna hatte Micipsa zwar nicht nur die lateinische Sprache zu sprechen und schreiben gelernt, sondern u.a. auch das Spielen auf der griechischen Kithara.
    Die ewige Stadt hatte er aber noch nie zuvor betreten.


    Als ihm sein früherer Herr vor etwa vier Monaten eröffnete, er müsse sich wegen schlecht laufender Geschäfte von seinen wertvollsten Besitztümern - und dazu gehörte Micipsa - trennen, war dies sicherlich ein kleiner Schock. Aber Micipsa hatte gelernt sich anzupassen und sein Leben als Sklave zu akzeptieren.


    Er hob also seinen Kopf und blickte sich um, nicht aufmüpfig, aber eben auch nicht unterwürfig...