Beiträge von Decima Seiana

    Seiana lächelte, und diesmal war es nicht nur das höfliche Lächeln, das einfach dazu gehörte, wenn man höflich Konversation betrieb, sondern wesentlich offener und ehrlich erfreut. „Du bist auch neu in Rom? Woher kommst du ursprünglich, wenn ich fragen darf? Ich selbst stamme aus Tarraco, wie die meisten meiner Familie.“ Seiana machte eine leichte Kopfbewegung zu Meridius und Mattiacus hinüber, die ebenfalls dem hispanischen Zweig der Familie entstammen, und nippte anschließend an ihrem Wein. Als das Wort Modehändler fiel, war sie froh, dass sie das Glas gerade wieder abgesetzt hätte, denn die Gefahr sich zu verschlucken wäre in diesem Moment groß gewesen. Es gab Tage, an denen sie gern einkaufen ging, an denen sie es genoss, mehrere Läden zu besuchen und verschiedene Sachen anzuprobieren – aber diese Tage waren ziemlich selten. Trotzdem zuckten nur ihre Mundwinkel kurz, als auch die andere Aurelia die Modehändler aufgriff, im Übrigen blieb ihr Gesichtsausdruck ebenmäßig, und sie gratulierte sich innerlich dazu. „Ah, ja, der Markt… dort war ich auch bereits, allerdings habe ich da nach nichts Bestimmtem gesucht und bin dann mehr bei Lampen und dergleichen hängen geblieben denn bei Modegeschäften.“


    Aufmerksam lauschte sie Priscas weiteren Empfehlungen, und sie erwiderte das Grinsen. „Ja, ins Colosseum möchte ich unbedingt. Und die Thermen wurden mir bereits wärmstens empfohlen…“ Seiana hatte zwar den Namen der Masseurin vergessen, die Archias ihr ans Herz gelegt hatte, aber da musste sie ja nur kurz in seinem Brief nachsehen. Sie beugte sich vor und nahm eines von den kleinen Häppchen, die als Vorspeise angerichtet worden waren, aber bevor sie hineinbiss, ergriff sie noch einmal das Wort. „Wenn ihr wollt und Zeit habt, könnten wir den Thermen ja demnächst gemeinsam einen Besuch abstatten. Ich würde mich jedenfalls freuen.“

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    Elena grinste breit, als sie den eher mürrischen Kommentar des Parthers hörte. „Ja. Müssen wir.“ Sie nickte den anderen Sklaven zu, die erst sie, dann Ziaar, dann wieder sie etwas zweifelnd ansahen. Elena dagegen machte nur eine unwillige Handbewegung und drehte sich dann um. Im Gegensatz zu den Sklaven – und vermutlich auch sonst so ziemlich jedem – machte sie sich nicht die geringsten Gedanken darüber, was der Parther anstellen könnte, wenn er erst einmal allein mit ihr und dem Griechen unterwegs war. Die anderen zuckten schließlich nur mit den Achseln, allerdings verschwanden nur ein paar mit den Einkäufen in der Menge, zwei blieben nach wie vor bei ihnen, was Elena aber geflissentlich und sehr gekonnt ignorierte. Sie warf Ziaar einen kurzen Seitenblick zu, als dieser etwas Unverständliches vor sich hin brummte, und stieß ihm dann leicht ihren Ellenbogen in die Seite. „Na komm schon, zieh nicht so ein Gesicht. Einkaufen macht Spaß, das wirst du schon merken.“


    Sie gingen über den Markt in Richtung des Bereichs, in dem Kleidung verkauft wurde, passierten einige Geschäfte, in die Elena zwar zu gern einen zweiten Blick geworfen hätte, sich aber zusammenriss und es nicht tat. Diese verkauften schlicht und ergreifend keine Kleidung, die für Sklaven angemessen wäre, und davon abgesehen waren sie einfach zu teuer – in diesem Punkt stimmte Elena mit ihrer Herrin durchaus überein, auch wenn sie sonst nicht ganz begriff, was Seiana gegen ausgiebiges Einkaufen einzuwenden hatte. Bevor sie allerdings zu den Geschäften kommen konnten, in denen sie erschwinglichere Sachen kaufen konnten, trat ihnen auf einmal eine Frau in den Weg, offenbar ebenfalls eine Sklavin, und sprach den Parther an. „Wie, was, wer? Moooment…“ Elena sah die andere stirnrunzelnd an. „Wer will was von ihm? Und warum? Wir sind nicht irgendwelche Sklaven, die irgendjemand rumkommandieren kann…“ Was auch stimmte. Sie gehörten der Decima, niemand, auch keine Flavia, konnte einfach über sie verfügen, außer ihren jeweiligen Herren und deren Verwandten. Irgendwo hatte man ja auch seinen Stolz.

    „Ein handfestes Konzept?“ Auch Seiana zog eine Augenbraue nach oben und schmunzelte. „Nein, das nicht. Nur gesunder Menschenverstand, und sehr viel davon braucht man nicht, um zu beurteilen, was an diesem Blatt zu verbessern ist.“ So ziemlich alles, fügte sie lautlos hinzu. „Verbesserungsvorschläge für die Acta… Hm, um ehrlich zu sein, nein – nicht so auf Anhieb jedenfalls. Ich bin eigentlich zufrieden damit. Ich weiß, das ist keine große Hilfe.“ Sie lächelte und lachte gleich darauf offen heraus, als der Aurelier weiter sprach. „Nun, ich glaube nicht, dass man die Imago auf der Latrine benutzen sollte. Zu viel bunte Tinte, für meinen Geschmack.“ Im Gegensatz zu Corvinus waren Witze dieser Art durchaus öfter von ihr zu hören, jedenfalls wenn sie sich unter Vertrauten wähnte – und da der Aurelier selbst einen derartigen Ton anschlug, konnte sie gar nicht anders als darauf einzugehen. Sie war in der Lage, eine ruhige Fassade zu wahren, wenn es verlangt wurde und ihre Mitmenschen ebenfalls den höflichen Maßstäben entsprechend handelten, aber wenn ihr jemand anders begegnete, dann konnte sie nicht so tun als würde sie es missbilligen, wenn sie in Wahrheit ganz anders dachte. Und im Moment genoss sie es einfach, sich lockerer geben zu können als es sonst meistens der Fall war.


    Anschließend lauschte sie gespannt, was er über seine Arbeit als Auctor zu erzählen hatte. Sie las nicht nur gern und viel, sondern interessierte sich tatsächlich für das, was hinter der Herausgabe einer Zeitung wie dieser steckte. „Nein“, gestand sie bedauernd, „ich bin noch nicht lange in Rom, und Lucilla und ich hatten bisher leider noch keine Gelegenheit für ein ausgiebigeres Treffen.“ Was sie nachzuholen gedachte, und wo sie sie vielleicht auch auf die Acta ansprechen würde. Was der Aurelier sagte, klang zwar durchaus nach Stress, zumindest zeitweise, aber in jedem Fall interessant. Als er dann meinte, die Acta hätte im Moment nur wenig Schreiber, sah sie überrascht hoch und begegnete seinem Blick. „Ich hätte gedacht, dass es genügend gibt, die für die Acta schreiben wollen. Ich würde es jedenfalls gerne tun.“ Im nächsten Moment überzog eine leichte Röte Seianas Wangen, als ihr klar wurde, was sie gerade gesagt hatte. Sie wollte nicht, dass er dachte sie würde die Gelegenheit nutzen oder sich gar aufdrängen, nur weil er erwähnt hatte, dass die Acta im Moment wenig Schreiber hätte. „Das heißt, es wenigstens ausprobieren. Ich schreibe gern, aber es ist natürlich etwas anderes, das für die Staatszeitung zu tun, als für sich selbst zu Hause. Aber… nun ja, ich würde es wie gesagt gerne versuchen.“

    Seiana musste schmunzeln über den ungläubigen Ausdruck, der sich auf dem Gesicht des Aureliers für einen Moment ausbreitete, kaum dass er einen Blick auf das Blatt geworfen hatte. Ein entsprechender Kommentar lag ihr auf der Zunge, aber wie so oft biss sie sich stattdessen darauf, um nichts zu sagen, was ungebührlich gewesen wäre. Der Mann neben ihr war weder einer ihrer Brüder noch ein guter Freund, also wartete sie nur grinsend, bis er das Blatt überflogen hatte und sich dann wieder an sie wandte. Das Pergament nahm sie entgegen, und auch auf ihrem Gesicht lag ein leichtes Grinsen. „Nein, als Konkurrenz würde ich das auch nicht bezeichnen – nicht nachdem ich es überflogen habe.“ Sie lachte leise und faltete das Pergament, um es neben sich auf den die Bank zu legen. Weder über das Bild noch über den Verlierer verlor sie ein weiteres Wort, stattdessen lauschte sie Corvinus und nickte anschließend, erneut mit einem Lachen. „Der Versuch, etwas zu kopieren, kann nur schief gehen – will man etwas Ebenbürtiges schaffen, muss man sich an etwas Eigenem versuchen. Im Übrigen sollte man sich bessere Schreiber suchen, als dieses Blatt offenbar zu Verfügung hat. Und mehr Zeit in Recherche stecken.“


    Kurz flog ein Schatten über ihr Gesicht, als sie an ihren Bruder dachte, und wie sehr der Krieg ihn verändert hatte – sicher waren es weitgehend positive Veränderung, fand sie, aber er hatte auch einiges von seiner früheren Unbedarftheit verloren, von dieser Weichheit, die ihn auszeichnete, und sie wusste nicht, ob sie das gut finden sollte. In jedem Fall hätte sie es ihm Kriegserlebnisse lieber ersparen wollen. Gleichermaßen bezog sich ihr Kommentar aber auch auf das angebliche Bildnis ihres Onkels, dessen Authentizität sie ebenso anzweifelte wie die Tatsachengrundlage der übrigen Artikel. Hernach schlich sich wieder ein Schmunzeln auf ihr Gesicht. „Ganz ehrlich, ich denke das Geld der Betreiber ist in die Miete und sogar in Lupanarbesuche wesentlich besser investiert. Und wer auch immer zwei Asse hierfür“, sie deutete auf das Pergament neben sich, „ausgegeben hat, ich war es zum Glück nicht. Es lag schon hier, als ich kam, und ich nutze gerne solche Gelegenheiten – man weiß nie, was sich findet.“ Sie schwieg einen Moment und musterte den Aurelier. „Macht es Spaß? Der Auctor der Staatszeitung zu sein? Oder überwiegt die Arbeit?“

    Beiläufig wie der Blick des Aureliers war, fiel er Seiana nicht wirklich auf, und so war auch die Tatsache, dass sie die Imago mit der Acta verdeckte, von ihr unbeabsichtigt passiert. Sie las dieses Blatt normalerweise nicht, und tat es jetzt nur, weil es ihr zufällig in die Hände gefallen war und die Überschriften sie doch neugierig gemacht hatten – das war allerdings nichts, wofür sie sich schämte oder was sie bewusst verborgen hätte. So schmunzelte sie nur über den Scherz des Aureliers und dachte dabei an Elena, die die Gelegenheit gerade sicher nutzte, um selbst über die Märkte zu schweifen – obwohl Seiana die Idee gut gefunden hatte, im Park zu lesen, wussten sie doch beide, dass dieser Vorschlag von ihrer Leibsklavin nicht rein selbstlos gemeint gewesen war. „Wie gut, dass meine Leibsklavin gerade nicht hier ist. Ich glaube, sie wäre vor Neid gelb angelaufen, und spätestens heute Abend hätte ich mir wieder anhören dürfen, wie arm sie dran ist mit einer Herrin wie mir.“ Seianas Schmunzeln wurde ein Stück breiter und wurde zu einem aufrichtigen Lächeln. „Ja, richte ihnen bitte Grüße aus.“


    Ihr Lächeln blieb bestehen, als Aurelius Corvinus weitersprach. „Das wird meinen Onkel freuen zu hören – aber ich denke, mit angenehmen Gästen fällt es leichter, ein guter Gastgeber zu sein. Ich habe den Abend ebenfalls genossen.“ Der folgende Blick fiel ihr dann, im Gegensatz zum ersten, auf – und kurz darauf kam der Wink auf die beiden Blätter und ein entsprechender Kommentar. Seiana blickte kurz auf ihren Schoss hinab, wo die Titelseite der Acta zu sehen war. Dass der Mann neben ihr der Auctor war, war ihr in der Tat bekannt, las sie die Acta doch regelmäßig. Wieder verzog sich ihr Mund zu einem Schmunzeln, und in ihren Augen stand ein Funkeln, als sie das bunte Pergament hervorzog, das bisher verborgen gewesen war. „Imago. Man muss sich doch auf dem Laufenden halten, was die Konkurrenz so zu bieten hat.“

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    Elena war, wie eigentlich meistens, bester Laune. Es war ein schöner Frühlingstag – zwar zwitscherten keine Vögel, nicht hier auf den Märkten, viel mehr drang das Geschrei der Händler an ihre Ohren, die ihre Ware los werden wollten, aber das tat ihrer fröhlichen Stimmung keinen Abbruch. Die Sonne schien, insgesamt wurden die Tage heller und wärmer, und sie liebte es einfach über den Markt zu streifen und einzukaufen. Was für ein Jammer, dass ihre Herrin dem nicht ganz so viel Vergnügen abgewinnen konnte wie sie selbst, ganz im Gegenteil. Einkaufen war für Seiana mehr eine lästige Pflicht als ein Genuss, meistens jedenfalls, und sie zog es in der Regel vor, ihre Besorgungen so schnell wie möglich zu erledigen, abgesehen von seltenen – in Elenas Augen lichten – Momenten, in denen sie sich zu einem ausgedehnten Bummel überreden ließ. An dem sie dann aber, auch wieder meistens jedenfalls, doch ihren Spaß hatte. Nun ja, vielleicht lag es gerade daran, dass diese Momente so selten waren, dass Seiana das Einkaufen dann genoss… Wie auch immer, ginge es nach Elena, dann würden sie und ihre Herrin viel öfter durch die verschiedenen Geschäfte streifen – gemessen an den Unmengen an Sesterzen, die sie wahrscheinlich dann dort lassen würde, war es ganz gut so, dass es eben nicht nach Elena ging.


    Allerdings wusste Seiana, dass ihre Sklavin wesentlich mehr Freude daran hatte einkaufen zu gehen, und so sorgte sie dafür, dass Elena bei den regelmäßigen Einkäufen für die Casa Decima ebenfalls dabei sein konnte oder sie sogar ganz übernahm, wenn Candace oder ihre Helfer keine Zeit dafür hatten. Heute war so ein Tag, an dem sie das Kommando hatte 8) Und das war umso mehr ein Grund für sie, es zu genießen. Darüber hinaus wurde sie heute nicht nur von zwei Sklaven begleitet, die die normalen Einkäufe dann nach Hause tragen würden, sondern auch von dem Parther und dem Griechen, für die sie unter anderem neue Tuniken besorgen sollten. Sie hatten die allgemeinen Einkäufe gerade erledigt, zuletzt bei einem Obsthändler, mit dem sich Elena, wie schon mit einigen anderen zuvor, eine hitzige Diskussion darüber geliefert hatte, welche Waren er ihnen für welchen Preis andrehen wollte. Letztlich versuchten die Verkäufer immer, zuerst das loszuwerden, was von geringerer Qualität war, aber Elena gehörte nicht zu denen, die sich leicht übers Ohr hauen ließen, ganz im Gegenteil. Auch wenn sie nicht immer einen Blick dafür hatte, was den genannten Preis wirklich wert war, war es gerade das Feilschen mit den Händlern, was sie mitunter so am Einkaufen liebte. Sie drehte sich zu Ziaar und Sias um und strahlte die beiden an, voller Vorfreude darauf, sie einkleiden zu können. „So, und jetzt zu euch beiden“, grinste sie. Sie sprach Griechisch, nicht wirklich fehlerfrei und mit Akzent, aber soweit sie es wusste, fiel es Ziaar nach wie vor leichter, sich in dieser Sprache als in Latein zu verständigen – und Sias konnte es ohnehin nur recht sein. „Dann wollen wir mal loslegen, hm?“

    Der Papyrus, den ihr der Wind zugetrieben hatte, entpuppte sich als eine Ausgabe der Imago, und Seiana schwankte, ob sie es sofort wieder fallen lassen sollte. Die Überschrift machte sie dann aber doch neugierig, und so überflog sie die Seite. Ein Kopfschütteln konnte sie unterdrücken, ein zweifelndes Stirnrunzeln nicht. Als enge Verwandte eines aus parthischer Hölle Zurückgekehrten konnte sie sich mit dem Artikel über eben jene nicht sonderlich anfreunden, und als sie zur Rubrik puer diei kam, wusste sie nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. Ob Meridius davon wusste? Nicht dass es etwas bringen würde, irgendwelche Schritte einzuleiten, aber für den Fall dass ihn jemand mit einem dummen Spruch bedachte irgendwo in Rom, wäre es wohl besser wenn er überhaupt wusste, worum es ging…


    Als Seiana dann mitten in diesen Betrachtungen Schritte auf dem Kies hörte, ordnete sie diese einem Spaziergänger zu, der vorübergehen würde. So war sie doch etwas überrascht, als sie dann angesprochen wurde. Sie ließ die Imago sinken, hob den Kopf und beschattete ihre Augen mit einer Hand, dann lächelte sie, als sie den Mann erkannte. „Salve, Aurelius Corvinus. Gerne, ich freue mich über angenehme Gesellschaft.“ Sie nahm die Acta zur Hand, die noch unberührt neben ihr lag, legte sie zusammen mit der Imago auf ihren Schoss und machte so Platz für den Aurelier. Während dieser sich setzte, musterte sie ihn kurz. Sie hatte ihn im Grunde nur flüchtig kennen gelernt, auf der kleinen Feier, die ihr Onkel im Zusammenhang mit der Versammlung der Factio Aurata gegeben hatte, aber ihr Eindruck war positiv gewesen, und sie freute sich, ihn wieder zu treffen, und möglicherweise Gelegenheit zu haben, sich ausgiebiger mit ihm zu unterhalten. „Wie geht es Aurelia Prisca und Minervina? Ich hoffe, euch hat die kleine Feier neulich gefallen.“ Hatte sie selbst doch auch zumindest einen Teil dazu beigetragen.

    Ein Park im Frühling. Funkelnde Sonnenstrahlen suchen sich ihren Weg durch lichtes Geblätt und zeichnen verschlungene Muster in unterschiedlichsten Schattierungen auf dem Boden, auf zitternden Grashalmen, an deren Spitzen noch blitzender Morgentau hängt.


    Seiana saß auf einer Bank in einem kleinen Park nahe der Thermen. Sie hatte sich zwei neue Ausgaben der Acta besorgt und eine davon an Aelius Archias geschickt, mit einem kurzen Gruß dazu. Danach hatte sie eigentlich wieder nach Hause gehen wollen, aber Elena hatte eine bessere Idee gehabt: sie hatte vorgeschlagen, in eben diesen Park zu gehen und den Frühlingstag zu genießen. Die Sklavin hatte sich noch einmal auf den Weg gemacht, um etwas zu essen zu besorgen, so dass sie später hier picknicken konnten. Währenddessen hatte Seiana es sich bequem gemacht und wollte gerade anfangen zu lesen, als der Wind ein weiteres Blättchen herbeitrieb. Die Decima hob es auf und ihr Blick flog über die Worte, während ihre Augenbrauen sich leicht zusammenzogen.


    Sim-Off:

    reserviert

    Seiana hatte sich inzwischen niedergelassen, und als Faustus ihr den Arm um die Schultern legte, lächelte sie und lehnte sich etwas an ihn. Es tat gut, ihn wieder um sich zu haben – wie gut, wurde ihr erst jetzt klar, wo er wieder da war. Und wie lange er nun schon größer war als sie oder nicht, das würde sie später noch mit ihm ausdiskutieren müssen (:D), aber im Moment spielte das keine Rolle – jetzt genoss sie einfach die Tatsache, dass sie sich an ihn anlehnen konnte. Allerdings wurde die fröhliche Stimmung bald etwas getrübt, als Faustus anfing, vom Krieg zu erzählen. Seiana spürte, dass es ihm nicht leicht fiel, und das war auch kein Wunder bei dem, was er zu sagen hatte. Und sie kannte ihn… auch, wenn er sich verändert hatte, würde er wohl doch immer zu den Menschen gehören, die solche Erlebnisse einfach trafen, mehr als andere. Sie sagte nichts, aber unauffällig griff sie nach seiner Hand und nahm sie in die ihre, versuchte, ihm so etwas zu helfen, und wenn es nur war dass er wusste, dass sie für ihn da war, so wie früher.


    Als die Sprache allerdings auf das Fest kam, wurde Faustus schon wieder vergnügter, und Seiana stieß ihm leicht ihren Ellenbogen in die Seite. „Von Acta-Reportern verfolgt, dass ich nicht lache. Dass wirst eher du sein, mein Lieber, und dann wirst du darum betteln, Zuflucht bei mir zu finden, damit du mal deine Ruhe hast…“ Dann zog sie überrascht die Augenbrauen hoch. Er hatte nur heute Abend Ausgang? Seianas Blick flog zwischen Faustus und Meridius hin und her, während die beiden beschlossen, erst einmal unter vier Augen zu reden, und sie lächelte, wenn auch etwas wehmütig, als Faustus sich dann an sie wandte. Er war nur für ein paar Stunden hier und wusste vermutlich noch nicht, wann er das nächste Mal kommen konnte, und jetzt redete er erst mit ihrem Onkel – aber Meridius hatte dringend geklungen, und sie wusste ohnehin, dass er kaum den ganzen Abend mit ihr würde verbringen können. Dennoch konnte sie nicht verhindern, dass sie eine leise Enttäuschung spürte, während sie nickte, darum bemüht, sich nichts anmerken zu lassen. „Natürlich, geh nur.“ Sie beugte sich vor und küsste ihn halb grinsend, halb lächelnd auf die Wange. „Da, ich hoffe du bist aus dem Alter raus, in dem dir das peinlich war. Wir können uns ja später treffen, wenn ihr beide fertig seid.“

    Seiana hatte sich kurz mit dem Aurelier unterhalten und der Gruppe, zu der sie getreten war, aber obwohl sie gelernt hatte, derartige Unterhaltungen zu führen, lag es ihr nicht besonders. Sie freute sich auf den späteren Abend, wenn hoffentlich die ersten höflichen Plänkeleien anderen Themen Platz gemacht haben würden, wenn man den ein oder anderen besser kennen gelernt hatte. Ihr Problem war, dass sie einfach noch niemanden hier kannte. In Tarraco wäre dies anders gewesen, aber dorthin zurück wollte sie ohnehin nicht – nein, sie war fest entschlossen, das Beste aus dem zu machen, was sie hier hatte. Sie musste nur ein paar Leute kennen lernen.


    Als sie sich ins Triclinium zum Essen begaben, verteilten sich die Gäste auf die Liegen, die für sie bereit standen. Der Maiordomus hatte dafür gesorgt, dass die Frauen beieinander saßen, vermutlich im Hinblick darauf, dass sie im Anschluss an das Essen ohnehin erst mal alleine sein würden, während die Herren sich zurückziehen würden. Gleichzeitig waren sie nahe genug bei Meridius und einigen anderen, um sich an deren Gesprächen ebenfalls beteiligen zu können. Seiana ließ sich auf ihrer Kline nieder und erwiderte das Lächeln ihres Onkels, als dieser kurz zu ihnen sah, und hörte interessiert, was er dem Aurelier zu sagen hatte. Dann wandte sie sich an die beiden Aurelierinnen. „Ich freue mich, euch beide kennen lernen zu können – ich bin erst seit kurzem in Rom und kenne noch recht wenige hier. Gibt es interessante Ecken, die ihr mir empfehlen könnt?“

    Seiana nickte ihrem Onkel zu und erwiderte sein Lächeln. „In Ordnung. Ich hoffe ja, dass er bald kommt…“ Und das nicht, weil sie fürchtete mit Tsiáhar nicht zurecht zu kommen. Danach nickte sie Elena zu zum Zeichen, dass sie sich wieder entfernen konnten, und die Sklavin zupfte an Tsiáhars Tunika und machte eine Kopfbewegung, ihr zu folgen. Zusammen mit den anderen Sklaven entfernten sie sich erneut von den beiden Römern.


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    Während sich Marcus und der andere Sklave etwas zurückhielten, blieb Elena an Tsiáhars Seite und plauderte munter drauflos, ihr Griechisch bei weitem nicht fehlerfrei und mit einem deutlich hörbaren Akzent, aber doch gut verständlich. „So, wo waren wir vorher? Ah ja, du kommst aus Parthien. Was hast du da gemacht? Und wie ist das Land, aus dem du kommst?“ Dann hielt sie einen Moment inne und lachte leise. „Entschuldige, ich sollte dich nicht so mit Fragen überfallen. Was möchtest du zuerst, etwas essen oder die Unterkünfte sehen und was Wärmeres zum Anziehen?“

    Die beiden Briefe, die ein Sklave vorbei brachte, steckten beide in einem Rollenbehälter, der adressiert war an


    Caius Aelius Archias
    Kapeleion Archaon
    Alexandria, Aegyptus


    An Caius Aelius Archias
    Kapeleion Archaon
    Alexandria, Aegyptus


    Lieber Archias,


    danke für deinen Brief. Es tut mir leid für Katander, dass die Überfahrt so schlimm gewesen ist – richte ihm doch bitte Grüße aus.


    Ich kann mir lebhaft vorstellen, wie es in Alexandria sein muss, das Haus, in dem ihr zur Zeit wohnt, die Stadt, die Menschen – es muss spannend in diesem Gasthaus sein, und du wirst dort eine Menge Menschen kennen lernen. Aber ich kann auch verstehen, dass du auf der Suche nach etwas Eigenem bist, wo du ungestört sein kannst. Und Gelegenheiten, neue Bekanntschaften zu schließen, ergeben sich sicher auch so genug. Ich bin mir im Übrigen sicher, dass du dich schnell einfinden wirst, auch wenn es Unmengen an Formularen und Vorschriften gibt, die du kennen musst. Und pflege deine Griechisch-Kenntnisse, ich denke, gerade die Peregrini werden dir die interessantesten Geschichten erzählen können, wenn du ihnen zuhörst.


    In Rom nimmt alles seinen gewohnten Gang – ich versuche, Iulia Severa unter die Arme zu greifen, so gut es geht, und abgesehen davon bin ich noch dabei, mit Elena zusammen Rom zu erkunden. Die Spiele des Aedils Germanicus Avarus haben stattgefunden, aber dort bin ich nicht gewesen, obwohl ich eigentlich gerne hingegangen wäre – dafür gab es bei uns einen Empfang für die Factio Aurata, deren princeps mein Onkel Meridius ist. Bist du eigentlich ein Anhänger von Pferderennen? Und wenn ja, gehörst du einer Factio an?


    Es hat sich auch mehr Neues ergeben: zum einen hat mein Bruder, Faustus Decimus Serapio, einen parthischen Sklaven hierher geschickt, den er selbst gefangen genommen hat, und in meine Obhut gestellt. Er hat auch parthische Kleidung mitgeschickt und seine Waffe, ein Krummschwert – damit ich mir auch vorstellen kann, wie die Parther in ihrer Heimat aussehen. Faustus denkt an alles, wenn es um so etwas geht, ich könnte mir vorstellen, dass ihr beide euch gut verstehen würdet. Und das wäre auch schon die zweite Neuigkeit: mein Bruder ist – zusammen mit der I. – in Italia angekommen, in Ravenna, um genau zu sein, und er war in der Gruppe, die die Urne des Kaisers nach Rom geleitet haben. Der Anlass ist natürlich traurig, aus dem er so früh schon kommen konnte, aber ich freue mich sehr darüber, dass er endlich hier ist. Habe ich dir erzählt, dass wir uns vor zwei Jahren zuletzt gesehen haben? Umso mehr haben wir uns jetzt beide gefreut, und ich bin auch erleichtert, dass er heil aus dem Krieg wieder gekommen ist.


    Die Acta kann ich dir gerne schicken, ich habe bereits eine aktuelle Ausgabe besorgt, um sie diesem Brief beizulegen.


    Viele Grüße,
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    An Katander
    Kapeleion Archaon
    Alexandria, Aegyptus


    Lieber Katander,


    es klingt… wie soll ich sagen, interessant, was du schreibst (stell dir hier bitte ein breites Grinsen vor). Ich möchte nicht mit dir tauschen, um ehrlich zu sein – es muss ziemlich anstrengend sein, einen Herrn wie deinen zu haben… Wusstest du übrigens, dass er Seiana geschrieben hat, du wärst krank geworden auf der Seereise? Ich meine ja zu wissen, wer von euch beiden die Wahrheit etwas, sagen wir, verdreht hat. Seiana und ich mussten jedenfalls beide lachen, als wir das festgestellt haben, aber wir haben nicht weiter darüber geredet, wer denn nun von euch beiden Recht hat. Ich drücke dir jedenfalls die Daumen, dass die nächste Seereise auf sich warten lässt – und dass ihr bald ein Mietshaus findet, dass deinem Herrn gefällt.


    Viel kann ich dir von hier nicht berichten, Rom kennst du ohnehin noch besser als ich, aber ich arbeite daran, das zu ändern. Aber danke für deine Tipps, und ich werde dir schreiben, was wir so erlebt haben… Einen neuen Sklaven gibt es hier, einen Parther, frisch aus dem Kriegsgebiet, und der Seianas Bruder ist inzwischen auch eingetroffen. Es ging ihr vorher schon besser, in Rom zu sein tut ihr gut, aber seitdem Serapio wieder hier ist, blüht sie auf. Dieser Streit hat mehr an ihren Nerven gezerrt, als sie sogar vor sich selbst zugegeben hat. Sonst hat sich nichts ergeben, nicht in der Sache, die du ansprichst. Ihr Onkel hat jedenfalls noch nicht mit ihr darüber gesprochen, nicht soweit ich weiß, jedenfalls – ich habe sie nicht wirklich darauf angesprochen, muss ich gestehen, aber ich denke, sie würde mit mir darüber reden, wenn es so wäre.


    Liebe Grüße,
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    Sim-Off:

    Familienwertkarte :)

    Einer der beiden Verwandten, die ebenfalls anwesend waren, zog sich mürrisch zurück, und Seiana hatte die Befürchtung, dass Faustus und sie etwas zu… stürmisch gewesen waren in ihrer Wiedersehensfreude. Aber besagte Freude war zu groß, als dass sie sich davon großartig hätte stören lassen. „Ein Herz und eine Seele klingt zu gut, um wahr zu sein – aber wenn du das sagst, machen wir das. Jetzt wo mein Bruder Kriegsheld ist, hab ich wahrscheinlich nicht mehr viel zu melden.“ Sie grinste ihn frech an und schüttelte dann den Kopf. „Nie. Du warst bestimmt nicht größer als ich, daran könnte ich mich doch erinnern!“ Dann lachte sie hell. „Deine aufrechte Haltung, klar… die muss es sein. Ist sehr imponierend, wirklich.“ Sie zwinkerte ihm zu und wollte gerade auf seinen nächsten Kommentar eingehen, als Meridius auftauchte und sie Faustus nur noch einmal kurz neckte. Ihr Bruder konnte es natürlich nicht lassen, auch darauf noch einmal einzugehen, bevor er sich ihrem Onkel zuwandte – und sich seine Haltung noch einmal um ein gutes Stück zu straffen schien, so dass er sie jetzt noch mehr überragte, zumindest bekam Seiana den Eindruck.


    Mit einem Lächeln zog sie sich etwas zurück und nahm sich eine Orange, und nickte Pulchra grüßend zu. „Entschuldige bitte, wenn wir etwas laut gewesen sind. Faustus ist mein Bruder, wir haben uns seit zwei Jahren nicht gesehen, und dann ist er in den Krieg gezogen…“ fügte sie erklärend hinzu, während sie weiterhin das Gespräch zwischen ihrem Bruder und ihrem Onkel verfolgte. Mit einem Funkeln in den Augen schaltete sie sich wieder in das Gespräch ein, als Meridius von einer Feier sprach. „Eine Feier, für Faustus? Siehst du, es fängt schon an mit der Berühmtheit…“ Seiana lachte fröhlich, dann wurde sie etwas ernster. „Aber du hast es auch verdient. Und es ist schön, dass du wieder hier bist.“

    Nachdem Seiana den Behälter und das Ledersäckchen entgegen genommen und den Empfang bestätigt hatte, zog sie sich in den Garten zurück, in eine Laube am hinteren Teil, wo sie kaum gesehen werden konnte von jemandem, der zufällig vorbeikommen mochte. Elena war nicht bei ihr, kam aber kurze Zeit später mit einem Tablett Getränken, und unterdessen hatte Seiana bereits den Behälter geöffnet und neben dem Brief an sie auch den Brief an Elena gefunden, den sie ihr nun mit einem spitzbübischen Grinsen reichte. „Du hast da offenbar Eindruck hinterlassen bei jemandem…“
    Elena schnitt eine lustige Grimasse und grinste zurück. „Genau wie du.“ Kein Satz hätte es besser schaffen können, Seiana zum Schweigen zu bringen, und sie warf Elena nur einen finsteren, aber auch etwas unsicheren Blick zu, ging aber tatsächlich nicht weiter darauf ein. Die Sklavin hingegen sah sich veranlasst, nun doch etwas zu sagen – nicht so sehr weil sie befürchtete, ihre Herrin könnte wütend auf sie sein, sondern weil sie die Unsicherheit in ihrem Blick gesehen hatte. „Als der Aelier hier war, haben Katander und ich ausgemacht, dass wir uns ebenfalls schreiben würden. Offenbar werden wir ihn Zukunft mehr miteinander zu tun haben, also…“ Sie zuckte leicht mit den Achseln und grinste. „Kann es nicht schaden, sich besser kennen zu lernen.“
    „Woher wollt ihr wissen, ob ihr in Zukunft mehr miteinander zu tun haben werdet?“ fragte Seiana nach, diesmal etwas gereizt. Sie konnte es nicht leiden, wenn andere über ihren Kopf hinweg handelten oder irgendetwas als gegeben annahmen, was sie noch gar nicht entschieden hatte. Archias schien sie kennen lernen zu wollen, andernfalls wäre er kaum vorbei gekommen und hätte sie gefragt, ob er ihr schreiben könne, aber ob sie in Zukunft mehr miteinander zu tun haben würden, war nicht nur seine Entscheidung, und dass ihre Sklavin gerade so redete, als ob schon klar wäre, dass sie das gleiche wollte, ärgerte sie. Elena dagegen kannte ihre Herrin nur zu gut, und sie wusste, wie sie zu reagieren hatte – sie lächelte nur unschuldig und zuckte leicht die Achseln. „Nun, zumindest hatten wir beide den Eindruck, dass der Aelier in Zukunft gerne mit dir mehr zu tun hätte. Und du musst zugeben, dass du nicht ganz abgeneigt bist. Immerhin hast du nicht Nein gesagt, als er dich bat dir schreiben zu dürfen.“ Darauf konnte Seiana wieder nichts erwidern, und sie winkte schließlich nur ab und öffnete die Rolle, die an sie adressiert war.


    Die Verstimmung, die von ihr während des kurzen Wortwechsels Besitz ergriffen hatte, verflog ebenso schnell wie der etwas ungehaltene Gesichtsausdruck. Letzterer machte stattdessen einem Schmunzeln Platz, dass sich schon bald ausbreitete. Der Aelier hatte eine ganz eigene Art, zu schreiben, zu erzählen was vorgefallen war – Seiana meinte fast seine Stimme zu hören, während sie den Brief las, so lebhaft klang das Geschriebene. Als sie fertig war, rollte sie den Papyrus leicht zusammen und sah zu Elena hinüber, die den Brief von Katander bereits fertig gelesen hatte. „Und?“
    „Nichts und. Es ist zwar viel Arbeit, gerade am Anfang, aber es scheint ihm zu gefallen in Ägypten.“
    „Katander auch“, grinste Elena. Sie wedelte mit dem Papyrus. „Außerdem meinte er noch, dass die Chancen für eine Beförderung dort nicht so schlecht sind. Und hat ein paar Ratschläge gegeben, was wir in Rom noch ansehen sollen. Nur die Überfahrt, die war wohl etwas anstrengend.“
    „Ja, Archias hat geschrieben, dass es Katander nicht sonderlich gut ging…“
    Einen Moment lang sah Elena sie nur verblüfft an, dann lachte sie los. „Katander? Der hat geschrieben, dass sein Herr es war, dem es… nun ja, nicht sonderlich gut ging. Und dass er wohl ziemlich unleidlich gewesen ist deswegen.“
    Nun hatte es den Anschein, als ob Seiana ihre Sklavin nachahmen würde – erst sah sie verblüfft drein, dann lachte sie los. „Dann frag ich mich, wer die Wahrheit geschrieben hat.“ Elena dachte bei sich, dass sie es dem Aelier eher zutrauen würde, die Tatsachen so umzudrehen – aber sie behielt es für sich und zuckte nur grinsend mit den Achseln. „Männer.“

    Es war Faustus. Wirklich und wahrhaftig. Langsam drehte er sich um, so als hätte er Angst sie könne verschwinden, wenn er sich zu hastig bewegte, und schon als das erste Mal ihr Name über seine Lippen kam, zögernd, leise, fast schon ein Hauch, manifestierte sich die Hoffnung zur Gewissheit in ihr. Wie eine Flutwelle schien die plötzliche Freude durch ihre Adern zu pulsieren. Gleichzeitig mit seinem zweiten Ausruf sprach sie auch seinen erneut aus, jubelnd, und sie fiel ihm lachend um den Hals, ihrem kleinen Bruder, der ihr noch weit stürmischer entgegen kam und sie so sehr drückte, dass ihr fast die Luft weg blieb. „Faustus, oh, Faustus, ich bin so froh dich endlich wiederzusehen, du glaubst gar nicht wie ich dich vermisst habe…“ Sie hatte tatsächlich Mühe, Tränen zu unterdrücken, aber es waren Freudentränen, und sie schlang ihre Arme um seinen Hals, als wollte sie ihn nie wieder loslassen. „Wie kommt es, dass du schon hier bist, in Rom, und dass du Ausgang bekommen hast, wie war die Reise hierher, oooh du musst mir alles erzählen…“


    Obwohl sie zuerst durcheinander redeten, schaffte Seiana es irgendwie auch mitzubekommen, was Faustus erzählte, dass er bereits von sich aus erzählte und antwortete und Fragen stellte, aber sie konnte sich nicht zurückhalten. „Ich war in Rom unterwegs, die Stadt erkunden, ich muss hier doch alles kennen lernen. Du weißt schon, immer ein paar extra Wege kennen, ein paar Schlupfwinkel parat haben… Oh, sag nicht nie, du kennst mich, du weißt wie wir sind. Aber verschwinde nach dem nächsten Streit nicht einfach für zwei Jahre, das ist mir eindeutig zu lang gewesen, das war es nicht wert…“ Schließlich wichen sie etwas auseinander, und Seiana grinste über das ganze Gesicht und strahlte nur noch mehr als sie sah, wie sehr Faustus umgekehrt zu leuchten schien. Sie hob die Hand und fuhr damit durch sein Haar, um es noch mehr zu verwuscheln. „Schick siehst du aus, bist fast nicht wieder zu erkennen. Das Soldatenleben scheint dir gut zu tun.“ Sie legte den Kopf schief, und ihre Augen funkelten. „Warst du vor zwei Jahren auch schon größer als ich? Nein, oder?“


    Inzwischen waren sie ebenfalls in die Cenatiuncula hineingegangen, und Seiana grüßte den beiden Decimern freundlich, die sie zwar inzwischen vom Sehen her kannte, aber bisher noch keine Gelegenheit gehabt hatte, näher kennen zu lernen. Bevor sie aber mehr sagen oder sich wieder Faustus zuwenden konnte, betrat ihr Onkel den Raum. Seiana konnte ihr Grinsen immer noch nicht zügeln, und sie stieß ihrem Bruder leicht einen Ellenbogen in die Seite, während sie ihn wispernd aufzog: „Alles kommt zu dir, kleiner Kriegsheld. Kannst mal sehen, du wirst noch richtig berühmt, erst in der Familie, später im ganzen Reich…“

    Seiana blickte ebenfalls zu dem Sklaven, der das Bündel und das Schwert trug, und zuckte andeutungsweise mit den Achseln. Was mit dem Schwert geschehen sollte, darüber hatte sie sich noch keine Gedanken gemacht – sie hätte es irgendwo verwahrt, bis Faustus hier war, aber im Grunde war es ihr egal, was damit geschah. Auch wenn die Waffe sie durchaus faszinierte, konnte sie doch nichts damit anfangen. Wieder an ihren Onkel gewandt, nickte sie bestätigend. „Der Sklave kann das Schwert ja in dein Officium bringen.“


    Sie wartete in Ruhe, während Meridius den Parther genauer in Augenschein nahm, und ein Teil von ihr empfand Mitleid mit Tsiáhar, der so begutachtet wurde, auch wenn ihr klar war, dass das das gängige Verhalten gegenüber Sklaven war und sie gerade in solchen Fällen besser daran tat, ebenfalls eine gewisse Distanz zu wahren und nicht zu persönlich zu werden. Dennoch konnte sie sich nicht ganz dazu durchringen, konnte sie nie beiseite schieben, dass es letztlich doch Menschen waren, ob nun Sklaven oder nicht.


    Als der Senator sie wieder ansprach, musste Seiana erneut leicht mit den Achseln zucken. Tsiáhar war eben erst angekommen, und Faustus hatte sie vorher nicht darüber in Kenntnis gesetzt, dass er einen parthischen Sklaven hierher schicken würde. „Um ehrlich zu sein, ich weiß es noch nicht. Ich bin selbst von seiner Ankunft überrascht worden. Faustus hatte geschrieben, dass er als Leibwächter eingesetzt werden könnte,“ – exotische Zierde kam für sie nicht in Frage, sie würde keinen Menschen so vorführen – „aber bis wir wissen, ob er dafür wirklich vertrauenswürdig genug ist, wird es eine Zeit lang brauchen. Ich wollte ihn hier erst einmal unterbringen und dann mit dir reden. Ich weiß auch nicht, welche Pläne Faustus mit ihm hat, wenn er wieder hier ist.“

    Seiana nahm die Zustellung entgegen und unterschrieb die Empfangsbestätigung, die der Bote ihr hinhielt.



    Empfangsbestätigung


    Hiermit bestätige ich den Empfang des Einschreibens und der Ware
    von Caius Aelius Archias (AEG).



    Rom, (ITA)
    KAL APR DCCCLVIII A.U.C. (17.3.2008/105 n.Chr.)



    Unterschrift:
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    Danach verabschiedete sie sich von ihm, nickte Marcus noch einmal zu und ging ins Haus hinein, wo sie sich sofort in den Garten begab, um den Brief in Ruhe lesen zu können.

    Seiana war bei den Thermen gewesen und befand sich nun auf dem Heimweg, Elena im Schlepptau – genauer, sie bog gerade in die Straße ein, in der die Casa der Decimer lag. Als sie näher kamen, sahen sie, dass jemand vor der Tür stand und sich mit dem Ianitor unterhielt. Sie gingen weiter, beide neugierig, wobei Elena ihre Neugier mehr oder weniger offen zur Schau trug und Seiana sie gekonnt verbarg. Als der Ianitor ihr aber zunickte und zu sich bat, kaum dass er sie erblickt hatte, entlockte ihr dann aber doch einen neugierigen Blick. Marcus grüßte sie freundlich und machte dann eine Kopfbewegung zu dem Besucher hin. "Dieser Bote hat einen Brief für dich, Herrin, den er dir persönlich geben muss. Da du schon hier bist…" Seiana lächelte dem alten Ianitor zu und nickte dann. „Salve, ich bin Decima Seiana. Was hast du für mich?“ Elena inzwischen lugte, neugierig wie sie war, über ihre Schulter – wobei man ihr aber zugute halten musste, dass sie es unauffällig tat.

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    Der Ianitor ruhte sich gerade ein wenig aus – nein, es war kein Mittagsschläfchen; er schlief nicht, er ruhte, was den Vorteil hatte, dass er jedes Klopfen sofort hören konnte und sich trotzdem nachmittags etwas munterer fühlte –, als er ein energisches Klopfen hörte. Er blinzelte kurz und erhob sich dann, um zur Tür zu schlurfen, die er gleich darauf öffnete. Vor der Porta stand ein Mann, der offenbar Post zustellte, der Tasche und dem Behälter in seiner Hand nach zu schließen jedenfalls. "Salve. Was kann ich für dich tun?"