Nachdem Seiana den Behälter und das Ledersäckchen entgegen genommen und den Empfang bestätigt hatte, zog sie sich in den Garten zurück, in eine Laube am hinteren Teil, wo sie kaum gesehen werden konnte von jemandem, der zufällig vorbeikommen mochte. Elena war nicht bei ihr, kam aber kurze Zeit später mit einem Tablett Getränken, und unterdessen hatte Seiana bereits den Behälter geöffnet und neben dem Brief an sie auch den Brief an Elena gefunden, den sie ihr nun mit einem spitzbübischen Grinsen reichte. „Du hast da offenbar Eindruck hinterlassen bei jemandem…“
Elena schnitt eine lustige Grimasse und grinste zurück. „Genau wie du.“ Kein Satz hätte es besser schaffen können, Seiana zum Schweigen zu bringen, und sie warf Elena nur einen finsteren, aber auch etwas unsicheren Blick zu, ging aber tatsächlich nicht weiter darauf ein. Die Sklavin hingegen sah sich veranlasst, nun doch etwas zu sagen – nicht so sehr weil sie befürchtete, ihre Herrin könnte wütend auf sie sein, sondern weil sie die Unsicherheit in ihrem Blick gesehen hatte. „Als der Aelier hier war, haben Katander und ich ausgemacht, dass wir uns ebenfalls schreiben würden. Offenbar werden wir ihn Zukunft mehr miteinander zu tun haben, also…“ Sie zuckte leicht mit den Achseln und grinste. „Kann es nicht schaden, sich besser kennen zu lernen.“
„Woher wollt ihr wissen, ob ihr in Zukunft mehr miteinander zu tun haben werdet?“ fragte Seiana nach, diesmal etwas gereizt. Sie konnte es nicht leiden, wenn andere über ihren Kopf hinweg handelten oder irgendetwas als gegeben annahmen, was sie noch gar nicht entschieden hatte. Archias schien sie kennen lernen zu wollen, andernfalls wäre er kaum vorbei gekommen und hätte sie gefragt, ob er ihr schreiben könne, aber ob sie in Zukunft mehr miteinander zu tun haben würden, war nicht nur seine Entscheidung, und dass ihre Sklavin gerade so redete, als ob schon klar wäre, dass sie das gleiche wollte, ärgerte sie. Elena dagegen kannte ihre Herrin nur zu gut, und sie wusste, wie sie zu reagieren hatte – sie lächelte nur unschuldig und zuckte leicht die Achseln. „Nun, zumindest hatten wir beide den Eindruck, dass der Aelier in Zukunft gerne mit dir mehr zu tun hätte. Und du musst zugeben, dass du nicht ganz abgeneigt bist. Immerhin hast du nicht Nein gesagt, als er dich bat dir schreiben zu dürfen.“ Darauf konnte Seiana wieder nichts erwidern, und sie winkte schließlich nur ab und öffnete die Rolle, die an sie adressiert war.
Die Verstimmung, die von ihr während des kurzen Wortwechsels Besitz ergriffen hatte, verflog ebenso schnell wie der etwas ungehaltene Gesichtsausdruck. Letzterer machte stattdessen einem Schmunzeln Platz, dass sich schon bald ausbreitete. Der Aelier hatte eine ganz eigene Art, zu schreiben, zu erzählen was vorgefallen war – Seiana meinte fast seine Stimme zu hören, während sie den Brief las, so lebhaft klang das Geschriebene. Als sie fertig war, rollte sie den Papyrus leicht zusammen und sah zu Elena hinüber, die den Brief von Katander bereits fertig gelesen hatte. „Und?“
„Nichts und. Es ist zwar viel Arbeit, gerade am Anfang, aber es scheint ihm zu gefallen in Ägypten.“
„Katander auch“, grinste Elena. Sie wedelte mit dem Papyrus. „Außerdem meinte er noch, dass die Chancen für eine Beförderung dort nicht so schlecht sind. Und hat ein paar Ratschläge gegeben, was wir in Rom noch ansehen sollen. Nur die Überfahrt, die war wohl etwas anstrengend.“
„Ja, Archias hat geschrieben, dass es Katander nicht sonderlich gut ging…“
Einen Moment lang sah Elena sie nur verblüfft an, dann lachte sie los. „Katander? Der hat geschrieben, dass sein Herr es war, dem es… nun ja, nicht sonderlich gut ging. Und dass er wohl ziemlich unleidlich gewesen ist deswegen.“
Nun hatte es den Anschein, als ob Seiana ihre Sklavin nachahmen würde – erst sah sie verblüfft drein, dann lachte sie los. „Dann frag ich mich, wer die Wahrheit geschrieben hat.“ Elena dachte bei sich, dass sie es dem Aelier eher zutrauen würde, die Tatsachen so umzudrehen – aber sie behielt es für sich und zuckte nur grinsend mit den Achseln. „Männer.“