„Das sicherlich“, stimmte sie ihm zu. „Wobei es mich weniger nach Rom gezogen hat, um dort mein Glück zu versuchen, als vielmehr weil ein Teil meiner Familie dort bereits heimisch geworden war.“
Sie lachte leise, als er dann davon sprach, dass sie sich in Tarraco hätten treffen können. „Ich weiß nicht. Wäre meine Mutter nicht krank geworden, hätte sie mich wohl irgendwann nach Rom geschickt, um eine vorteilhafte Ehe zu schließen.“ Immerhin waren sowohl Meridius als auch Livianus da schon seit langem Senatoren gewesen. Eine Tochter des Hauses irgendwo in der spanischen Provinz an irgendeine lokale Größe zu verheiraten, war nicht mehr das, was für eine Familie erstrebenswert war, wenn sie sich in Rom bereits einen derartigen Platz erarbeitet hatte. „Aber früher, als Kinder... da wäre das sicher möglich gewesen.“ Sie verschwieg lieber, wie dieses Treffen dann vielleicht ausgesehen hätte. Wer sie heute kennen lernte, mochte das nicht im Geringsten vermuten, aber Seiana war alles andere als ein braves Kind gewesen – was wohl passierte, wenn ein Mädchen mit drei Brüdern und ohne die strenge Hand eines Vaters aufwuchs. Vor allem mit Faustus hatte sie sich häufig in den Straßen herumgetrieben... und sich mit jedem geprügelt, der ihren kleinen Bruder auch nur schief anschaute. Bis dann irgendwann ihre Mutter die Nase voll gehabt und die Zügel bei ihr so kurz genommen hatte, dass Seiana nur noch damit beschäftigt gewesen war zu lernen. Sich zu benehmen, vor allem, und all das andere, was von einer römischen Frau erwartet wurde, was ihre Mutter von ihr erwartete – aber durch den deutlich erweiterten Unterricht, dem sie von da an folgen musste, hatte sie sich quasi als Ersatz für die wilden Tage mit ihren Brüdern, die sie nun nicht mehr hatte, auf alles gestürzt, was Wissen und Bildung verhieß.
„Ja, da hast du wohl Recht.“ Schlecht getroffen hatte es sie ganz sicher nicht. Sie fragte sich zwar manchmal, ob eine einfache Fischersfrau in Tarraco nicht glücklicher war, trotz der Widrigkeiten, die das Leben für sie bereithalten mochte... aber trotzdem würde sie nicht tauschen wollen, würde nicht das aufgeben wollen, was sie im Gegenzug alles erhalten hatte für die Einschränkungen, die mit ihrem Stand, ihrem Status einher gingen. Und den generellen Einschränkungen, denen eine Frau unterlegen war, egal aus welchem Stand sie kam, konnte sie mit Sicherheit mehr entgegen setzen als andere Frauen... und auch wenn gerade das wieder Probleme anderer Art mit sich brachte, wollte sie auch daran letztlich nichts ändern. „Möchtest du noch etwas essen?“ wies sie dann auf das Essen, das sich langsam dem Ende zuneigte. „Wenn du möchtest, kannst du dich im Anschluss daran gerne hier ein wenig umsehen. Dich selbst von den Sicherheitsvorkehrungen überzeugen, mit meinen Leibwächtern sprechen, was immer du für deinen Bericht benötigst.“