Seiana deutete ein Kopfschütteln an. „Und was glaubst du, hören Senatoren von Dutzend anderer junger Männer, die in die Politik einsteigen möchten? Jeder wird das oder etwas in dieser Art sagen. Du solltest dir ein paar Gedanken machen und versuchen etwas zu finden, das dich von anderen abhebt, Flavus. Sieh es als Übung für künftige Reden, in denen du den gesamten Senat wirst von dir überzeugen müssen. So wichtig Hingabe zu Rom, Glaube an das Imperium und persönlicher Ehrgeiz auch sind, aber das allein wird kaum reichen. Je höher du kommst, desto weniger... und wenn du es besser kannst, dann fang mit solchen Allgemeinplätzen gar nicht erst an. Und wie ich deinen Großvater kenne, wird er dafür gesorgt haben, dass du es besser kannst.“ Wenigstens rhetorisch. Was den Inhalt betraf, würde Flavus sich selbst Gedanken machen müssen. Sie nippte an ihrem Wein und nickte dann leicht, als er weitersprach. „Das kannst du gerne“, antwortete sie – sicher konnte er das, er war ein Verwandter, auch wenn es nur angebracht war, dass er vorher fragte. Sie hoffte nur, dass er den Purgitius dann auch würde von sich überzeugen können.
Bei seiner nächsten Frage zögerte sie einen Augenblick. Beinahe mochte man meinen, er hätte bemerkt, was sie zuvor gedacht hatte... aber vielleicht hegte er ja wirklich Zweifel an sich. „Alexandria ist ein ganz anderes Pflaster, das kannst du nicht mit Rom vergleichen“, antwortete sie schließlich. „Und was Rom angeht... Nun, wenn ich offen sein darf: du solltest dir angewöhnen, nicht auszusprechen, was dir gerade durch den Kopf geht, sondern vorher nachzudenken. Du solltest dir überlegen, was dich von der Masse abhebt. Und du solltest dir Gedanken machen, wo dein Weg dich hinführen soll. Was du erreichen willst, was dich antreibt. Es gibt genug Politiker, die den Cursus honorum anstreben, nur um sich eines Tages Senator nennen zu können.“ Seiana wusste, dass die Worte hart klangen, aber es half Flavus auch nichts, wenn sie ihm Honig ums Maul schmierte. Und so, wie er sich ihr präsentiert hatte gerade... fehlte ihr einfach noch etwas. Aber unter anderem dafür waren Verwandte ja, dass sie halfen, verbesserten. Sie deutete ein Achselzucken an, bevor sie ein flüchtiges Lächeln sehen ließ, um nach der Peitsche... nun, nicht gerade ein Zuckerbrot folgend zu lassen, aber doch einen Abschluss zu finden, der Flavus Grund zur Hoffnung geben mochte. „Aber du stehst noch ganz am Anfang. Du hast viel gelernt, und du hast hier die Zeit und die Möglichkeit, das Gelernte in der Praxis zu erproben, zu vertiefen, zu verfeinern. Und weiter Neues dazu zu lernen.“