Beiträge von Decima Seiana

    Der Sklave, der Seiana begleitet hatte, neigte höflich den Kopf. „Salve. Meine Herrin, Decima Seiana, hat einen Termin mit dem Praefectus Praetorio Appius Terentius Cyprianus“, kündigte er an.

    Nachdem der Terentius nun erneut bei ihnen gewesen war und mit ihrem Bruder gesprochen hatte, und nachdem dort - den Göttern sei Dank - alles mehr oder weniger reibungslos abgelaufen war, hatte Seiana einige Zeit später einen Sklaven vorbei geschickt, um einen Termin ausmachen zu lassen. Eine Hochzeit wollte organisiert werden, und es gab immer die leidigen Details, die einem alles verderben konnten... vor allem wenn die Erwartungen vorher nicht klar abgesteckt waren. Und um dafür zu sorgen, dass auch die Hochzeit so reibungslos wie möglich ablief, war Seiana nun zum vereinbarten Zeitpunkt hier, um das ein oder andere noch zu besprechen, bevor sie sich in die Organisation der Feier stürzte. Oder besser: andere nach ihren Anweisungen stürzen ließ.

    Es dauerte nicht lange, und Seiana betrat das Atrium. Eine gewisse Zeit zu warten, um nicht sofort hineinzuplatzen, das war schön und gut wenn man zu irgendwelchen Besuchern gebeten wurde, aber das hier war nicht irgendein Besuch. Bei weitem nicht. Und der Sklave hatte ihr erzählt, dass der Praefectus Praetorio schon ein wenig länger da war, was hieß, dass er und ihr Bruder bereits gesprochen hatten... und das machte sie dann doch ein wenig nervös, nicht zu wissen, was herausgekommen war. Sie ließ sich nichts davon anmerken, nicht einmal dem Sklaven gegenüber, aber immerhin ging es da um ihre Zukunft. Und Faustus wusste nicht einmal, in welchem Ausmaß, denn wenn das nun schief ging... Seiana hegte wenig Zweifel daran, dass der Terentius dann doch noch in die Richtung schwenkte, ihr etwas anzuhängen.


    Als sie jedoch das Atrium betrat, waren die beiden Männer gerade dabei, gemeinsam Wein zu trinken – und das würden sie wohl kaum tun, wenn das Ganze nicht glatt gelaufen wäre. Sie lächelte ihrem Bruder leicht, aber ehrlich zu und begrüßte ihn mit einem sachten Neigen ihres Kopfes, bevor sie sich an den Praefecten wandte. „Salve, Terentius. Welch Freude, dich erneut in unserem Haus begrüßen zu können.“ Welch Freude, in der Tat... die hauchfeine Ironie, die in diesen Worten mitschwang, war kaum herauszuhören – und nichts im Vergleich zu jener, die sie Seiana dabei eigentlich empfand. Aber sie spielte ihre Rolle perfekt. „Du hast mich rufen lassen?“ fragte sie anschließend ihren Bruder.

    Seiana ging in Gedanken kurz die Pläne der Schola durch. „Er müsste eigentlich bald wieder anstehen...“, antwortete sie vage. Ganz sicher war sie sich nicht, konnte sie doch unmöglich alle Kurse und alle Termine der Schola im Kopf haben, aber sie meinte sich zu erinnern, dass der letzte Grundkurs nun schon einige Zeit zurücklag... und dieser wurde in schöner Regelmäßigkeit wiederholt. „Ich erkundige mich in den nächsten Tagen bei meinen Mitarbeitern und gebe dir Bescheid, wann der nächste ansteht.“ Sie lehnte sich ein wenig zurück und nippte an ihrem Wein, bevor sie auf Pinus' nächste Frage nickte. „Ja, er ist kostenlos... der erste Versuch wenigstens. Die weiteren Kurse kosten dann.“ Sie bot ihm bewusst nichts an. Es brachte nichts, Verwandten Geld hinterher zu schmeißen... wenn er wirklich etwas brauchte, würde er schon fragen. Und Seiana fand, dass das vielleicht eine ganz heilsame Wirkung für Pinus haben könnte, entweder fragen, bitten zu müssen – oder eben sich tatsächlich selbst das nötige Geld zu erarbeiten, dass er für derartige Dinge brauchte... Demut war hier das Stichwort. Demut und Respekt, das war etwas, was Pinus noch lernen musste, und das würde er nicht, wenn er alles hinterher geschmissen bekam. Eine Empfehlung zu schreiben war eine Sache, ihm alles in den Schoß zu werfen etwas völlig anderes. „Nun... dein Zimmer wird inzwischen hergerichtet sein, du bist sicher müde von der Reise... und ich habe noch einiges zu tun. Wenn du nichts dringendes mehr zu besprechen hast, würde ich mich nun zurückziehen.“

    Seiana saß, wie so häufig, an ihrem Schreibtisch und arbeitete, als es an der Tür klopfte. „Ja?“ rief sie, und herein trat Flavus, der um ein Gespräch bat. Seiana erhob sich. „Sicher“, antwortete sie mit einem vagen Lächeln und wies auf eine kleine Sitzgruppe in der Nähe eines der Fenster, zu dem sie ebenfalls ging. Auf dem Tischchen standen einige Becher sowie zwei Karaffen – eine mit Wein, eine mit Wasser – bereit. „Setz dich doch. Möchtest du etwas trinken?“ Sie drehte zwei Becher um und schenkte ihm das Gewünschte ein, dann sich selbst Wein, gemischt mit Wasser, bevor sie sich setzte. „Ich hatte noch gar keine Gelegenheit, dich wirklich zu begrüßen. Ich freue mich, dass du hier bist. War deine Reise angenehm?“ Auch wenn sie erwartet hätte, dass der Brief an sie gerichtet wäre, der sein Kommen ankündigte... und wenn schon nicht allein an sie, dann doch wenigstens auch an sie. Immerhin war sie diejenige gewesen, die hier die Stellung gehalten hatte in den letzten Jahren, und das mehr oder weniger allein, denn Mattiacus war viel zu sehr in seine Studien vertieft gewesen und auch des Öfteren abwesend, auf den Landgütern außerhalb Roms unterwegs. Und Faustus war erst kurze Zeit wieder hier... nein, es gefiel ihr nicht wirklich, dass sie so komplett übergangen worden war. Und sie hatte das unangenehme Gefühl, dass das nun, wo Faustus wieder in Rom war und noch mehr Decimer kamen, häufiger passieren würde... dass man sie einfach überging, weil als Frau ihre Meinung nicht zählte.


    Ihrem Lächeln indes war von diesen Gedanken nichts anzumerken. Zu gut war ihre Maske, zu gut ihre Selbstbeherrschung, als dass man ihr da auch nur das Geringste hätte anmerken können. „Worum geht es?“


    Keine Hastae in Parthien. Seiana nickte nur leicht auf diese Information hin, hatte sie doch im Grunde nichts anderes erwartet nach der ersten ablehnenden Antwort – Spontaneität war wirklich nichts, was sie weiter ausbauen sollte. Sie hörte ihrem Bruder zu, als dieser laut überlegte, und bemühte sich, ihr Lächeln beizubehalten. Es half ja nichts, wenn er keine gehabt hatte. Eine geeignete Hasta würde sich schon finden lassen, um sie zu frisieren, es musste nicht eine sein, die ihr Bruder geführt hatte. Mit der ihr Bruder getötet hatte.


    Sie nippte an ihrem Weinbecher und wartete im Grunde nur darauf, dass Faustus sich endgültig zurückzog, als er doch noch etwas sagte. Seiana sah auf, und in ihren Augen glomm ein leiser Hoffnungsschimmer auf. Es sollte eine Hasta sein, und mit ihr sollten Feinde getroffen worden sein. Keiner sagte etwas davon, wann das Ding genau zur Hasta wurde, oder was es vorher gewesen war. Und selbst wenn: das ging ja niemanden etwas an. Auch wenn sie sich da die Dinge ein wenig… nun ja, zurechtbogen – den Traditionen wurde mit so einer Lösung sicher ausreichend Genüge getan, fand sie. „Das… würdest du das tun? Ich meine, brauchst du dein Gladius nicht noch? Oder willst es aufheben?“

    Zitat

    Original von Appius Terentius Cyprianus
    "Ja wunderbar in der Tat," meinte er lakonisch und wandte sich an seine Verlobte:"Und gefallen dir die Spiele?"


    Seiana sah auf, als der Terentius sie nun ansprach. „Nun ja…“ Sie musterte wieder die beiden Kämpfer in der Arena. Allzu viel Beachtung hatte sie dem Kampf ja nicht geschenkt gehabt, aber allein die Reaktion auf den Rängen, die Rufe der Zuschauer, ließen genug Schlüsse auf die Qualität der beiden Gladiatoren zu, und auch das, was sie gesehen hatte, überzeugte sie nicht restlos – auch wenn sie selbst nicht von sich behaupten konnte, viel Ahnung von der Materie zu haben… aber ein flüssiger Kampf sah anders aus. Und ein Gladiatorenkampf war immer auch ein Schaukampf, der entsprechend Effekthascherisches beinhalten sollte, kein Gerangel, wie es teils zu sehen war. „Es ist der erste Kampf des Tages“, entschloss sie sich schließlich für die diplomatische Variante, die nur durch die Blume klar machte, dass sich ihre Begeisterung in Grenzen hielt – und zugleich auch überdeckte, dass sie mit ihrer Aufmerksamkeit woanders gewesen war. Ehrlich zu sein und zu sagen, dass ihr Spiele, gleich wie gut oder schlecht, so oder so nicht allzu sehr zusagten, kam ohnehin nicht in Frage, nicht hier. „Nach meinen Erfahrungen ist der Einstieg immer nur als Auftakt zu sehen. Die Höhepunkte werden erst noch kommen, denke ich.“

    Seiana ließ ein Lächeln sehen, als Pinus nun zustimmte – kühl wie üblich, aber ohne Selbstzufriedenheit oder ähnliches. Es war gut, fand sie, dass er bereit war Hilfe anzunehmen… denn ganz aus eigener Kraft würde es sehr schwer werden für ihn, es in Rom zu schaffen. Das war es für jeden. Sicherlich sprach nichts dagegen, dass er es zumindest versuchte, aber sie fand es positiver, dass er die Lage jetzt schon realistischer einschätzte als sie gedacht hätte – und dass er zudem noch bereit war, seinen Stolz hinunter zu schlucken. Und die Zusicherung, sich zu benehmen… Nun, das blieb abzuwarten, inwiefern er das nur so daher sagte oder ob er sich wirklich daran hielt.


    „In Ordnung, dann werde ich ihm schreiben“, antwortete sie und nickte dann. „Ja, der Cursus de rebus vulgaribus ist Voraussetzung für sämtliche weiteren Kurse. Wenn du Interesse an solchen hast, kannst du gerne auch zuerst zu mir kommen und dich dann gezielt anmelden.“ Nicht dass sie jedem Interessenten das Kursangebot der Schola erklärte, aber Verwandte waren etwas anderes.

    Sie sah in die Arena hinab, sah dem ersten Kampf zu... und sah ihn doch nicht. Hätte sie jemand gefragt, was da unten passierte, sie hätte nicht wirklich eine Antwort gewusst. Sie lauschte der Unterhaltung der beiden Männer und sah bestätigt, was sie vermutet hatte, seit sie mehr über den Praefectus Praetorio in Erfahrung gebracht hatte: ein Schoßhund des Vescularius, so wie sein Vorgänger, war er ganz sicher nicht. Dass der Praefectus Urbi wiederum wenig Gefallen daran fand, seine Macht zu teilen, war nicht sonderlich überraschend. Männer gaben in den seltensten Fällen gerne etwas von der Macht ab, die sie hatten... und der Vescularius gehörte zu der Sorte, die es noch ungerner taten als andere.


    Seiana ließ sich nichts davon anmerken, wie aufmerksam sie zuhörte, und verhielt sich auch sonst tadellos – in anderen Worten, sie schwieg brav und störte nicht. Gelegentlich ließ sie ihren Blick allerdings schweifen, über die Ränge... Faustus hatte ebenfalls kommen wollen, und eigentlich hatten sie sich treffen wollen. Was jetzt allerdings ein wenig erschwert war durch den Umstand, dass sie hierher gebeten worden waren. Aber im Moment schien da keine passende Gelegenheit zu sein, den Praefectus Urbi zu fragen, ob ihr Bruder sich vielleicht dazu gesellen könnte... also wartete sie einfach und sah wieder dem Kampf in der Arena zu.

    Das leise Gefühl der Enttäuschung, das seine Antwort in ihr auslöste, ließ Seiana sich nicht anmerken. Sie wusste selbst nicht, warum ihr das so wichtig schien – mehr noch, da die Idee zwar durchaus logisch, aber dennoch eine spontane gewesen war, gerade erst geboren. Aber vielleicht war es gerade dieser Umstand, der die Enttäuschung auslöste – dass es spontan gewesen war, dass sie nicht darüber nachgedacht hatte, dass sie sich nicht auf eine verneinende Antwort vorbereitet hatte. Was einmal mehr der Beweis dafür war, dass man spontanen Eingebungen nicht nachgeben sollte.


    Sie deutete ein Achselzucken an. „Nein, ich glaube... wenn man der Tradition folgt, sollte es schon eine sein, mit der im Krieg getötet wurde.“ Es war nie die Rede davon, dass es die Lanze eines Verwandten sein sollte. Nur in Feindesblut getaucht... das war relevant. Wenn sie Faustus' Lanze aus seiner Stadtkohortenzeit nahm, mit der er noch nicht einmal im Krieg gewesen war, konnte sie auch gleich auf diese Tradition und damit die Lanze verzichten. „Was ist mit Parthien...? Wenn nicht, mach dir keine Gedanken. Ich nehm eine andere.“ Eine andere. Sie wollte keine andere, sie wollte etwas, das ihr Bruder benutzt hatte, im Krieg, um sich zu verteidigen und seine Kameraden und Rom... Aber es war doch im Grunde lächerlich, dass ihr das plötzlich so viel bedeutete. Sie schob die Gedanken weg und setzte ein zuversichtliches Lächeln auf, das sie ihm zeigte.

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    Nicht gut. Gar nicht gut. Der Prätorianer glaubte ihm nicht, wobei Raghnall nicht ganz schlüssig war, warum er ihm nicht glaubte. Das mit der fehlenden Logik nahm er ihm nicht ab, denn die Geschichte, die er ihm aufgetischt hatte, war logisch. Gut, mal abgesehen davon, dass ein Besuch der Schwarzröcke tatsächlich nicht ganz ohne war, aber selbst das war etwas, was ein pflichtvergessener Sklave durchaus wenig interessieren konnte. Es gab also irgendeinen anderen Grund, warum der Mann ihm nicht glaubte, und das herauszufinden war eigentlich wichtig für das weitere Vorgehen. Aber jetzt galt es blitzschnell zu entscheiden, wie er weiter vorgehen sollte.
    Was also tun? Zurückrudern? Dabei bleiben? Ganz sicher war Raghnall sich nicht… aber er zweifelte, zweifelte ganz stark, dass es für die Decima besser wurde, wenn die Prätorianer erfahren sollten, mit welcher Botschaft sie ihn wirklich geschickt hatte. Und dass er noch dazu Gelegenheit gehabt hatte, wenigstens ein paar Sachen wegzuschaffen – das wäre sowohl peinlich als auch gefährlich, das zuzugeben, und die Sachen dann den Prätorianern ausliefern zu müssen. Nein, er glaubte nicht, dass die Decima wirklich besser wegkam, wenn er jetzt die Wahrheit sagte. Und er konnte sich noch daran erinnern, was sie gesagt hatte… dass sie nicht wollte, dass andere mit hineingezogen wurden. Daraus schloss er, dass es nur in ihrem Sinne war, wenn sie den Hauptteil abbekam. Zurückrudern kam also nicht in Frage… auch wenn das unangenehm für ihn werden konnte. Aber, beim besten Willen: die Decima drückte immer wieder beide Augen zu, was ihn betraf, akzeptierte, dass er sich in der Halbwelt Roms herumtrieb, tolerierte seine… nun, etwas lässige Arbeitsmoral genauso wie seine Spielleidenschaft, und sie hatte mehr als einmal seine Spielschulden bezahlt – die ihn Kopf und Kragen hätten kosten können, wenn sie das nicht getan hätte. Da konnte er durchaus zur Abwechslung mal den Kopf für sie hinhalten. Zumal er sich recht sicher war, dass sie ihn herausholen würde – selbst wenn die Prätorianer großzügig darüber hinweggingen, dass er, als Sklave, als Besitztum, eigentlich nicht beschädigt werden dürfte.


    Dieser Entschluss war schön und gut. Erster Schritt getan. Nur, was sollte er dem jetzt erzählen? Es war ein bisschen einfallslos, einfach nur auf seiner Geschichte zu bestehen… „Es wär doch blöd einem Sklaven einen anderen hinterher zu schicken, solang der erste noch gar nicht zurücksein kann, weil er allein für den Weg Zeit braucht und dann reden muss und vielleicht noch aufgehalten wird… das kann man gut abschätzen, ab wann die Herrschaften misstrauisch werden“, führte er zunächst mal eins der angeblichen Argumente des Schwarzrocks ad absurdum. Das war ganz gut als erste Reaktion, fand Raghnall, aber reichte noch nicht. Er ließ noch einmal Revue passieren, was der Prätorianer gesagt hatte, und da, plötzlich, fiel ihm auf, was an der Antwort des anderen nicht ganz stimmte. Und im Gegensatz zu ihm konnte er den Finger ziemlich direkt darauf legen. „Äh, aber… Was du grad gesagt hast, von wegen Mitarbeiter… Welche Leute sollen da denn zu vorbereitet gewirkt haben? Die können gar nicht vorbereit gewesen, ich hab ja nix gesagt.“ Er hatte ja tatsächlich niemandem etwas gesagt – nur der Iunia und dem Vibienus. Die beiden hatte er eingeweiht, die gehörten zu den wenigen, denen die Decima traute – weswegen er sich sicher war, dass die zwei niemals irgendwas gesagt hätten. Und die anderen… die hatten ihn wirklich nur gesehen, was ja einer der Gründe dafür war, was seine Geschichte eigentlich glaubhaft machte. Und dann war er ja schon dazu verdonnert worden, Zeug zu schleppen, weswegen er aus dem Redaktionsraum verschwunden war. Aber wie kam der Prätorianer dann darauf zu behaupten, die Mitarbeiter seien zu vorbereitet gewesen? Die Irritation, die sich bei seiner Frage auf Raghnalls Gesicht zeigte, war zur Abwechslung echt – während er noch grübelte, ob vielleicht doch einer der beiden was verpetzt hatte, oder ob das eine Finte des Schwarzrocks war, um ihn zu testen.





    SKLAVE - DECIMA SEIANA

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    Crios nutzte gerade die Gunst der Stunde – die sich aktuell darin äußerte, dass keiner da war und etwas wollte – und war dabei, die Abrechnung der letzten Woche zu erstellen und bei der Gelegenheit gleich zu notieren, was nachbestellt werden musste. Der Griffel flog über eine Wachstafel, daneben lagen andere mit den Aufzeichnungen der letzten Woche, während er halb auf der Theke lehnte, aufgestützt auf einem Unterarm, und auf einem Stück Süßholz kaute. Mit einem „Salve“ beantwortete er die Begrüßung und sah zunächst nur auf – nur um sich dann doch aufzurichten, als er hörte, wer da gekommen war. „Iaret ist im Augenblick leider unterwegs. Auf ihn zu warten lohnt sich wahrscheinlich nicht, es könnte noch ein wenig dauern, bis er wieder kommt. Aber ich kann einen Termin ausmachen, da würde Iaret dann auch zur Casa Decima kommen, wenn deinem Herrn das lieber ist. Oder…“ Crios zögerte kurz, zuckte aber dann innerlich die Achseln. Was sollte schon passieren? Er behandelte ohnehin alle Patienten, sofern sie nicht explizit Iaret verlangten… oder es nicht die ganz schwierigen Fälle waren oder die, die auf die ein oder andere Art so besonders waren, dass er wusste Iaret würde sie selbst behandeln wollen. Und selbst dann bot Crios zumindest seine Hilfe an, eine erste Untersuchung, etwas in der Art. Gut, Iaret war explizit verlangt worden, und beim Bruder der Chefin ging Crios auch davon aus, dass Iaret das gerne selbst in der Hand hatte… aber: den Bruder der Chefin warten zu lassen war auch nicht sonderlich glücklich. „Wenn er möchte, kann ich ihn mir auch mal anschauen. Dann weiß Iaret zumindest schon Bescheid.“




    Seiana nickte leicht. Im Grunde gab es da nichts zu hoffen. Wenn es denn nötig war, würde er die Umfangsformen lernen, vermutlich schneller als ihm lieb war. Oder er war in Rom fehl am Platz. So einfach war das. Aber sie kommentierte es nicht weiter, ebenso wenig wie sie noch etwas zur Reputation seiner Familie sagte. Sie nickte nur erneut und lächelte vage, als er von Respekt sprach. Das war nun leicht gesagt… aber sie war sich sicher, wenn der Terentius eine weitere Durchsuchung anordnen würde, würde der Iunius nicht aus Respekt vor ihr oder ihrer Familie ablehnen. Er würde tun, was von ihm verlangt wurde, Respekt hin oder her. Dennoch glaubte sie ihm, dass er es ehrlich meinte – und unangenehme Situationen konnten doch um einiges besser gestaltet werden, wenn da wenigstens ein gewisser Grundrespekt vorhanden war.


    Die nächste Frage überraschte sie, weil sie – wie er selbst schon sagte – das Gespräch auf eine persönlichere Ebene schob. Für einen winzigen Moment wurde sie misstrauisch, überlegte, ob nun wieder der Prätorianer aus ihm sprach, der Informationen sammeln wollte. Aber was brachte es ihm schon zu wissen, wo sie herkam? Ganz abgesehen davon, dass das nicht sonderlich schwer herauszufinden war. Noch ein wenig überraschter war sie allerdings, als sie hörte, wo er herkam – natürlich wusste sie, dass ihre Lectrix ihre Wurzeln in Hispania hatte, aber diese Verbindung zu dem Iunius neben ihr hatte ihr Kopf noch nicht geschlagen. „Ich bin auch nur eine Provinzlerin. Aus der Nähe von Tarraco.“ Ein feines Lächeln huschte über ihre Züge, als sie seine Worte nahezu gleich wiederholte. „Meine Eltern haben allerdings früh Sorge für eine umfassende Ausbildung getragen, nicht nur bei meinen Brüdern, auch bei mir… Und ich lebe schon seit längerem hier. Es ist Jahre her, dass ich das letzte Mal in Tarraco war.“ Fast ein Jahrzehnt, um genau zu sein. Für einen Moment wurde sie fast wehmütig, als ihr so vor Augen geführt wurde, wie viel Zeit vergangen war seit damals.

    Es war… merkwürdig. So lange war sie alleine hier gewesen – zwar hatte es gelegentlich Verwandtenbesuche gegeben, aber die, die in den letzten Jahren hier in Rom gewesen waren… Mattiacus, Venusia und sie, sie waren im Grunde immer ihrer eigenen Wege gegangen, in einer Art stillschweigendem Einvernehmen. Es hatte sich ein nebeneinanderher leben entwickelt – sicher begegnete man sich des Öfteren, unterhielt sich oberflächlich, aber das war es dann meist auch schon. Sie selbst hatte zu viel zu tun, zu viel um die Ohren, als dass sie noch Zeit gehabt hätte, sich um den innerfamiliären Zusammenhalt zu kümmern, um die Kontakte, den sozialen Kitt. Ganz davon abgesehen, dass ihr das auch herzlich wenig lag, auf emotionaler Ebene Bindungen herzustellen und zu erhalten. Dazu kam, dass sie in der Vergangenheit mehr und mehr dazu übergegangen war, bewusst zu Zeiten zu essen, in denen sie alleine war – oder es sich einfach in ihre Räume bringen zu lassen... Jetzt war sie im Grunde hier, weil es sich gehörte, bedachte man, dass die meisten hier erst kürzlich wieder in Rom eingetroffen waren.


    Ja, es war merkwürdig, hier nun so viele Menschen um sich zu haben, so viele Verwandte. Außer ihrem Bruder kannte sie keinen von ihnen wirklich – Massa mochte der einzige sein, den sie tatsächlich noch kaum gesehen hatte, aber auch sonst… Sie bezweifelte, dass sie abgesehen von ihrem Bruder überhaupt von einem Menschen, der noch am Leben war, behaupten konnte, ihn wirklich zu kennen.
    Ihr Verhalten indes war wie üblich: zurückhaltend, eher schweigsam, mit der kühlen, selbstbeherrschten Ausstrahlung, die sie sich in den vergangenen Jahren so sehr zu eigen gemacht hatte. Sie trank einen Schluck Wein – obwohl auch sie einen Teller vor sich stehen hatte mit den Vorspeisen, hatte sie nicht allzu großen Hunger –, und brach ihr Schweigen für den Moment. „Ich habe ihm bereits vor einigen Jahren Ephialtes zur Seite gestellt… Einen jungen Sklaven, den ich damals aus Hispania habe kommen lassen von einem unserer Landgüter. Damit Marcus jemanden hat, den er schicken kann, um uns über Besuch zu informieren. Er hat ihn im Lauf der Zeit auch als Ianitor angelernt, und nach dem, was Marcus mir berichtet, macht Ephialtes sich dabei recht gut und könnte, wenn er sich bewährt, seine Nachfolge übernehmen. Vorausgesetzt natürlich ihr seid einverstanden.“ Den letzten Satz fügte Seiana im Grunde nur der Höflichkeit halber an. Sie war es gewesen, die hier in den letzten Jahren alles organisiert und geleitet, die sich gekümmert hatte… angefangen von den typischen Aufgaben einer Hausherrin bis hin zu den eher untypischeren, wie beispielsweise Ansprechpartnerin zu sein für die Klienten, die die älteren Decimer nach wie vor in Rom hatten, um deren Anliegen sie sich selbst allerdings nicht kümmern konnten, weil sie sich zurückgezogen hatten. Ganz sicher war Seiana also der Überzeugung, dass ihre Meinung bei einer solchen Entscheidung maßgeblich war – und das nicht nur, weil sie sich mit Abstand am besten auskannte mit allem, was die Vorgänge dieses Hauses betraf.

    Ein Aushang wurde vor dem Kurs-Anmeldungsbüro angebracht:


    Aufgrund der Abreise des Magisters Iuris Marcus Decimus Mattiacus wird in Zukunft Sisenna Centenius Fulvus* den Cursus Iuris übernehmen. Anmeldungen sind jederzeit hier möglich.


    Sim-Off:

    *NSC


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    Marcus nickte wissend, war doch ein Bote von der Schola gekommen, der informiert hatte darüber, dass der Senator mit der Decima zu sprechen wünschte. „Selbstverständlich. Sie empfängt ihn im Tablinum, antwortete er und bat den Besucher hinein.





    IANITOR - GENS DECIMA

    Einige Zeit, nachdem Mattiacus aufgebrochen war nach Athen, kam eine weitere Nachricht von ihm:


    Liebe Familie,


    ich wollte euch auf diesem Wege wissen lassen, dass ich wohlbehalten in Athen angekommen bin.
    Um die Verwaltung unserer italischen Güter, die bisher in meinen Händen lagen, auch weiterhin zu gewährleisten, habe ich beschlossen, diese Seiana zu übertragen.


    Ein Gruß an euch alle!


    Euer Mattiacus

    Ihre Lippen verzogen sich leicht in einer zweifelnden Art. Bescheiden? Nein, das hatte nichts mit Bescheidenheit zu tun, dass sie keine Verlobungsfeier wollte. Eher mit gesundem Menschenverstand, und einer gewissen Abneigung gegen allzu große, allzu fröhliche Menschenansammlungen, noch dazu solche, bei denen sie gezwungenermaßen im Mittelpunkt stand. Sie fragte sich, wann das so geworden war... hatte sie als Kind doch durchaus die Feste daheim genossen. Aber sie konnte auch nicht mehr so unbeschwert feiern wie früher. So oder so: die Hochzeit reichte ihr schon, und dass Faustus fand, dass bei einer ausgelassenen Verlobung die Hochzeit umso größer gefeiert werden musste, stieß nun nicht unbedingt auf Zustimmung bei ihr – aber auch dazu sagte sie nichts. Die Feier würde groß werden. Daran würde sich nichts ändern lassen, nicht wenn der Praefectus Praetorio die Auctrix ehelichte. „Ja, die Hochzeit werden wir auch feiern. Die wird sicher... grandios. Und unsere Gens“, das wiederum war ein Thema, auf das sie gerne einstieg – immerhin machte sie das ja wegen ihrer Familie, wäre es nach ihr persönlich gegangen, sie wäre am liebsten einfach unverheiratet geblieben, „hat von dieser Verbindung ja nur Vorteile.“


    Sie richtete sich auf und drehte sich leicht zu ihm, um die Umarmung zu erwidern – diesmal deutlich weniger... nun, schutzsuchend als vorhin, sondern mehr auf gleicher Ebene. Und sie war froh, dass Faustus Bescheid wusste, dass sie das hinter sich hatte, und dann noch so glimpflich, ohne zu viel zu sagen... und dass er sich freute. Seiana lächelte ihm zu, als er aufstand, während sie noch sitzen blieb mit ihrem Weinbecher in der Hand. „Schlaf gut.“ Ich hab dich lieb, lag auf ihren Lippen, aber das sagte sie nicht, sondern sah ihm nur hinterher, wie er das Atrium verlassen wollte... und dann, beinahe im letzten Moment, bevor er endgültig aus ihrem Blickfeld verschwand, rief sie ihm noch hinterher: „Faustus? Hast du vielleicht eine Lanze mitgebracht? Du weißt schon, für... für die Hochzeitsvorbereitungen. Ich fänd es schön, wenn das eine von dir ist...“

    „Ich weiß nicht. Er... es ist sein Recht, eine Frau zu wollen, die ihm folgt, wenn er für längere Zeit in die Provinz geht. Aber das kam für mich nicht in Frage...“ Seiana schwieg einen Moment, bevor sie leise, eher zu sich selbst als zu ihm, hinzufügte: „Aber vielleicht war es auch einfach nur hirnrissig von mir zu denken, ich könnte mir allein einen Mann aussuchen.“ Sie räusperte sich und sah zu Faustus, und als dieser sich nun wieder zu ihr setzte, gab sie ihrem Impuls nach und lehnte sich an ihn. Sie hörte ihm gern zu, wie er sprach, lauschte gern seiner Stimme, und ließ sich erzählen, was alles positiv war an dem Bündnis. Und sie sehnte sich danach, ihm glauben zu können, was den Praefectus Praetorio betraf. Angenehme Art. Offen. Ihre Lippen wurden schmaler, als sie sie leicht zusammenpresste, aber sie klammerte sich an den Gedanken, dass ihr Bruder Recht hatte, dass es mehr Seiten an dem Terentius gab als die, die sie kennen gelernt hatte – und er hatte ja durchaus aufgeschlossen gewirkt in ihrem zweiten Gespräch. Nachdem er seine Überraschung überwunden und bevor sie vom Praefectus Urbi angefangen hatte, in diesem kleinen Moment dazwischen... hatte er sogar gelächelt, auf eine Art, die ehrlich gewirkt hatte.


    Sie schmunzelte. „Und er ist ein hochdekorierter Militär. Du kannst das ruhig sagen, ich weiß, dass dir das wichtig ist.“ Das war einer großen Streitpunkte gewesen, wann immer sie sich wegen Archias in die Haare gekriegt hatten. Dass er kein Soldat war, mit dem Militär nichts am Hut gehabt hatte. Und wenn Terentius Cyprianus eines war, dann ein Militär. Er hatte in Parthien gekämpft und war ausgezeichnet worden, er hatte gerade eben erst in Aegyptus den Feldzug geführt...
    Abrupt aus ihren Gedanken gerissen richtete Seiana sich auf, als sie realisierte, was Faustus gerade gesagt hatte. „Große Verlobungsfeier? Bona dea, nein, auf keinen Fall. Die Hochzeit wird schon groß genug.“ Der Tonfall ihrer Stimme machte deutlich, was sie davon hielt – dass sie das Ganze am liebsten so klein wie möglich halten und so schnell wie möglich hinter sich bringen wollte. Wenn das denn möglich wäre, aber das war es bedauerlicherweise nicht. „Ich dachte an eine Anzeige in der Acta zur Bekanntgabe der Verlobung. Da muss ich den Terentius allerdings noch fragen, ob ihm das Recht ist. Und...“ Sie brach ab, als Faustus vorschlug, den Rest des Gesprächs zu verschieben. Beinahe lag ihr auf den Lippen zu fragen, ob sie in seinem Zimmer übernachten könnte, wo sie reden könnten, bis sie irgendwann einschliefen... so wie früher. Aber auch das fiel wohl unter die Kategorie: sie waren keine Kinder mehr. Und er musste müde sein von der Reise. Seiana räusperte sich und zwang sich zu einem Lächeln. „Ja... Es gibt noch ein paar Dinge zu besprechen, aber das hat Zeit bis morgen. Gemeinsam frühstücken, was sagst du dazu?“