Ich hatte mich noch nicht ganz abgeregt, was den Groll gegen meinen geflohenen Thraker betraf, da begann dieser Crétin auch noch Salz in meine Wunden zu streuen. Ich mochte es nicht, wenn man mir widersprach! Piso war wieder auf dem besten Wege, sich unbeliebt zu machen. Jedoch zog ich es vor, Ruhe zu bewahren und mich nicht vor seinen Augen wie eine Cholerikerin zu gebärden.
"Ach wirklich? In der Not frißt der Teufel Fliegen!", gab ich trocken zu bedenken und schloß für mich dieses unliebsame Thema ab.
Doch damit war es nicht genug. Gleich darauf brüskierte er mich mit einer weiteren Unverschämtheit, als sich unser Gespräch auf meine Herkunft lenkte. Auch wenn ich nicht bei meinen leiblichen Eltern aufgewachsen war, so war ich doch eine echte Flavia! Der hispanische Zweig war in keinster Weise schlechter gestellt, als der italische. Gut, wir hatten eine gewisse Altlast zu tragen, aus den Ereignissen, die vor einigen Jahren von Mitgliedern unseres Zweiges begangen worden waren, an die wir uns nur ungern erinnerten. Doch das Attentat auf den Kaiser lag nun schon lange zurück. Zu dieser Zeit lebte ich noch unglücklich verheiratet in Lutetia und hoffte auf bessere Tage.
Aus einem mir nicht ersichtlichen Grund begann er nun darauf herumzureiten. Wahrscheinlich wollte er mich damit nur reizen. Genügte es ihm nicht, daß ich ein Relikt einer untergehenden Linie war? Ich entgegnete nichts darauf, sondern dachte mir meinen Teil.
Wie wenig Rückgrat er doch besaß, zeigte sich auch in der Frage der optimalen Sklavenhaltung. Seine Bedenken, die er gegen die Peitsche erhob, waren völlig haltlos. Ich schüttelte nur den Kopf dabei. Dieser Junge mußte noch sehr viel lernen! Wie alt war er denn überhaupt? Schätzte ich ihn zu jung ein oder kam ich mir zu alt vor, wie auch immer. Ich widersprach ihm. "Ach papperlappapp! Eine ordentliche Tracht Prügel hat noch keinem Sklaven geschadet. Wir Flavier verfügen über ein äußert versiertes Fachpersonal, welches sich widerspenstigen Sklaven wie deiner kleinen dummen Syrerin annehmen kann. Rede doch einfach einmal mit Gracchus Vilicus! Der kennt Mittel und Wege... Und wenn du so viel Wert darauf legst, daß ihre Haut nicht beschädigt wird, dann verpasse ihr einfach einige Stockhiebe. Das hat den gleichen Effekt, ist aber weniger blutig. Die blauen Flecke verschwinden von alleine wieder."
Mit einer einzigen Frage, die die Kleidung meines Parthers betraf, hatte ich unwissentlich in ein Wespennest gestochen. Ein nicht enden wollender Monolog über die Bedeutung von Ästhetik brach über mich herein. Er schaffte es mit so vielen Worten rein gar nichts zu sagen. Doch dann zum Schluß traf er mich tief in meiner Brust. Mein Herz drohte, seinen Dienst zu versagen, als er meine neueste Errungenschaft ins Spiel brachte. Meinen Schwarzen, dem ich es gestattet hatte, ebenfalls in seiner Landestracht gekleidet, seinen Dienst zu verrichten.
"Das ist ja…! Ich bin… Du bist also tatsächlich der Meinung, meine Sklaven sorgen mit ihrem Auftreten nur für Gelächter? Ist es das,was du damit sagen willst?" Ich war gänzlich fassungslos und wurde ganz weiß um meine Nase.
Beiträge von Flavia Celerina
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"Da hast du wohl nicht unrecht, Flavius Piso! Tomis liegt in Thrakien, wenn mich mein geographisches Wissen nicht ganz im Stich läßt. Oh, diese Thraker! Ein wahrhaft barbarisches Volk!" Mittlerweile durfte es sich wohl sogar im letzten Winkel dieses Hauses herumgesprochen haben, wie groß mein Groll gegen einen ganz speziellen Thraker war. Ich hatte Mühe, mich von meiner Wut nicht schon wieder beschleichen zu lassen. Schließlich wollte ich nicht in den Ruf kommen, jähzornig zu sein. Außerdem interessierte es mich ja noch nach wie vor, wer dieser Piso eigentlich genau war. Die Antwort darauf kam prompt, wobei sie nicht besonders einleuchtend für mich war. Genauso wenig wie Aulus Flavius Piso war mir sein Vater, der ehrenwerte Gnaeus Flavius Aetius bisher untergekommen. Was allerdings auch nicht sehr verwunderlich war. Von den italischen Flaviern kannte ich nur diejenigen, die sich bei meiner Ankunft in Rom in der Villa aufgehalten hatten.
"Mein Vater ist Gaius Flavius Maximus," antwortete ich belanglos. Meinem Vater gegenüber empfand ich keinerlei Notwendigkeit, ihm Respekt und Dankbarkeit zu zollen. "Ich entstamme der hispanischen Linie. Daher dürfte unsere Unwissenheit herrühren."Die blamable Schriftrolle war längst vergessen. Zwar hielt ich sie noch in Händen, doch war sie erfreulicherweise nicht zum Sujet unserer Unterhaltung geworden und ich war nicht in die Verlegenheit geraten, mich zu erklären. Dennoch hielt ich es von Nöten, dem jungenFreund hier einige Ratschläge in Sachen Sklavenbehandlung zu geben. Denn darin gebärdete er sich noch recht unerfahren.
"Sie ist… unzugänglich? Aha! Widerspenstig! Und du meinst, indem du sie mit deinem Fachwissen über ihre jämmerliche Heimat beeindruckst, wirst du sie zähmen können? Mein lieber Junge, Sklaven verstehen nur eine Sprache, um ihnen Gehorsam beizubringen! Die Peitsche. Zeige ihr, wer der Herr ist und lasse sie genau wissen, dass sie es auf keinen Fall ist!"
Seine letzte Bemerkung irritierte mich ein wenig und nun war ich es, die unsicher wurde. "Äh wie meinst du das, der unglückselige Parther, der mit einem lächerlichen Kleid herum hampelt? Findest du das zu.. äh unästhetisch oder sogar lächerlich?" Wenn er darauf mit ja antworten sollte, konnte mich dies in eine tiefe Krise stürzen un dich hätte so einiges zu überdenken. -
So sehr wie ich das Alleinsein verabscheute, so sehr hasste ich es, schon wieder gestört zu werden. Niemand konnte mir helfen, auch die Sklaven nicht, die sich plötzlich alle der Reihe nach berufen fühlten, mir eine Stütze zu sein.
Das Klopfen an der Tür, riß mich wieder aus meiner Grübelei. Ich sah verärgert auf und wollte schon erbost los schimpfen. Was sich dieses Sklavenpack alles erlaubte! Konnte ich denn nicht einmal mit meinen Problemen alleine sein? Diese Sklaven konnten mir sowieso keinen Rat gegen, was eine Patrizierin tun sollte, wenn sie in einer solchen Lage war, in der ich mich gerade befand.
Je länger ich darüber nachsann, geriet ich mehr in Rage. Voller Zorn erhob ich mich, schritt zur Tür und riß sie auf. Ich hatte Charis, Phraates oder irgendeinen anderen verdammten Sklaven erwartet. Nicht aber Antonia!
"Oh Antonia, du bist es!" rief ich überrascht aus. "Wie schön, dich zu sehen!" Zum ersten Mal an diesem Tag war mein Lächeln zurückgekehrt. Seit meiner Rückkehr hatte ich sie nicht mehr gesehen. Mir schien, als fürchtete sie sich vor einer Begegnung mit mir. Oder war es nur die Abscheu vor dem, was mir widerfahren war? Was, wenn ich sie einweihte? -
Sim-Off: Aufgrunddessen, daß Furianus nicht zur Hochzeit erscheinen konnte, da er zu dieser Zeit noch in Ägypten weilte, müßte die cena zeitlich nach der Hochzeit von Marcus Aurelius Corvinus und Flavia Celerina angesiedelt werden.
Im Laufe des Tages war mir zu Ohren gekommen, daß einige Familienmitglieder in der Villa Flavia angekommen waren. Dabei sollte es sich zum einen um Furianus handeln, der bis vor kurzem noch in Ägypten weilte. Von dem zweiten Familienmitglied wußte ich lediglich, daß es sich um eine junge Frau handelte. Ich selbst weilte nach meiner Hochzeit für einige Tage in meinem alten Heim, um noch gewisse Dinge zu einem Ende zu bringen. Als Unterkunft diente mir mein altes cubiculum.
Um ein Auge auf die Neuankömmlinge zu werfen und sie auch ein wenig kennen zu lernen, bot sich idealerweise die cena an, die wie so oft, im Kreise der Familie eingenommen wurde.
Wie immer ließ ich mich von meiner Sklavin zurechtmachen. Ich hatte mich heute für eine eher einfache apricotfarbene Tunika entschieden, die zwar aus Seide war, jedoch keine besonderen Stickereien oder sonstige Applikationen aufwies. Auch mein Schmuck und die Frisur waren nicht übertrieben aufwendig. In letzter Zeit mochte ich eher das Bequeme.
Es war mir bewußt, daß ich spät dran war. So verwunderte es mich auch nicht, daß einige Stimmen aus dem triclinium an mein Ohr drangen. Einige davon waren mir wohl bekannt.
"Salvete allerseits!", rief ich aus, als ich eintrat. Unweigerlich fiel mein erster Blick auf einen Mann, den ich noch nicht kennengelernt hatte. Keine Frage, dies mußte Furianus sein! Desweiteren erblickte ich Marcus, Antonia, Aulus Piso, Quartus Lucullus und jene jung Frau,von der ich noch rein gar nichts wußte.
Ich ließ mich neben Antonia nieder. Ein Sklave schenkte mir Wein in meinen Becher ein. "Wie ich sehe, dürfen wir heute gleich zwei Heimkehrer begrüßen. Du mußt Lucius Furianus sein, nicht wahr? Ich bin Celerina, Tochter des Gaius Flavius Maximus und der Foslia Milonia", meinteich lächelnd. Dann wandte ich mich zu der jungen Frau. "Und mit wem habe ich das Vergnügen?", fragte ich sie freundlich. -
Er hielt immer noch die Schriftrolle in Händen ,die schändlicherweise durch sein Verschulden zu Boden gegangen war. Offenbar wußte er nicht, wohin damit. Etwas ungeschickt sah er sich nach ihrem Platz um. Dabei war es doch offensichtlich, wohin sie gehörte. Dass dies alleine nur eine Taktik war, um mir Gelegenheit zu geben, mich der Flammen der Leidenschaft zu entledigen. Allerdings kam ich nicht darauf, da es mich viel zu sehr beschäftigte, mich über das schwerfällige Verhalten dieses Flegels aufzuregen. Oh ihr Götter! Mußte man ihm etwa auch noch helfen? War er wirklich so unfähig? Un dies wollte ein Flavier sein?
"Da gehört es hin!", rief ich schließlich, um all dem ein Ende zu bereiten und deutete auf die richtige Stelle im Regal. Dabei hatte ich gedankenlos die kompromittierende Schriftrolle zum Vorschein gebracht. Ehe ich sie wieder hinter meinem Rücken verschwinden lassen konnte, hatte er sie mit größter Wahrscheinlichkeit auch schon erblickt. Natürlich wollte ich mir jetzt nicht die Blöße geben und sie wieder verschwinden lassen. Ich trat die Flucht nach vorne an und schenkte der Schriftrolle keinerlei Interesse mehr. Vielmehr ließ ich mich auf ein Gespräch mit ihm ein.
"Nun sagen wir eher, er war dem sittenstrengen Augustus ein Dorn im Auge, wobei man ja auch anderes munkelt!", antwortete ich und lächelte unterschwellig dabei. Glücklicherweise hatten sich die Zeiten ein wenig geändert, wenngleich sich der erste Kaiser in vielerlei Hinsicht sich ins Gedächtnis der Leute geschrieben hatte.Einen Moment lang überlegte ich, ob ich den Namen Flavius Piso schon einmal gehört hatte. Aber da mußte ich passen. Aus den gleichen Gründen wußte ich auch nicht, in welcher Beziehung wir standen. Womöglich war er auch noch einer meiner Onkel, wie so viele andere. Vielleicht sollte ich ihm gerade deshalb doch ein wenig Ehrerbietung erweisen, auch wenn ich ihn nicht besonders schätzte.
"Das Vergnügen ist ganz auf meiner Seite!" gab ich von mir und lächelte süßlich dabei.Seine Erklärung, weshalb er sich ausgerechnet über Syrien informieren wollte, fand ich wiederum rührend. Wegen einer Sklavin sich auch noch Arbeit aufhalsen! Das ging doch auch anders!
"Ach herrje, eine Sklavin! Dafür mußt du doch kein Buch lesen! Sie kommt doch aus diesem Land. Also hast du doch die Information aus erster Hand. Frage sie einfach, was du wissen willst! Ich gestehe übrigens meinen Sklaven eine winzig kleine Freiheit ein, indem ich sie in ihrer heimischen Gewändern einkleiden lasse." -
Zitat
Original von Tiberia Albina
Doch, es geht bergab... und zwar ganz steil! Mit 30 ist man schon fast scheintot. *gg*
Denk an das, was ich dir bezüglich der menschlichen Lernfähigkeit erzählt hab. Tut mir Leid, aber du hast das beste schon hinter dir. Wie ich bereits auf dem Kettenkarussel erwähnt habe.Dem muss ich auf´s Schärfste widersprechen!!!
Ganz im Gegenteil, mit 30 erreicht man so gaaaaanz laaaaaangsaaaaam dem Zenit. Was jetzt kommt, sind die besten Jahre! Also Hungi, laß dir bloß nichts von diesen Küken einreden, die haben ja keine Ahnung!
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Alles Gute auch von mir
Laß dir nichts einreden, wegen der 30.... so schlimm ist das gar nicht... hey, mit 30 fängt das Leben erst an!Ich spreche aus Erfahrung
und obwohl ich nächstes Jahr vierzig werde, brauche ich immer noch keinen, der mir über die Straße hilft.
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Diese Sklaven! Sobald sie anfingen, selbstständig zudenken, begannen sie, lästig zu werden. Ich sah ihm noch nach, wie er wieder verschwand. Meine Miene verriet noch immer, wie verärgert ich war. Ich konnte es nicht leiden, wenn meinen Anweisungen keine Folge leitete.
Nach dieser kleinen Unterbrechung, war ich mit meinem Problem wieder allein. Ich zermarterte mir weiterhin das Hirn, was ich tun konnte. Zu wem ich gehen konnte. Wem ich vertrauen konnte…
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Vorsorglich melde ich mich mal für den Rest der Woche ab. Donnerstag-Sonntag bin ich sowieso nicht da. Heute und morgen schaffe ich es evtl. nur abends.
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Meine Tür öffnete sich erneut, was meine Stimmung keinen Deut besserte. Ganz im Gegenteil! Ohne auch nur aufzusehen polterte ich sofort darauf los! "Bei den Furien, hatte ich mich nicht deutlich genug ausgedrückt? Du sollst mich alleine lassen! Verschwinde! Auf der Stelle! Ehe ich mich vergesse!"
Mit zornig entstelltem Gesicht sah ich auf. Es war Charis, die ich erwartet hatte. Doch die Stimme die gerade an mein Ohr gedrungen war, war die des neuen Sklaven. Diese Tatsache milderte meinen Zorn nicht im Geringsten.
"Was du nicht sagst! Sie sollte auch um dich besorgt sein, dass du es wagst, hier unaufgefordert einzutreten! Verschwinde, oder du lernst mich von einer anderen Seite kennen!" Um zu verdeutlichen, wie sehr ich in Rage war und wie bitterernst ich es meinte, hatte ich mich erhoben und wies ihm mir meiner Hand die Tür. Dabei hatte ich gar keine Augen für das neue Gewand, welches er sich anfertigen sollte. -
Die Nacht hatte ihre Spuren in meinem Gesicht und in meinem Gemüt hinterlassen. Ich saß vor meiner Kommode und schaute in meinen Handspiegel. Mein zerfurchtes Gesicht war wahrlich keine Augenweide. Selbst die beste Kosmetik konnte da nicht viel ausrichten. Das Spiegelbild spiegelte das wider, was ich war und das war keine glückliche junge Frau, die demnächst heiratete. Mein Anblick war grauenhaft und genauso fühlte ich mich – grauenhaft.
Ich hatte endgültige Gewissheit erlangt über meinen Körperzustand. Nachdem wochenlang der Zyklus ausgeblieben war, kam nun auch noch ein Unwohlsein hinzu. Das waren ganz klare Indizien, die keinen Zweifel mehr ließen.
In diesem Zustand konnte ich unmöglich eine Ehe eingehen! Das war mein erster Gedanke. Was sollte ich nur tun? Wem konnte ich mich jetzt noch anvertrauen? Epicharis war fort und Antonia hatte auch schon genug Sorgen. Vor allen Dingen durfte es nicht publik werden. Wenn dieses Gerücht die Runde machte, dann war alles verloren. Selbst Charis, die sehr besorgt um mich war, konnte und wollte ich es nicht anvertrauen. Sie war erst seit kurzem in meinen Diensten. Das bedingungslose Vertrauen zu ihr, das ich einst meiner Ylva entgegen gebracht hatte, bestand noch nicht. Stattdessen war ich launisch und unausstehlich.
"Laß mich alleine! Ich muß nachdenken!" Ich mochte mich selbst nicht leiden, wenn ich so war. Charis verließ leise und unauffällig mein cubiculum. Ich sah ihr nicht nach. Meine Blicke waren nur auf mein Spiegelbild geheftet.
Für einen Trank, der zudem auch nicht ungefährlich war, um das Problem aus der Welt zu schaffen, war es bereits zu spät. Ich mußte einen anderen Weg finden. -
Ich sah den beiden noch nach, widmete mich dann aber wieder meiner Lektüre. Ob ich zufrieden sein konnte, mit meinem Kauf, konnte ich noch nicht sagen. Einerseits war ich positiv gestimmt, denn ich hatte etwas mehr als nur Testosteron und Muskelmasse gekauft. Andererseits befürchtete ich, den gleichen Fehler den ich schon einmal bei Chimerion gemacht hatte, zu wiederholen. Soweit durfte es diesmal nicht kommen. Und doch hatte ich es als angenehm empfunden, mich mit ihm zu unterhalten. Vielleicht würde ich das nun öfter tun…
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Ich war wieder die Herrin geworden. Einen kurzen Moment, hatte ich die Hülle fallen gelassen. Zum Vorschein war die Celerina gekommen, die schwach und verletzlich war. Auch Olin war sich seines Sklavenstandes wieder bewußt geworden und erhob sich. Ein wenig bedauerte ich das, doch war ich auch froh, daß mir die Zügel nicht entglitten waren.
"Ja, tu das! Charis soll dich begleiten. Sie kennt sich auf dem Markt gut aus. Dort könnt ihr alles besorgen, was du brauchst." Charis hatte Zugriff zu meinen Finanzen. Ich sah zu ihr auf. "Zweihundert Sesterzen dürften genügen!" -
Er sah mich an, als ob längst die Schranke zwischen Herr und Sklave gefallen wäre. Aber sie waren nicht aufreizend, seine Blicke. Dann begann er von seiner Familie zu berichten. So viel ungestillte Sehnsucht schwang darin mit, die niemals mehr gestillt werden würde und doch hielt das Schicksal manchmal unvorhergesehene Wendungen für uns bereit. "Behalte sie in deinem Herzen, dann werden sie immer bei dir sein!" sagte ich, um überhaupt etwas in dieser Situation sagen zu können. Dann schwieg ich, so wie er. Betreten senkte ich meinen Blick und besah mir meine Hände, um wenigsten eine Beschäftigung zu haben. Die Einzige, die stumme Zeugin dieses Szenarios war, war Charis, die fast bewegungslos etwas abseits stand.
Dann endlich durchbrach er das Schweigen und ich sah wieder auf. "So ist nun mal mein Leben.", antwortete ich und schmunzelte gequält. In meinem Leben hatte es niemanden gegeben, der mich wirklich und wahrhaftig geliebt hatte. Mein Vater hatte mich weggegeben. Ich war bei fremden Leuten aufgewachsen, die das nur taten, weil sie dafür Geld bekommen hatten, aber mir auch keine echte Liebe entgegen bringen konnten. Dann mußte ich einen Mann heiraten, der mein Vater hätte sein können und der in mir nur sein Eigentum gesehen hatte. Meine Familie in Rom, die mir bis dahin fremd gewesen war, hatte mich aufgenommen, nachdem ich zur Witwe geworden war. Ich hatte ihr viel zu verdanken. "Ich gehe eine standesgemäße Ehe ein. Mein zukünftiger Gatte ist Senator. Dies tue ich, zum Wohl meiner Familie. Glücklicherweise haben wir gemeinsame Interessen, die es wohl erlauben werden, dass wir genügend Gesprächsstoff haben und vielleicht wird es dann auch so etwas geben, wie Liebe. Eines Tages, vielleicht.", versuchte ich mich zu rechtfertigen. "Ich habe niemanden, dem ich in allen Dingen vertrauen kann. Meine Ylva ist tot. Sie war über sieben Jahre bei mir gewesen. Ihr konnte ich alles anvertrauen. Sie hat mir in meinen schwärzesten Stunden beigestanden." Meine Stimme war leiser geworden. Traurigkeit hatte mich erfasst. Ich verbarg mein Gesicht vor ihm, indem ich mich abwandte, damit er nicht meine Tränen sah.
Erst als er wieder das Wort ergriff, sah ich ihn wieder an und versuchte, die Fassung wieder zu erlangen, wiederseine Herrin zu sein. Ich durfte in Anwesenheit von Sklaven keine Schwäche zeigen. Wenn ich das tat, dann glaubten sie, sie könnten sich alles erlauben. "Deine Loyalität wird sich bezahlt machen. Du kannst gewiss sein, ich werde dir eine ordentliche Behandlung zuteilwerden lassen, wenn du mir treu dienst und mich nicht enttäuschst." Ich versuchte, wieder erhaben zu wirken. So wie es eigentlich sein sollte. -
Ich beobachtete ihn, wie er die Frucht aß und daraufhin schmunzelte, so als sei ihm bewußt geworden, daß er die ganze Zeit über beobachtet worden war und es ihm nun peinlich war. Ich lächelte zurück, denn dieses Verhalten war nur allzu menschlich. Vielleicht war auch ein Stück Sympathie dabei. Er war in mancherlei Hinsicht anders, als die Sklaven, die ich im Laufe meines Lebens kennen gelernt hatte. Chimerion hatte mich damals schon überrascht, weil er es gewagt hatte, sich mir mit seiner latenten Dreistigkeit entgegenzustellen. Olin hingegen war nicht dreist. Er war schonungslos mit sich selbst und sah der Realität direkt ins Auge. Ich schätzte Offenheit, auch wenn sie manchmal schmerzte, denn sie war etwas Seltenes geworden, mit dem ich umgeben war. Besonders die Sklaven taten alles, um gut vor mir zu stehen. Sie schmierten mir Honig ums Maul und verschleierte so die Sicht aufs Wesentliche.
Seine bedrückende Art mir gegenüber Offen zu sein, stürzte mich fast in eine Krise. Er hielt mir den Spiegel vor, wie schlecht doch das war, was ich als angenehmes Leben betituliert hatte. Wäre ich schwach gewesen, so hätte ich ihm auf der Stelle die Freiheit zurückgeben müssen. Aber ich war in einer Position, in der ich keine Schwäche zeigen durfte. Er war der Sklave und ich der Herr! Und doch konnte ich das Mitleid, das ich empfand, nicht von mir wegschieben.
"Du hattest Frau und Kinder", fragte ich fast schon naiv. Als er fortfuhr, beantwortete er meine Frage schon und unterband vorerst jede weitere Nachfrage. Seine Familie war tot, getötet von denen, die ihn zum Sklaven gemacht hatten und denen er nun zum Dienst verpflichtet war. Wieder lächelte er mich an. Diesmal konnte ich es nicht erwidern, denn eine Scham durchfuhr mich. In gewisser Weise fühlte ich mich mitschuldig an seinem Leid. Dies verstärkte sich noch und wurde fast unerträglich, als er mir offenbarte, er wolle mir treuer als mein zukünftiger Gatte sein und mich mehr lieben, als ich es mir vorstellen konnte. Ich konnte es mir gar nicht vorstellen, daß auch nur einer meiner Sklaven mich liebte. Selbst Chimerions Getue hatte sich als Heuchelei entpuppt. "Du wirst mich lieben, mehr als ich es mir vorstellen kann? Niemand liebt mich! Weder meine Sklaven, noch die die mir verpflichtet sind, wahrscheinlich nicht einmal meine Familie und mein zukünftiger Gatte, nein, er liebt mich genauso wenig, wie ich ihn liebe. Aber du, du willst mich lieben?" Das Erstaunen war nicht mehr aus meinem Gesicht zu löschen. Fast schon glaubte ich, einen dieser Christianer vor mir zu haben, die ständig nur von Liebe faselten, die sich selbst dann noch liebten, als sie elendig am Kreuz oder in der Arena krepierten.
Erst als er fortfuhr und auf Ylvas Tod einging, versteinerte sich meine Miene. Er war auf einmal so kalt. Nichts aus ihm sprach mehr von Liebe. Es war nur Verachtung, die er für Ylvas Tat übrig hatte. Doch dann schien er sich zu besinnen und seine Worte bekamen einen väterlichen Ton, der nicht belehrend war, aber dafür tröstlich. Ich fühlte mich ein weinig, wie in den Arm genommen, auch wenn er mich dabei nicht anfasste. Vielleicht empfand ich so, weil ich nie einen echten Vater hatte, der mich liebte und der stolz auf mich gewesen war. -
Natürlich, er hatte recht und doch war es wie der Stich einer Nadel, der mich in meinem Innersten traf. Bei den Menschen tragen auch nur die Frauen Kinder aus... Ja, das taten sie. Wieder wurde mir schmerzlich bewußt, wie gerne ich doch ein Kind gehabt hätte. Obwohl es nun schon einige Jahre her waren, seit meiner Fehlgeburt, hatte ich dennoch dieses Trauma nicht richtig überwunden. Umso mehr belastete es mich, wenn ich darüber nachdache, welche Folgen meine Entführung mit sich gezogen hatte. Die Götter spielten mit mir! Genauso mußte es sein.
Er setzte sich auf den freigewordenen Platz und nahm sich noch eine Frucht. Der Blick in seine Augen gab mir ein Rätsel auf. Sie wirkten auf irgendeine Weise leer. Es dauerte nicht lange, bis das ich den Grund dafür erfuhr. "Bist du denn nicht glücklich, daß das Schicksal dich hierher verschlagen hat? Du wirst nie wieder Hunger leiden müssen und solange du dich ordentlich verhältst, wirst du ein angenehmes Leben führen können." Er sprach weiter, ich hörte zu und erschrak, weil ich mich in seinen Worten wieder fand. Er beschrieb genau das, was ich während meiner Gefangenschaft gefühlt hatte. Nur noch da zu sein, um benutzt zu werden. Die Frucht, in die ich gebissen hatte, legte ich beiseite. Mein Züge wurde ernst. "Ich verstehe das. Mir ging es genauso. Vor einigen Monaten wurden ich und meine Sklavin entführt. Die Piraten brachten uns zu ihrem Versteck. Sie sind über sie hergefallen… immer wieder... und ich wurde auch…" Es war mir unangenehm, in Olins Gegenwart darüber zu sprechen. "Meine Sklavin hat sich das Leben genommen, als sie Gelegenheit dazu hatte. Ich habe sie darum beneidet." Diese Erinnerung hatte mich wieder völlig aufgewühlt. -
"Gut! du sollst alles haben, was du dafür benötigst!" Doch nun hatte ich genug davon, um Einzelheiten zu besprechen. Ich hatte von meinem neuen Sklaven einen ersten Eindruck gewonnen. Nun wollte ich ihn aber noch besser kennenlernen. Das konnte man am besten, wenn er sich allen Zwängen entledigte. Ein wenig davon konnte ich erhaschen, als er sich die Frucht genommen hatte und sie aß. Diese unglaublich weißen Zähne als Kontrast zu seiner schwarzen Haut, faszinierten mich. "Das sind Feigen. Diese hier kommen auch Griechenland. Ich habe gelesen, es gibt weibliche und männliche Feigenbäume. Nur die weiblichen tragen Früchte. Eigenartig, nicht wahr? Möchtest du noch eine?" Ich machte am Fußende meiner Kline etwas Platz und bedeutete ihm, dort Platz zu nehmen. "Setz dich!" Mir war klar, daß ich nicht sofort zu freigiebig sein sollte und dem Sklaven nicht das Gefühl zu geben, er habe Sonderrechte. Vor allen Dingen ermahnte ich mich selbst, mich nicht zu sehr dem Reiz des Exotischen hinzugeben, so wie ich es unglücklicherweise bei Chimerion getan hatte.
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"Geld spielt keine Rolle!", entgegnete ich sofort. Ich konnte es mir leisten, so daß meine Sklaven nicht in den letzten Lumpen herumlaufen mußten. Bei der Frage nach der Farbe war ich hin und hergerissen. Einen Mann wie Olin konnte ich nicht in ein roséfarbenes Gewand stecken, auch wenn das eine meiner Lieblingsfarbe war. "Wie wäre es mit rot? Das würde auch sehr gut zu meiner Sänfte passen!" Ich stellte mir schon dieses Bild vor, wie dieser vor Kraft strotzende schwarze Krieger neben meiner Sänfte herlief, darauf bedacht, daß es niemand wagte, mich anzugreifen.
Inzwischen hatte ich mich auch bei den Früchten bedient, die Charis auf Irrwegen zu mir gebracht hatte. Die frischen Feigen waren einfach vorzüglich. Ich nahm noch eine davon und biß ein Stück davon ab. "Möchtest du?" Den Rest der Frucht hielt ich ihm entgegen. Ich bezweifelte, daß er jemals so etwas gegessen hatte. -
Er tat gut daran, mir nicht noch einmal zu widersprechen. Auch meine Geduld kannte Grenzen. Aber vielleicht sollte ich ihm die Möglichkeit geben, seine überschüssige Energie auf andere Weise zu kompensieren.
Viel interessanter hingegen fand ich, was er über seine traditionelle Kleidung sagen konnte. Ich war mir nicht sicher, was ich bevorzugen sollte, eine ordentliche römische Tunika in seiner Größe, die dann eher langweilig war, oder doch das traditionelle Gewand, welcheser beschrieben hatte.
"Gut, du darfst dir ein solches Gewand nähen. Sobald es fertig ist, entscheide ich, ob du es auch tragen darfst. Bis dahin trägst du eine Tunika. Allerdings eine, die dir auch paßt. Charis wird gleich morgen mit dir auf den Markt gehen, damit man dich neu einkleidet." -
Sein Stirnrunzeln und auch sein Einwurf, der wie ein Widerspruch klang, ließen mich ein wenig ungehalten klingen. "Wenn es sein muß, warum nicht! Außerdem ist es verboten, innerhalb der Stadt Waffen zu tragen. Also hast du keine andere Wahl!" Wahrscheinlich hätte ich ihn auch dann nicht sofort mit einer Waffe ausstaffiert, wenn es erlaubt gewesen wäre. "Was ist jetzt mit dieser Tuchrüstung?" fragte ich ihn, um von diesem Thema wegzukommen.