Beiträge von Flavia Celerina


    Die Nacht war voller Unruhe gewesen. Draußen hatte es gestürmt und geregnet. Ein Gewitter, wie es im Frühjahr häufiger vorkam, hatte sich entladen. Ich hatte die halbe Nacht wach gelegen. Fand keinen Schlaf. Sobald ich die Augen schloß, sah ich ihn wieder direkt vor mir. Ich konnte sogar seinen stinkig faulen Atem auf meiner Haut spüren. Die Nachricht von seinem kläglichen Ende hatte mich am Tag zuvor erreicht und dennoch verschaffte es mir keine Genugtuung. Es war eher so, als wäre es ihm noch einmal mehr gelungen, über mich zu triumphieren. Durch sein Dahinsiechen, war er mir etwas schuldig geblieben und wie so oft zuvor, war es, als stünde er mit Pluto im Bunde, hatte er mir mit seinem Ende ein Schnippchen geschlagen. Die Nachricht von seinem Tod, war keine Befreiung. Sie war der Beginn einer Tortur, die mich bis zum Abgrund der menschlichen Existenz bringen sollte.
    Der Morgen brachte die Gewissheit…

    "Gut!", meinte ich nur, mit unbeweglicher Miene. Man konnte darüber denken, was man wollte, weswegen ich den Sklaven unbeschädigt zurück haben wollte. Sicher aber war es aber, daß er mit keinerlei Nachsicht rechnen durfte. Außerdem fand ich die Vorstellung, mit einzelnen Teilen von Chimerions Körper konfrontiert zu werden, als abartig. Ich wollte diejenige sein, die ihm die Schmerzen zufügte, die er mir mit seinem Verschwinden und seinem Treuebruch zugefügt hatte.
    Nachdem nun alles gesagt war, hielt ich es für angebracht, mich wieder zurückzuziehen. Charis, meine Sklavin folgte mir. Doch bevor ich mein cubiculum erreichte, schickte ich sie los, um den Stallburschen zu autorisieren, eines meiner Pferde dem Sklavenjäger zu überlassen, in der Hoffnung, daß mein Hunger auf Vergeltung bald gestillt werden konnte.

    Prinzipiell war ich gar nicht davon abgeneigt, einen Verwandten, den ich noch nicht richtig kannte, besser kennen zu lernen und gerade dann, wenn es sich um einen so scheinbar netten handelte. Doch der gute Piso hatte mich nun doch in einer sehr eklatanten und heiklen Situation erwischt, in der ich mich nicht besonders wohl fühlte. Die schmalztriefende Schrift hinter meinem Rücken, brannte wie Feuer. Doch nur ein kleines Missgeschick, seitens meines Verwandten ließ mich das, wenigstens für eine kurze Zeit, vergessen machen. In der Großzügigkeit seines Bewegungsradius hatte er doch tatsächlich eine der wertvollen Schriftrollen zu Fall gebracht. Ich hatte gar kein Verständnis dafür, wenn man auf diese Weise mit Büchern umging. Wenn ich eines Tages, so die Götter es wollten, Kinder haben würde, dann war dies eine der ersten Lektionen, die sie erlernen würden- den korrekten Umgang mit Büchern!
    Ein wenig von oben herab, mit einem leicht schockierten Ausdruck und der leicht nach oben gehenden Augenbraue sah ich ihn an und schwieg vorerst. Aus irgendeinem Grund war der musculus frontalis in unserer Familie besonders stark ausgeprägt. Wahrscheinlich lag das daran, da wir immer wieder mit Verblüffungen konfrontiert wurden, auch wenn wir das gar nicht wollten und oftmals auch gut darauf verzichtet hätten, wenn das möglich gewesen wäre. So wie auch jetzt, als der Gute sein Wissen um Ovids Schriften zum Besten geben wollte. Ich liebte Ovid und hatte schon sehr viel, um nicht zu sagen, fast alles gelesen! Natürlich hatte ich auch die ars amatoria nicht außer Acht gelassen. Der Grund, weshalb ich nun diesen seichten Schund hinter meinem Rücken versteckte, hatte ganz andere Gründe!
    "Ach ja? Was ist denn mit Ovids ars amatoria?", fragte ich abschätzig, während mein Augenhebermuskel noch immer seinen Dienst versah und er das edle Stück aufhob.
    Die Art wie er lächelte, gefiel mir nicht. Sie war so arrogant. Nun, zweifelsohne war er ein Patrizier, ein flavischer auch noch dazu und dann konnte man gelegentlich ein wenig zur Arroganz neigen, davon schloß auch ich mich nicht aus. Doch die Tatsache, dass dieser arrogante Blick mir nun galt, machte ihn keineswegs sympathisch!
    "So ist es!", bestätigte ich seine Annahme und ließ keinen Zweifel aufkommen, wie sehr mir seine Art missfiel.
    "Tatsächlich? So, hat man das?", meinte ich einsilbig weiter. Im Augenblick hatte ich nicht das Bedürfnis, mich auf eine größere Unterhaltung mit diesem Subjekt einzulassen. Alleine schon, um kein falsches Bild von mir und meinem literarischen Anspruch aufkommen zu lassen, wollte ich nur noch diese Lokalität sofort verlassen.
    "Syrien?" fragte ich und zwar so, als würde alleine schon dieses Wort einen Ekel bei mir hervorrufen. "Nun ja, es gibt eine besondere Abteilung für geographische Abhandlungen, bezüglich einiger Provinzen. Am besten lässt du dich da von unserem hochgeschätzten Bibliothekar beraten." Ich deutete leicht mit meiner freien Hand auf einen schmalen Gang der fast am Ende des Raumes lag. In dieser Kante lagen auch einige ganz interessante Werke, unter anderem über Ägypten.

    @ Piso: Also mal ganz unter uns, der Lafer ist öfters im Kaschterl als du denkst! ;)
    Außerdem haben wir längst unsere Großreich-Pläne ad acta gelegt. Mit dem wilden Südwesten´ist eigentlich nur das SWR3 Sendegebiet gemeint, das so die links- und rechtsrheinischen Gebiete von Basel bis kurz vor Köln abdeckt. Man sagt, sogar, Saarländer hören das gelegentlich auvh :D und das, trotz Schwenkerhooke :D
    @ Chimerion: Schpatzert, bei uns in de Palz hääst des ebe Badenser. Do kanscht nix mache, des is ebe so! ;)
    Und übrigens, komm du mir nur mal nach Hause, mein Lieber! :D


    @ Proximus, Caelyn, Dido und den Rest vom Saarland: Nää, so schwer is des gar ned zum verschtehe. Außerdem Saarlänner triffscht iwwerall, und wann, dann in Masse! :D


    ...ach übrigens, hier ging´s eigentlich um´s grillen, gell! :D

    @ Catubodus: Sauschwobe muß es aach gebbe, genauso wie die Badenser! :D
    @ Piso: Südwesten, weil das der Sender des Südwesten ist. ;) Allerdings kriegt man den auch per Webradio rein! Beim letzten Synchron-Grillen haben sogar welche aus Neuseeland mitgemacht! :D
    @ Piso & Hungaricus: Richtig! Der wurde schon vor Jahren annektiert und er hat jetzt in Stromberg bei Bingen am Rhein sein Restaurant! :D
    @ Caelyn: Hilfe, a Saarlännern! :D

    In der Zwischenzeit hatte ich Charis losgeschickt, um die Summe, die ich dem Sklavenjäger als Vorschuß geben wollte, zu holen. Es dauerte ein wenig, bis sie wieder kam, doch dann gab ich ihr zu verstehen, sie solle ihm den Beutel mit den Münzen übergeben.
    Während Marcus sich noch mit der dunkelhäutigen Sklavin besprach, trat dieser Catubodus an mich heran. Dies war der Moment, in dem ich ihn mir noch einmal etwas genauer betrachten konnte. Bei den Göttern, diesem Kerl wollte ich bestimmt nicht des Nachts begegnen. Glücklicherweise mußte ich das auch nicht und wenn er meinem Sklaven etwas zuleide tat, denn kostete ihm das die weiteren fünfhundert Sesterzen, die ich ihm noch geben wollte, sobald Chimerion wieder da war.
    "Nun, ich denke, ich habe dir alles mitgeteilt, was du über ihn wissen mußt. Falls du noch ein Pferd brauchst, ich kann einige der schnellsten Reitpferde Roms, mein Eigen nennen. Eventuell könnte ich dir eines davon zur Verfügung stellen." Ich mußte heute wirklich bei guter Laune sein, sonst hätte ich ihm dieses lukrative Angebot niemals gemacht.
    Marcus kehrte nun wieder zu uns zurück und gab seine letzten Anweisungen, der Ausrüstung betreffend. Catubodus sollte schließlich alles haben, was er brauchte, um erfolgreich zu sein. Trotz allem erschütterte mich die letzte Frage des Sklavenjägers, die er betreffend des Rückgabezustandes der Sklaven stellte. Mein Entsetzen bekundete ich mit dem typisch flavischen Anheben der Augenbraue, bevor ich mich zu Wort meldete, denn alleine bei dem Wort Trophäe schüttelte es mich bereits. Ohne übereifrig zu wirken, antwortete ich, bevor Marcus etwas sagen konnte. Diesem blutgierigen Barbaren mußte Einhalt geboten werden! "Wie ich dir bereits sagte, lege ich großen Wert, auf die körperliche Unversehrtheit meines Sklaven. Krümmst du ihm nur ein Haar oder ist er gar tot, dann wirst du von mir keine einzige Sesterze mehr sehen. Haben wir uns da verstanden? Ich möchte selbst mit ihm fertig werden!", antwortete ich streng.

    Dieser langersehnte Tag, jetzt war er endlich da und jetzt schritt er auch unerbittlich voran. Endlich konnte der gemütliche Teil der Feier beginnen. Das war auch gut so, denn mein Magenknurren war kaum mehr zu verbergen.
    Im Vorfeld hatte ich mich persönlich darum gekümmert, welche kulinarischen Köstlichkeiten unsere Gäste verwöhnen sollten. Dabei hatte ich nicht nur den flavischen Koch, der ein Meister seines Faches war, zu Rate gezogen, sondern hatte es sogar geschafft, einen der kaiserlichen Köche für dieses Ereignis gewinnen zu können. Zweifellos hatte mich das einiges gekostet. Aber das war es auch wert gewesen, so hoffte ich.
    Mein wohlwollender Blick wanderte über unsere Gäste, die nun von Marcus dazu eingeladen wurden, am beginnenden Festmahl teilzunehmen und wünschte ihnen auch in meinem Namen ihnen viel Vergnügen bei unserer kleinen Seefahrt. Neptunus war uns heute wohlgesonnen, was das Gelingen unseres Festes nur noch begünstigen konnte.


    An Marcus´ Seite schritt ich zu den bereitstehenden Klinen und ließ mich neben ihm nieder. Die Musikanten begannen zu spielen, eifrige Sklaven begannen unsere Gäste, wie auch uns zu bedienen.
    Versonnen seufzte ich. Alles verlief nach Plan. Doch es wäre unhöflich gewesen, sich nun nicht um die Gäste zu kümmern. Meine Aufmerksamkeit wurde auf Marcus Aristides gelenkt, als er seine Stimme erhob. Ihm mußte es in der Tat sehr nahe gehen, daß nun eine Flavia die heimatliche Villa verließ um nun zukünftig an der Seite ihres neuen Gemahls zu leben. Er fand einige rührende Worte, die manchem wohl scherzhaft erschienen. Doch ich wußte, er meinte jedes einzelne Wort so, wie er es sagte. Genau deshalb, weil ich dies wußte, blieb es nicht aus, daß sich an diesem wunderschönen Tag eine Träne in mein Auge verirrte. Mit einem Tuch wischte ich sie hinfort und erhob meinerseits meinen gefüllten Becher und trank davon.
    "Mein lieber Marcus, ich danke von ganzem Herzen für deine freundlichen Worte und deine Glückwünsche. Mögen die Götter uns allen wohlgesonnen sein."
    Ich zwinkerte ihm aufmunternd zu. Selbstverständlich hatte ich nicht vor, mit dem heutigen Tag alle meine Beziehungen zu meinen Verwandten abzubrechen. Ich war eine Flavia und würde auch immer eine sein. Aufgrund dessen würde auch die Villa Flavia immer ein Stück Heimat für mich bleiben.

    Meine Finger umschlossen ganz fest die Pergamentrolle mit dem zugegebenermaßen wenig geistreichen Text, damit ich sie nur nicht fallen ließ. Nur nicht fallen lassen, sonst bist du verloren, Celi, sagte ich zu mir um mich gleichsam zu beruhigen. War ich jetzt schon so tief gesunken, daß ich wegen dieser Schundliteratur mein Ansehen auf´s Spiel setzte? Aber nein, ich trachtete doch nur nach etwas seichter Unterhaltung, mehr nicht. Andere suchten ihr Heil im Alkohol, ich las Flammen der Leidenschaft. Na und?!


    Unter anderen Umständen hätte es mich ja brennend interessiert, wer dieser junge Schnösel war, der es gewagt hatte, ohne dem Beisein des Bibliothekars, jene heilige Stätte des Wissens zu betreten. Der alte Mago konnte sehr unangenehm werden, wenn man nicht, wie ich, die uneingeschränkte Erlaubnis hatte, sich hier aufzuhalten. Nun ja, um ehrlich zu sein hatte ich diese nur auf Zeit, nämlich solange, wie ich dem alten Zausel gelegentlich einige Sesterzen zusteckte, damit er mich nicht mehr mit seinen spitzen Bemerkungen belästigte. Gegen dieses Urgestein des flavischen Sklaveninventars war nicht anders anzukommen. Ihm zu drohen, war reine Zeitverschwendung.
    "Oh, nein, nein, nein, nein, nein, nein! Wo denkst du hin. Nichts! Mir ist nichts passiert! Ich wollte gerade gehen, ja das wollte ich.", brachte ich völlig überstürzt hervor und erst danach fiel es mir auf, dass ich vielleicht einige Male zuviel das Wörtchen nein benutzt hatte. Nicht wirklich die Vorgehensweise, um keinen Verdacht zu erregen.

    War ich da etwa auf eine Gleichgesinnte gestoßen? Oh ja, das war ich! Aus den gleichen Gründen, die Ageippina nannte, liebte auch ich die frühen Morgenstunden, die geradezu für einen Morgenspaziergang geschaffen waren.
    "Oh, wie recht du doch hast, meine Liebe! Fürwahr, es geht doch nichts über den ungestörten Ge…" Der Schrei, der auch meinen Ohren nicht verborgen geblieben war, ließ mich schlagartig verstummen. Irgendetwas sagte mir, daß ich die Stimme kannte, die den Schrei verursacht hatte. Umso mehr schwand meine Besorgnis. Stattdessen stieg mein Bedürfnis, einem gewissen parthischen Subjekt den Garaus zu machen.
    Natürlich, meine Sinne hatten mich nicht getäuscht. Wieder einmal war es der Parther, der mich in eine unmögliche Situation brachte. Nicht genug, daß seine tollpatschigen Anwandlungen mir meine letzten Nerven raubten, nun tat er dies auch unverblümt vor den Augen meiner Verwandten.
    Der Blick in Agrippinas Gesicht verriet mir, was sie gerade dachte. Alleine schon das Anheben der flavischen Augenbraue sagte mehr als tausend Worte. Doch alleine bei der Gestik blieb es nicht. Ihre Bemerkung tat ihr Übriges. Natürlich kam alles, was dieser Sklave anrichtete, auf meine Person zurück. Sollte ich ihn verleugnen? Dieses Individuum sehe ich heute zum ersten Mal. Nein, Agrippina würde es in Erfahrung bringen daß dies nicht stimmte. Ich beschloß, mich den Tatsachen zu stellen und verrollte erst einmal demonstrativ die Augen. "Oh ihr Götter! Dieser Parther bringt mich noch ins Grab! Eine absolute Fehlinvestition! Parther – ein schreckliches Volk! Wenn ich dir einen Rat geben darf, laß die Finger von parthischen Sklaven! Die bringen nichts als Ärger!"
    So, das mußte vorerst als Entschuldigung ausreichen. Glücklicherweise erschien im gleichen Moment Lucullus, der diese Situation mehr als rettete. Offenbar hatte der Frühling und die frische Morgenluft noch auf andere Mitglieder der Fanmilie eine ähnliche Wirkung, was aber durchaus nicht störend war. So nickte ich ihm freundlich zu und versuchte den Parther, so gut es ging, zu ignorieren.

    Nachdem ich den Gedanken, Phraates loszuschicken, längst wieder verworfen hatte, ließ ich noch einmal Revue passieren, was ich soeben vor dem Sklavenjäger und meinem Verwandten gestanden hatte. Wie benommen stand ich nun da, voll von meinen Selbstvorwürfen. Hatte Epicharis mich nicht sogar selbst davor gewarnt, eine zu enge Bindung mit meinem Sklaven einzugehen? Ja, das hatte sie und nun war sie durch meine Schwäche selbst in Mitleidenschaft gezogen worden! Es war wirklich beschämend. Ob ich Marcus deswegen jemals wieder ins Gesicht schauen konnte, ohne vor Scham im Boden zu versinken? Noch ahnte niemand, wie sehr ich mich von dem Sklaven hatte verleiten lassen, wie viel er mir immer noch bedeutete. Eines mußte mir aber auch klar sein, wenn er mir zurückgebracht werden würde, mußte ich an ihm ein Exempel statuieren um nicht vollkommen mein Gesicht zu verlieren.
    Fast abwesend bekam ich die weitere Unterhaltung nur lückenhaft mit. Die Gladiatrix, die Gracchus nach den Spielen erstanden hatte, war inzwischen erschienen. Ich hatte erst gar keine Augen für sie gehabt. Im Grunde war mir alles recht, wenn ich nur meinen Sklaven unversehrt zurück bekam.
    Dann erst bemerkte ich, wie mich Marcus plötzlich ansah, als warte er auf eine weitere Antwort.
    "Oh, äh so viel ich weiß, hat er keine Familie mehr. Was ihn natürlich nicht davon abhalten könnte, in seine alte Heimat zu fliehen." brachte ich schließlich hervor und schwieg dann wieder.
    Bald kam die Frage nach dem Geld auf. Marcus machte ein sehr großzügiges Angebot, dem auch ich mich nicht entziehen konnte.
    "Gut, von mir erhältst du vorab auch fünfhundert Sesterzen. Sofern du mir Sklaven lebend und wohlauf zurück bringst, erhältst du weitere fünfhundert Sesterzen."
    Tausend Sesterzen für einen Sklaven, der mich betrogen und hintergangen hatte und den ich aller Wahrscheinlichkeit nach ans Kreuz schlagen lassen würde. Welch eine Vergeudung! Und doch war es der Zorn in mir, der dies verlangte und der den Schmerz meines Verlustes überwog.


    Sim-Off:

    Wisim!

    Längst war das Kinderlachen dem Wehklagen alter Weiber gewichen. Eine gespenstisch anmutende Szenerie war dem Idyll gewichen.
    Die glasig toten Augen, mein bleicher Körper, er lag da. Ich sah ihn genau vor mir und erschrak. Das war ich, Eurydike! Orpheus, meinem Geliebten entrissen und beinahe geschändet von Aristaios, dem Sohn Apolls, der doch so viel Gutes getan hatte unter den Menschen. Oh ihr Nymphen, rächt mein Schicksal, da ich durch ihn ins Unglück gestürzt wurde und schließlich den Tod fand, durch den Biß der Schlange.
    "Oh Geliebter, komm zurück zu mir!" ,schrie ich ihm entgegen. Doch er hörte mich nicht, wandelte er noch auf der Welt, während ich schon die letzte Reise antrat. Ich stimmte ein in das Wehklagen der Klageweiber. Charon, der Fährmann hatte seinen Obolus erhalten, damit er mich, Eurydike hinüber auf die andere Seite brachte, um als ewiger Schatten meine Zeit im Hades zu fristen. "Oh Orpheus, nie mehr werde ich dem Spiel der Lyra lauschen können! Nichts wird mehr sein, wie zuvor! Warum? Warum nur, hast du mich verlassen, Orpheus?"


    Der Schlafmohn hatte seine ganze Wirkung voll entfaltet. Mein Schlaf war tief und unruhig. Die Träume hatten mich sehr mitgenommen. Mein Körper war schweißgebadet. Im Traum hatte ich ihn gesehen. Selbst dort verfolgte er mich. Wieso konnte ich noch soviel für ihn empfinden? Hatte er mich doch so enttäuscht! Er war wertlos geworden. Sein Leben war verwirkt. Er würde es sein, der im Hades sein Dasein als Schatten fristen mußte, nicht ich. Der Tag würde kommen! Drohend stand er bereits am Horizont!

    …genau danach war ich auf der Suche. Aber was war denn ein gutes Buch? Was gut oder schlecht war, war relativ und lag stehts im Ermessen des Lesers. Ich hatte schon vieles gelesen: Die geistigen Ergüsse griechischer und römischer Dichter, allerlei Wissenswertes über Heil- und Giftpflanzen., von Dramatik strotzender Lyrik. Alles was ich nun suchte, war etwas für´s Herz. Etwas Triviales. Nichts Hochgeistiges. Ich war mir nicht ganz sicher, ob ich in der flavischen Bibliothek fündig werden würde, obschon man hier ab und an gewisse Abenteuer des Sklaven Gaius gesichtet hatte. Vielleicht aber hatte lange vor mir ein weibliches flavisches Wesen eine Anschaffung in diese Richtung gemacht.
    Selbstverständlich war ich alleine hier her gekommen. Mitwisser konnte ich nicht gebrauchen. Auch hatte ich einen Zeitpunkt abgewartet, an dem der altehrwürdige Bibliothekar nicht anwesend war. Es wäre mir einfach zu peinlich gewesen, ihn nach der von mir gewünschten Literatur zu fragen oder gar mit einer solchen unter dem Arm gesehen zu werden .
    So stöberte ich Regal für Regal durch, zog einzelne Textrollen heraus und schob sie enttäuscht wieder zurück. Das ging eine ganze Weile so. Fast hätte mich der Mut verlassen, doch dann, in einem der hintersten Regale, ganz unten in der Ecke links, dort wo sich bereits Patina gebildet hatte, weil dort niemals jemand schaute, fand ich es. Ein Text, der vor Schmalz nur so triefte! Flammen der Leidenschaft, so war der Titel. Den Verfasser des Werkes konnte ich nicht mehr entziffern, was nicht das Schlechteste war. Genau das, was ich brauchte, Flammen der Leidenschaft. Nun durfte ich mich nur nicht erwischen lassen. Das wäre einem gesellschaftlichen Selbstmord gleich gekommen. Auf Zehenspitzen huschte ich zur Tür und wollte mich wieder in mein cubiculum verdrücken, da geschah es! Die Tür öffnete sich, wie von Geisterhand. Ich wurde kreidebleich. Einzig alleine meiner guten Körperbeherrschung war es zu verdanken, daß das corpus delicti hinter meinem Rücken verschwand.


    Sim-Off:

    Reserviert! :D

    Sim-Off:

    Ich würde gerne! :)


    Es ging doch nichts über einen Spaziergang am frühen Morgen. Dies diente nicht nur der Körperertüchtigung, sondern auch dem Aufnehmen frischer Luft, was bekanntlich dazu führte, die Kreativität und den Ideenreichtum zu stärken. Strammen Schrittes bewegte ich mich dem Garten zu. Es war einfach herrlich! Der Duft der blühenden Bäume und Sträucher, die bunten Frühlingsboten, die in ihren Beeten am Wegesrand blühten, das Vogelgezwitscher allerorten. Was gab es schöneres, als auf diese Weise den Tag zu beginnen?
    Begleitet wurde ich von einem kleinen Rattenschwanz an Sklaven, angeführt von meiner Charis, die etwas Mühe hatte, mit mir Schritt zu halten. Des Weiteren war da noch ein namenloser Sklave, der ein Tuch mit sich führte, mit dem man mich abtupfte, falls ich einmal zu stark transpirieren sollte. Ein Sklavenjunge eilte mit einem Becher und einem Krug Wasser hinterher. Auch dem Parther hatte ich mitteilen lassen, er solle sich noch im hortus blicken lassen. Meine neueste Errungenschaft hatte mich zwar schon einige Nerven gekostet, jedoch machte ihn seine Andersartigkeit und seine latente Tollpatschigkeit zu einem amüsanten Zeitvertreib.
    Ich hatte nicht damit gerechnet, noch jemand anderen zu dieser Stunde im hortus zu erwarten. Mir war auch nicht bekannt, daß noch andere Mitglieder der Familie Frischluftfanatiker oder gar Frühaufsteher waren. Außer einigen Sklaven, die den Garten nach der langen Winterperiode wieder auf Vordermann brachten, erwartete ich hier niemanden anzutreffen. Und doch sollte ich eines Besseren belehrt werden. Direkt vor mir auf dem Weg zeichnete sich der Umriß einer edlen Dame ab, die keine Geringere als Agrippina war, Marcus´ hochgeschätzte Mutter aus Baiae.
    Ich wußte, seit einiger Zeit weilte sie in Rom. Leider war es mir bislang versagt geblieben, sie etwas näher kennen zu lernen.
    "Ja ist es denn die Möglichkeit, Agrippina! Einen wunderschönen guten Morgen wünsche ich dir! Was führt dich denn zu so früher Stunde in unseren wunderschönen Garten?" , rief ich verzückt aus. Vielleicht hatte ich ja eine Gleichgesinnte gefunden, die die friedvollen Stunden des Morgens mit mir genießen wollte.

    Ach ja! Da war er ja. Den Schmutz hatte er inzwischen beseitigt. Nicht, daß ich auf sein Urteil besonderen Wert gelegt hätte. Doch es gefiel mir, als er mein Urteil bestätigte. Ja, in der Tat, es war alles perfekt undessah wundervoll aus. Nun konnte der langersehnte Tag kommen. Ich fühlte mich auch schon etwas schläfrig, obwohl mir klar sein durfte, daß diese Nacht in voller Hochzeitsmontur sehr unbequem sein würde, von der Aufregung ganz zu schweigen. Trotzdem wollte ich mich zur Ruhe legen.
    "Du darfst jetzt gehen, Phraates. Wir sehen uns morgen!" Mit einer Handbewegung, gebot ich ihm, zu gehen. Sobald er mein cubiculum verlassen hatte, begab ich mich zu Bett. Dann entließ ich auch Charis. Sie löschte die Lichter, bevor sie ging. Bis auf ein kleines Öllämpchen, welches neben meinem Bett stand. Ich ertrug die völlige Dunkelheit in der Nacht nicht mehr.

    Im Grunde jagte eine Peinlichkeit die nächste, wenn es darum ging, über Chimerion zu berichten. Nur die Götter wußten, wie er es geschafft hatte, mich so um den Finger zu wickeln. Doch wenn ich den Thraker wieder haben wollte, mußte ich dem Sklavenjäger alle Informationen geben, die ich hatte. Und ich wollte ihn, einfach nur, um ihn in die Augen zu schauen und herauszufinden, warum er das getan hatte. Was ich danach mit ihm machen würde, darüber war ich mir noch nicht im Klaren. Wenn er für die Entführung Epicharis´ verantwortlich war, dann gab es für ihn nur noch eins, das Kreuz!
    "Nun, wie ich bereits sagte, er ist Thraker. Er ist ein Freigeborener und ist seit gut einem Jahr Bestandteil meines Haushalts. Davor gehörte er einem Decurio aus Germanien, der ihn nach Hispania schickte, um ihn dort zum Gladiator ausbilden zu lassen. Von dort ist er geflohen." Als ich offenbarte, daß dies nicht die erste Flucht des Sklaven war, traute ich mich kaum noch, Marcus und den Peregrinus anzuschauen. Ich hätte einem Geflohenen niemals so viel Vertrauen entgegen bringen dürfen. Ich hätte ihn damals schon brandmarken lassen sollen, damit er für Jedermann als Sklave erkennbar war. Ich hätte, ich hätte, aber ich tat es nicht. Doch es sollte noch besser kommen!
    "Chimerion war mein Custos Corporis. Ich habe ihm voll und ganz vertraut und erlaubte ihm sogar, mit Cassim, dem anderen Flüchtigen, zu trainieren. Er ist ein guter Reiter, wie er mir einmal versicherte und… ich habe ihm das Pferd geschenkt, mit dem er nun geflohen ist." Am liebsten Wäre ich im Boden versunken.


    Natürlich wollte ich auch alles mir mögliche dazu beitragen, um die Sklaven wieder zu beschaffen. Geld spielte keine Rolle! Und wenn ich meine letzte Sesterze dafür ausgeben mußte, ich hätte sie gegeben. Für einen Augenblick dachte ich darüber nach, meinen Parther mit auf die Jagd zu schicken. Schließlich war er ja auch einer dieser Kataphrakte gewesen. Doch ich verwarf den Gedanken gleich wieder. Ein verlorener Sklave war durchaus ausreichend. Außerdem bot Marcus seine Gladiatorin an, die er nach den Spielen erworben hatte.

    Einen Augenblick lang, lag mein Blick auf ihr. Ich sah sie voller Güte an, denn auch sie erwies mir ihre Güte, indem sie blieb, auch wenn sie meinen Wunsch eher als Befehl aufgefasst hatte.
    "Das ist äußert nett von dir, Bridhe." Ich lächelte sie an. Sie hielt ihren Jungen wieder in ihrem Arm. Die beiden machten einen so perfekten Eindruck. Mutter und Kind, ein vollkommenes Paar. Sie war für diese Gnade, die ihr zuteil geworden war, fast zu beneiden.
    "Du hast bestimmt gehört, was mir widerfahren ist, nicht wahr?" Zweifellos hatte sie das. Jeder in der Villa hatte davon gehört, sogar die halbe Stadt. Aber niemand konnte sich davon ein Bild machen, was ich alles erlebt hatte. Bisher hatte ich nur Andeutungen gemacht, aus Scham oder Nachsicht, der anderen gegenüber. Niemandem hatte ich von Ylva schrecklichem sterben erzählt und von der Bestie, wie er sich auf mich gestürzt hatte.
    "Meine Ylva, sie ist tot!", brachte ich auf einmal hervor. Meine Tränen traten wieder hervor und ich ergriff Bridhes Hand, um sie fest zu drücken.