Beiträge von Flavia Celerina

    Mit allem hatte ich gerechnet, nur nicht Ylvas Stimme zu hören! Ich blieb stehen und blickte mich suchend um. Die schwache Stimme mußte aus der Hütte vor mit gekommen sein. Ich vergewisserte mich, daß niemand mich sah, als ich die Hütte betrat. Tatsächlich, da lag meine Sklavin. Diese widerlichen Kerle hatten sie furchtbar zugerichtet. Neben ihrem Lager stand eine Schale mit Essen. Ylva hatte wohl nichts davon angerührt. Es mußte auch schon längere Zeit dort stehen, denn ein Heer von Fliegen hatte sich bereits darüber hergemacht und kleine gelbe Maden tummelten sich darin. Der Anblick des Essens verursachte in mir Übelkeit und voller Ekel wandte ich meinen Blick ab.
    "Ylva, den Göttern sei Dank! Da bist du ja! Ylva, wir müssen hier weg! So schnell es geht! Hörst du Ylva!" Meine Sklavin regte sich kaum noch. Ihre Augen waren dick geschwollen und hatten eine bläuliche Färbung angenommen. Bei ihrem Anblick graute es mir bereits vor der nächsten Nacht. In der letzten war sie anscheinend noch einmal davon gekommen. Was würde aber die bevorstehende Nacht bringen?
    "Ja, Herrin. Ich … laß mich hier Herrin. Ich sterbe sowieso!" hauchte sie. Mir trieb es die Tränen in die Augen und ich schüttelte entschlossen den Kopf. "Nein Ylva, du wirst hier nicht sterben! Wir werden gerettet werden! Du und ich! Jetzt komm!" Ich half ihr, sich aufzurichten, als ich plötzlich hinter meinem Rücken eine raue, weibliche Stimme vernahm. "Hier wird niemand gerettet! Scher dich weg und sie zu, daß du wieder in deine Hütte kommst!" Ich erstarrte. Was sollte ich jetzt nur tun? Wer wußte, ob ich noch einmal die Gelegenheit bekam, zu Ylva zu gelangen?
    Mit einem Satz sprang ich auf, ballte meine rechte Hand zu einer Faust und schlug sie der Frau, so fest es ging, mitten ins Gesicht. Damit hatte sie wohl am wenigsten gerechnet. Überraschend ging sie zu Boden und blieb dort eine Weile reglos liegen. Mir fiel ihr Doch auf, dessen Scheide an ihrem Gürtel befestigt war. Ich nahm ihn an mich und gab den Dolch Ylva. "Hier halt ihn fest und laß ihn nicht fallen!" Dann versuchte ich Ylva aufzurichten um sie zu meiner Hütte zu schleppen, bevor die Frau wieder aufwachte.
    Es kostete mich eine Menge Kraft, bis ich mit meiner Sklavin die Hütte wieder erreicht hatte. Dort legte ich sie auf mein Lager und gab ihr etwas Wasser. Sie mußte wieder zu Kräften kommen, damit sie mit mir fliehen konnte. "Wir schaffen das, Ylva!" sagte ich ihr aufmunternd zu und lächelte dabei. Ylva nickte nur. "Ja, Herrin."
    Ich war voll der Hoffnung, auch diese schwierige Situation irgendwie meistern zu können. Ylva mußte sich nur ausruhen und dann konnten wir von hier weg, noch bevor der Abend anbrach. Ich setzte mich neben sie und beobachtete sie für eine Weile. Dann wurde ich aber doch schläfrig und nickte ein. Es war ein sanfter, wohltuender Schlaf, den ich wieder genießen konnte, denn ich wußte, bald würden wir dieser Hölle entkommen können.


    Irgendwann, es mußte bereits früher Abend gewesen sein, wachte ich wieder auf und wollte sogleich auch Ylva wecken. Doch es war, wie in meinem schlimmsten Alptraum. Nein, es konnte nicht sein! Es durfte nicht sein! Alles war voller Blut! Auf dem Boden hatte sich ein riesiger Blutsee gebildet. Der Stoff von Ylva Tunika war vollgesogen mit dem Blut, welche die Wunden an ihren Handgelenken verursacht hatten. Ich war dem Wahnsinn nahe, raufte mir die Haare und stieß einen entsetzlichen Schrei aus!

    Der Sklave führte den Optio ins Atrium und bot ihm etwas zu trinken an. Die Uniform des Soldaten muße einen gehörigen Eindruck bei ihm hinterlassen haben, denn statt sich zu entfernen, verharrte er noch eine Weile im Atrium. Womöglich wollte er auch nur lauschen, was der Optio dem dominus zu berichten hatte.
    Seit Tagen kursierten die wildesten Gerüchte um Flavia Celerinas Fernbleiben. Einige sagten, sie hätte vor der bevorstehenden Hochzeit kalte Füße bekommen und wäre mit Sack und Pack durchgebrannt. Andere witterten ein Unheil. Doch letztlich konnte niemand mit Bestimmtheit sagen, was vorgefallen war. Wie auch? Es hatte ja keine Zeugen für ihr Verschwinden gegeben. Der Kutscher war einen Tag später unverrichteter Dinge wieder nach Rom zurückgekehrt. Er konnte aber nichts über den Verbleib der Flavia beitragen.


    Acanthus, der flavische Ianitor öffnete die Tür und erblickte den Optio vor sich. Daß es sich bei ihm um einen Optio der Classis handelte, wußte er nicht. Mit solcherlei Dingen kannte er sich nicht aus. Durch seine langjährige Tätigkeit hatte er aber ein gewisses Gespür entwickelt, welches ihm geradewegs zurief, daß es sich bei dem Besuch des Optios um etwas Wichtiges und ernstes handeln mußte. Er hatte schließlich auch von den Gerüchten um das seltsame Verschwinden der flavischen Dame und ihrer beiden Sklaven gehört. Die Tatsache, daß nun er vor der Tür stand, verhieß nichts Gutes!
    Acanthus zögerte nicht lange und bat den Besucher, einzutreten. Ein Sklave führte ihn derweil ins Atrium, während er einen weiteren Sklaven damit beauftragte, dem Herrn des Hauses vom Besuch des Optios zu unterrichten.

    Grinste dieser unverschämte Kerl etwa? Ja, er tat es! Er machte sich lustig über mich! Mein Gesicht verfinsterte sich. Sein Glück, daß er sofort mit dem Ankleiden begonnen hatte! Ich mußte gestehen, er stellte sich gar nicht so dumm dabei an. Doch was sollte der Gürtel in meiner Hand? Er reichte mir den Gürtel, statt ihn mir selbst anzulegen. Fragend sah ich ihn an. "Was soll ich damit? Und warum grinst du so???" fragte ich und wurde mit jedem Wort lauter. Der Sklave lief Gefahr, meinen ganzen Zorn herauf zu beschwören. Da nütze ihm auch die zuckersüße Fragerei, wie ich meine Haare haben wollte, nichts! "Willst du mich hier für dumm verkaufen, Sklave?" brüllte ich schließlich. Wenn Blicke töten könnten, wäre er längst tot gewesen. "So, wie ich sie immer habe, du Nichtsnutz!" sagte ich scharf. Ich verstand nicht, worauf er noch wartete? Waren meine Anweisungen nicht deutlich genug? Sprach ich am Ende vielleicht einen der seltenen Dialekte, denen man nur im hinteren Teil des Alpesgebirges mächtig war? Nun gut, ein Außenstehender hätte mich sicher als sehr schwierig beschrieben.


    Indes ließ sich Ylva seeeeehr viel Zeit. :D Sie hatte es überhaupt nicht eilig! Die Früchte, die sie ihrer Herrin bringen wollte, mußten erst noch gepflückt werden! "Die kann misch mol gern habbe, die dabbisch Gluck!" hatte sie vor sich her gemurmelt. Bei ihrem erneuten Stelldichein mit ihrem neuen Sklaven wollte Ylva auf keinen Fall stören. Daß nun genau dieser neue Sklave sich so sehr nach ihr sehnte, konnte sie nicht ahnen. Hätte se es allerdings gewußt, hätte sie sich noch langer Zeit gelassen. :P

    Ja, vielleicht war ich das. Großzügig zu sein, konnte große Vorteile mit sich bringen. Wenn man in Aussicht stellte, großzügig sein zu wollen, dann konnte man meist mit noch mehr Fleiß und Hingabe der Anderen rechnen. Bei meinem Sklaven würde es nicht viel anders sein. Ich sah jetzt schon, wie er sich bemühte, mir möglichst jeden Wunsch von den Lippen ablesen zu können. Eine Tatsache, die mich amüsierte. Doh dies zeigte ich nicht.
    "Nun, ich denke, im Augenblick ist es genug," antwortete ich vorschnell. Denn genau im gleichen Augenblick musste ich erneut Ylvas anhaltendes Fernbleiben feststellen, was mich doch sehr erboste. Dies würde ein Nachspiel haben, hätte sie keinen driftigen Grund! Wer sollte mich denn jetzt ankleiden? Ganz zu schweigen von meiner Frisur! Ich konnte doch unmöglich so das balneum verlassen. Aber zum Glück war ja noch Chimerion da! "Ach äh, es gäbe da doch noch etwas, was du für mich tun könntest? Kennst du dich mit Frisuren aus?" Zweifellos musste er das, schließlich trug er selbst eine sehr eigenwillige Haartracht. Im ersten Moment, da ich ihn erblickt hatte, war mein erster Gedanke, er sei ein Fall für Vidalus. Doch dann dachte ich mir einfach, ich gönne mir den Spaß und lasse ihm seine Frisur. "Hilf mir beim ankleiden! Jetzt sofort und dann frisierst du mich! Irgendwelche Einwende? Nein? Sehr schön! Fang an!" Mit einem Satz sprang ich auf und wartete, bis meine Kleider meinen Körper wieder umschmeichelten.

    Stunden mußten vergangen sein, in denen ich am Boden der Hütten liegen geblieben war, so wie der Kerl, der mich vergewaltigt hatte, zurückgelassen hatte. Irgendwann, als meine Tränen versieg waren, hatte ich die Augen geschlossen und war in einen Schlaf hinab gesunken.
    Es mußte bereits Nachmittag gewesen sein, als ich aufwachte. Ich war alleine. Zitternd versuchte ich, meinen entblößten Körper mit den Fetzen die einst eine Tunika gewesen waren, zu bedecken. Das, was in der Nacht zuvor mit mir geschehen war, war immer noch allgegenwärtig. Mit Schrecken dachte ich daran, was wohl in der kommenden Nacht mit mir geschehen würde. Nur ein Gedanke beseelte mich, ich muß hier weg!
    Vorsichtig kroch ich zur Tür und warf einen Blick hinaus. Draußen herrschte, wie am Tage zuvor ein hektisches Treiben. Wahrscheinlich wollten die Piraten bald wieder zu ihrer nächsten Kaperfahrt aufbrechen. Das war für mich die Chance, unbemerkt zu entwischen! Doch noch bevor ich nur einen Schritt vor die Tür der Hütte setzen konnte, verließ mich die Angst. Was, wenn sie mich erwischten? Schlimmer, als die letzte Nacht war, konnte es nicht mehr werden! Wenn ich hier bliebe, dann konnte ich gewiss sein, was man mir in wenigen Stunden wieder antun würde. So nahm ich all meinen Mut zusammen und schlich hinaus.
    Mein nächster Gedanke galt Ylva. Wo hatten sie sie hingebracht? Womöglich hatte man sie einfach am Strand liegen lassen. Vielleicht war sie bereits tot. Eine Stimme in mir sagte, ich sollte auf meine Sklavin keine Rücksicht nehmen. Viel wichtiger sei es nun, meine eigene Haut zu retten. Doch mein Gewissen sagte mir, es sei falsch, sie zurückzulassen. Ich hatte sie schon einmal im Stich gelassen. Ein zweites Mal konnte ich dies nicht tun! Sie war meine Sklavin. Ich war für sie verantwortlich. All die Jahre hatte sie mir treu gedient. Sie jetzt fallen zu lassen, wäre einfach schändlich gewesen!
    Ich versuchte, unbeobachtet an den Strand zu kommen, um dort Ylva zu finden. Doch dieses Unternehmen, was von Anfang an schwierig gewesen war, brachte mir die Ernüchterung, da ich meine Sklavin dort nicht antraf. Wo konnte sie nur sein? Vielleicht in einer der Hütten? Doch als ich sah, wie viele Hütten es gab, schwand wieder mein Mut. Die innere Stimme, die sagte, ich sollte meine eigene Haut retten, wurde wieder lauter. Aber davon wollte ich nichts hören. Ich mußte Ylva finden, koste es, was es wolle! Notgedrungen beschloß ich, mir die Hütten etwas genauer zu betrachten. Ich ließ äußerste Vorsicht walten, um nicht entdeckt zu werden, als ich mich wieder vom Strand entfernte. Jedoch wurde ich mit der Zeit unvorsichtiger da ich, je länger ich suchte, niedergeschlagener wurde. "Ylva, bist du hier?" flüsterte ich und hoffte eigentlich gar nicht mehr damit, eine Antwort zu erhalten. Doch dann hörte ich eine schwache ersterbende Stimme, "Ja..., Herrin…, ich… ich bin hier!"

    Kaum hatte ich es mir in der Sänfte bequem gemacht, setzte sich diese auch schon in Bewegung. Meine Ylva hatte sich zu dem begleitenden Sklaven in der rostbraunen Tunika dazugesellt und lief neben der Sänfte her.
    Ich rätselte, wohin mich die Sänftenträger bringen mochten. Gelegentlich wagte ich, hinter dem Vorhang der Sänfte hinaus zu schielen, konnte mir aber keinen rechten Reim darauf machen, wohin es gehen sollte. Je länger ich leicht schwankend hinfort bewegt wurde, desto mehr brannte ich darauf, herauszufinden, was Corvinus mit mir vor hatte. Nach seinem letzten Besuch in der Villa Flavia, der mit einem Fiasko geendet hatte, war meine Hoffnung rapide abgesunken, jemals wieder etwas von ihm zu hören. Umso mehr war ich heute erfreut, diese Einladung wahrnehmen zu können. Ich hatte bewußt auf roséfarbene Stoffe, ägyptische Schminke und übertriebenen Schmuck verzichtet. Selbst auf mein geliebtes Rosenwasser hatte ich verzichtet. Stattdessen hatte ich mich farblich dem herannahenden Herbst mit seinen warmen Farben genähert. Mit meinen Bernstein- und Goldtönen konnte ich sicher nichts falsch machen. Ylva hatte mich eher schlicht geschminkt, was dazu beitrug, meine Natürlichkeit zu betonen. Der honigsüße Duft meines Parfums untermalte meine Erscheinung.
    Mir gingen noch einmal Gracchus Worte durch den Kopf. Er hatte mich an jenem roséfarbenen Tag gefragt, ob ich den Aurelier liebte. Ich hatte sofort seine Frage verneint und ihm sofort klar gemacht, das dies eine reine Vernunftsehe sein würde, die ich eingehen wollte. Doch an den tagen danach fragte ich mich immer wieder, ob nicht doch ein Quäntchen Liebe im Spiel war. Die Angst, ihn vielleicht verloren zu haben und das Gefühl, ihn zu vermissen, waren Indikator genug, um mit Bestimmtheit zu sagen, daß ein wenigstens ein Fünkchen Liebe dabei sein mußte. Umso besser, hatte ich mir gesagt! Wenn mit der Vernuft auch noch ein wenig Gluck mit Einzug hielt.


    Als die Sänfte endlich zum stehen kam, bemerkte ich, wie es bereits draußen schon dunkel zu werden begann. Die Sonne schickte ihre letzten Strahlen. Der aurelische Sklave zog den Vorhang der sanfte zurück und eine Hand streckte sich mir entgegen, um m beim Austeigen. Nachdem ich meine Palla um meine Schultern gelegt hatte sah ich mich erst einmal um. Ich hatte nicht die leiseste Ahnung, wo ich hier gelandet war. Corvinus mußte sich etwas dabei gedacht haben, wenn er mich hierher bringen ließ. Wahrscheinlich hatte er sich etwas exquisites für mich ausgedacht!
    Der aurelische Sklave zog den Vorhang der Sänfte zurück und eine Hand streckte sich mir entgegen, die mir beim aussteigen behilflich sein wollte. Mein Herz begann schneller zu schlagen, als ich den Senatorenring am Ringfinger der Hand erkannte. Mit einem Mal war mein skeptischer Blick einem überglücklichen Lächeln gewichen. Nein, ich hatte ihn nicht nach meinen roséfarbenen Eskapaden verloren!
    Ich ergriff die Hand und entstieg der Sänfte mit dem anhaltenden Lächeln. Er begrüßte mich und machte mir Komplimente. Ja, ich war an meinem Ziel angekommen! Nichts hatte sich geändert. Er hegte noch Interesse an mir.
    "Aurelius Corvinus! Wie sehr ich mich freue, dich wieder zu sehen!"
    Er führte mich von der Sänfte fort und offenbarte mir, an welchem Ort wir uns befanden. Überrascht sah ich mich um. Meine Augen fingen sogleich das Meer aus Lichtern ein, welches sich unter uns in der Rundung des Amphietheaters ausbreitete. Wie ich es mir schon vorgestellt hatte, war Corvinus wieder sehr einfallsreich gewesen, um mich zu überraschen. Ein Theater, wer hätte das gedacht!
    "Wie romantisch! Ein Theater nur für uns beide? Einfach grandios!"

    Es war, als hätte mich der Schlag getroffen! Vor Schreck ließ ich eine meiner wertvollsten Phiolen mit dem neuen Duft aus Janpau L’Gautis´ aktueller Herbstkollektion. "Oh nein, welch ein Unglück! Ylva was soll ich nur anziehen! Ich habe nichts zum anziehen!" Aufgeschreckt wie ein Huhn, das den Fuchs fürchtete, lief ich in meinem cubiculum umher. Die einzige, die sich einen kühlen Kopf bewahrt hatte, war meine Ylva, die aus meinen Unmengen von Kleidern eine bernsteinfarbene Tunika mit einer edlen Bordüre verziert war. Dazu paßte die mit Goldfäden bestickte Palla und die edlen Sandalen von Manolus Blahnix. Ein einfacher Goldschmuck zierte meinen Hals. Wie (fast) immer konnte ich mich auf den Geschmack meiner Leibsklavin verlassen. Nun mußte sie nur noch schnell die passende Frisur zaubern und schon konnte es los gehen!
    Etwa eine Stunde, nachdem mich der Sklave von der wartenden Sänfte informiert hatte, war ich endlich bereit, zu gehen. Ylva begleitete mich natürlich! Ohne sie hätte ich niemals das Haus verlassen.
    Ich begab mich zur porta und bestieg die aurelische Sänfte, nicht ohne vorher die mehr als schwarzen Trägersklaven bewundert zu haben.


    Acanthus, der flavische Ianitor, öffnete wie gewohnt eher misslaunig die Tür. Argwöhnisch, wie es nun einmal seine Art war, besah er sich den Sklaven in seiner rostbrauen Tunika. Noch bevor er seinen üblichen Spruch loswerden konnte, begann sein Gegenüber ihn bereits mit den nötigen Informationen zu seinem Anliegen zu versorgen.
    Der Ianitor hob überrascht seine Augenbrauen an, wie es eigentlich nur den flavischen Herrschaften zu Eigen war. Offenbar färbten einige Verhaltensmuster mit der Zeit auf das Personal ab.
    "Soso," antwortete er misstrauisch. Trotz der Versicherungen des aurelischen Sklaven, spähte er noch einmal nach draußen um sich sicher zu sein, daß dies tatsächlich nur eine der aurelischen Sänften war. Seit dem letzten Besuch des Aureliers, bei dem Acanthus von der Flavierin dazu verdammt worden war, eine Rose im Haar zu tragen, war er etwas vorsichtig gegen alles aurelische geworden. Auch wenn nun diese Sklaven nun wirklich nichts Böses im Schilde zu führen schienen.
    Erst als er vollkommen überzeugt war, daß diesmal keine Rosen im Spiel waren und er alles andere ausschließen konnte, rief er einen Sklaven herbei, der die Flavia unterrichten sollte.
    "Ich werde die domina holen lassen!"

    Ich wußte gar nicht, wieso er so überzogen reagierte! Er sollte sich ja nicht anmalen, so wie es die Ägypter zuweilen taten. Mir ging es doch nur um die Pflege der Haut. Aber ich wußte, so mancher männliche Zeitgenosse fühlte sich bei dieser Thematik mehr oder weniger auf die Füße getreten, obwohl doch der moderne Mann von heute einen besonderen Wert auf sein Äußeres legte. Er sollte er zumindest. Wenn ich da an Lutetia dachte… Ich für meinen Teil würde dies bei meinem zukünftigen Ehemann nur begrüßen und alles daran geben, wenn er sich auch um solches Ding kümmerte. Wie schnell nagte doch der Zahn der Zeit am Erscheinungsbild eines Menschen. Womöglich waren Männer ab einem gewissen Alter interessant, aber dann sollten sie bitteschön auch noch einigermaßen ansehnlich sein! Nun, wie dem auch sei, man konnte niemanden zu seinem Glück zwingen. Eines Tages würde er es bitter bereuen, mein Angebot abgelehnt und nicht in Stutenmilch gebadet zu haben, wenn es zu spät war! Natürlich war ich deswegen nun nicht eingeschnappt, neeeiin! :D Das wäre doch kindisch gewesen. Stattdessen ließ ich Aquilius sein Schlupfloch, welches uns wieder zu seinem Hengst brachte und erwähnte mit keinem Wort mehr besagte Stutenmilch. Ich sah auf, als er erwähnte, sein Pferd hätte ihm einst das Leben gerettet. Das machte mich nun sehr neugierig. "Oh, tatsächlich? Was ist den geschehen?" fragte ich zurückhaltend, da ich nicht wußte, ob es ihm angenehm war, darüber zu sprechen.
    Seine übrigen Worte ließen mich auf eine besondere Weise nachdenklich werden. Ich hatte mir bisher wenig Gedanken um Freund oder Feind gemacht. Wirkliche Feinde hatte ich glücklicherweise keine, so glaubte ich. Wie aber sah es mit den Freunden aus? Gäbe es für mich einen Retter in der Not? Was war mit meinen Sklaven? Würden sie für mich sterben, wenn es notwendig werden würde? Mich fröstelte bei diesem Gedanken. Nein, daran mochte ich nicht denken und schob diese Gedanken ganz schnell beiseite. Ich lebte beschützt und mit allem versorgt inmitten meiner Familie. Wer sollte mir hier schaden?

    Zitat

    Original von Claudia Epicharis
    Huhu Celerina,
    du kannst den Betrieb auch behalten und die Sklaven aus dem Betrieb entfernen, dann musst du keine Erhaltungskosten für die Runde zahlen, bekommst aber auch keine Punkte. Das ist ganz praktisch, wenn man gerade kein Geld hat, weil es vielleicht nicht so gut läuft. :)


    Danke für den Tipp! :)


    @ Lando: Tja, ohne eigenes Einkommen hast du eben gelegentlich gelitten! ;) Aber mit Frauenpower klappt´s dann wieder! :D

    Natürlich hatte Chimerion nicht die leiseste Ahnung davon, welche meine bevorzugten Tötungsarten waren. Ich war ein experimentierfreudiger Mensch und legte dabei besonderen Wert darauf, daß dabei so wenig Schmutz wie möglich entstand. Am schlimmsten fand ich Blutflecken! So mancher Gifttrank verursachte bei dem Opfer einen blutigen Husten, der äußerst unästhetisch war. Doch sicher kam auch mein Sklave früher oder später hinter das Geheimnis meines eigenwilligen Zeitvertreibs. Bis dahin konnte er mutmaßen und sich den wildesten Spekulationen hingeben. Ich lächelte weiterhin geheimnisvoll.


    Meine Frage mußte ihn sehr überrascht haben, denn er wußte nicht sofort eine Antwort darauf zu geben. Doch was er mir dann zur Antwort gab, ließ mich schmunzeln. Natürlich war er kein Mörder! Wäre er das, so hätte man ihn längst ans Kreuz geschlagen.
    "Wieso sollte ich vor dir Angst haben? Du würdest mich fesseln wollen und dann davonlaufen? Wohin denn? Dir ist doch sicher klar, daß man dich schneller wieder eingefangen hätte, als dir lieb sein dürfte… und was dann mit dir geschieht, daran möchte ich gar nicht erst denken. Es wäre eine wahrhafte Verschwendung!" Meine Blicke wanderten wieder über die Gestalt Chimerions. Wahrhaftig, eine Verschwendung! Nein, dieser Sklave würde nicht fliehen! Fesseln vielleicht, aber nicht fliehen! Meine Phantasien gingen wieder mit mir durch. Ich räusperte mich kurz und besann mich wieder auf die Antwort des Sklaven. Er hatte sich also entschieden, in Zukunft mein Leben zu schützen. Ich nickte wohlwollend. "Nun gut! Dann wirst du mich in Zukunft überall hin begleiten. Es wird nicht nötig sein, daß du vor meiner Tür nächtigst. Hier im Hause meiner Familie habe ich nichts zu befürchten. Ich werde veranlassen, daß man dir einen Platz in der Sklavenunterkunft zuweist." Von dort konnte ich ihn immer kommen lassen, wenn ich ihn bedurfte. "Wenn du dich bewehrst, dann sollst du dafür auch belohnt werden!" Wie diese Entlohnung allerdings aussah, wußte ich bis dato selbst nicht so genau.

    Ich war sehr erfreut, als die Claudia einwilligte, bei unserer Einkaufstour mitzuwirken. Es war immer lustig, wenn man Mitglied eines solchen einkaufswütigen Rudels, junger patrizischer Damen war. Selbstredend war dies das größte anzunehmende Unglück für jeden Sklaven, der uns begleiten mußte, ganz zu schweigen von denen, die uns in den Läden bedienen mußten. So sehr ich Minervina und auch Antonia schätzte, ich wollte nicht in der Haut derer stecken, denen wir bei unserer Einkaufstour über den Weg liefen. Selbst die männlichen Mitglieder der Familie wußten, daß es im Falle eines Einkaufs klüger war, Land zu gewinnen.
    "Nun, einen genauen Tag habe ich noch nicht auserkoren. Ich werde zuerst noch mit Minervina Rücksprache halten müssen. Doch wenn ich einen geeigneten Termin gefunden habe, lasse ich es dich selbstverständlich wissen."
    Natürlich kannte Antonia den Bruder meiner Freundin. Man behauptete zwar, sobald ein Kind da war, wäre es, als sei man in einem gesellschaftlichen Vakuum gefangen, da dann nur noch die Dinge rund um das Kind von Belang waren und man sich auch nur noch mit anderen Müttern traf. Doch so sehr hinter dem Mond lebte Antonia nun auch wieder nicht! :D
    "Du wirst sehen, sie ist eine sehr nette Person, wenn du sie erst einmal kennengelernt hast!"
    Da unsere Unterhaltung nun denn doch noch eine solch interessante Wendung genommen hatte, war es mir völlig entgangen, wie spät es doch mittlerweile schon geworden war. Eigentlich war es Zeit, langsam den Rückzug einzuleiten.
    "Ach meine Liebe, es war so schön, mit dir zu plaudern. Das sollten wir unbedingt zu gegebener Zeit fortsetzen!" Langsam erhob ich mich und strich meine Tunika glatt. Eigentlich hatte ich mir ja nur kurz den kleinen Flavier anschauen wollen, doch daraus war nun eine ausgewachsene Konversation geworden.

    Das Mädchen spielte weiter, ohne mich und meine Frage zu beachten. Sie war zu vertieft in ihrem Spiel. Nicht daß ich vor der Dunkelheit Angst gehabt hätte. Nein, das war es nicht. Ich war es einfach nur gewohnt, nie im Dunkeln zu sitzen. Stets hatten die Sklaven dafür gesorgt, daß der helle Schein einer Lampe meine Umgebung beleuchtete. Und doch beschlich mich ein ungutes Gefühl. Jedes Geräusch ließ mich aufschrecken. In der Dunkelheit hörte sich alles so fremdartig an.
    Voller Anspannung erhob ich mich, um noch einmal hinausspähen zu können. Draußen hatte sich die Geschäftigkeit des Tages gelegt und von weitem konnte man bereits wieder das Grölen der Männer hören, welches sie von sich gaben, wenn sie wieder dem Alkohol in Massen frönten.
    Mein erster Gedanke galt wieder Ylva. Ich bat die Götter darum, daß man sie wenigstens diese Nacht verschonte. Doch um ehrlich zu sein, hatte ich kaum mehr Hoffnung. Wieder kam mir der Gedanke zu fliehen. Irgendwie mußte es uns doch gelingen, aus dieser Hölle zu entkommen! Mein Blick fiel wieder auf das kleine Mädchen. Sie saß weiterhin spielend am Boden und nichts konnte sie davon abhalten, so schien es jedenfalls. Wenn ich mich rettete, dann wollte ich sie mitnehmen. Ich konnte doch dieses Kind nicht hier belassen!
    Nachdenklich setzte ich mich wieder in meine Ecke und starrte in die Dunkelheit. Das spielende Kind, wie es mit seiner Puppe sprach und es seine Puppe sprechen ließ untermalte den Hintergrund. Ich achtete nicht darauf, was sie erzählte. Vielmehr dachte ich angestrengt darüber nach, wie ich von hier verschwinden konnte und möglichst auch noch Ylva und die Kleine retten konnte. Mir wurde nicht bewußt, als sich die Tür zu der Hütte öffnete und der Umriss eines Mannes erschien. Erst als das Spiel des Mädchens erstarb, sah ich fragend zu ihr hinüber. "Was… Wo.. wo gehst du hin?" Ich sah ihr unverständlich nach, wie sie wortlos aus der Hütte verschwand und sich vorher noch an der Gestalt vorbeidrängelte.
    Der Anblick der dunklen Gestalt flößte mir einen gehörigen Schrecken ein. Mit dem Rücken drückte ich mich ängstlich an die Wand, so als wolle ich eine Fuge finden, durch sie ich entrinnen konnte. Doch eine solche gab es nicht. Meine Augen weiteten sich, als er auf mich zu kam. Mit zittriger Stimme forderte ich ihn auf, sich zu erklären, doch ich mußte sogleich feststellen, daß dies in seinen Kreisen nicht üblich war. "Wer bist du? Was… Ich bin Flavia Celerina und mein zukünftiger Gemahl ist der Senator… Aaahh!" Die Gestalt gebärdete sich als wildes Tier, welches mir sogleich die Lumpen vom Leib riß, nachdem er es bei sich gleichgetan hatte. Ich schrie nur noch, als er sich auf mich stürzte, wie ein ausgehungerter Wolf. Verzweifelt versuchte ich mich zu wehren, um mich zu schlagen und zu treten. Doch je größer mein Widerstand war desto wilder wurde sein Auftreten. Gnadenlos nahm er sich, was er wollte. Irgendwann hatte ich damit aufgehört, mich zur Wehr zu setzen. Leblos, wie die Puppe des kleinen Mädchens, ließ ich mit mir tun und lassen, was er wollte. Mein glasigen Augen starrten ins nichts. Irgendwann spürte ich nichts mehr und hörte nichts mehr, was um mich und mit mir geschah. Selbst der durchdringende Schrei des Mannes, als er seinen Gipfel der Lust erreichte, konnte mich nicht mehr erfassen.


    Wie ein Stück Abfall hatte er mich zurückgelassen, als er die Hütte verließ. An diesem dreckigen Ort lag ich da, beschmutzt, entehrt und gedemütigt. Niemand war da, der mir zur Hilfe kam. Bewegungslos mußte ich eine halbe Ewigkeit dort gelegen haben und irgendwann begann ich zu wimmern. Ein Fluß aus Tränen rann mein Gesicht hinunter. Leise rief ich die Namen meiner Sklavin. Doch niemand kam. Am frühen Morgen, als es bereits dämmerte fand ich endlich etwas Schlaf. Vielmehr schaffte ich es nicht mehr, meine Augen aufzubehalten. So glitt ich hinab in einen traumlosen Schlaf.

    Dies war genau jener Moment, indem es mich nach frischen Trauben und einem guten Becher Wein gelüstete. Wo Ylva nur wieder blieb! Diese Sklavin würde mich noch eines Tages in mein Grab bringen! Wahrscheinlich ließ sie sich jetzt besonders viel Zeit, um mich damit zu reizen.
    Umso mehr ließ die Antwort Chimerions mich aufblicken. Wie konnte er sich erdreisten, sich anzumaßen über die Art und Weise meines Aufwachsens zu urteilen! Jeden anderen Sklaven hätte ich dafür bluten lassen, hätte er sich solches geleistet. Irgendetwas mußte von diesem Sklaven ausgehen, was dazu führte, ihm vieles durchgehen zu lassen.
    "Ich bin dem Tod schon einige Male begegnet und glaube mir, er ist ein Freund von mir!" Ich zwinkerte ihm verheißungsvoll zu, was auch immer dies zu bedeuten hatte.
    So manche Sklavin war zum Opfer meiner toxischen Versuche geworden und nicht immer war dieser Tod ein schöner gewesen. Ich für meinen Teil fand den Tod aufregend. Es war faszinierend, zuzusehen, wenn ein Mensch sein Leben aushauchte. Doch manche Menschen waren selbst im Tod hoffnungslos. Mein Ehemann zum Beispiel, er war ein Langweiler im Leben und letztlich auch im Tod. Sein Kampf um Leben und Tod hatte sich tagelang hingezogen, bis dann endlich doch die Flamme erlosch.


    So lauschte ich weiter den Ausführungen Chimerions, der das letzte Bindeglied seiner Geschichte noch hinzufügte. Etwas an dem Sklaven imponierte mir. Ich konnte nicht genau sagen was es war. Vielleicht war es sein Mut, sich mir auf seine ganz eigene Art zu nähern. Aber womöglich war es auch die Tatsache um seine Flucht. Dieser Sklave war nicht wie die große Masse der Sklaven, die ich bis dahin kannte. Er war anders und dies auf ganz erfrischend prickelnde Weise.
    "Meinst du, ich könnte einem Sklaven wie du es bist, mein Leben anvertrauen? Würdest du diesen Leib mit deinem Leben verteidigen? Oder müßte ich befürchten, eines Tages mit durchgeschnittener Kehle gefunden zu werden?"

    Nicht minder groß war meine Erleichterung. Ein vages Lächeln erschien auf meinem Gesicht. Die Zeiten, in denen ich mich nur einer Laune hinzugeben gepflegt hatte, waren längst vorüber. Alles was ich tat, folgte einer fast kühlen Berechnung heraus. Ziellos und ohne Plan durchs Leben zu eilen, brachte mir auf die Dauer nichts. Außerdem schien mir meine Zeit dafür zu kostbar zu sein, um einem Phantasiegebilde nachzulaufen.
    Mein Lächeln wurde noch verstärkt, als mein Blick der Amme folgte, die den kleinen Manius zurückbrachte, der dann schließlich seinen Platz in den Armen seines Vaters wieder fand. Ein solch kleines Wesen war mehr als erstrebenswert! Eines Tages wollte auch ich einen solchen Prachtjungen in meinen Armen halten können und dann sagen dürfen, dies ist mein Kind! Natürlich hatte ich die Schrecken meiner Fehlgeburt nicht vergessen. Manchmal begegneten sie mir noch in meinen Träumen. Doch für solche Gedankengänge war nun hier kein Platz!
    Umso mehr erfreute mich Gracchus´ Urteil, welches er über den Aurelier fällte. Wenn er so über ihn dachte, dann konnte Aquilius doch auch nicht abgeneigt sein! Erneut begann die Hoffnung in mir zu keimen.
    "Ich bin mir sicher, der Aurelier denkt ähnlich wie ich es tue. Wäre er sonst meiner Einladung gefolgt? Nur wie kann ich ihn Aquilius schmackhaft machen?" Vor einigen Tagen hatte ich mit Aquilius bereits das Thema Heirat angesprochen, wobei ich mich nicht recht überwinden konnte, ihn direkt auf den Aurelier anzusprechen.
    Doch bei der Ankündigung meines Onkels, er wolle einen Teil der Mitgift beisteuern, war die Frage, wie man Aquilius dazu gewinnen konnte, dieser Ehe zuzustimmen, nur noch zweitrangig. Es war nur noch eine reine Formsache.
    "Du bist sehr freundlich! Ich danke dir und weiß deine Großzügikeit sehr zu schätzen!"

    Welch herrliche Ruhe war wieder eingekehrt, als Ylva endlich verschwunden war. So konnte ich mich nun wieder ganz dem Können meines Sklaven hingeben. Gespannt lauschte ich dabei seinen Erzählungen über seine Herkunft. Das Schicksal hatte ihm ja tatsächlich übel mitgespielt. Eine Sekunde lang hatte ich bereits darüber nachgedacht, ob ich deswegen nicht ein schlechtes Gewissen haben sollte. Doch im nächsten Moment verwarf ich wieder diesen Gedanken. Zum einen war es ja nicht meine Schuld, was mit seinem Volk geschehen war. Daß ihm das Schicksal seines Volkes immer noch sehr bewegen mußte, konnte ich auf meinem Rücken ganz deutlich spüren. Seine Hände massierten mit einem mal fester, so als wollten sie sich für all das Erlittene rächen. Doch statt ihn zu rügen, genoß ich, bis dahin schweigend den festen Griff seiner Hände. Was hätte ich auch schon sagen können? Hätte ich ihn bemitleiden sollen, ob seines Schicksals? Das Leben war hart, wenn auch mir bislang seine volle Härte erspart geblieben war. Hatte ich ihm denn nichts Gutes getan, indem ich ihn erworben hatte? Er hätte ja auch sonst wo landen können. Hier bei mir hatte er doch alles, was er zu einem guten Leben brauchte. Mir wäre nie in den Sinn gekommen, dass er nach höherem streben könnte.
    Chimerion fuhr mit seiner Erzählung fort. Schließlich rührte die Erwähnung Hispanias doch mein Herz. Mich rührten allerdings weniger die schlimmen Erlebnisse meines Sklaven, denn die mit dem Namen 'Hispanisa' verbundenen Erinnerungen meiner Kindheit. Die alte Heimat, wie sehr vermisste ich sie doch manchmal, wenn die Stille einkehrte und die Bilder in meinem Kopf zurückkehrten und lebendig wurden. "Hispania! Oh wie schön! Dort wurde ich geboren und verbrachte auch dort meine Kindheit." In seinen Ohren musste das paradox klingen, was mir natürlich nicht bewußt geworden wäre. Ja, das Leben war hart! Noch härter war das Leben in der Legion. So stellte ich es mir jedenfalls vor. Die Bilder in meinem Kopf waren durch die Erzählungen solcher genährt worden, die leibhaftig oder auch weniger körperlich anwesend, an den Grenzen des Imperiums ihren Dienst getan hatten oder sogar an Kampfhandlungen teilgenommen hatten.

    Chimerion endete schließlich mit seiner Erzählung indem er das Schicksal seines Herren erwähnte. Das ließ mich erschaudern und mit einem Mal konnte ich die wohltuende Massage auf meinem Rücken so gar nicht mehr genießen. "Halt ein!" Ich stützte mich mit meinen Armen auf und sah ihn an. "Das ist ja Furcht erregend! Wie mir scheint, har du viel erlebt!" Ich drehte mich nun zu ihm hin und stütze mich mit meinem Ellenbogen ab. Meine Augen musterten den straffen muskulösen Körper Chimerions, dessen Haut feucht glänzte. Wahrscheinlich war es die Hitze des balneums und auch die Anstrengungen des Massierens, die dies verursacht hatten. Zugegebenermaßen empfand ich diesen Anblick als äußerst verführerisch. Was er bei meinem Anblick empfinden mußte, war mir gleich. So spielte ich es weiter, dieses Spiel zwischen Katz und Maus, bei dem die Maus stets dazu verdammt war, zu unterliegen. "Fahre fort!"