Beiträge von Flavia Celerina


    Saba hatte kein Grund zur Klage. Sie hatte alles, wovon andere ihrer Artgenossen nur träumen konnten. Bei ihrer flavischen Herrin lebte sie vollkommen sorgenfrei im Luxus, so wie es die Tempelkatzen in ihrer alten Heimat auch tagein tagaus taten. Täglich servierte man ihr auf einem silbernen Tellerchen ein frisches schmackhaftes Mahl. Ein Sklave war speziell für ihre Fellpflege herangezogen worden und die Flavia hatte ihr ein goldenes, mit Lapislazuli besetztes Halsband angelegt, das sie nun jeden Tag trug. Wenn ihre Herrin sie auf ihre Ausflüge in die Stadt mitnahm, befestigte man eine feine Lederleine an dem Halsband, damit die Katze nicht verloren ging.
    Doch einer Sache trauerte Saba nach. Das, was jede Katze liebte, blieb ihr verwehrt. Nach draußen gehen, im Garten umherschleichen und entdecken, was es für eine Katze dort zu beschnuppern gab, auf Bäume klettern und ihren Jagdtrieb ausleben, all das für sie tabu. Ihr Reich beschränkte sich lediglich auf das cubiculum der Flavia Celerina und wehe, einer der Sklaven, der darin zu tun hatte, achtete nicht peinlichst genau darauf, jeden Fluchtversuch der Katze zu unterbinden. Die Flavia konnte dann sehr ungemütlich werden!


    Heute schien allerdings Sabas Glückstag zu sein. Ausgerechnet die Flavia selbst war es, die unachtsam war und Saba unbemerkt entwischen ließ. Saba nutzte ihre Chance und huschte nach draußen auf den Flur, dann schlich sie sich auf ihren weichen Samtpfoten die Treppe hinunter, sah sich um. Als die Luft rein war, huschte sie mit einem Satz hinaus in den Garten. Dort vor ihr lag ein wahres Paradies für Katzen, das keinen Wunsch unerfüllt ließ! All die Gerüche, das viele grüne Gras, die hohen Bäume und die Vögel und Mäuse, die hier ihr Zuhause hatten, lagen hier zu ihren Pfoten. Unglaublich, es war, wie im Traum! Nach Herzenslust stromerte sie durch den Garten und beschnupperte alles, was sie auf ihrem Weg sah. Dann, aus einer Laune heraus, die Katzen manchmal zu Eigen war, begann sie wie wild zu rennen. Sie sprang mit einem Satz über ein Blumenbeet und blieb schließlich vor einem hohen Baum, mit einer rauen Rinde stehen. Hier hatte sie das plötzliche Bedürfnis, ihre Krallen zu schärfen und das tat sie dann auch ausgiebig. Ach, das war ein Gefühl! Endlich durfte sie wieder Katze sein! Sie war so verzückt, daß ihr ein Schauer über ihre Rücken lief. Eine unbändige Lust durchfuhr sie und mit einem Satz kletterte sie den Baum hinauf, bis zu den obersten Zweigen. Dort verharrte sie und ließ sich den Wind um ihr zartes Näschen wehen. Von hier aus konnte man unglaublich weit schauen. Sie sah die Vögel, die zwischen den Bäumen umher flogen und die Bienen und Schmetterlinge, die im Blütenmeer der Rosenbeete tanzten. Als sie plötzlich merkte, wie allmählich der Zweig nachgab, wollte sie wieder umkehren. Doch einen Baum wieder hinunterzuklettern war eine weitaus schwierige Angelegenheit und erschwerend kam noch hinzu, daß Saba damit noch keinerlei Erfahrung gesammelt hatte. Das dumpfe Gefühl der Angst befiel sie. Nur nicht mehr bewegen! So verharrte sie angespannt in der Krone des Baumes und nur ihr klagendes Maaaauuu kündete davon, daß es eine Katze war, die da im Baum gefangen saß.

    Nachdem ich das Geschäft endlich abgewickelt hatte, wollte ich mich wieder zurück ziehen. Ich bedurfte unbedingt der Ruhe. Besonders nach dem Patzer meines vilicus. Auf Dauer hielten das meine Nerven nicht aus. Hoffentlich würde der neue Sklave weitaus weniger Ärger machen, als ich es ihm zutraute. Ansonsten wäre die Peitsche sein stetiger Begleiter.
    Ich war bereits im Begriff zu gehen, als die junge Sklavin mir erneut ihre Tafel entgegenstreckte. Wie? Gab es noch einen weiteren Haken? Waren tausend Sesterzen nicht genug?
    Ich griff wieder nach der Tafel und las. Erleichtert atmete ich auf und begann zu lächeln. Ich konnte einfach nichts dagegen tun. Ich hatte nun einmal dieses Faible für Kinder und die Sklavin vor mir war ja noch fast ein Kind.
    "Ja, natürlich. Briseis wird euch in die culina führen. Dort könnt ihr euren Durst stillen." Ich deutete auf die Sklavin, die noch immer anwesend war.
    Dann wandte ich mich zu Chimerion um. "Zieh dich an und folge mir!" Daraufhin verließ ich das Atrium und zog mich in mein cubiculum zurück.

    "Scheue dich nicht, mich anzusprechen, wenn dir etwas unklar ist oder du hilfe benötigst!", erklärte ich ihr freundlich. Ich selbst hatte ja die Höhen und Tiefen des Abnehmens erlebt und wusste darum wie es sein konnte, wenn man an einem Tiefpunkt angelangt war. "In der Schriftrolle findest du übrigens auch noch einiges Wissenswertes, worauf man täglich achten sollte und was.." Weiter kam ich nicht mit meinen Ausführungen, den die magistra war mir zuvor gekommen. Sie trat erneut vor die sitzengebliebenen Neulinge und begrüßte sie noch einmal.
    "Ich freue mich, dass ihr es nun auch wagen wollt! Deswegen möchte ich euch noch einige Informationen mit auf den Weg geben. In eurer Mappe findet ihr eine Schriftrolle und ein Tagebuch. Die Schriftrolle ist die erst von vieren, die ihr dann noch in den nächsten Wochen erhalten werdet. Lest sie euch gut durch. Hier findet ihr alle Informationen, wie man sich gesund ernährt. Wichtig für euch, ist zu wissen, wie viel man isst. Die Informationen darüber findet ihr auch in dieser Schriftrolle. Achtet bitte darauf, daß ihr nicht zu viel aber auch nicht zu wenig esst! Wer zu wenig ißt, kann auch nicht abnehmen!" Die magistra schaute durch die Reihen und sah in einige ungläubige Gesichter, für die diese These des Zu-wenige-Essens völlig neu war. "Habt ihr dazu noch fragen?"

    Man mußte schon sagen, Antonia hatte Humor! Ich vermied es, ob ihres Scherzes, laut los zu prusten. Es fiel mir sehr schwer!
    Sie hatte ja mit Gracchus ja auch einen guten Fang gemacht. Sein Aussehen ließ nichts zu wünschen übrig! Ich konnte mich wirklich glücklich schätzen, wenn auch mir ein solches Glück zuteil wurde. Der Aurelier wäre ein solcher Glücksfall gewesen. In meinen Gebeten bat ich die Götter, sie mochten mir doch in diesem Fall beistehen. Und tatsächlich, seit meiner ersten Begegnung mit dem Aurelier spukte er in meinen Gedanken herum. Es gab keinen Tag und keine Stunde, an dem ich nicht an ihn erinnert war. Bis dato hatte ich ein solches Gefühl gar nicht gekannt. Aber es war in gewisser Weise schön.
    In meinen Gedanken verstrickt, hatte ich nur wenig vom Rest des Treffens mitbekommen. Erst, als die magistra sich verabschiedete, realisierte ich, wie spät es bereits war.
    Antonia beantwortete meine fragenden Blicke positiv. Sie wollte es also probieren. Wenn sie voll und ganz dabei war, würden sich auch bald bei ihr die ersten Erfolge zeigen. Ich kannte sie einfach zu kurz um mit Bestimmtheit sagen zu können, ob sie dies durchhielt. Meiner Einschätzung nach aber glaubte ich aber an sie. "Sehr schön! Und ich weiß, du wirst es auch schaffen! Wenn es dir hilft, biete ich dir gerne meine Unterstützung an."
    Währenddessen wir uns noch unterhielten trat die Wiegesklavin an die neuen Teilnehmerinnen heran und überreichte jeder von ihnen eine kleine Mappe, deren Inhalt aus einer kleinen Schriftrolle bestand, die über die Vorgehensweise der CP-Methode Auskunft gab. Desweiterein befand sich auch nuch ein zusammengefaltetes Stück Papyrus darin.
    "Das ist dein Tagebuch! Darauf solltest du alles vermerken, was du gegessen und getrunken hast“, erklärte die Wiegesklavin.

    Ich war mehr als erstaunt, über die Worte, die aus dem Munde meines vilicus kamen. 100 Sesterzen nur! Das war in der Tat ein Schnäppchen! Da konnte man auch einmal darüber hinweg sehen, daß der Bursche bisher einmal geflohen war. Ein entspanntes Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus. Natürlich wollte ich den Sklaven zu diesem Preis erstehen! Ich wäre dumm gewesen, hätte ich das nicht gewollt!
    Doch was ging hier vor? Die kleine Sklavin, die den Sklaven mit hierher begleitet hatte, war vorgetreten und hielt mir ein kleines Täfelchen entgegen. Mein Lächeln war längst entschwunden und einem irritierten Blick gewichen.
    Ich nahm das Täfelchen entgegen und las. "Wie bitte," kommentierte ich, was ich da las.
    Sofort trat ich auf Olorian zu und entriß ihm die Schriftrolle.
    Tatsächlich! Ich wußte nicht, was ich davon halten sollte. War es nur ein simpler Fehler oder wollte er mich nur vor diesen Sklaven bloßstellen? Eines war mir klar geworden, mir meinem vilicus musste ich ein ernstes Wörtchen reden.
    "Nun gut! Tausend Sesterzen." Innerlich kochte ich, doch wollte ich mich vor diesen Sklaven nicht blamieren. So willigte ich ein. "Richtet Duccia Clara aus, ich kaufe ihn und ich behalte ihn gleich hier." Der Sklavin, die mich von der Ankunft der Sklaven unterrichtet hatte, winkte ich zu mir herbei. "Du wirst in meine Gemächer gehen und Ylva um 1000 Sesterzen und um mein Schreibzeug bitten und bringst es hierher!" Die Sklavin verbeugte sich kurz und lief los.
    Kurze Zeit später kam sie mit allem zurück. Ich nahm an einem Tisch Platz und verfasste sogleich einige Zeilen.


    Flavia Celerina an Duccia Clara


    Verehrte Duccia Clara,
    ich möchte mich für dein überaus lukratives Angebot bedanken, dem ich mich nur schwerlich entziehen konnte. Daher habe ich mich dazu entschlossen, den Sklaven käuflich zu erwerben.
    Deinen geforderten Betrag, werde ich den beiden Sklavinnen mitgeben, die ihn zu mir her gebracht haben.


    Vale!
    Flavia Celerina



    "So, hier ist das Geld und ein Brief an Duccia Clara!" Ich übergab der jungen Sklavin meinen Brief und das Geldsäckchen. "Ihr dürft nun gehen!"

    Ich beäugte den Sklaven kritisch. Äußerlich machte er ja in der Tat einen exzellenten Eindruck auf mich. Wichtiger war jedoch seine Einstellung. Ein Sklave, der sich stets fügte und all das tat, was von ihm verlangt wurde, war zwar gut aber auf die Dauer auch recht ermüdend. Lag nicht gerade in der Herausforderung, ihn zu dem zu machen, was man von ihm verlangte, der Reiz der Sache? In meinem Leben hatte ich schon viele Sklaven erlebt. Angefangen von meiner Amme, dem Kindermädchen und der Spielkameradin, die in einer Familie mit ausschließlich Jungen, besonders wichtig für mich war, bis hin zu der Sklavenschar die mich im Hause meines verstobenen Gatten umringt hatte. Meine Ylva blieb jedoch stets die Ausnahme. Sie brachte mir ihren uneingeschränkten Gehorsam entgegen, vom ersten Tag an. Ihr konnte ich auch einmal einen Patzer durchgehen lassen. Wäre ich sentimental gewesen, hätte ich sogar behaupten können, sie wäre so etwas, wie eine Freundin für mich gewesen.
    Doch genug der Ausschweife! Der Sklave ließ sich zu einer Gefühlsäußerung hinreißen und wagte es sogar, mich direkt dabei anzuschauen. Ich konnte ein Schmunzeln nicht unterdrücken. "Nein, ich fürchte, eine Wahl hast du nicht," antwortete ich ihm mit aufgesetztem Mitleid. "Nichts anderes werde ich von dir erwarten!"Ich wandte mich von dem Sklaven ab und trat an meinen vilicus heran. "Nun Olorian, wie viel verlangt Duccia Clara für diesen Sklaven?"

    Gespannt wartete ich darauf, bis endlich die Tunika zu Boden ging. Er zögerte erst. Ach nein, er war doch wohl nicht schüchtern! Oder war es vielmehr das kurze Aufflackern des Widerstands, das ich bei dem Sklaven bemerkte? Ja, das war es! Für einen Mann wie ihn, mußte es doch demütigend sein, sich vor einer Frau zu enthüllen. Doch nur so konnte man seinen Stolz brechen. Stolz war etwas hinderliches, wenn man dazu verdammt war, Sklave zu sein. Doch dies machte ihn noch attraktiver in meinen Augen.
    Was dann letztlich, nachdem er sich fügte, doch zum Vorschein kam, überzeugte mich dann. Ein wohlgestalteter Körper, regelrecht mit Muskeln bepackt. Erwartungsgemäß befanden sich verheilte Striemen auf seinem Rücken. Das wunderte mich nicht im Geringsten. Das, was er schließlich auf meine Frage antwortete, bestätigte letztendlich meine Vermutungen. Der Leibwächter eines Centurio, also. Langsam umrundete ich den entblößten Sklaven und besah ihn mir von allen Seiten. "Soso, geflohen also", bemerkte ich nachdenklich. Erneut zuckten meine Mundwinkel. "Und wer garantiert mir, daß du nicht von neuem davonläufst, Chimerion?" fragte ich ihn mit gleichbleibend ruhiger, fast schon zuvorkommender Stimme, während ich meine Runde vollendete.
    Allerdings lag es mir fern, auf die Antwort des Sklaven zu warten. Aus meiner scheinbaren Ruhe ausbrechend, wandte ich mich unerwartet zu ihm um, so daß ich direkt vor ihm stand. "Sieh mich an, Sklave! Deine Vorbesitzer scheinen wohl sehr nachsichtig mit dir umgegangen zu sein. Doch ich warne dich, sollte ich mich doch entscheiden, dich zu erwerben, dann erwarte ich uneingeschränkten Gehorsam. Alles, was davon abweicht, lasse ich unbarmherzig bestrafen. Und verschwende nicht den Geringsten Gedanken an Flucht!" Meine Stimme hatte sich binnen kurzer Zeit verändert. Sie war stärker und energischer geworden. Ihm sollte unmißverständlich klar sein, was ihn in diesem Haushalt erwartete.

    Ich sah der Bedienung noch hinterher, als diese wieder den Weg ins Lokal antrat. Es war wirklich sehr bedauerlich, wie sehr der Nachmittag bereits fortgeschritten war. Dank der netten Bekanntschaft, die ich gemacht hatte, war mein Wohlfühltag doch noch etwas hinausgezögert worden. Auch wenn Ylva anfänglich einen kleinen Moment für Missstimmung gesorgt hatte, war ich doch sehr gut dafür entschädigt worden. So konnte ich dem Aurelier auch nur beipflichten. "Ja, es ist jammerschade! wie gerne wäre ich noch länger geblieben. Aber ich zweifele nicht daran, daß sich schon bald wieder eine neue Gelegenheit findet, zu der wir unsere Unterhaltung fortführen können!"


    Kurze Zeit später trat Ylva aus dem Lokal. Offenbar hatte sie noch schnell etwas eßbares in ihrem Mund verschwinden lassen. Kauend näherte sie sich unserem Tisch. Was auch immer sie gegessen hatte, bis sie bei mir ankam, hatte sie es schleunigst heruntergeschluckt. Sie kannte mich und wußte genau, wie wenig ich ein solches Verhalten tolerierte. "Da bin ich, Herrin!" Schnell wischte sie sich mit ihrem Handrücken noch den Mund ab.


    Ich registrierte ihr Erscheinen mit einem einfachen nicken. Dann erhob ich mich. "Es hat mich gefreut, deine Bekanntschaft machen zu dürfen! Bitte richte deiner Schwester viele Grüße aus. Ich würde mich sehr über eine gemeinsame Unternehmung freuen!"

    "Chimerion," wiederholte ich nachdenklich, während sich meine Augen noch von den äußeren Qualitäten des Sklaven überzeugten. Meine Mundwinkel zuckten. Das, was ich sah, gefiel mir durchaus! Einen solchen Burschen konnte man allemal brauchen. Aber hielt sein Aussehen auch das, was es versprach? Was, wenn er nur furchterregend aussah, aber es in Wirklichkeit gar nicht war? Bevor ich einen Kauf erst einmal in Erwägung zog, mußte ich noch mehr über den Sklaven herausfinden. Ich kaufte ja ungern die Katze im Sack. Mir brachte es nichts, wenn ich Unsummen für einen Sklaven ausgab, der nichts taugte und am Ende doch nur als Löwenfutter in der Arena landete.
    Seine muskulöse Erscheinung war mir sofort aufgefallen und ich rätselte, wofür man ihn früher eingesetzt hatte. Unglücklicherweise verdeckte seine Tunika einen großen Teil seines Körpers. Eine Tatsache, die ich als ungemein störend empfand!
    "Zieh deine Tunika aus! Na los, runter damit" befahl ich ihm. Auf diese Weise konnte ich mir ein genaueres Bild von seinem Körper machen. Nebenbei war so auch feststellbar, inwiefern er bereits Bekanntschaft mit der Peitsche gemacht hatte. Ohne Zweifel, der Rücken eines Sklaven konnte zuweilen sehr aufschlußreich sein.
    Eine andere Frage, die sich mir förmlich aufdrängte, war die, warum man ihn denn einfach so verkaufen wollte. War sein Herr ihm überdrüssig geworden oder hatte er gar etwas verbrochen? All das sah man dem Burschen nicht an. So richtete ich erneut das Wort an ihn.
    "Nun, Chimerion. Was waren deine bisherigen Aufgaben und warum stehst du eigentlich zum Verkauf?"

    "Oh, danke!" Ich zögerte keinen Augenblick und hakte mich bei ihm ein. Auf diese Weise war es natürlich noch angenehmer, den Garten zu erkunden. Daran konnte nun auch nichts mehr die erneute Anwesenheit der Sklavin ändern. Indem ich sie gänzlich ignorierte, konnte ich ihre Gegenwart annähernd ertragen. Auch als Corvinus sie nicht fortschickte und ihr sogar gebot, uns zu begleiten, tangierte dies mich nicht mehr sonderlich. Lediglich ein kaum hörbarer Seufzer war es, der diesen Entschluß quittierte. Innerlich aber hoffte ich auf ihre Vernunft, auf das sie es nicht der orchidacea gleichtat und aufgrund der Geschehnisse nachtragend war. Es war nicht gerade sehr einträglich, daß es von einer Sklavin abhängig war, die über den positiven Verlauf des gemeinsamen Nachmittags entschied und so auch letztlich auf meinen Erfolg Einfluß hatte. Ich hatte aber für mich den Entschluß gefasst, kein Wort mehr darüber zu verlieren. Letztlich würde ich so Corvinus´ Entscheidung in Frage stellen. Dies allerdings lag mir fern. Es mußte für ihn schon ausreichend peinlich gewesen sein, in welcher ungebührlichen Weise sich die Sklavin verhalten hatte. Für mich war die Sklavin einfach nicht mehr existent. Damit konnte ich leben.
    Stattdessen fieberte ich dem Grün entgegen, dem wir uns nun schrittweise näherten. Endlich konnte ich den Garten mit eigenen allen Sinnen begutachten und feststellen, inwieweit das Haben mit dem Soll übereinstimmte. Besonders freute ich mich auf die vielbeschworenen Exoten, die sich darin befinden sollten. Ein süßlicher Duft einer Blume lag bereits in der Luft, jedoch konnte ich nicht genau erkennen, worum es sich dabei handelte. Ohne Zweifel würde sie mir sogleich ins Auge fallen. Womöglich würde auch der Aurelier mich über den anregenden Duft aufklären.
    "Daran habe ich keinen Zweifel! Ich schätze alle Arten von Gärten. Doch seltene Pflanzen und wohlduftende Blüten verleihen einen Garten noch viel mehr Charme. Er verführt dann förmlich, ihn zu durchschreiten und an den schönsten Fleckchen für einige Zeit zu verweilen. Ein idealer Platz, um einen grandiosen Nachmittag in deiner Begleitung erleben zu dürfen!"

    Das war ja nun höchst seltsam. Die Rote begann plötzlich in einem sehr verwegenen Latein zu sprechen, so daß sich mir beinahe die Haare zu Berge stellten, wären sie nicht ordentlich frisiert gewesen. Von was für einer Nachricht sprach sie und warum brachte man mir einen Sklaven?
    Nun ja, ich mußte zugeben, der Bursch sah nicht schlecht aus. Außer den Haaren, gefiel er mir ganz gut. Er hatte etwas Beängstigendes an sich. Wahrscheinlich taugte er gut als Leibwächter. Alleine schon das Aufsehen, welches man mit solch einem Kerl erregte, wenn er neben der Sänfte herlief, mußte enorm sein.
    Die Kleine, die mir für einen Moment unaufmerksam erschienen war, zückte urplötzlich aus dem nichts eine Schriftrolle hervor, die mein vilicus in Empfang nahm. Ich dachte mir nichts dabei. Schließlich hatte ich ihn ja dafür eingestellt, damit er sich um den ganzen elenden Papierkram kümmern konnte. Selbstredend brannte ich darauf, zu erfahren, was in der Rolle geschrieben stand. Doch in Gegenwart dieser Sklaven ließ ich mir meine Neugier keinesfalls anmerken. Im Gegenteil, ich schritt auf den Sklaven zu und besah ihn mir von allen Seiten. Ich hatte nicht die leiseste Ahnung, woher solch ein Mensch, dieses Aussehens herstammen konnte. Er mußte wohl einem der barbarischen Völker im Norden oder gar im Osten angehören. Womöglich ein Skythe oder noch etwas schlimmeres!
    Die Vorstellung, den Sklaven zu besitzen, reizte mich schon. Er war so ganz anders, wie diese verweichlichten Burschen, die man dann und wann in der Villa antraf. Er hier hatte das Format dieses Parthers, den ich neulich auf dem Sklavenmark gesehen hatte und der mir dummerweise durch die Lappen gegangen war. Wenigsten hatte einer meiner Verwandten ihn käuflich erworben. Ab und an hatte ich ihn auch schon in der Villa gesehen.
    "Verstehst du mich, Sklave? Wie lautet dein Name?" Ich versuchte laut und deutlich zu sprechen, damit er mich auch ja verstand.

    Wegen der Hautrückbildung mußte sich Antonia nun wirklich keine Sorgen machen! Soviel hatte sie ja gar nicht abzunehmen, wenn überhaupt. Schließlich hatte sie noch nicht mit den Überbleibseln einer Schwangerschaft zu kämpfen gehabt. Dabei stellte sich bei mir die Frage, ob es nicht bald soweit wäre. Dies allerdings auszusprächen wäre äußerst indiskret gewesen. So gut kannten wir uns nun auch wieder nicht.
    Ihre Befürchtungen, des anwesenden Mannes wegen, konnte ich sie beruhigen. "Männer verirren sich nur sehr selten hierher! Sie trauen sich einfach nicht oder glauben, sie hätten so etwas nicht nötig. Zss..., ein überheblicher Gedanke, nicht wahr? Ich persönlich bevorzuge ja eher den knackigen Typ Mann. Das Gegenteil davon hatte ich bereits und ich kann nur sagen: nein Danke!" Ich sprach äußerst leise, damit nicht jeder hörte, was ich zu sagen hatte, während unterdessen das Treffen und die Diskussionen, die geführt wurden, langsam zu einem Ende kamen. Die Frage der magistra, ließ mich wieder aufhorchen. "Was wollt ihr dafür tun, damit ihr auch in der nächsten Woche abnehmen könnt?"
    Plötzlich war wieder alles still. Diese Frage, die mit Sicherheit jede Woche kam, verursachte einmal mehr eine allgemeine Sprachlosigkeit. Diese wurde erst kurze Zeit später von einer Frau gebrochen, die schräg vor uns saß. "Na ja, drauf achten, was ich esse und wieviel!" Davon angespornt, kamen noch einige Meldungen mit Vorsätzen, für die kommende Woche, bis schließlich die magistra zufrieden nickte. "Sehr schön! Dann freue ich mich, wenn ich nächste Woche nachfragen darf, wie ihr eure Vorsätze umgesetzt habt! Nächste Woche werden wir uns übrigens mit der Frage beschäftigen Wie viel Sommer tut meiner Abnahme gut? Also laßt euch überraschen! Ich würde mich sehr freuen, wenn ihr auch dann wieder dabei seid! Ich wünsche euch allen eine pfundige Abnahme und eine angenehme Woche! Die Neuen unter euch, bitte ich, noch einen Moment sitzen zu bleiben. Valete!"
    Um uns herum machte sich eine Aufbruchstimmung bemerkbar. Alles wollte nur noch fort. Ich sah fragend zu Antonia hinüber, ob sie noch Interesse an CP hatte.

    Ich hatte in den letzten Tagen wirklich mit dem Gedanken gespielt, die heißesten und somit unerträglichsten Tage des Jahres in Baiae zu verbringen. Hinaus aus dem Mief der Großstadt und hin zu der netten Sommerfrische am Golf von Neapolis. Ja, das wäre schön!
    "Ja, ganz ohne Zweifel, Baiae wird mir gefallen," pflichtete ich ihm bei.
    Bei dieser überaus netten Unterhaltung hatte ich gänzlich mein Zeitgefühl verloren, doch der Stand der Sonne verriet mir, daß der Nachmittag schon weit fortgeschritten war.
    Ich fragte mich wirklich, wo Ylva war. Eine ihrer Aufgaben war es schließlich, mich an die Zeit zu erinnern, wie spät es war. Nicht, daß es mich nun plötzlich fort treib. Ganz im Gegenteil. Mit einer solch netten Bekanntschaft, hätte ich mich noch stundenlan unterhalten können. Doch als eine Dame war es ganz und gar unschicklich, sich alleine, ohne Begleitung, in der Stadt herum zu treiben. Trotz meiner Erlaubnis, sich entfernen zu dürfen, wäre es mir lieber gewesen, sie in der Nähe zu wissen.
    "Das wäre sehr freundlich von dir, wenn du die Bedienung danach fragen könntest!"

    Ich war nicht gerade bester Laune, nachdem mich dieses junge Ding aus meinem Schönheitsschlaf gerissen hatte. Jetzt sah ich nämlich alles andere als schön aus! Meine Frisur war ein einziges Trauerspiel und von den Falten in meiner Tunika wollte ich erst gar nicht anfangen. Unglücklicherweise hatte ich meiner Sklavin heute Nachmittag auch noch Ausgang erteilt, was meine momentane Lage nur noch verschlimmerte. Also mußte das junge Ding herhalten. Das hatte sie jetzt davon!
    Die Zeit, die sie mit ihren unfähigen Fingern in meinen Haaren herum fummelte, erschien mir endlos zu sein. Doch nach einer gefühlten Ewigkeit, bemerkte sie nur schüchtern, sie sei jetzt fertig. Nun, das wollte ich ihr gerne glauben. Doch verlies ich mein cubiculum nicht eher, bevor ich mich im Spiegel noch einemal einer Begutachtung unterzogen hatte. Das, was ich sah, war nahezu annehmbar.
    So schritt ich ins Atrium und erblickte dort meinen neuen vilicus und drei weitere Gestalten, die wie ich annahm, Sklaven sein mußten.
    Einen nach dem anderen begutachtete ich mit meinem kritischen Blick. Zuerst fiel mir der Mann auf. Er hatte einen Pferdeschwanz. Wie grauslig! Wenn es nach mir gegangen wäre, hatte ich ihn umghend zu Vidalus, meinem Tonsor geschickt.
    Das Mädchen schien mir etwas verträumt zu sein. Sie war wohl nicht bei der Sache. Ich hätte ihr das schon ausgetrieben!
    Und dann die Rothaarige! Ihr trotziger Blick störte mich. Vor solchen Sklaven mußte man sich in Acht nehmen, denen konnte man nicht trauen!
    Nun ja, glücklicherweise gehörte keiner der Sklaven mir. Eine Tatsache, die mich ungemein beruhigte und mich von meinen Gedanken wieder in die Realität zurückkehren ließ.
    "Nun, weswegen stört man mich?" fragte ich in die groteske Runde und erhoffte mir auch eine baldige Aufklärung des Ganzen.

    Herrje, jetzt sehe ich gerade, am gleichen Wochenende ist auch Brot und Spiele in Trier! *seufz*


    @ Silko: Hey, das war keine Absicht! :D Ehrlich gesagt, würde es mir nicht anders gehen! ;)

    Unglücklicherweise hatte sich auf der Platte mit den Speisen eine dramatische Leere breitgemacht. Nur noch eine kleine Olive, die im Winter zuvor in Kampanien geerntet worden war, lag noch unschuldig da. Sie lachte mich an und daher konnte ich nicht anders. Ich griff zu und sie verschwand in meinem Mund. Tröstlich war es doch da, dass sich die Getränke noch nicht erschöpft hatten.
    "Ja, spätstens dann! Ich freue mich schon auf die Feierlichkeiten. Es wird sicher ein gelungenes Fest!" Eigentlich wollte ich ihn noch fragen, ob er wohl auch zum Fest geladen worden war, jedoch traute ich mich nicht, da ich ihn nicht kompromittieren wollte, falls dem nicht so war.


    "Ja, ja, vermutlich wird man in Baiae alle Vermissten wieder finden,"pflichtete ich ihm lachend bei.
    Ach ja, der Tag hatte sich doch noch prächtig entwickelt! Zuerst die entspannenden Stunden in den Thermen, dann das kleine Intermezzo mit Ylva, welches nicht so schön war, was allerdings durch den Plausch mit dem netten Aurelier wieder wett gemacht wurde. Apropos Ylva! Wo war sie eigentlich?
    "Hast du zufällig meine Sklavin gesehen?" Ich sah mich nach allen Seite um, konnte sie aber nicht entdecken.