Mein lieber Bruder!
Du ahnst nicht, wie sehr ich mich darüber gefreut habe, Botschaft von dir zu erhalten, und damit die Gewissheit, dass es dir gut geht. Nachrichten brauchen lange von Aegyptus bis Rom, und vom Feldzug dauert es noch länger. Vom Tod des Artoriers habe ich erfahren, der Sklave ist zurück nach Rom geordert worden, zur Familie seines Herrn. Ich mache mir Sorgen um dich, Faustus, und ich bete zu den Göttern, dass sie dich beschützen und heil zurück nach Hause bringen, im Gegensatz zu so vielen anderen. Auch wenn das egoistisch klingen mag, aber was dich betrifft, bin ich tatsächlich egoistisch. Ich möchte dich lebendig hier wiedersehen, versprich mir das.
Danke übrigens für deine Glückwünsche! Ich kann dir gar nicht sagen, wie aufgeregt ich gewesen bin, als ich vor den Senat getreten bin. Und die Acta zu leiten ist eine noch viel größere Herausforderung, als ich mir ursprünglich vorgestellt hatte, da gibt es so viel zu tun, zu prüfen und zu überlegen. Und es ist viel Arbeit. Aber mittlerweile habe ich nun schon einige Zeit das Gefühl, dass ich sozusagen angekommen bin. Es ist immer noch schwierig, abzuwägen, gerade wenn es um unsere Familie geht oder Freunde und Bekannte von uns, aber auch das lässt sich alles regeln. Berichte die uns derart verleumden wie die vergangenen, werde ich natürlich vermeiden, wenn es geht. Allerdings ist das nicht so ganz einfach, da ich manchmal immer noch das Gefühl habe, dass die Decimer wie auf einer Bühne stehen, verstehst du was ich meine? Onkel Livianus ist verurteilt worden, was ich unglaublich finde; bei dieser Sache mit dem Freigelassenen, dessen Adoption er zugelassen hat, mögen die Richter ja noch Recht gehabt haben, aber was ist mit der deinen? Eigentlich hätten sie diese ja nun rückgängig machen müssen, und eigentlich müsste es in Rom äußerst schwierig werden, zukünftig Geschäfte zu machen, wenn Magistraten mit Familienmitgliedern nun keine mehr machen dürfen – was im Grunde doch die Konsequenz aus diesem Urteil sein müsste. Allerdings wissen wir wohl beide, dass etwas anderes hinter dieser Anklage und dem Urteil stecken als die Tatsache, dass Livianus angeblich so falsch gehandelt. Was den Octavius betrifft: bei dieser Verhandlung hat er sich auch nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Allerdings gilt das leider auch für Mattiacus, so leid es mir tut, das schreiben zu müssen. Nun, er hatte auch keinen leichten Stand, muss man dazu sagen, die Sachlage an sich war klar – Livianus hat nun mal gegen geltendes Recht verstoßen, in jedem Fall bei dem Freigelassenen –, und genauso klar war, dass hier eine Verurteilung angestrebt wurde, fand ich. Das wurde spätestens am Tag der Urteilsverkündung deutlich, zu der der Praefectus Urbi im Gerichtssaal aufgetaucht ist, mitsamt der Schlägertruppe, die ihn neuerdings auf Schritt und Tritt umgibt. Ich habe nicht wirklich in Erfahrung bringen können, was den Octavius dazu gebracht hat, Livianus anzuklagen, aber das Auftauchen des Vesculariers spricht eine eindeutige Sprache.
Damit aber leider noch nicht genug: ich habe kürzlich mit Titus Verus gesprochen, dem Onkel von Massa, von dem du mir geschrieben hast. Ich habe ihm die Grüße ausgerichtet, und er hat sich sehr darüber gefreut, auch wenn er offenbar keine Ahnung hatte, dass Massa existiert. Gerufen habe ich ihn allerdings deshalb, weil er mir vor einiger Zeit mitgeteilt hat, dass er sich mit einer gewissen Octavia Varena verlobt habe. Danach habe ich dazu nichts mehr erfahren, aber nach der Verhandlung gegen Livianus habe ich beschlossen, deswegen noch einmal mit Verus zu reden, da es immerhin ihr Verwandter war, der die Anklage führte. Leider ist Verus fest entschlossen, die Octavia zu ehelichen. Er war keiner meiner Argumente zugänglich, und in unserem Gespräch ist deutlich geworden, dass ihm die Octavia – aus Liebe! – wichtiger ist als seine Familie. Ich habe auch Onkel Livianus geschrieben und die Sache geschildert, ich hoffe, er kann womöglich etwas bewegen. Ansonsten müssen wir auf etwas hoffen, was in jedem anderen Fall eine Ungeheuerlichkeit darstellen und ebenfalls ein Grund sein würde, diese Verlobung zu lösen: ein Verwandter der Frau sperrt sich gegen eine Verbindung von ihr mit der Gens Decima. Und noch etwas gibt es, womit Verus unangenehm auffällt, einen weit gewichtigeren Grund: er hat sich unter das Patronat des Vescularius Salinator gestellt. Ich würde dir das nicht schreiben, wenn ich diesen Brief nicht einem Mann mitgeben würde, der ihn dir persönlich überreichen wird – mir gefällt diese Sache nicht. Ich traue dem Vescularier nicht, und ich finde es unerhört, dass Verus ausgerechnet des Mannes Klient wurde, der nach allem, was ich weiß, hinter Livianus' Verurteilung steckt.
Und wo wir gerade bei den Dingen sind, die mir Sorge bereiten: Onkel Livianus hat mir geschrieben, dass offenbar eine eheliche Verbindung zu den Iuliern ins Haus steht. Ich hoffe doch ich liege richtig, wenn ich sage, dass er damit sich selbst meint und nicht etwa dich, für den er eine Heirat arrangiert, oder? Und was hältst du davon? Ich bin mir nicht sicher, wo die Iulier stehen, einmal davon abgesehen, dass eine Verbindung zu dieser Gens weder dir noch Onkel Livianus gerecht werden würde.
Nun aber zu fröhlicheren Nachrichten. Habe ich dir eigentlich schon gesagt, wie dankbar ich bin, dass du Ausschau hältst nach einem geeigneten Mann für mich? Das bin ich wirklich. Und ich war auch fest entschlossen, diesmal dir die Sache zu überlassen, nachdem meine letzte Auswahl einfach nur als misslungen bezeichnet werden kann. Allerdings ist nun ein Mann mit einem Antrag an mich herangetreten, und ich möchte wissen, was du davon hältst. Ich weiß, du hast Octavius Dragonum für mich im Auge, und ich glaube dir wenn du sagst, dass er nichts dem zu tun hat, was sein Verwandter angestellt hat. Aber ich halte eine Verbindung von uns zu den Octaviern derzeit wirklich für schwierig, und so... nun ja, ich bitte dich einfach darum, den Antrag zu prüfen, der mir gemacht wurde. Es handelt sich um Quintilius Sermo – nach dem was er mir sagte, müsstest du ihn bereits einmal kennen gelernt haben. Ich war in Ostia und habe mit ihm gesprochen, als er dort noch Duumvir war, ich habe dort für die Acta etwas recherchiert. Einige Wochen später dann hat er mir den Antrag gemacht. Ich habe mir einige Tage Zeit gelassen zu überlegen und bin dann zu dem Entschluss gekommen, dass ich ihn annehmen würde, sofern du und Onkel Livianus keine Einwände dagegen habt. Die Gens Quintilia hat zwar nicht so herausragende Männer in ihren Reihen wie die Decima, aber, seien wir ehrlich: ich bin in einem Alter, in dem ich nicht mehr allzu viele Ansprüche stellen darf. Und Quintilius Sermo wirkt ehrgeizig und vernünftig genug, um noch einiges zu erreichen, wobei ich ihn natürlich nach Kräften unterstützen würde. Er wird in wenigen Tagen nach Germanien reisen und dort einen Posten im Gefolge des neuen LAPP antreten; wenn er dort ist, wird er mit Livianus sprechen, der ebenso wie du einen Brief von mir erhält. Sofern Onkel Livianus nun keine Einwände hat, wird der Quintilius mit dir Kontakt aufnehmen. Wie ich bereits geschrieben habe, stehe ich seinem Antrag positiv gegenüber, aber er weiß, dass er dich wird überzeugen müssen von sich. Schreib mir nur bitte bald, was du davon hältst. Ich wäre wirklich froh, wenn ich das so bald wie möglich hinter mich bringen könnte. Ich habe dem Quintilius auch bereits gesagt, dass es für mich nicht in Frage kommt, die Verlobung in die Länge zu ziehen. Sollten wir uns tatsächlich einig werden, dann wird es eine Verlobung dennoch erst dann geben, wenn der Hochzeitstermin bereits feststeht und bald folgt. Noch einmal werde ich nicht das Risiko eingehen, mich derart lächerlich zu machen.
Und was ist nun mit dir und Celeste? Ich fürchte irgendwann wirst du sie heiraten müssen, oder die Sache mit dem Feigenblatt wird nicht mehr funktionieren. Oder soll ich mich vielleicht nach einer anderen Frau umsehen, die du tatsächlich ehelichen könntest – zur Tarnung? Tante Lucilla wird kaum locker lassen, glaube ich. Aber immerhin ist sie nach wie vor in Gallien, und wie sie mir geschrieben hat, ist sie wieder schwanger. Vielleicht hast du ja Glück, und ein zweites Kind führt dazu, dass sie dich für einige Zeit in Ruhe lässt. Wenn es nicht eine so dringende gesellschaftliche Konvention wäre, ich glaube ich würde auch ganz einfach darauf verzichten zu heiraten. Ich habe von diesem ganzen Hin und Her offen gestanden die Nase voll. Aber als Frau kann ich leider noch weniger unverheiratet bleiben wie du als Mann und mehr noch als Soldat. Wenn es aber etwas gibt, was du brauchst oder möchtest: sag einfach Bescheid, und ich werde tun was ich kann. Und ich wünsche mir so sehr für dich, dass dein Meditrinalienfreund dich glücklich macht.
Deine
[Blockierte Grafik: http://img77.imageshack.us/img77/1586/seianaunterschrift2aj2.png]