Beiträge von Bashir

    Es funktionierte besser, als Bashir erwartet hatte. Doch ganz konnte Hektor natürlich seiner angeborenen Gefräßigkeit nicht widerstehen. Rusticus schien es erstaunlich gelassen zu nehmen, daß er nicht vollständig die Kontrolle über sein Reittier hatte. Was Bashir doch ziemlich erleichterte, er hatte schon halb mit einem Donnerwetter gerechnet.


    Sie machten ganz gut Tempo und es war Bashir vergönnt, hin und wieder einen Schluck zu trinken. Rast machten sie auch in erfreulicher Regelmäßigkeit. Ganz so übel schien Rusticus also doch nicht zu sein. Bashir redete und redete. Nachdem er von der Schlacht berichtet hatte, kam seine Verwundung dran. "Ich wurrde bewußtlos, was vielleicht eine Gnade warr. Als ich aufwachte, warr ich gefangen. Meine Wunde warr verrsorrgt worrden, aberr die Schmerrzen in meinem Bein warren höllisch." Er war nicht der einzige verwundete Gefangene. Und er mußte mit ansehen, wie immer wieder gute Männer starben, weil sie nicht gut genug gepflegt werden konnten. Die Reise nach Rom kostete wieder einige Leben. Es war mehr ein Wunder, daß Bashir überlebte. "Von Rom hatte ich nicht mehr gesehen als die Straße zum Sklavenmarkt und den Markt selbst. Drei Tage lang versuchte der Händler, mich zu verkaufen. Dann verkaufte er den kläglichen Rest - und dazu gehörte ich - für wenig Geld an einen Händler, der in Germanien sein Glück versuchen wollte. Ich erinnerre mich mit Grrauen an die Rreise dorrthin. Es ging mirr nicht gut, mein Bein schmerrzte furrchtbarr. Trrotzdem mußte ich laufen. Mehrr als einmal dachte ich, das ist das Ende. Aberr immerr ging es doch irrgendwie weiterr." Aber auch in Germanien wollte ihn zunächst niemand kaufen. Erst eine junge Frau zeigte Interesse an ihm, weil er nicht viel kostete. "Sie warr nicht rreich, aberr sehrr frreundlich. Ich warr ihrr einzigerr Sklave und sie warr gut zu mirr. Sie ließ sogarr einen Medicus kommen wegen meines Beines. Leiderr mußte sie mich dann doch wiederr verrkaufen. Sie wollte aberr, daß ich in gute Hände komme, daherr ging sie nicht einfach mit mirr zum Marrkt. Dein Vaterr hörrte davon, daß ich zu verrkaufen warr und sprrach mit meinerr Herrrin. So wechselte ich also wiederr den Besitzerr. Ich diene Deinem Vaterr gerrne. Wirr Sklaven werrden gut verrsorrgt und err forrderrt nichts unmögliches."

    Während Rusticus sich verwöhnen ließ, schleppte Bashir das Gepäck herein, dann machte er sich auf den Weg, die Pferde zu versorgen, was eine ganze Zeit brauchte. Danach endlich konnte er daran denken, sich zu säubern, eine frische Tunika anzuziehen und sich in der Küche etwas zu essen geben zu lassen. Kaum hatte er aufgegessen, klang schon ein lauter Ruf durch das Haus. Anscheinend war der Herr heimgekommen. Und er hörte sich nicht sehr amüsiert an. Erschrocken sprang Bashir auf und eilte ins Atrium zu seinem Herrn.


    "Salve, Herrr. Du hast mich gerrufen?" Er konnte sich wirklich nicht vorstellen, was seinen Herrn veranlaßte, so laut herumzubrüllen. Immerhin war er extrem schnell gewesen mit seinem Auftrag. Vor allem unter der Voraussetzung, daß er sich eigentlich hatte Zeit nehmen dürfen.

    Bashir nickte zustimmend. "Ja, ich habe Glück gehabt. Wir bekommen, was vom Tisch des Herrn übrig bleibt. Oder eben einen Eintopf. Morgens gibt es auch Pampe, eben Getreidebrei. Aber immer auch Obst und Gemüse. Unser Herr will ja, daß wir gesund bleiben. Das ist sehr dumm von Deiner Herrschaft, euch nicht ordentlich zu ernähren. Sklaven sind doch schließlich wertvoll. Du warst doch sicher sehr teuer?" Ein Adliger, noch dazu jung und gesund! "Bei meiner vorherigen Herrin war ich der einzige Sklave. Sie war auch nicht sehr anspruchsvoll und half oft mit. Sie war wirklich sehr lieb. Aber sie konnte es sich leider nicht leisten, mich weiter zu behalten. Bei ihr mußte ich eben auch kochen und habe auch oft Kaninchen gefangen, um den Speiseplan aufzubessern. Mit der Zeit war mein Essen sogar wohlschmeckend." Er war nicht wenig stolz darauf, daß er das gelernt hatte. Sicher war er kein Koch, wie eine vornehme Familie ihn erwarten würde. Aber normale Gerichte konnte er zubereiten.


    "Ein Schlammloch im Keller, nur um Sklaven zu bestrafen? Was für eine Grausamkeit! Was sind das für Ungeheuer, bei denen Du da leben mußt?" Entsetzen war seiner Stimme zu entnehmen und wieder pries er das Glück, zuerst zu Valentina und dann zu Raetinus gekommen zu sein, die beides gute Herren waren. Nicht mal die Peitsche hatte er zu spüren bekommen bisher.


    "Ich war berittener Bogenschütze. Mit den anderen Waffen war ich nicht gut." Er wurde rot, als er dies zugab. Er war wirklich nicht der beste Soldat gewesen. "Meinst Du wirklich, man hat eine wertvolle Rüstung einfach so zurückgelassen? Kommen nicht normal immer Plünderer zu einem Schlachtfeld? Und auch die Überlebenden schauen doch nach, wenn der Feind erstmal abgezogen ist. Wenn Deine Sachen irgendwie gekennzeichnet waren, wer weiß?" Irgendwie wünschte er sich, Phraates Hoffnung zu machen. "Ich möchte nicht zurück. Meine Familie würde mich verachten. Und sonst habe ich niemanden."

    Bashir betrachtete die kleine Aktion mit traurigem Blick. Hektor war ein ausgezeichnetes Pferd. Und man konnte förmlich sehen, wie das arme Tier immer mehr verwirrte. Bashir gab seinem Pferd zu verstehen, daß es etwas schneller gehen sollte, so daß er ein klein wenig vor Rusticus ritt. Dann ließ er einen leisen Pfiff hören, mit dem er Hektor immer von der Weide rief. Mit etwas Glück würde er es als Aufforderung betrachten sich einfach an Bashir zu halten. Ob das funktionierte, stand in den Sternen, so hatte er das mit Hektor nie trainiert.


    "Bitte verrzeih, daß ich Dich falsch verrstanden hatte", sagte Bashir etwas zerknirscht, als er begriff, daß der junge Herr die sehr ausführliche Version wollte. Wohl, damit die Reise etwas interessanter wurde. Für ihn zumindest. Und Bashir mußte sich dafür die Kehle heiser reden. Na, dann viel Vergnügen. Nach einem innerlichen Seufzer fing Bashir also an zu berichten. Komplett. Er begann bei seiner Kindheit in dem kleinen Dorf am Tigris, damit, daß sein Vater seinen Lebensweg vorherbestimmte, obwohl er selbst lieber Pferde gezüchtet hätte. Von seinem Leben als Soldat, von seinen Waffenkenntnissen, von denen nur Bogenschießen wirklich gut war. Und natürlich von der Schlacht, die seine erste und seine letzte gewesen war. Die Erinnerung daran hatte sich tief in sein Gedächtnis gebrannt. Und ihm abermals klargemacht, wie wenig er eigentlich Soldat sein wollte.

    Müde und verstaubt langten sie beim Domus an. Bashir klopfte, damit der Ianitor schon mal öffnete. Dann kamen auch sofort zwei weitere Sklaven, um zu helfen. Einer brachte dem jungen Herrn eine Schale mit warmem Wasser und ein Handtuch, ein anderer eilte herbei, um ihm seine Schuhe auszuziehen und gegebenenfalls den Mantel abzunehmen. "Da sind wir", erklärte er Rusticus überflüssigerweise. Er begann sogleich, das Gepäck abzuladen, denn er wollte möglichst bald die Pferde versorgen.

    Na, das war ja einfach. Bashir staunte zwar, ließ sich davon aber möglichst wenig anmerken. "Hab Dank, Miles", sagte er höflich und so betraten sie die Castra. Er ging voran, denn er ging natürlich davon aus, daß der junge Herr noch nie in einem Mlitärlager gewesen war und sich somit nicht auskannte. "Möchtest Du zuerrst zum Domus, um das Gepäck loszuwerrden, oderr zur Prrincipia, wo sich Dein Vaterr sicherr zurr Zeit in seinem Officium befindet?", fragte er Rusticus.

    Das schlimmste für Bashir war ja, daß Rusticus darauf bestanden hatte, Hektor zu reiten. Sicher war es auch angemessen, daß der junge Herr das bessere Pferd ritt. Aber... der arme Hektor hatte es mit seinem Reiter nicht ganz leicht. Mehr als einmal mußte sich Bashir auf die Lippe beißen, um nicht doch etwas zu sagen, wenn Rusticus aus Versehen dem Pferd ein Signal gab und sich dann wunderte, wenn es Dinge tat, die es nicht tun sollte.


    Und nun auch noch diese Frage. Woher kommst Du? Diese Frage konnte er natürlich einfach mit dem Namen seines Heimatdorfes beantworten, doch das würde Rusticus sicher als Beleidigung auffassen. "Ich stamme aus Parrthien, Herrr. Aus derr Nähe von Assurr am Tigrris. Ich kämpfte als Soldat bei der Schlacht um Edessa. Dorrt wurrde ich verrwundet und gerriet in Gefangenschaft." Er wußte ja nicht, wie genau Rusticus es wissen wollte und hielt sich daher eher kurz. Daß sein Begleiter unterhalten werden wollte, ahnte er ja nicht.

    Bashir zuckte mit den Schultern. "Das Essen, das ich bekomme, ist eigentlich ganz in Ordnung. Ich habe sogar inzwischen selbst ein wenig kochen gelernt. Wenn man es vermeiden kann, daß sie zuviel von dieser Fischsauce an das Essen geben, dann ist es gar nicht so übel. Und sie haben sehr gutes Obst. Hier in Italia viel mehr und besser als in Germanien." Das Essen war wirklich das letzte, an dem Bashir sich störte. "Wenn ich ehrlich bin, war das Essen während meiner Zeit als parthischer Soldat viel schlechter." Aber etwas anderes nahm seine Aufmerksamkeit in Anspruch. "Was meinst Du mit die Aussicht des Loches? Was für ein Loch?" Er klang ein wenig beklommen, denn schon wie Phraates es aussprach, mußte es etwas schreckliches sein. Etwas, was Sklaven offenbar bevorstand, wenn sie Fehler machten. Bisher hatte er gedacht, daß dann die Peitsche die Folge war.


    "Nein, ich war nie im Zagros-Gebirge. Ich bin nie über mein Dorf oder Edessa hinausgekommen." Sie waren einfache Leute gewesen, so weite Reisen, das war doch nichts für sie, hatten seine Eltern stets gesagt. "Die Bäume hier sind nichts gegen die in Germanien. Und Wälder gibt es hier auch kaum und nicht so dunkel und dicht. Wenn Du mal die Gelegenheit bekommst, dorthin zu gelangen: Es ist ein erstaunliches Land. Und seine Bewohner.. sie sind Barbaren, wie die Römer auch sagen. Aber sie sind auch merkwürdig gerade heraus und sehr willensstark." Bashir war gut mit den Germanen zurecht gekommen. Also mit den wenigen, die er hatte kennenlernen dürfen.


    "Als Sklave hättest Du Deine Rüstung doch sowieso nicht behalten dürfen. Weißt Du sicher, daß die Römer sie haben? Vielleicht konnte ja ein Teil gerettet und an Deine Famile zurückerstattet werden? Glaubst Du, daß Du wieder frei sein wirst? Und zurückkehren kannst?" Selbst wenn Bashir irgendwie die Freiheit erlangen könnte, sein Vater würde ihn bestimmt nicht zurück haben wollen mit dem lahmen Bein. Und mit der Schande, als Sklave gelebt zu haben.

    Endlich erreichten sie die Porta Praetoria und merkwürdigerweise wandte sich die Wache sogleich an Bashir. Auch der Sklave erkannte den Soldaten wieder, der auch neulich Wache gehabt hatte, als sie aus Germanien eingetroffen waren. "Salve, Miles", grüßte er respektvoll und freute sich darüber, daß der Mann sich sogar an seinen Namen erinnerte. "Ich bin von meinem Auftrrag fürr meinen Herrrn zurrück. Dies ist sein Sohn Mamerrcus Arrtorrius Rrusticus und er wünscht, mit seinem Vaterr zu sprrechen." Es war vermutlich auch irgendwie angemessen, daß er für den jungen Herrn um Einlaß bat. Auch wenn es sich für Bashir merkwürdig anfühlte, es zu tun.

    Die Rückreise leiß sich viel weniger schön an als die Hinreise. Rusticus schien nicht gerade einer der gesprächigsten und so schwieg auch Bashir erst einmal. Es machte gar nicht mehr so viel Freude, die Gegend zu betrachten. Auch konnte er sich nun nicht mehr selbst die Pausen einteilen oder das Tempo bestimmen. In allem mußte er sich an seinen Begleiter halten. Er seufzte innerlich. Das war wohl einfach das Schicksal eines Sklaven. Daß die Momente der Freiheit noch kürzer waren, als man vorher gehofft hatte. Sie hatten Rom nun hinter sich gelassen und folgten der Straße, über die Bashir gestern erst gekommen war. Das würde bestimmt eine gefühlt ewig lange Reise werden, wenn es so still zwischen ihnen blieb, wie es im Moment war.





    Edit nach Rücksprache mit dem Mitreisenden

    Von seiner erstaunlichen Begegnung in der Stadt erzählte Bashir natürlich nichts. Er sorgte dafür, daß er pünktlich fertig war und daß auch genügend Proviant für ihn und den jungen Herrn eingepackt wurde. Wie gut, daß er nur so wenig Geld ausgegeben hatte, so reichte es nun vielleicht sogar, um dem jungen Herrn unterwegs einfache Zimmer zu bezahlen. Bashir seufzte. Schade, damit war es nichts mit: den Rest vielleicht behalten dürfen.


    Die Abreise war sehr unspektakulär, der junge Herr schien es sehr eilig zu haben. Und hielt es nicht für nötig, dem Sklaven eine Erklärung darüber abzugeben, was er eigentlich in Mantua wollte.

    Wir??? Bashir starrte dem jungen Herrn ungläubig hinterher, als dieser sich zurückzog. Rusticus hatte sein Cubiculum schon fast erreicht, als Bashir noch ein schnelles "Ja, Dominus. Natürrlich", hinterherschickte. Nun stürzte er den verdünnten Wein in einem Zug herunter. Nicht nur, daß er sehr durstig war, er brauchte jetzt auch etwas zur Beruhigung. Wir! Der wollte mit! Wieso wollte der denn mit? Das konnte doch wohl nicht wahr sein! Da hatte er einmal ein wenig Zeit für sich und schon war es wieder aus damit. Na, wenn er schon zur Mittagszeit wieder reisefertig sein mußte, dann würde er eben jetzt noch in die Stadt gehen. Er ließ sich zeigen, wo er sich waschen konnte und wo seine Schlafstelle war, dann verließ er das Haus, um sich wenigstens das Forum Romanum anzuschauen.

    "Ja, deswegen", gab Bashir noch immer etwas verlegen zu. Flavia Celerina kannte er natürlich nicht, was er mit eniem leichten Kopfschütteln auch zu verstehen gab. Aber er hörte sehr fasziniert zu, was Phraates da alles erlaubt wurde. Dem ging es anscheinend nicht schlecht. "Ich hatte meine Kleidung nicht mehr, als ich hierher kam. Ich glaube, meine vorherige Herrin und auch mein jetziger Herr hätten es durchaus erlaubt, wenn ich einfache Kleidung aus unserer Heimat tragen wollte. Aber ich besitze derartiges leider nicht. Du hast viel Glück gehabt, wenn Deine Herrin Dir so etwas erlaubt." Vielen Römern wäre es ein besonderes Vergnügen, den Besiegten deutlich zu zeigen, daß sie besiegt waren. Auch wenn es in Wirklichkeit noch gar kein Sieg gewesen war. Sie waren ja wegen ihres toten Kaisers abgezogen. Ob sie gesiegt hätten, wenn sie weitergemacht hätte, das fand Bashir als braver Patriot ziemlich zweifelhaft.


    "Ich stamme aus der Nähe von Assur. Und bei uns waren die Landadeligen ziemlich mächtig. Zumindest aus der Sicht einfacher Leute. Gefangen genommen wurde ich in der Schlacht um Edessa. Ich erinnere mich kaum. Da war der heftige Schmerz, ich stürzte und alles wurde dunkel um mich. Als ich erwachte, war meine Wunde notdürftig versorgt und war mit anderen Gefangenen eingepfercht... Sie schafften mich hierher nach Rom, aber niemand wollte mich kaufen, weil es mir schlecht ging und mein Bein noch sehr schlimm aussah. Ein Händler kaufte mich für einen geringen Preis und nahm mich mit nach Germanien. Die Reise war sehr hart, aber ich überlebte irgendwie. Warst Du schon mal in Germanien? Es war kalt dort. Und es fielen eisige Flocken vom Himmel, bis alles Land mit einer dicken weißen Schicht gedeckt war. Sie nannten das Schnee. Es war naß und kalt. Aber das ist es nur im Winter. Im Sommer ist dort alles grün und fruchtbar. Riesige Bäume wachsen dort in dichten Wäldern. Das ist wieder sehr schön." Er brach ab und biß sich auf die Unterlippe. "Bitte verzeih, ich bin ins schwafeln geraten. Das wird Dich gar nicht interessieren."

    Der kurze Bericht schien Rusticus trotzdem nachdenklich zu machen. Bashir fragte sich, was hinter dieser Stirn wohl vorgehen mochte. Doch natürlich war es ihm nicht möglich, es zu erraten. Die Frage nun wieder fühlte sich fast wie eine Fangfrage an. Vor allem, wenn sie gepaart war mit einem derart durchdringenden Blick. Bashir zog unwillkürlich den Kopf ein wenig ein. "Dein Vaterr errlaubte mirr, mirr Rrom ein wenig anzusehen. Ich hatte vorr, einen Tag hierr zu verrbrringen und mich dann wiederr auf den Rrückweg zu machen. Wenn Dirr das Rrecht ist, Herrr?" Immerhin war er auf die Gnade des jungen Herrn angewiesen, um hier übernachten zu können und etwas zu essen zu bekommen. Davon, daß Rusticus plante, mit nach Mantua zu kommen, ahnte er ja nichts. Er ging immer noch davon aus, daß er einen gemütlichen Ritt voller Freiheit vor sich hatte.

    Ein kleines bißchen fühlte sich Bashir ja überfordert von den Fragen. Offenbar wollte Rusticus mehr darüber wissen, wie sein Vater und Bruder miteinander auskamen. Doch natürlich würden diese beiden niemals vor den Sklaven streiten. Falls sie denn überhaupt gestritten hatten. Dankbar nahm Bashir den Becher entgegen, doch auch wenn seine Kehle staubtrocken war, wagte er es nicht, vor dem Herrn zu trinken.


    "Herrr, es geht beiden gut. Mein Herrr, Dein Vaterr, warr ein wenig ungehalten, daß Dein Brruder nicht vorrherr mit ihm überr seine Pläne gesprrochen hatte." Sie wurden unterbrochen, als der Ianitor Rusticus etwas zuraunte. Offenbar ging es um das Pferd. Hoffentlich war es ein guter Mietstall. Bashir seufzte innerlich, es wäre besser gewesen, wenn er sich selbst darum hätte kümmern können. Was natürlich schlecht möglich war, wenn er hier dem jungen Herrn Rede und Antwort stehen mußte.


    Wiederholen? Bashir atmete tief durch. Irgendwie war dieser Sohn schwieriger als sein Vater. "Bitte verrzeih, Herrr. Ich sagte, daß Dein Vaterr errst etwas ungehalten warr, daß Dein Brruder nicht vorrherr mit ihm überr seine Pläne gesprrochen hatte. Aberr eigentlich frreut er sich darrüber, daß err nun auch Soldat ist. Mehrr weiß ich darrüber leiderr nicht, Herrr. Es ist nicht meine Arrt, die Herrrschaft zu belauschen." Verlegen blickte er auf den immer noch vollen Becher.

    Die Flammen waren besiegt und der Fremde ziemlich außer Atem. Naja, das war kein Wunder. Immerhin wäre ihm fast die ganze Haarpracht abgefackelt. Bashir schaute noch einmal genau hin. Aber tatsächlich schienen die Haare nichts abbekommen zu haben. Ein Glückspilz, wie es schien. "Das... war doch selbstverständlich. Jeder hätte das getan, ich habe es nur zufällig als erster gesehen. Vielleicht... weil ich Dich ohnehin neugierig angestarrt habe." Er blickte ein wenig verlegen drein, denn sicher war es dem edlen Herrn lästig, so angestarrt zu werden.


    Doch als er sich vorstellte, war es wieder an Bashir, vor Staunen den Mund nicht mehr zu zu bekommen. Und so dauerte es einen Moment, bis er wieder sprechen konnte. "Es ist mir eine Ehre, edler Phraates." Römischer Sklave! Ein Mann wie er! Und er nannte ihn Bruder! Trotzdem verneigte sich Bashir voller Respekt. "Mein Name ist Bashir. Sohn des Barak. Wie mein Vater war ich einfacher Soldat. Und nun bin ich römischer Sklave. Wie... wie ist das möglich? Ein Mann wie Du? Und dann... darfst Du in solch edler Kleidung durch die Stadt gehen? Bist Du mehr Geisel als Sklave?" Er mußte sich auf die Lippen beißen, sonst wären ihm wohl noch mehr derartig unangemessene Fragen entschlüpft.

    "Ich", begann Bashir in der Sprache seiner Heimat, doch da er zunächst auf Latein beschimpft wurde, wechselte er in diese Sprache. Er wußte ja nicht genau, mit wem er es zu tun hatte. "Ich wollte doch nurr... das Feuerr..." Aber es erübrigte sich, eine weitere Erklärung abzugeben, denn der Fremde trampelte nun nicht weniger auf dem Turban herum wie er selbst. Die Flammen waren aber auch hartnäckig!


    Der nächste Fluchregen erfolgte dann auf parthisch. Und ganz unfein sogar. Bashir blickte den Mann ungläubig an. Da er kein Adliger war, wußte er ja nicht, daß für brennende Kopfbedeckungen andere Regeln galten, was die Verpflichtungen des Adels anging. Auf jeden Fall war die Beinarbeit bewundernswert. Da konnte Bashir mit seinem kaputten Knie nicht mithalten und versuchte es auch gar nicht erst. Das bisherige Herumtrampeln hatte schon genug unangenehme Folgen. Außerdem hatte der Fremde die Sache nun gut im Griff. "Es tut mir leid um Deinen Turban. Aber so schnell ist mir nichts besseres eingefallen, Herr", versuchte Bashir, sich auf parthisch zu entschuldigen für seine überaus grobe Vorgehensweise.

    Besonders wortreich war der Sohn seines Herrn ja nicht, stellte Bashir erst einmal fest. Gehorsam setzte er sich, auch wenn er sich ein wenig merkwürdig vorkam. Er war durstig, doch hätte er sich eher die Zunge abgebissen, als um etwas zu bitten. Er war nur ein Sklave und als solcher kamen eben die Herrschaften zuerst, komme was wolle. Irgendwann würde er es schon lernen.


    "Was möchtest Du hörren? Ich glaube, mein Herrr hat nicht gewußt, daß Du hierr bist, sonst hätte err mirr bestimmt noch eine Nachrricht fürr Dich mitgegeben. Vielleicht ist auch eine Nachrricht in dem Päckchen? Auf jeden Fall sind wirr gut aus Gerrmanien angekommen. Die Rreise warr rruhig, wirr hatten Glück mit dem Wetterr in den Berrgen. Dein Brruder ist inzwischen derr Legio beigetrreten oderr weißt Du das vielleicht schon? Dominus... bitte verrzeih, wenn ich ungeduldig und anmaßend bin. Aberr ... hat sich inzwischen jemand um Hektorr gekümmerrt? Err ist das Pferrd Deines Vaterrs und err errwarrtet es gesund und gut verrsorrgt zurrück." Sein Blick richtete sich verlegen auf seine Hände. Es war kein gutes Benehmen, das er da an den Tag legte. Aber zwei Pflichten zugleich, wer konnte das schon bewältigen?

    "Ja, natürrlich", erwiderte Bashir schicksalsergeben. Warten konnte er gut. Wie oft hatte er schon warten müssen und nicht gewußt, was ihn dann erwartete? Dagegen war dies hier doch das reinste Vergnügen. Zumal er Gelegenheit hatte, sich die Bildnisse der Ahnen der Artorier anzuschauen.


    Dieser Rusticus erschien viel zu schnell für seinen Geschmack. Er hatte noch gar nicht alles gesehen. Aber natürlich ging er gleich auf ihn zu und neigte respektvoll sein Haupt. "Salve, Dominus", grüßte er den Sohn seines Herrn. "Mein Herrr, Trribun Serrvius Arrtorrius Rraetinus schickt mich, um seinerr Familie dies hierr zu überrgeben." Er hielt dem jungen Mann ein Päckchen entgegen, nicht ahnen, was es enthalten mochte. Auf jeden Fall war es heile, denn er hatte es so sorgfältig verwahrt, daß ihm nicht geschehen sein konnte.

    Na also. Die Tür ging doch noch ganz auf. "Hab Dank", sagte Bashir und folgte dem Ianitor ins Innere des Hauses. Natürlich schaute er sich dabei neugierig um. Schließlich war er noch nie hier gewesen. Und natürlich war er gespannt auf diesen Mamercus. Ob er seinem Vater irgendwie ähnlich war?