Mit dem Paket mit der Kleidung unter dem Arm folgte Bashir ihr durch das Haus. Es war nicht riesig, aber doch auch irgendwie zu groß für nur eine Person. Hier war Platz für eine ganze Familie. Eine hübsche junge Frau wie sie war ganz allein? Warum hatte sie keinen Mann? Sie war zwar noch jung, doch in seiner Heimat wäre sie schon lange verheiratet und hätte sicher auch schon Kinder. Lag es daran, daß ihre Eltern offenbar nicht mehr lebten und sie nicht viel Geld hatte? Eine fehlende Mitgift konnte schon ein Hindernis sein, so kannte er es von Zuhause.
Ihre Familie schien nur aus dem Bruder zu bestehen, den sie nun schon einige Male erwähnt hatte. Ein Soldat. Ob er in Parthien kämpfte? Wie würde er wohl reagieren, wenn er hörte, daß seine Schwester ausgerechnet einen Parther gekauft hatte? Sicher war er nicht begeistert. Als Soldat konnte der Bruder natürlich nicht hier sein und sie beschützen, das war klar. Bashir nickte verstehend, als sie ihn anblickte und mußte sich schwer zusammenreißen, nicht wieder zu Boden zu sehen. "Ich werrde Dich beschützen, ich kann gut kämpfen." Naja, mittelmäßig. Doch für hier würde es sicher reichen. Bestimmt würde kein Elitekämpfer versuchen, Valentina etwas anzutun.
Nur ein alter Mann wohnte noch hier. Und eine Frau kam hin und wieder, um ihr im Haushalt zu helfen. Ansonsten machte sie alles allein? Sie hatte wirklich dringend jemanden gebraucht, wenn das so war. Na, jetzt hatte sie ja jemanden. Sie war unerwartet freundlich zu ihm, das hatte er nicht erwartet, nachdem sie auf dem Markt so barsch gewesen war. Doch das war sie anscheinend nur wegen des Händlers gewesen und das war bestimmt auch gut so gewesen.
Als sie in ein geräumiges Zimmer traten und sie erklärte, daß dies sein Zimmer sein sollte, blieb ihm vor Staunen der Mund offen stehen. So ein geräumiges Zimmer hatte er nicht mal zuhause gehabt. Und er war eingerichtet wie für einen geehrten Gast. Ein ausgesprochen bequem ausehendes Schlaflager, mehrere Truhen, ein Tisch und zwei gemütlich wirkende Sessel. Auf einem Waschtisch an einer Wand standen schon ein Krug Wasser, eine Schüssel und auch ein Handtuch bereit. Schwere Vorhänge vor den mit Fensterläden verschließbaren Fenstern verhinderten ein Eindringen der Kälte. Ein so gemütliches Zimmer sollte er bewohnen? Er, ein Sklave? Er war nicht fähig, dazu etwas zu sagen. Sprachlos und mit staunendem Blick versuchte er ihre Worte zu erfassen und darauf zu achten, was sie tat.
Sie öffnete kurz die Vorhänge und die Läden, um ihm den Ausblick in den verschneiten Innenhof zu zeigen. Er konnte sich im Moment nicht vorstellen, daß hier je Rosen wachsen würden, doch wenn sie es sagte, würde es gewiß so sein.
"Ja, ich... aber... ich kannn doch auch... Du mußt nicht... Was... ähm.... Danke!" Doch die Tür war schon zu und er allein. Das Paket mit der Kleidung ließ er nun einfach auf den Tisch fallen und blickte sich nochmals in dem Raum um. Es war unglaublich! Das mußte er erst einmal begreifen, was hier mit ihm geschah.
Zögernd begann er, die alte Kleidung auzuziehen. Nicht nur, daß sie vor Dreck starrte, sondern sie war auch teilweise beschädigt und schon unzählige Male geflickt. Vor allen Dingen stank sie und Bashir war froh, sie erstmal vom Leib zu bekommen, obwohl er natürlich gleich wieder fror, als er unbekleidet dastand. Doch da mußte er jetzt durch. Er wollte sich unbedingt waschen, denn er mochte sich selbst schon nicht mehr riechen.
Neben der Waschschüssel stand ein Tiegel mit einer breiigen Masse, die ihm unbekannt war. Da sie hier stand, war sie wohl für die Reinigung gedacht. Eine Art Öl zum einreiben? Aber wo war dann der Schaber? Er sah keinen. Ach, das würde er schon runterkriegen. Erstmal an einer kleinen Stelle versuchen. Bashir versuchte es an seiner Hand. Trug ein wenig von der schmierigen Masse auf. Doch das fühlte sich irgendwie eigenartig an. Es roch zwar gut, doch es war so ein komischer Film auf der Haut, gar nicht wie Öl. Hoffentlich ließ es sich wieder abwaschen. Aus dem Krug goß er etwas Wasser über die Hand und versuchte, das Zeug abzureiben. Und hielt staunend inne. Das war ja eigenartig. Schaum! Und der verteilte sich noch weiter. Mit mehr Wasser wurden die Blasen erst immer größer, dann konnte man es aber gut abwaschen. Und... die Hand war sauber! Und wie sauber! Er schnupperte an seiner Hand und lächelte überrascht. Ja, so wollte er überall riechen! Von Kopf bis Fuß wusch er sich mit dieser Masse. Auch die Haare, die davon eigenartig seidig und leicht wurden. Was für ein gutes Gefühl!
Nachdem er sich gründlich abgetrocknet hatte, zog er die neue Kleidung an. Er fühlte sich gleich wie ein anderer Mensch! Hinlegen kam natürlich für ihn nicht in Frage. Zwar war er sehr müde, aber er konnte doch nicht zulassen, daß Valentina allein in der Küche für sie beide werkelte. Schlafen konnte er später immer noch. Doch mit seinem Bein mußte er etwas tun. Es fühlte sich heiß an und pochte mit meiner Hartnäckigkeit, die wirklich lästig war. Die dicke, knotige Narbe war tiefrot und es tat weh, wenn er sie berührte. Seufzend wickelte er sich das ohnehin feuchte Handtuch um das Knie. Die Kühlung brachte auch sofort eine gewisse Linderung.
Aufatmend packte Bashir seine schmutzige Kleidung zusammen. Bestimmt gab es einen Ort, wo er sie hinlegen konnte, bis er Zeit und Gelegenheit fand, sie zu waschen. Vielleicht wurde die mit diesem Zeug ja auch nochmal richtig sauber?
So bepackt verließ er das Zimmer, allerdings nicht ohne nochmal einen ungläubigen Blick in den Raum zu werfen. Hier sollte er wohnen! Unglaublich! Dann machte er sich auf die Suche nach der Küche.
Und die war nach der Beschreibung von Valentina nicht schwer zu finden. "Domina, wo soll ich die schmutzigen Sachen hinlegen? Wo wirrd gewaschen? Darrf ich das Waschen auf morrgen verrschieben?", fragte er ein wenig befangen und merkte gar nicht, daß ihm das böse Wort wieder herausgerutscht war.