Beiträge von Bashir

    Mit ungläubigem Blick sah Bashir auf, als Valentina ihm ihren Teller auch noch zuschob. Er errötete etwas und nach kurzem, unsicheren Zögern, begann er auch die andere Hälfte des Huhns zu verspeisen. Als sie ihn dann anfuhr, weil er schon wieder domina zu ihr gesagt hatte, zuckte er sichtlich zusammen. "Bitte verrzeih mirr, d... Va... Valentina", sagte er schnell und schaute zerknirscht drein. Das würde noch ein hartes Stück Arbeit, bis er das gelernt hatte. Der Apfel mochte verschrumpelt aussehen, doch schon lange hatte Bashir keine Frucht mehr genossen und so schmeckte er einfach nur herrlich. Säuerlicher, als er es kannte, aber dennoch einfach köstlich.


    Und dann räumte sie auch noch den Tisch ab. Verkehrte Welt, die das hier war. Verwirrt und auch niedergeschlagen, aber dafür so satt wie schon sehr lange nicht mehr, folgte Bashir seiner neuen Herrin in einen gemütlichen und vor allem herrlich warmen Raum. Sie kuschelte sich in einen der Sessel und er sollte sich in den zweiten setzen. Vorsichtig, als könnte er etwas damit kaputt machen, setzte sich Bashir auf den Sessel und lehnte sich an. Ach... was war das bequem!


    Sie war also auch noch nicht lange hier. Dann konnte sie ihm wohl nicht viel über das Land sagen, in welchem er sich jetzt befand. Als sie erzählte, daß man sie eingesperrt hatte, weil sie einer Sklavin hatte helfen wollen, sahe er sie ungläubig an. "Man hat Dich eingesperrrt? Aberr Du bist wiederr frrei? Was hast Du getan? Wolltest Du sie befrreien?" Sie mußte ja schon etwas schlimmes angestellt haben, wenn sie dafür eingesperrt worden war. "Ich hoffe, sie haben Dirr nicht weh getan", meinte er besorgt, denn wenn in seinem Land jemand eingesperrt wurde, kamen meistens noch schlimme Strafen auf ihn zu.


    "Warrum hast Du mich gekauft?", fragte er schließlich, denn diese Frage brannte schon die ganze Zeit auf seiner Seele. Mit seinem Bein war er nicht viel wert und es hatte bessere Angebote auf dem Markt gegeben als ihn.

    Die Empörun in Valentinas Tonfall ließ Bashir verlegen erröten und betreten auf seine Hände schauen. Sie wollte also tatsächlich einen richtigen Arzt wegen ihm bemühen! Langsam tröpfelte die Erkenntnis in seinen Verstand, daß er sehr großes Glück gehabt hatte und hier nicht einfach nur ein gesichtsloser Diener war, der zu funktionieren hatte, sondern daß Valentina ihn als Menschen respektierte und seine Bedürfnisse mit den ihren anscheinend gleich stellte.


    Valerian hieß der Bruder also. Valentina und Valerian. Das war irgendwie schön, fand Bashir. Mit der Namensähnlichkeit hatten die Eltern gleich eine Verbindung zwischen den Kindern geschaffen. Und offenbar liebten die beiden sich sehr. Trotzdem erfüllte der Gedanke, diesem Valerian zu begegnen, Bashir mit einem überaus mulmigen Gefühl. Würde er ihm klarmachen können, daß er nicht vorhatte, Valentina zu schaden? Sondern im Gegenteil ihr bereitwillig dienen wollte für die Chance auf ein menschenwürdiges Leben? Hoffentlich bestand dieser Soldat nicht darauf, ihn wieder zu verkaufen. Er wollte hierbleiben. Bei dieser liebenswürdigen, wunderschönen Frau, die ihm eine Freundlichkeit entgegenbrachte, die er bisher nur bei seiner eigenen Familie gefunden hatte. Der Bruder schien hier zu sein. Hier in der Stadt. Also dauerte es vermutlich nicht lange, bis er hier auftauchte. Sie wollte ihn vor ihrem Bruder verteidigen. Als hätte sie ihn schon irgendwie in ihr Herz geschlossen. Das war so unglaublich lieb, daß Bashir vor Verlegenheit ganz rote Ohren bekam. "Err muß keine Angst haben um Dich. Ich werrde auf Dich aufpassen. Und ich werrde Dirr nichts tun", erklärte er ein wenig unsicher. Ob dieser Valerian ihm glauben würde?


    Mit großen Augen verfolgte Bashir Valentinas weitere Handlungen. Ein Hühnchen! Es war ein wenig mickrig, doch für einen Mann, der seit Monaten von Fleisch nur träumen konnte, war dieses Hühnchen eine kostbare Delikatesse.


    Er zerteilte das Hühchen gekonnt in mehrere Teile und teilte es dann in zwei gleich große Portionen, von denen er eine Valentina zuschob und die andere dann zu sich selbst hinzog. Ganz kurz warf er noch einen unsicheren, fragenden Blick auf Valentina. Meinte sie das wirklich ernst, daß er auch von dem Hühnchen essen durfte? Doch sie schien es wirklich zu meinen. Hatte er vorhin die Suppe geradezu herunter geschlungen, so aß er dieses Hühnchen mit fast feierlicher Andacht. Jeden Bissen wollte er genießen. Denn sicher gab es so etwas hier auch nicht jeden Tag. Da das Huhn nicht das jüngste gewesen war, war das Fleisch ein wenig zäh. Doch das bemerkte der junge Parther nicht einmal. Es erschien ihm als das köstlichste Mahl, das er je genossen hatte.


    "Ich warr in Rom. Da wollte mich niemand kaufen." Er zuckte mit den Schultern und hoffte, daß ihr nicht auffiel, wie sehr es ihn belastete, wertloser Ramsch zu sein. Dabei belastete ihn das mehr, als die Tatsache, daß er in Sklaverei geraten war. Dies war ein Schicksal, mit dem ein Soldat rechnen mußte. Kriegsgefangene wurden nun einmal versklavt, das war eben so. "Meine Heimat... ist sehrr schön. Hell und sonnig und warrm. Hierr... hierr ist es kalt und dunkel. Ist das je anderrs? Oderr ist es immer so wie jetzt? Wie lange bist Du schon hierr?" Es war seine Wißbegierde, die ihn diese Fragen stellen ließ. Und es dauerte einen Moment, bis er merkte, was er da tat. Wieder wurde er rot und blickte zerknirschst auf seinen Teller. "Bitte verrzeih mirr, domina. Das... das warr unangemessen." Ein Sklave fragte doch nicht seine Herrin aus!

    Bashir legte nachdenklich den Kopf schief, als sie von ihren Erfahrungen mit Wunden sprach. Schon wieder erwähnte sie diesen Bruder. Sie mußte sehr an ihm hängen. Doch was dieser Bruder wohl zu ihrem neuen Sklaven sagen würde? "Dein Brruder.. wirrd err mich nicht hassen, wenn err doch Soldat ist? Kämpft err in meinerr Heimat?"


    Als sie mit ihrem Finger über die knotige Narbe fuhr, zuckt er leicht zusammen. Doch sie war sehr vorsichtig und sanft, so daß es eigentlich nicht weh tat. Das kühlende Tuch hingegen war die reine Wohltat. Er seufzte unwillkürlich, als sie es um sein Knie wickelte. Ihre nächten Worte hingegen versetzten ihn wieder in grenzenloses Erstaunen. "Du willst einen Arrzt bezahlen fürr einen Sklaven, domi... Valentina?", fragte er ungläubig. So etwas gab es doch sonst nur bei den ganz wertvollen Sklaven! Und dazu gehörte er ja nun wirklich nicht. Außerdem hatte sie doch gar nicht viel Geld, das hatte sie selbst gesagt.


    Zu ihren Erklärungen das Geschirr betreffend, nickte er. Also nur bei Gästen das gute Geschirr, sonst die Holzschüsseln. Bevor er sich erheben und das Holzgeschirr holen konnte, hatte sie es schon genommen und füllte sie mit Suppe. Er war wirklich hungrig und konnte den Blick nicht von ihr lösen, während sie am Topf hantierte. Als sie ihm dann eine Schüssel überreichte, brachte er es nicht fertig, höflich zu warten, sondern fing gleich an, zu essen. Heiße Suppe! Und lecker obendrein. Eigentlich war die Suppe noch zu heiß und er verbrannte sich leicht die Zunge. Daran störte er sich aber nicht. Er mußte einfach essen. Auf ihre Aufforderung hin, es sich schmecken zu lassen und ihr von seiner Heimat zu erzählen, nickte er nur.


    Er aß und aß, bis die Schüssel leer war. Dann seufzte er wohlig. Natürlich könnte er noch mehr vertragen, doch fragen würde er danach auf keinen Fall. "Das ist sehrr gut gewesen", sagte er und atmete tief durch. "Meine Heimat... Sie ist sehrr weit weg von hierr. Dorrt ist es immer warrm. Es gibt dorrt keinen Schnee. Meine Familie lebt am Tigrris. Das ist ein Fluß. Und die Errde dorrt ist sehrr frruchtbarr und gut. Desshalb gibt es immerr schon Kämpfe um dieses Land." Es war schwer, es sich vorzustellen, wenn man in diesem dunklen, kalten Land war.

    Wie das duftete! Bashir lief das Wasser im Munde zusammen. Seit Ewigkeiten hatte er kaum etwas anderes als Getreidebrei bekommen. Und heute war das Frühstück schon echt lange her. Sein Magen knurrte unwillkürlich und er lächelte etwas verlegen, da er fürchtete, sie hätte es gehört.


    "Ich kann in derr Nacht schlafen", sagte er auf ihre Frage hin. "Ich... kann doch nicht ausruhen, wenn Du hierr arrbeitest." Immerhin hatte sie ihn doch gekauft, damit er die Arbeit machte.


    Die befürchtete Schimpfe wegen der "domina"-Ansprache blieb aus und so atmete er erleichtert auf. Seine Wäsche legte er in den Gang, wie sie angeordnet hatte. Morgen also würden sie gemeinsam waschen gehen. Das würde bestimmt eine mächtig eisige Angelegenheit. Doch mit der Aussicht, an einen so herrlich warmen Ort wie diese Küche zurückzukehren, war das bestimmt auszuhalten. Es war wirklich wunderbar warm hier. Er hätte ja nie gedacht, daß ihm überhaupt je wieder warm sein würde. Doch im Moment war ihm zum ersten mal seit langem gar nicht kalt.


    Gehorsam setzte er sich auf den Stuhl und stimmte auch zu, als sie fragte, ob sie das Hosenbein hochschieben dürfte. Was für eine Frage. Er gehörte ihr. Da durfte sie mit ihm machen, was sie wollte. Daß sie sich trotzdem danach erkundigte, ob es ihm recht war, offenbarte sie als außergewöhnlich feinfühlige und rücksichtsvolle Frau.


    "Es ist schlecht verheilt. Diese Knoten... die sind irrgendwie falsch. Es zieht, wenn ich zuviel laufe." Und in den letzten Tagen war er sehr viel gelaufen. "Das nasse Tuch tut gut." Was kein Wunder war, so rot und heiß wie das Knie war.


    "Morrgen ist es bestimmt besserr. - Bist Du eine Heilerrin?" Viele Frauen kannten sich in der Heilkunst aus. In seinem Land zumindest. Vielleicht war das hier ja genauso.

    Mit dem Paket mit der Kleidung unter dem Arm folgte Bashir ihr durch das Haus. Es war nicht riesig, aber doch auch irgendwie zu groß für nur eine Person. Hier war Platz für eine ganze Familie. Eine hübsche junge Frau wie sie war ganz allein? Warum hatte sie keinen Mann? Sie war zwar noch jung, doch in seiner Heimat wäre sie schon lange verheiratet und hätte sicher auch schon Kinder. Lag es daran, daß ihre Eltern offenbar nicht mehr lebten und sie nicht viel Geld hatte? Eine fehlende Mitgift konnte schon ein Hindernis sein, so kannte er es von Zuhause.


    Ihre Familie schien nur aus dem Bruder zu bestehen, den sie nun schon einige Male erwähnt hatte. Ein Soldat. Ob er in Parthien kämpfte? Wie würde er wohl reagieren, wenn er hörte, daß seine Schwester ausgerechnet einen Parther gekauft hatte? Sicher war er nicht begeistert. Als Soldat konnte der Bruder natürlich nicht hier sein und sie beschützen, das war klar. Bashir nickte verstehend, als sie ihn anblickte und mußte sich schwer zusammenreißen, nicht wieder zu Boden zu sehen. "Ich werrde Dich beschützen, ich kann gut kämpfen." Naja, mittelmäßig. Doch für hier würde es sicher reichen. Bestimmt würde kein Elitekämpfer versuchen, Valentina etwas anzutun.


    Nur ein alter Mann wohnte noch hier. Und eine Frau kam hin und wieder, um ihr im Haushalt zu helfen. Ansonsten machte sie alles allein? Sie hatte wirklich dringend jemanden gebraucht, wenn das so war. Na, jetzt hatte sie ja jemanden. Sie war unerwartet freundlich zu ihm, das hatte er nicht erwartet, nachdem sie auf dem Markt so barsch gewesen war. Doch das war sie anscheinend nur wegen des Händlers gewesen und das war bestimmt auch gut so gewesen.


    Als sie in ein geräumiges Zimmer traten und sie erklärte, daß dies sein Zimmer sein sollte, blieb ihm vor Staunen der Mund offen stehen. So ein geräumiges Zimmer hatte er nicht mal zuhause gehabt. Und er war eingerichtet wie für einen geehrten Gast. Ein ausgesprochen bequem ausehendes Schlaflager, mehrere Truhen, ein Tisch und zwei gemütlich wirkende Sessel. Auf einem Waschtisch an einer Wand standen schon ein Krug Wasser, eine Schüssel und auch ein Handtuch bereit. Schwere Vorhänge vor den mit Fensterläden verschließbaren Fenstern verhinderten ein Eindringen der Kälte. Ein so gemütliches Zimmer sollte er bewohnen? Er, ein Sklave? Er war nicht fähig, dazu etwas zu sagen. Sprachlos und mit staunendem Blick versuchte er ihre Worte zu erfassen und darauf zu achten, was sie tat.


    Sie öffnete kurz die Vorhänge und die Läden, um ihm den Ausblick in den verschneiten Innenhof zu zeigen. Er konnte sich im Moment nicht vorstellen, daß hier je Rosen wachsen würden, doch wenn sie es sagte, würde es gewiß so sein.


    "Ja, ich... aber... ich kannn doch auch... Du mußt nicht... Was... ähm.... Danke!" Doch die Tür war schon zu und er allein. Das Paket mit der Kleidung ließ er nun einfach auf den Tisch fallen und blickte sich nochmals in dem Raum um. Es war unglaublich! Das mußte er erst einmal begreifen, was hier mit ihm geschah.


    Zögernd begann er, die alte Kleidung auzuziehen. Nicht nur, daß sie vor Dreck starrte, sondern sie war auch teilweise beschädigt und schon unzählige Male geflickt. Vor allen Dingen stank sie und Bashir war froh, sie erstmal vom Leib zu bekommen, obwohl er natürlich gleich wieder fror, als er unbekleidet dastand. Doch da mußte er jetzt durch. Er wollte sich unbedingt waschen, denn er mochte sich selbst schon nicht mehr riechen.


    Neben der Waschschüssel stand ein Tiegel mit einer breiigen Masse, die ihm unbekannt war. Da sie hier stand, war sie wohl für die Reinigung gedacht. Eine Art Öl zum einreiben? Aber wo war dann der Schaber? Er sah keinen. Ach, das würde er schon runterkriegen. Erstmal an einer kleinen Stelle versuchen. Bashir versuchte es an seiner Hand. Trug ein wenig von der schmierigen Masse auf. Doch das fühlte sich irgendwie eigenartig an. Es roch zwar gut, doch es war so ein komischer Film auf der Haut, gar nicht wie Öl. Hoffentlich ließ es sich wieder abwaschen. Aus dem Krug goß er etwas Wasser über die Hand und versuchte, das Zeug abzureiben. Und hielt staunend inne. Das war ja eigenartig. Schaum! Und der verteilte sich noch weiter. Mit mehr Wasser wurden die Blasen erst immer größer, dann konnte man es aber gut abwaschen. Und... die Hand war sauber! Und wie sauber! Er schnupperte an seiner Hand und lächelte überrascht. Ja, so wollte er überall riechen! Von Kopf bis Fuß wusch er sich mit dieser Masse. Auch die Haare, die davon eigenartig seidig und leicht wurden. Was für ein gutes Gefühl!


    Nachdem er sich gründlich abgetrocknet hatte, zog er die neue Kleidung an. Er fühlte sich gleich wie ein anderer Mensch! Hinlegen kam natürlich für ihn nicht in Frage. Zwar war er sehr müde, aber er konnte doch nicht zulassen, daß Valentina allein in der Küche für sie beide werkelte. Schlafen konnte er später immer noch. Doch mit seinem Bein mußte er etwas tun. Es fühlte sich heiß an und pochte mit meiner Hartnäckigkeit, die wirklich lästig war. Die dicke, knotige Narbe war tiefrot und es tat weh, wenn er sie berührte. Seufzend wickelte er sich das ohnehin feuchte Handtuch um das Knie. Die Kühlung brachte auch sofort eine gewisse Linderung.


    Aufatmend packte Bashir seine schmutzige Kleidung zusammen. Bestimmt gab es einen Ort, wo er sie hinlegen konnte, bis er Zeit und Gelegenheit fand, sie zu waschen. Vielleicht wurde die mit diesem Zeug ja auch nochmal richtig sauber?


    So bepackt verließ er das Zimmer, allerdings nicht ohne nochmal einen ungläubigen Blick in den Raum zu werfen. Hier sollte er wohnen! Unglaublich! Dann machte er sich auf die Suche nach der Küche.


    Und die war nach der Beschreibung von Valentina nicht schwer zu finden. "Domina, wo soll ich die schmutzigen Sachen hinlegen? Wo wirrd gewaschen? Darrf ich das Waschen auf morrgen verrschieben?", fragte er ein wenig befangen und merkte gar nicht, daß ihm das böse Wort wieder herausgerutscht war.

    Bashir zuckte merklich zusammen, als sie ihm die Hände auf die Schultern legte. Valentina sagen... nicht zu Boden sehen... Sie wollte, daß er sie ansah und so hob er schließlich den Blick und der seine traf sich mit ihrem. "Nein... Du bist sehrr hübsch, domina Valentina... Valentina." Er biß sich auf die Lippen. War das nicht unangemessen, ihr das so einfach zu sagen? Verflixt, das war wirklich nicht ganz so einfach. Selbst wenn man sich wirklich bemühte.


    Ihr freundlicher Blick tat so gut, daß es schon fast weh tat. "Ist wirrklich sonst niemand hier, domi.... Valentina? Ich kann ein bißchen kochen, aber nicht viele Sachen. Ich werrde alles machen, so gut ich kann", versuchte er seine Verlegenheit mit Diensteifrigkeit zu überspielen.


    "Ich ziehe mich gleich um, d... Valentina. Ganz wie Du wünschst." Er war sich nicht sicher, ob man in dem neuen Gewand nicht mehr fror, als in den alten Sachen. Vor allem würde er sich eigentlich lieber erst waschen, denn nach der langen Reise mußte er ja stinken wie ein Iltis. Doch sie hatte nichts davon gesagt. Er stand also auf und humpelte zu dem Paket, in dem sich die Kleidung befand, die sie vorhin für ihn gekauft hatte.


    Das mit dem Zimmer... da wußte er schlicht nicht, was er erwidern sollte. Natürlich hätte er sich am liebsten hingelegt und geschlafen, doch das konnte er unmöglich verlangen. Und Zimmer... sie meinte doch sicher eine Schlafecke. In der Küche vielleicht? Das wäre nicht schlecht. In Küchen war es immer warm.

    Mit zusammengebissenen Zähnen humpelte Bashir hinter Valentina her und war ganz froh darüber, daß sie ihm keine Fragen stellte, denn das hätte ihn erst einmal hoffnungslos überfordert. Die verschneiten Straßen dieser für ihn fremdartigen Stadt, sahen für ihn alle gleich aus. Der Weg erschien ihm endlos, doch irgendwann erreichten sie dann doch ein Haus, in das Valenina eintrat. Er folgte ihr hinein und als sie ihm den Stuhl anbot, war er sich nicht sicher, ob das wirklich angemessen war, daß er sich hinsetzte. Unsicher blickte er sich um. Im Gegensatz zu ihr behielt er seinen Mantel an. Ihm war kalt. Ihm war immer kalt, seit er seine Heimat verlassen mußte. Solange sie es nicht von ihm verlagten, ihn abzulegen, wollte er ihn anbehalten. Zumindest bis ihm wieder warm war. Etwas, was er im Augenblick für unmöglich hielt.


    Sein schmerzhaft pochendes Bein nahm ihm die Entscheidung ab. Er mußte sich einfach setzen und es endlich entlasten. Und sie hatte es ihm doch angeboten? Da konnte es doch kein schlimmer Fehler sein, wenn er es tat?


    Kaum hatte er sich gesetzt, wandte sie sich ihm wieder zu und überschüttete ihn mit Informationen. Es war sehr viel, was sie ihm sagte. Sie entschuldigte sich für Grobheit, doch wann war sie grob zu ihm gewesen? Oh, sie meinte, daß sein Wert gar nicht so niedrig war. Naja, sie kannte ihn eben noch nicht. Wenig Geld hatte sie... Und... er sollte auf sie aufpassen. Ja, das konnte er, er nickte dazu, doch sie sprach schon weiter, also erwartete sie wohl keine Erwiderung. Valentina sollte er sie nennen. Ein eigenartiger, aber schöner Name. Freunde? Wohl fühlen? Er war ein Sklave... und dann wohl fühlen? Geld sollte er bekommen?


    Was er davon hielt? Er würde gehorchen, was immer sie anordnete. "Ich beschütze Dich gerrne, domina Valentina. Und mache auch sonst alles, was Du mirr auftrrägst. Du brrauchst es nurr zu sagen, ich werrde alles tun." Ganz kurz flackerte sein Blick unsicher zu ihr hoch, dann senkte er ihn sofort wieder. Das war alles unglaublich verwirrend.

    Es war fast ein magischer Moment. Der Augenblick, in dem Geld und Urkunde die Besitzer wechselten. Das war er. Entweder dieses Häuflein Geld oder dieses Stück Pergament. Mehr war er nicht. Er schluckte. Aber wenigstens war er jetzt nicht mehr diesem neunmal verfluchten Händler ausgeliefert. Der Mann band ihn los. Ein gutes Gefühl, ein sehr gutes Gefühl. Unwillkürlich atmete der junge Parther auf. Und zögerte nicht, ihrer Aufforderung nachzukommen.


    "Ja, domina", sagte er leise und bemerkte das freundliche Lächeln, das ihn wunderte und verwirrte. Seit seiner Gefangennahme hatte ihn niemand mehr angelächelt. Nur verächtliche und abschätzende Blicke hatten ihn seit dem getroffen. Dieses Lächeln kam nun unerwartet und wärmte ihn mehr, als jedes Feuer es vermocht hätte. Er wagte nicht, es zu erwidern, sondern tat so, als hätte er es gar nicht gesehen.


    Humpelnd folgte er ihr und schaffte es auch, mit ihr Schritt zu halten. Er biß fest die Zähne zusammen und versuchte, so wenig zu Humpeln wie möglich. Sonst brachte sie ihn am Ende noch zurück! Etwas zum anziehen wollte sie ihm kaufen. Etwas neues? Sie wollte ihm neue Kleidung geben? Seine Verblüffung war ihm anzusehen, doch noch immer hielt er seinen Blick gesenkt. Und er biß sich auch auf die Lippen, um bloß nichts zu sagen, denn ungefragt sprach ein Sklave ja nicht. Das hatte man ihm zumindest gesagt. Und er wollte auf keinen Fall unangenehm auffallen. Sie sollte ihren Kauf nicht bereuen müssen.

    400 waren besser als 300. Und noch vor zwei Stunden hatte er den Sklaven für 300 angeboten und nicht losschlagen können. Ein besseres Gebot würde er auf keinen Fall kriegen, das war dem Händler klar. Die Kleine hatte sich als zäher erwiesen, als sie aussah. Eigentlich hätte er gedacht, daß 500 drin seien. Aber so schlecht warendie 400 nun auch nicht. Der Händler war klug genug, diese Chance nicht verstreichen zu lassen. "Einverstanden", sagte er daher schnell, "400 und er ist Dein."


    Er trat an seinen Wagen heran und kramte die Urkunde hervor, die den Kauf legitimierte. Doch bevor er sie übergab, wolle er natürlich das Geld sehen.


    Bashir glaubte kaum seinen Ohren trauen zu können. Der Händler hatte das magische Wort gesagt. Einverstanden. Er konne es kaum glauben und hielt unwillkürlich die Luft an. Noch war der Kauf nicht abgeschlossen, noch durfte er nicht hoffen. Würde sie den Preis wirklich zahlen? Ihn wirklich mitnehmen? Er wagte einen kurzen Blick auf die Römerin. Doch wirklich nur einen kurzen, dann senkte er den Blick gleich wieder. Bloß nichts riskieren! Nicht diese einmalige Chance verderben!

    Der Händler griff sich ans Herz und sein Entsetzen war fast greifbar. "200? Du willst mich ruinieren, gute Dame! Allein die Überfahrt und Reise hierher hat mich 400 gekostet. Und er ist viel, viel mehr wert! Der einzige Parther hier auf dem ganzen Markt! Ein ausgezeichneter Kämpfer, beherrscht unsere Sprache hervorragend. Aber ich will nicht so sein. Weil Du eine so schöne Frau bist und heute so ein eisig kalter Wind weht und wir alle uns nach einem warmen Zimmer sehnen... gebe ich ihn Dir für 600. Das ist wirklich die äußerste Grenze, an die ich gehen kann. Oh, ihr Götter, ich ruiniere mich selbst..." Er hob den Blick zum Himmel und seufzte erbarmungswürdig.


    Bashir schloß derweil gequält die Augen. Noch lieber hätte er sich die Ohren zugehalten. Hier wurde sein Wert festgelegt. Jämmerlich wenig war er wert, wahrhaft jämmerlich wenig. Er durfte gar nicht hinhören, gab es denn gar nichts anderes als dieses Feilschen? Er blickte sich kurz um. Doch hier gab es nichts anders als Sklavenhändler. Wo iimmer er hinhörte, waren ähnliche Gespräche im Gange wie hier. Es war so bitter. Einerseits wünschte er sich, endlich aus dieser Kälte und von diesem Händler wegzukommen, andererseits waren die Verhandlungen kaum zu etragen.

    "Ja, er ist ein bißchen mager. Die Seekrankheit eben... Dafür mache ich Dir einen guten Preis. Für nur 1000 Sesterzen soll er Dir gehören. Ein echter Parther! Gefangen in der Schlacht um Edessa! Jung und zuverlässig! Du wirst Deine helle Freude an ihm haben. Sieh nur, wie gehorsam und brav er ist." Der Händler war ganz in seinem Element und nannte einen daher diesen utopisch hohen Preis. Er hatte Glück, wenn er 300 für das Hinkebein bekam. Doch bei dieser jungen Frau waren vielleicht 500 rauszuschlagen und sie würde noch das Gefühl haben, ihn gut heruntergehandelt zu haben. Ja, so machte man Geschäfte! Geld hatte sie, das hatte er gesehen. Und das Hinken schien sie nicht bemerkt zu haben. Sehr gut! Er würde endlich diesen elenden Ladenhüter loswerden.


    Immerhin war sie nicht gleich fortgegangen. Wollte sie ihn vielleicht doch erwerben? Wirklich und wahrhaftig? Doch als er den Preis hörte, hob er für einen Moment staunend den Kopf. Zuletzt hatte der Händler ihn für 300 angeboten und hätte sich bestimmt auf 200 herunterhandeln lassen, nur um ihn endlich los zu sein. Und nun forderte er 1000?


    Daß sie ihn als mager titulierte, traf ihn merkwürdigerweise hart. Er wußte ja, daß er ziemlich abgemagert war seit seiner Gefangennahme. Aber es so ausgesprochen zu hören, noch dazu von einer hübschen, jungen Frau, war schon irgendwie verletzend, auch wenn es ja stimmte. 1000... damit vertrieb der Händler sie bestimmt. Bashir biß sich auf die Lippen und starrte noch angestrengter zu Boden. Er fürchtete, daß der Händler und die Interessentin sonst in seinem Gesicht seine Gedanken und Gefühle ablesen konnten.

    Natürlich wollte der Händler gleich wieder loslegen, sah sich dann aber von ihr zum Schweigen gebracht. Er wurde puterrot, richtete sich aber nach ihrem Wunsch, da sie sonst wohl kaum bei ihm kaufen würde. Doch natürlich befürchtete er, daß der Sklave ihm das Geschäft verdarb, wenn er eigenständig antwortete und sein Licht unter den Scheffel stellte, statt seine wenigen Vorzüge hervorzuheben.


    "Ich kann kämpfen. Aberr ich bin noch nicht lange Sklave. Ich werrde tun, was Du mir sagst, domina." Bashir sprach leise und hob für einen Moment den Blick. Doch da sie ihn direkt ansah, senkte er ihn natürlich sofort wieder.


    Er wußte nicht genau, was sie meinte mit Aufgaben eines Sklaven. Aber vermutlich sowas wie sauber machen, Holz hacken und solche Dinge. Das würde er wohl irgendwie hinbekommen. Vielleicht gab es ja sogar einen Stall und Pferde dort und er durfte sie versorgen? Das wäre das allerschönste, doch das wagte er nicht zu hoffen.


    Sein Name klang merkwürdig, wenn sie ihn aussprach. Doch daran würde er sich schon gewöhnen. Ob sie wohl sehr streng war? Vermutlich ja, sie ging ja ziemlich barsch mit dem Händler um. Aber wenn er gehorsam war, dann würde es doch gehen? Hoffentlich.

    "Ah, die Dame hat einen Blick für hervorragende Ware!" Der Händler rieb sich die Hände. Natürlich nur wegen der Kälte! Und er trat zu Bashir. "Wehe, Du hinkst", raunte er ihm leise zu und stieß ihn nach vorne. Ganz ohne Hinken ging das nun wirklich nicht ab, obwohl sich der junge Parther tatsächlich Mühe gab. Auch wenn die Frau sehr barsch wirkte, war sie sicher noch besser, als dieser Händler.


    "Ein junger Parther, aber ganz und gar nicht aufsässig. Ja, mager ist er, er hat die Schiffsreise nicht vertragen. Aber hier muß er ja nicht auf Schiffe, nicht wahr?" Der Händler fand das offensichtlich ausgesprochen komisch und lachte über seinen eigenen Scherz.


    "Natürlich kann er Latein. Bashir heißt er. Aber Du kannst ihn selbstverständlich auch anders benennen. - Los, antworte der Dame." Der Händler stieß Bashir nochmal an, allerdings nicht sehr fest.


    "Ich verrstehe Dich gut, domina", antwortete Bashir leise und sprach dabei korrektes Latein. Nur hörte es sich ein wenig eigenartig an, da er das 'r' stark rollte. Sein Blick war noch immer gesenkt. Er wußte, was nun folgen würde. Sie würde abwinken und weitergehen. So wie jeder, der ihn genauer angesehen hatte.

    Eisig war der Wind auf dem Sklavenmarkt von Mogontiacum, wo der Händler seine Ware wortreich feilbot. Daß es überhaupt Länder gab, in denen es derartig kalt sein konnte! Noch dazu am hellichten Tag! Und dann überall dieses kalte, nasse, weiße Zeug. Schnee nannte man es, hatte ein anderer Sklave ihm verraten. Es sollte angeblich Regen sein, der wegen der Kälte dann eben so aussah. Naja, das konnte schon stimmen, denn es fielen immer wieder mal feine oder dicke Flocken vom Himmel. Dann war er sogar fast schön. Wenn man so eine Flocke mit dem Ärmel auffing und ganz genau anschaute - wobei man aufpassen mußte, sie nicht anzuatmen, sonst schmolz sie zu Wasser - dann konnte man ganz feine, filigrane Sternchen erkennen. Im Grunde ein Wunder. Doch so richtig daran erfreuen konnte Bashir sich nicht. Dafür war ihm einfach zu kalt. Seine Füße waren die reinen Eisklumpen und sein Knie schmerzte höllisch von den tagelangen Märschen.


    Es war schrecklich erniedrigend, ständig gemustert und immer wieder angegrapscht zu werden. Es kaufte ihn doch ohnehin niemand, wenn er merkte, daß Bashir schwer hinkte. Wann immer der Händler ihn nach vorn zog und anpries, winkten die Interessenten ab. Er war eben nicht exotisch genug, um den Makel in Kauf zu nehmen. Am Anfang hatte Bashir die Kaufinteressenten noch bittend angesehen. Zumindest manche. Die, die nett aussahen. Doch inzwischen blickte er nur noch auf den Boden vor sich und hoffte, daß das hier bald ein Ende haben mochte.


    Wieder hatte leichter Schneefall eingesetzt. Nur einzelne Flocken sanken langsam dem Erdboden entgegen und bedeckten nach und nach den schmutzig getretenen Schnee mit einer hauchdünnen, reinen, weißen Schicht.


    Sim-Off:

    reserviert