Beiträge von Tiberius Aurelius Avianus

    Avianus´ Mutter war diejenige, der diese Nachricht am meisten zusetzte. Die Nachricht traf zumindest von der Wirkung her wie ein Schlag ins Gesicht. Die Frau brach zusammen und wurde von den Sklaven betreut und keine Sekunde lang aus den Augen gelassen. Bis sie sich erholt hatte, vergingen Wochen, in denen sich Avianus sehr um sie sorgte. Avianus selbst empfand an jener Nacht eine merkwürdige Gefühlsmischung aus Zorn und Verzweiflung. Wer hatte ihm seinen Vater genommen? Warum? Was hatte er getan, als für Recht und Ordnung einzustehen?
    Nichts konnte Regulus zurückholen. Er hinterließ Avianus und Catulus nun alleine. Noch nicht einmal erwachsen, doch er hatte die beiden immerhin zu Männern gemacht. Es war schrecklich. Avianus wusste es, denn er hatte seine schönsten Jahre noch nicht erreicht. Und Vater würde nicht mehr dabei sein. All diese Gedanken ließen Avianus verzweifelt und wortlos in sein Cubiculum rennen, wo er letztlich zusammenbrach. Der Schock setzte ihm zu, das brauchte man nicht einmal mehr am Rande zu erwähnen.


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    Ehrlich gesagt hielt mich auf einmal nichts mehr davon ab, mich in die Pritsche zu schwingen. Ich musste die aufkeimenden Gefühle und Erinnerungen überschlafen, mich am nächsten Tag am Besten aufheitern. So schnell verschwand ich auf der Pritsche, dass ich ganz vergaß, die Schriftrolle wegzuräumen... diese lag nun für jeden ersichtlich auf dem Schreibtisch, während ich plötzlich einschlief wie ein Murmeltier.

    Zum Glück nahm der Vinicier es Avianus nicht übel, dass dieser ihn ungewollt angerempelt hatte. Achtsam sah sich der Aurelier um. Der Händler war just in diesem Moment beschäftigt, einen ahnungslosen Käufer um den Finger zu wickeln, als der Aurelier es für richtig befand, hier schnell das Weite zu suchen. "Suchen wir lieber das Weite, bevor uns noch etwas anspringt.", scherzte Avianus milde lachend, "Wenn ich dich schon so unachtsam angerempelt habe, ist das doch ein netter Moment, uns kennenzulernen. Tiberius Aurelius Avianus mein Name. Ich bin erfreut, dich kennenzulernen, Vinicius.". Obst konnte Avianus an einer anderen Stelle kaufen. Um nicht zu sagen an einer besseren Stelle!
    Dann zeigte Avianus zugleich Interesse und Kontaktfreudigkeit gegenüber Sabinus. "Sag, Sabinus, vielleicht kenne ich deine Eltern? Von den Viniciern habe ich schon gehört.".

    An jenem Tage war es Avianus, der einige Besorgungen der kleineren Art auf dem Forum Romanum machte. Natürlich hatte er auch einige Sklaven und genügend Geld bei sich. Aber diese Preise waren der reinste Wucher. Und wenn sie merkten, dass da ein Patrizier am Einkaufen war, konnte man sein Geld gleich doppelt so schnell los werden! Sei es, weil die Preise dann einen Patrizierzuschuss bekamen oder weil man gedrängt wurde, gleich noch mehr einzukaufen! Gut, dass man Sklaven hatte, die einem da manchmal zur Seite standen und die man mit der Zurückweisung aller Angebote und Lobpreisungen betrauen konnte!


    Auch Obst stand auf dem Einkaufszettel des Aureliers. Während die Sklaven in Begleitung von Avianus die schon eingekaufte Ware, so zum Beispiel Fleisch und Gemüse unermüdlich trugen, befand sich Avianus schon bald an dem attraktiv wirkenden Obstand neben Sabinus. Der Unbekannte schien was Obst anbelangte einen genauso erlesenen Geschmack zu haben wie der Aurelier. Denn die Obstsorten waren nicht nur teilweise exotisch, sondern frisch. (Ja, auch nach der Frische der Ware musste man bei diesen Halsabschneidern achten!). Während Avianus sich die Obstsorten genau unter die Lupe nahm und zu seinem Erstaunen einen Wurm erblickte, der es sich in einem Apfel gemütlich machte, schwenkte sein Körper langsam nach links bis zu dem unbekannten Vinicier. In seinem Eckel vor seiner Entdeckung rempelte er Sabinus schließlich leicht an. Schnell fand er jedoch auch sein Gleichgewicht wieder. "Hoppla... entschuldige bitte, es war mein Fehler. Eine unbekömmliche Entdeckung im Obst hat mich unachtsam werden lassen.", flüsterte Avianus. Der Händler sollte ja nichts mitbekommen.

    Der Mord auf offener Straße blieb natürlich nicht unbemerkt. Das Einzige, was unbemerkt blieb waren die Täter, welche in ihrer gründlichen "Arbeit" kaum Spuren hinterließen und Rückschlüsse auf sich selbst so gut wie unmöglich werden ließen. Schnell scharten sich Stadtwachen, unter irgendeinem Avianus noch bis heute unbekannten Centurio der Cohortes Urbanae um den leblosen Körper von Avianus´ Vater. Das Gesicht war in dieser Gegend relativ bekannt. Schnell wusste man, dass es sich nur um Aurelius Regulus handeln konnte. Wie konnte man jedoch der Familie des Toten klar machen, dass ihr Angehöriger tot auf der Straße aufgefunden wurde? Es war die Aufgabe des Centurios, diese Nachricht zu überbringen. Und dieser zerbrach sich den Kopf in dem Gedanken, die richtigen Wörter zu finden. Dabei vergaß er sogar, dass er jetzt hätte schlafen können, wäre dieser tragische Zwischenfall nicht eingetreten... zögerlich machte sich der Mann auf zur Villa Aurelia...


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    Es hatte nun eine ganze Weile gedauert, bis ich mich so heulend und schluchzend wieder eingekriegt hatte. Erblasst und mit großer Erschütterung, all diese Gefühle kamen wieder herauf, blickte ich auf den unvollendeten Brief. Ich hatte dafür beinahe eine ganze Schriftrolle gebraucht und war beinahe fertig. Auf einmal zog es mich wieder ins Bett, ich konnte wieder schlafen und so mindestens für einige Stunden meinen Schmerzen entkommen. Aber halbe Sachen gab es nicht, so dass ich auf ein Neues meinen Gänsekiel zur Hand nahm und mit einer kurzen Denkpause wieder zu schreiben begann.


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    Natürlich war es für die ganze Gens Aurelia merkwürdig, als jemand mitten in der Nachtzeit auf die Eingangspforte klopfte. Es war um nicht zu sagen etwas faul daran, so dass man schon darüber nachgedacht hatte, im Notfall zur Verteidigung Knüppel, Besen und Küchenmesser bereit zu legen. Als hätte es das Schicksal gewollt, war Avianus´ Mutter diejenige, welche aufgeregt aus der Pritsche sprang, und eiligst zur Türe eilte. Avianus und einige Sklaven folgten eiligst und warteten, bis die Frau endlich die Türe öffnete. Sie alle machten zunächst Augen, als im Dunkeln ein Soldat vor der Türe stand. Umso größer war die Erschütterung, als der Centurio ganz ohne Gruß schilderte, was vorgefallen war.


    "Es ist bedauerlich, dass ich es euch mitteilen muss. Varus Aurelius Regulus ist tot auf der Straße aufgefunden worden. Es tut mir leid.".


    Diese Nachricht drang erst nach ganzen fünf Sekunden zu den Aureliern durch. Natürlich hatten sie sich Gedanken gemacht, wo er steckt! Natürlich schockierte diese Nachricht! Und natürlich hatten sie sich vorher damit beruhigt, dass Regulus ein wenig länger gearbeitet hat!


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    Endlich war der Brief fertig. Ich wusste nicht, was ich mit ihm machen sollte, aber seinen Zweck hatte er erfüllt. Mir fiel kein Stein vom Herzen, nein. Aber geholfen hatte er...


    Von Vätern und Gesetzen



    Ich weiß bis heute nicht, was meinen Vater das Leben gekostet hat. Ich weiß auch nicht, wer ihn mir genommen hat. Jedoch weiß ich, was er mich gelehrt hat. Er hat mir beigebracht, ein Mann zu sein und was es heißt. Die Verpflichtungen doch auch die Rechte und die Ehre, die es mit sich bringt. Und sogar sein Tod hat mir etwas beigebracht, was Regulus als Richter selbst nicht wusste. Nicht Gesetze regieren die Welt, welche auf Papier niedergeschrieben wurden. Es sind Menschen, die die Welt regieren. Nichts hat Einfluss auf sie. Keine Gesetze auf Papier, kein Richter, habe er die lauteste Stimme und die strengsten Urteile.
    Es sind auch Menschen, welche mir meinen Vater genommen haben. Und ich kann damit nicht leben. Dass ich selbst nichts machen kann und dass ich so wehrlos bin, mich nicht stützen kann auf diese Gesetze auf Papier. Denn sie sind doch nichts weiter als moralische Grundlagen, an die sich niemand halten muss...

    Wie es das Schicksal oder einfach nur der Zufall wollte, machte sich auch Avianus für einen abendlichen Aufenthalt in der Stadt schick. Bis die gute Toga angelegt, der Bart rasiert und die Haare ordentlich gerichtet waren, verstrich eine gute Zeit. Dies mochte jedoch auch daran liegen, dass Avianus nicht von dem Vorhaben seines Vettern wusste und sich deshalb gehörig Zeit bei den Vorbeitungen ließ! Immerhin wollte man bei Roms Frauenwelt ja auch gut ankommen...
    Als die Sklaven nun fertig mit ihrer Arbeit waren, betrachtete sich Avianus mit prüfenden Blicken im Spiegel. Ja, sie hatten ganze Arbeit geleistet. Zumindest war der junge Aurelier zufrieden mit seinem Äußeren. Und das konnte nur Eines heißen: Auf in´s Nachtleben!


    Bequemlich schritt Avianus aus seinem Cubiculum und machte eine erfreuliche Entdeckung, als er die Eingangstüre der Villa hinter sich schloss. Er kam wohl nicht als Einziger auf die Idee, an jenem Abend auszugehen. Mit strahlenden Augen, welche seine Freude verkündeten, trabte er zu Ursus und rief dabei laut seinen Namen: "Ursus!". Das war doch perfekt... nun hatte Avianus reichlich Unterstützung beim Unsichermachen der Stadt! :)
    Vor Ursus stehend grüßte Avianus seinen Vettern und natürlich auch seinen ebenso gut ausgeputzten Begleiter höflich. "Salve! Scheint, als würdet ihr in die Stadt gehen? Wäre da noch Platz für mich?". Natürlich war da auch ein Motiv an zweiter Stelle... der Name von Avianus sollte gehört werden, denn er wollte es in der Politik auch zu etwas bringen...

    "Du hast Recht, Menas. Nicht von Belang... für dich vielleicht, was mir letzten Endes auch egal sein kann.", konterte auch Avianus mit kühlem Kopf. Nicht, dass er den Artorier nicht leiden konnte, aber ganz ernst nehmen konnte er ihn auch nicht, wie er da stand und mitten im Gespräch anfing, willkürlich an einem Orangenstückchen rumzulutschen. :D
    Diese kleine Meinungsverschiedenheit versprach, spannend zu werden, spekulierte Avianus im Gedanken. Der eigentliche Nervenkitzel an der Sache war jedoch nur der Eine... wem gingen früher die Argumente aus? Skeptisch hob Avianus die Augenbraue, als Menas auf seinen Vater und anschließend erneut auf seinen Onkel zu sprechen kam.


    "Nunja, ich bin auch nicht sehr lange in Rom. Es hat mich eine Zeit lang weggezogen, aus gewissen Gründen...", erwiderte Avianus ein wenig mitgenommen und senkte den Kopf. Was mit den Eltern war, verschwieg Avianus in der Hoffnung, nicht gefragt zu werden. Den Tod seines Vaters hatte seine Mutter kaum verkraftet. "Da sieht man, wie uninformiert man nach einer längeren Abwesenheit ist.", versuchte der junge Aurelier umzuschwenken.
    Anschließend kam der Artorier auf Geldschulden zurück, die Corvinus bei ihm haben soll. Im Prinzip war es kein Problem, da die Aurelier das Geld ja hatten. Aber hey, hieß es vorhin nicht noch, dass die Finanzlage der Gens Aurelier nicht von Belang wäre? Und dann verlangte man noch Geld von armen, armen Patriziern? Wie grausam und heimtückisch!
    "Ich muss dich enttäuschen, Artorius Menas. Da wir das Geld nicht haben, werden die ´Schulden´ als Geldspende für die Armen angesehen.", sprach Avianus mit einem ironischem Unterton und verzog die Lippen zu einem leichten Grinsen. Danach wurde er wieder ernst: "Regel das am Besten mit Corvinus, nicht mit mir.".




    Sim-Off:

    Sorry für die späte Antwort, war im Urlaub! :)

    Es war die folgende Nacht nach Ursus´ Heimkehr aus Germanien, als ich wieder kein Auge zuzudrücken imstande war. An diesem Tag, mitten im Gespräch mit den Vettern fiel mir mein Vater ein und egal was ich versuchte, der Gedanke an ihn ließ mich nicht mehr los, geschweige denn ruhig schlafen. Der Gedanke nagte an mir, versuchte mich förmlich durchzukauen und aufzufressen. Ich war frustriert und ratlos und wälzte mich sinnlos auf meiner Pritsche. Vielleicht half es ja, wenn ich mir den Frust von der Seele schrieb. Schlafen konnte ich nunmal nicht, also war das zweifellos einen Versuch wert. Der Text sollte nur einer Person gewidmet sein: Meinem verstorbenen Vater.


    ~


    Varus Aurelius Regulus, vom Beruf her Iudex war wie der Name schon sagt ein erfolgreicher Richter. Doch es war ein Posten, der Unbeliebtheit bei gewissen Leuten heraufbeschwörte, oder gar einen zur Zielscheibe machte. Berufsrisiko, war sich Regulus schon immer sicher und er fand sich schnell damit ab, als er seinen Beruf eine Zeit lang ungeschädigt ausüben konnte. Von irgendwo musste das Geld schließlich kommen.
    Dieser Regulus, Vater von Avianus war eines Tages mit einem Prozess mit größerem Tatbestand beschäftigt. Etwas, was Regulus schon einige Male hinter sich hatte, doch dieses Mal waren die Folgen für den Aurelier ungeahnt. Ein unbekannter Täter stand vor Gericht, bezichtigt eines Mordes zusammen mit einer Gruppe, wohl seinen Komplizen. Der Prozess war lang und ermüdend und gegenseitige Anschuldigungen wurden schier aufeinander geworfen, doch niemand von den Zeugen sprach für den Mörder. Die Beweise waren schnell gefunden, nichts entlastete den Angeklagten, womit das Urteil schnell auf der Hand lag. Der Vatermord, den der Angeklagte verursacht hatte, wurde mit eine typischen Strafe geahndet, welche Regulus mit der Macht seines Amtes selbst aussprach. Dem Angeklagten wurde das Schicksal zuteil, zusammen mit einem Hund, einem Skorpion und einer Schlange in einen Sack genäht und in den Tiber geworfen zu werden. Was für den Aurelier zum Beruf gehörte, empörte gewisse Leute zutiefst... die Komplizen des Mörders, welche nicht gefasst werden konnten und den öffentlichen Prozess schweigend mitverfolgt hatten...


    ~


    Gemächlich schwang ich mich aus meiner Pritsche und torkelte matt und blass zu meinem Schreibtisch. Die Öllampe, welche auf diesem stand war rasch entzündet und spendete so auf der Schreibfläche genügend Licht. Aus einer Truhe nahm ich mir eine frische Schriftrolle und nahm meinen Gänsekiel zur Hand, welcher bereit neben einem kleinen Behälter mit Tinte stand. Ich schrieb über seinen Vater, wie Gesetze funktionierten und vor allem... von wem die Welt in Wirklichkeit regiert wurde. Schon lange nicht mehr fiel mir das Schreiben so schwer, wie jetzt. Mein Kopf rauchte förmlich, während ich diese Zeilen schrieb, in denen es eigentlich um meinen verstorbenen Vater ging.


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    Es verstrichen einige Tage nach dieser für Avianus´ Vater unspektakulären Gerichtsverhandlung. Es war schon in der Nacht, der Arbeitstag war so stressig wie jeder im Leben als Iudex. Müde und ohne Kräfte huschte Regulus durch die Straßen der ewigen Stadt Rom. Ein verdächtiges Gefühl beschlich ihn schon die ganze Zeit über, doch er redete sich ein, es wäre nichts. Einige abgebogene Straßen später fühlte sich der Aurelier immer mehr beobachtet, sah schließlich Gestalten am hellen Schein einiger Fackeln entlang huschen. Die Schritte des Aureliers nahmen genauso wie der Herzschlag an Tempo zu. Er versuchte hektisch, sich selbst glauben zu machen, er würde halluzinieren. Doch Schritte hinter ihm ließen sein Adrenalin und seine Angst in die Höhe schnellen, welche seine Beine unermüdlich rennen ließen. Panisch rannte Regulus durch die Straßen und japste hörbar, doch kamen die Schritte immer näher. Es schien sich für ihn nicht bezahlt gemacht zu haben, dass er nicht gerade der sportlichste Mann war. Auf einmal schlug etwas Hartes auf den Kopf des Aureliers ein, als die Schritte ihn eingeholt hatten. Etwas Langes, Hartes, was den Aurelier zusammengesackt zu Boden wandern ließ. Das Blut rannte die Stirn herunter und das Leben verließ Regulus nach und nach. Die letzten Worte, die der Aurelier zu hören bekam waren: "Gute Nacht, Arschloch." und das Letzte, was er spürte ein schnelles Wühlen in der Kleidung und anschließend leere Taschen. "Catulus... Avianus..." murmelte Regulus geschwächt, ehe sich seine Augen langsam schlossen. Er starb Nachts auf offener Straße, hinterließ noch zwei Kinder. Avianus war zu der Zeit 17 Jahre alt, war seine Bulla also noch nicht allzu lange los.


    ~


    Immer schwerer fiel es mir, diese Zeilen zu schreiben und ich musste denken an die letzten Momente mit Vater. Mutter hatte bitterlich geweint, als sie die Kunde vom Tode Regulus´ erreichte und ich verkrafte es sogar heute nicht, dass er von jemandem umgebracht wurde. Von einem wildfremden, und wir wissen nicht einmal, wer es war. Wer Catulus und mich unseres Vaters beraubt hat. Ich vermisse ihn so sehr, doch ich kann ihn nicht zurückholen. Es war so schwer, den Tod des eigenen Vaters verkraften müssen. Ganz Rom schien mir auf den Schultern zu lasten. Mein Brief war kurz vor der Vollendung, als ich mich nicht mehr halten konnte und jämmerlich in Tränen ausbrach. Mit dem Tod von Vater schien ein Teil meines eigenen Lebens gestorben zu sein...




    Sim-Off:

    Fortsetzung folgt...

    Auch Avianus streckte seinen Becher Tilla entgegen, auf dass sie ihn mit kaltem Wasser auffüllen möge. Tilla machte weiterhin nicht den Mund auf, was Avianus schließlich doch zutiefst verwunderte. Sie verständigte sich nur mit Gesten, und dies ließ bei Avianus letztendlich die Frage aufkommen, ob sie überhaupt reden konnte. Und was er daraus intepretieren konnte. Doch stellen konnte Avianus die Frage noch nicht, da die beiden Vettern zunächst einmal zuvor kamen.


    "Wo mein Bruder steckt, weiß ich ehrlich gesagt gerade nicht. Er wird sich irgendwo herumtreiben.", antwortete Avianus Ursus. Dann kam er auf die Frage über den Zustand der Mutter zurück und wandte sich an Cotta.
    "Sehr wohl, wir haben sie fort gebracht. Sie bewohnt gerade eine Villa Rustica im nördlichen Spanien. Es war schon immer ihr Traum, einen eigenen Haushalt zu haben. Nun ja, Träume können auch wahr werden. Der Abschied ist schwer gefallen, aber sie wird die Zeit für sich alleine sehr wohl brauchen. Den Tod von Vater hat sie nicht sehr gut verkraftet. Sie braucht ihre Zeit.*".
    Doch der Tod von Avianus´ Vater war eine andere Geschichte, über die sich der junge Aurelier nicht auslassen wollte. Als Avianus erst langsam in das Erwachsenenalter kam, wurde sein Vater von Unbekannten umgebracht. Ein Raubmord auf offener Straße... er konnte nicht darüber reden und mochte nicht darüber nachdenken, weshalb ihm die Gelegenheit recht schien, auf Tilla umzuschwenken. Die Sache war nun schon einige Jahre her und es sollte weiterhin Gras darüber wachsen.


    "Doch sagt, Vettern...", Avianus blickte die noch blutjunge Tilla an, "Wieso redet das Mädchen nicht?".



    Sim-Off:

    *Um Avianus ein wenig Profil zu geben... hoffentlich ist das seitens von Catulus in Ordnung. :)

    Mit wachem Auge beobachtete Avianus unbemerkt die wortlose Kommunikation zwischen Ursus und Tilla. Es war doch schon eine Sache für sich, wie die beiden so einwandfrei und nur mit Gesten miteinander umgehen konnten. Tilla war schon immer eine sehr zurückhaltende und schreckhafte Frau, doch dass diese Eigenschaften bei ihr so extrem ausgeprägt waren, damit hatte selbst Avianus nicht gerechnet. Sie schien so schüchtern und verängstigt, wie sie immer wieder in den Boden starrte. Besonders die Geste, die "Wie früher als ob alles noch in Ordnung wär." symbolisierte, ließen Avianus aufblicken und ihn ratlos zu Tilla blicken. Es musste sehr viel geschehen sein, doch was genau? Avianus verstand nicht, was die beiden da miteinander austauschten. Warum redete Tilla nicht einfach? So schüchtern konnte sie doch nicht sein, oder doch?
    Wie auch immer nahm Avianus den Met mit einem dankenden Nicken an und lauschte den weiteren Worten. Ursus war sichtlich daran gelegen, dieses Etwas, was passiert war, Tilla zu erleichtern. Etwas, was Avianus nur gutheißen konnte. Irgendwie musste man diese Ängstlichkeit bei Tilla ja brechen, damit sie sich zu den anderen öffnen konnte. Doch Avianus war in solchen Sachen wohl ein schlechter Ratgeber und ließ sich bei diesen Gesprächen außen vor.


    Dann kam der Met an die Reihe. "Probieren geht über studieren.", lachte Avianus putzmunter und hoffte, die Stimmung aufzulockern. "Auf uns!", stieß der Aurelier anschließend an und nahm ganz mutig einen kräftigen Schluck Met aus dem Becher. Was anfangs nach einem recht eigenartigem Gebräu klang, entpuppte sich als recht schmackhaft. Avianus zumindest hätte noch mehr getrunken, aber er wollte den Mett zumindest verünnen, bevor dieser ihn noch wirklich aus den Calcei haute. Ob Ursus und Cotta standhalten konnten?

    Natürlich war das Thema Armut, sofern es bei den Patriziern Bestand hatte, keine Sorge der Aurelier. Die Kassen der Familie waren reichlich gefüllt, was wollte man bei Steuerfreiheit auch anderes annehmen? Natürlich vermied es Avianus, allzu laut darüber zu reden. Es war recht schön, das nötige Kleingeld für seine Vorhaben zu besitzen, aber man konnte auch schnell zur Zielscheibe für unliebsame Gauner und Verbrecher werden. Avianus´ Lippen verzogen sich zu einem lockeren Grinsen, welches unweigerlich verkündete, dass er sich nicht zu falschen Worten hinreißen ließ. "Ich sehe schon, dass du wohl nicht informiert bist über unsere Finanzlage. Man kann es dir nicht verübeln, das Wissen sei nur den Allerwenigsten gegönnt.", antwortete Avianus ironisch, während Menas ein Apfelstückchen genoss. Vielleicht konnte er den Artorier ja irgendwie ausmanövrieren, der wohl nicht gerade überglücklich war, mit Avianus zu schaffen zu haben. Lag es am gesellschaftlichen Stand oder war der Mann zu jedem so? Der Aurelier ließ sich die kandierten Früchte für später übrig, denn Vorfreude war doch bekanntlich die schönste Freude!


    Nun brüstete man sich also schon mit den Verwandten, was nicht ganz der Art des Aureliers entsprach. Avianus grinste jedoch bloß still schweigend und ließ die durchdringende Musterung geduldig über sich ergehen. Nein, er wollte selbst nur mit eigenen Erfolgen prahlen. Nicht mit jenen, die andere Vollbracht haben. Er war der Meinung, es würde ihm nicht zustehen. "Ganz unbekannt ist mir der Name nicht, jedoch kann ich nicht sonderlich viel mit dem Mann in Verbindung bringen.", äußerte Avianus schulterzuckend. Auf die Frage antwortete er wahrheitsgemäß: "Sehr wohl, das bin ich.". Wie aus der Pistole geschossen kam auch schon die Rückfrage: "Sag, Artorius Menas wer ist dein Vater? Vielleicht habe ich mehr von ihm gehört?". Mit hochgerichteter Augenbraue und weiterhin überaus skeptisch sah Avianus den Artorier an.

    Der Met kam genau rechtzeitig, um die Stimmung über Cottas wohl halb so schlimme Krankheit ein wenig aufzulockern. Nach Ursus´ Frage musste Avianus einen Moment lang nachdenken. Bei dem Wetter schien ihm der kalte Met doch durchaus passender zu sein, was der junge Aurelier jedoch nicht vor Cotta anmerken wollte, bevor sich jener benachteiligt fühlte. "Danke, ich werde den Met wohl kalt probieren.", antwortete Avianus anschließend in Vorfreude auf das Getränk.
    "Ja, du hast recht.", lachte Avianus, "Bevor uns das Zeug aus den Calcei haut, sollten wir es lieber verdünnen. Natürlich, nachdem wir es erst pur probiert haben.". Eine der Sklavinnen schien hingegen nicht gerade frohen Mutes zu sein, was man ihr unmissverständlich ansah. Mit fragenden Blicken bäugte Avianus die ihm namentlich unbekannte Tilla Romania und wartete auf den Met, auf welchen der Aurelier schon so scharf war...

    "Ohne Geld gibt´s auch keine Ware!", meinte der Verkäufer schroff und lachte anschließend hämisch über Avianus, der sich genau wie Artorius Menas eine Tüte kandierter Früchte zu kaufen versuchte. Nein, Avianus mangelte es sicherlich nicht an Geld, im Gegenteil. Es war wahrlich eine Herausforderung, einen Patrizier ohne Geld anzutreffen. Doch Avianus musste es sich leider eingestehen. Er hatte zu wenig Geld mitgenommen, so dass es für den unscheinbaren Beobachter so wirkte, dass er mit seiner weißen Toga zu viel Geld in die Kleidung gesteckt hatte und zu wenig Geld für derartige Kleinigkeiten übrig geblieben wäre. "Moment... ich finde schon noch den Quadrans, nur Geduld.", beschwichtigte Avianus den Händler und suchte hektisch in den verborgenen Stellen seiner Kleidung nach dem fehlenden Betrag. Danach durchwühlte er seine Taschen und fand zu seinen Ungunsten nichts. Keine einzige Münze. Hochrot setzte Avianus an, sich rechtzufertigen, als die ihm unbekannte Person von daneben sich zu einer großherzigen Tat bewegen ließ.


    Ungeahnt dessen starrte Avianus den Artorier gebannt an, der ihn nun aus der Patsche geholfen hatte. Der Verkäufer riss derweil gierig das Geld an sich und brummte zur Bestätigung. "Na geht doch.", merkte der Mann blöd kommend an. "Ja, ist doch endlich gut!", fuhr Avianus ihn an und ließ ihn anschließend aus der Acht, nachdem er die Tüte an sich nahm. Danach wandte sich seine Aufmerksamkeit an den unbekannten Artorier: "Salve... Tiberius Aurelius Avianus mein Name. Danke, dass du mir aus der Patsche geholfen hast. Man sollte annehmen, wir Patrizier hätten genug Geld, um so etwas zu bezahlen. Ich hatte nur nicht genügend dabei.", lachte der Aurelier scherzhaft.

    Avianus nickte lächelnd, als Ursus sein Selbstvertrauen erweiterte, von welchem er sicherlich eine Portion mehr bedurfte. Ja, so war Ursus schon immer. Derjenige mit dem stärkeren Vertrauen in sich selbst. Sogar als die beiden noch ihre Bulla trugen, war Avianus derjenige, der für seine Taten ein wenig mehr Ermutigung benötigte, der sich von Ursus im Zweifelsfall jedoch zu einer Tat ermuntern ließ. Eben auch zu jenen Streichen, die kleine Jungs zu spielen pflegten.
    Cotta indes schien erfreut über Avianus´ Geste zu reagieren, was ihn selbst nicht weniger erfreute und strahlen ließ. "Ihr habt ja recht. Danke.", bedankte sich Avianus anerkennend und leicht geschmeichelt. Avianus lebte seiner Meinung nach in einer wundervollen Familie, die einen nie im Stich ließ und unterstützte. Gerade in Zeiten, in denen man sich bewähren musste, wollte man das nicht missen. Die Worte Cottas waren es schließlich, die den jungen Aurelier in seinem Tatendrang bestärkten.


    "Das Wichtigste ist doch, dass du uns lange erhalten bleibst. Es ist allerdings trotzdem seltsam, was solch kleine Tiere anzurichten in der Lage sind.", sprach Avianus grübelnd. Die Wirkung eines kleines Mückenstichs konnte doch für Verwunderung sorgen. Die Wirkung, wie sie bei Cotta war, zeigte sich ungeahnt und schlich auf leisen Sohlen... doch Avianus wollte nicht lange über das Thema reden und schwenkte somit gekonnt auf Ursus´ nächste Äußerung ab.
    "Dann lass uns mal sehen, ob von uns Dreien jemand widerstehen kann und ob das stimmt, was du sagst!", lachte Avianus.

    Avianus bemerkte ebenfalls, dass sich hier mit Sklaven und Familienmitgliedern eine stattliche Gruppe versammelt hatte. Überraschend kam es jedoch trotzdem, dass Corvinus die Runde mit so wenigen Worten verließ. Es wirkte nahezu so, als hätte er es irgendwie eilig, schnell zu verschwinden. Fragend blickte Avianus seinem Onkel hinterher, ehe er wieder seine Aufmerksamkeit auf Ursus richtete.


    Germanien hatte der junge Aurelier noch nie gesehen, und besonders neugierig war er ebenfalls nicht auf die dunklen, dicht bewachsenen Wälder und die kalten Winter, die jemandem sicherlich nicht wenig abverlangten. Der Gedanke, durch knie- oder gar brusthohen Schnee zu waten stärkte Avianus´ Freude nach diesem Land nicht unbedingt. Ganz zu schweigen von den Wilden jenseits des Limes, von denen man selbst hier in der ewigen Stadt ab und wann zu hören bekam. Doch trotzdem verspürte Avianus eine eigenartige Neugierde über Germanien, welche ihn diesen Namen wohl fest einprägen ließ. Ursus schien wenigstens gute Erfahrungen mitgebracht zu haben. "Das hört sich ja ziemlich gut an, was du über Germanien erzählst, Vetter. Ich kann dem Land nicht viel abgewinnen, aber vielleicht habe ich selbst zu wenige Erfahrungen gemacht.", kommentierte Avianus schmunzelnd, "Den Met lasse ich mir übrigens auch nicht entgehen! Ich weiß nicht, wie das Zeug schmeckt, aber probieren geht über studieren!".
    Aegyptus hingegen schien ja mit Alexandria nicht unbedingt uninteressant, aber klimatisch das Gegenteil von Germanien zu sein. Wüste, Hitze und damit unstillbarer Durst. Das konnte sich Avianus irgendwie auch nicht vorstellen!


    Dann sprang man sofort zum nächsten Thema, der Karriere. Etwas, wozu Avianus nun nicht wirklich etwas zu sagen hätte. Er hoffte innerlich, es würde sich ändern und er würde es zu etwas bringen. Das Selbstvertrauen hatte er... hatte er jedoch auch das Können? So konnte er jetzt nur nickend zuhören, was Ursus über seine Erfahrungen im militärischen Dienst schilderte. Das, was er erzählte, klang gut. Seht gut sogar, denn wie es schien, hatte Ursus alles richtig gemacht. Avianus sollte sich vielleicht ein Beispiel an Ursus nehmen. Er wollte auch alles richtig machen und weit kommen. Das war sein Traum, doch seine Erfüllung lag in sehr weiter Ferne.
    Dann sprach Ursus Avianus an, welcher ein wenig ins Stocken geriet. Gerade zu diesem Thema hatte er nichts zu sagen und er wollte es. Er konnte nur mit Ambitionen glänzen. Unerfüllten Ambitionen. "Ähm... also... ich bin zurzeit der Scriba Personalis von Corvinus. Ich will später mein Glück im Cursus Honorum, also in der Politik versuchen und hoffe, dass ich es zu etwas bringe.", äußerte Avianus trotzig. Sein Selbstvertrauen hatte wohl doch eine kleine Lücke...
    Avianus nickte Cotta freundlich zu, als er seine "Karriere" erläuterte. Nunja, er hatte wenigstens Gründe, dass es mit seiner Chance nicht gerade geklappt hatte. Avianus hatte noch nicht einmal eine wirkliche Chance...
    Er hatte Cotta noch nicht allzu nahe kennengelernt. Doch sie waren nunmal eine Familie. Avianus sollte unbewusst der Erste sein, der die Zurückhaltung ein wenig lösen sollte und Cotta tröstend auf die Schulter klopfte. "Es wird schon wieder, Cotta. Du wirst es garantiert noch weit bringen, doch alles braucht seine Zeit. Der Dienst im Cultus ist keine schlechte Wahl. Ich kann da leider nicht hin, da ich kein Blut sehen kann. Also für die Zeremonien, die dort stattfinden leider ein schlechter Kandidat.", grinste Avianus.

    Sich ruhig zu setzen, fiel Avianus angesichts seiner Freude zwar schwer, doch tat er dies trotzdem. Ursus hatte sich ohne Widerstand umarmen lassen, doch wie war dies auch möglich, wenn ein glücklicher Avianus auf jemanden zustürmte und demjenigen gleich um den Hals fiel? Die Beziehung zwischen den beiden Vettern könnte man schon als brüderlich abtun, denn sie waren beide in Rom aufgewachsen und hatten zusammen genügend Unfug angstellt. Man wusste eigentlich nicht, welcher von den Beiden der Wildere war. Sie hatten sich regelmäßig zusammen auf Kindereien und Streiche geeinigt.
    Viel zu erzählen hatte Avianus allerdings wirklich nicht, war er doch selbst nicht allzu lange da. Mit seinem Bruder Catulus hatte er seine Mutter in ihr Neues Heim gebracht, welches weit weg von Rom war. Somit ging unglaublich viel an einen Menschen vorbei, auch wenn sich die wichtigsten Geschehenisse wahrscheinlich in der ewigen Stadt abspielten und in aller Munde waren!


    "Politisch wird dir Corvinus wohl mehr erzählen können, da ich auch nicht allzu lange da war und noch uninformiert bin. Ich war mit Catulus in weiter Ferne, um Mutter in eine neue Villa Rustica zu bringen. Sie wird es dort wohl schön haben, ohne Zweifel.". Als Avianus gerade beendet hatte, fand sich auch Cotta in die Familienrunde ein. Er entgegnete ebenso mit einem Nicken.

    "Genauso freut es mich, Vafer.", nickte Avianus und wandte sich wieder an Corvinus. Das Arbeitsfieber hatte wohl auch von ihm Besitz ergriffen und aufmerksam studierte Avianus, was Corvinus ihm vielleicht nur nebenbei in solchen Sachen beibrachte. Was da geschah, war mehr als nur kurios. Die Sache schien zu stinken bis zum Himmel. Der Mann entnahm wohl Gelder für seine eigenen Zwecke. Aus der Staatskasse, welche garantiert schon zur Genüge mit Ausgaben belastet war. Das Geld fehlte an anderer Stelle. Und wenn dieses Geld fehlte... dieses Skandal, wie Corvinus erkannte, durften sie nicht ungesühnt und schon gar nicht unaufgedeckt lassen. "In der Tat, da ist etwas faul.", bestätigte Avianus nachdenklich, "Dann lasst uns weiter suchen.".


    Wachstafel über Wachstafel stapelte sich auf der Suche nach weiteren Ungereimtheiten, bis ein kaum zu überhörbares Magenknurren ertönte und die Arbeit somit unterbrach. Avianus konnte sich denken, wo das Knurren her kam, doch sah er niemanden gezielt an. So wie Corvinus sagte, hatte Vafer sicherlich andere Qualitäten. Außerdem war er selbst auch nicht gerade satt. Auf Corvinus Frage antwortete Avianus gelassen: "Nun, Vafer und meine Wenigkeit teilen uns da eine Meinung. Wir könnten noch hier bleiben und lassen uns das Essen dann bringen. Ich für meinen Teil bin so erpocht darauf, dieses Mysterium zu lüften, dass ich nicht einmal daran denken mag, erst morgen weiterzumachen.". Das Vafer den Schlüssel für das Archiv hatte, konnte nur von Vorteil sein. Zumindest waren ihnen in solchen Belangen keine Grenzen gesetzt.

    Avianus war auch nicht in weiter Ferne, als er Stimmen vernahm und seinen Onkel mit jemandem reden hörte. Er hörte den Namen Titus von seinem Onkel rufen... war Ursus etwa aus Germanien zurückgekommen? Sofort flitzte auch Avianus in die Richtung, aus welcher die Stimmen vernahm, in der Vorfreude, seinen Cousin nach so langer Zeit wieder sehen zu können. Seine Vorahnung bestätigte sich, als er Ursus höchstselbst auf einer Bänke am Impluvium sitzen sah. Corvinus war ihm zuvor gekommen und hatte Ursus schon herzlich empfangen. Aber nun war Avianus dran.


    "Ursus, Vetter!", rief Avianus glücklich und umarmte Ursus stürmisch. Der Militärdienst in der II schien ihn verändert zu haben, genauso wie seinen Körperbau... oder war es einfach die Zeit, die verstrichen ist? "Ach Ursus! Wie ist es dir in Germanien ergangen? Hier hat was gefehlt, als du fort warst! Ich sehe schon, du scheinst abgenommen zu haben!". Nicht, dass Ursus jemals dick war. Aber man merkte doch sofort den Unterschied zwischen vor und nach der Legion. In seiner Wiedersehensfreude lachte Avianus Corvinus und seinen Cousin gleichzeitig an. Er schien das Glück in Person zu sein!
    Der junge Aurelier wandte sich an einige schaulustige Sklaven, welche sich versammelt hatten, um dem Geschehen beizuwohnen. Ursus sehnte sich sicher nach einem entspannenden Bad. "Schnell, bereitet für Ursus ein Bad vor!". Emsig gingen die Sklaven ihrer neuen Aufgabe nach.

    Durch Vafers Neugierde sah Avianus immerhin die Gelegenheit, sich endlich einmal vorzustellen, was ja immerhin besser spät als nie geschah. "Salve!", holte er nach, was er verpasst hatte, "Ich habe mich noch nicht vorgestellt, Verzeihung. Tiberius Aurelius Avianus mein Name.". Obwohl es Avianus ein wenig peinlich war, dass er nicht sofort gegrüßt hatte, vergaß er das lieber, reichte Vafer die Wachstafel, um abzulenken und setzte mit dem Geschäftlichen fort. Schön säuberlich war aufgeschrieben, was sicherlich nicht stimmte, wie es da stand. "Hier ist eingetragen, dass für die Saturnalien Geld an einem November entnommen wurde. Das kann nur falsch sein, die Saturnalien werden am Dezember gefeiert. Das ist ein wenig verdächtig...", grübelte Avianus, während er sich fragend das Kinn rieb.
    Innerlich hoffte der junge Aurelier weiterhin, dass er recht hatte. Aber er hatte wenigstens richtig erkannt, dass das Geld einen Monat zu früh aus der Staatskasse entnommen wurde. Mit fragenden Blicken sah er Vafer und Corvinus abwechselnd an und erwartete ihre Reaktionen.

    Ein reiner Fall von Glück war es, der Aurelius Avianus unbemerkt bleiben ließ, während Corvinus mit den Gedanken nicht mehr im Hier und Jetzt war und wahrscheinlich auch nichts mehr wahrnahm. Fragende Blicke erreichten Corvinus von hinter der Säule und zweifelnd schüttelte der junge Aurelier den Kopf über das, was Corvinus dort tat, bevor er die Türe schloss. Anschließend fing Corvinus an, irgendeinen Rauch einzuatmen, der sich selbst hier hinter der Säule und der geschlossenen Türe bemerk- und riechbar machte. Corvinus hatte zu viel von der Weihrauchmischung genommen, wie Avianus riechend feststellte. Doch beinahe wäre er zu seinem Onkel losgerannt, als er torkelnde, ungleichmäßige Schritte von seinem Onkel vernahm, der gerade noch Halt fand. Den Reflex, zu Corvinus zu rennen und ihn zu stützen konnte Avianus im letzten Moment unterdrücken, ehe es zu spät war. So wartete er erst noch ab und versteckte sich weiterhin mit wachen Augen hinter der Säule, obwohl er nichts sah.
    So ganz konnte Avianus nicht glauben, was Corvinus da anstellte, allerdings ahnte er es. Er war ratlos, ob er das Tun vor dem Altar unverzüglich stoppen sollte, eingreifen, bevor Corvinus sich etwas Schlimmeres antat. Wenn er jetzt nicht helfen würde... wer würde es dann tun? Nachdenklich lehnte Avianus seinen Kopf an die Säule, hinter welcher er die ganze Zeit seinen Körper gepresst hatte und schloss die Augen, sodass er Corvinus nicht mehr beobachten konnte.


    "Bei Jupiter, was soll ich jetzt machen?"
    "Was macht der denn da überhaupt?"
    "Ist er wahnsinnig? Hat etwas Besitz von ihm ergriffen?"
    "Warum tut er sich das an?"


    ... schossen dem Aurelier unkontrolliert die Gedanken durch den Kopf. Ratlos wie Avianus war, war Corvinus in einen Zustand verfallen, in dem er nicht wusste, was er tat. Er war wach und im Schlaf zugleich. Hoffentlich kam er bald zur Besinnung oder war nicht gar tatsächlich wahnsinning geworden.
    Auf einmal ertönte ein Nuscheln inmitten der Totenstille des verdunkelten Raumes, dann ein laut gesprochenes "Was guckt ihr so?", welches der Neffe selbst hinter der angelehnten Türe wahrnahm. Dies riss Aivanus von seinen Gedanken und ließ ihn erschreckt wieder hinter die Säule spähen, sich notfalls schon für eine Flucht bereitmachen. Hoffentlich wurde er nicht erwischt... doch was Avianus dann wahrnahm, sollte sich sehr lange in seinem Gehirn einbrennen. Ein Moment, der ihn ganz und gar einen Schock verpasste und das Herz aus Angst schneller schlagen ließ. Er lief mit geschmeidigen Schritten vor die Türe und spähte aus dem kleinen Spalt hinaus. Er sah Corvinus im Vollrausch, nicht mehr wissend, was er tat, kniehend und halluzinierend vor irgendwelchen Figuren. Avianus wollte losrennen und seinem Onkel ausnahmslos die Pfeife aus der Hand schlagen, um ihm zur Hilfe zu eilen, doch seine Beine wollten nicht und waren wie zwei schwere Eisenbarren, welche ihn wie angewurzelt an jener Stelle verwachsen ließen, von der sich Avianus fortbewegen wollte. Schließlich machte Avianus weite Augen, als sein Onkel völlig berauscht und besinnungslos durch den Raum taumelte und keine geraden Schritte mehr setzen konnte. Anschließend klappte der Mann zu Boden, der Avianus so viel bedeutete. "Bei den Göttern!", ertönte ein lauter, hektischer Ruf. Avianus konnte die Fassung nicht mehr bewahren und hielt entblößt die Hand vor dem Mund. Er wusste nicht, was los war, verstand nicht, warum Corvinus das tat. Innere Leere machte sich in Avianus breit. Ausgerechnet jetzt, wo alles zu spät war, wollten Avianus´ Beine sich in Bewegung setzen. Leider in die Falsche Richtung, denn in seiner Panik schlug Avianus ohne lange nachzudenken den Weg in sein Cubiculum ein. Dass er etwas Falsches tat und Corvinus eigentlich hätte helfen sollen, verstand sich von selbst. Und er wusste es. Doch der Schock war zu groß, sodass ihn nicht einmal eine wild gewordene Horde Gladiatoren gestoppt hätte. Japsend fand sich der geschockte Neffe anschließend wieder in seinem Cubiculum ein und warf stürmisch die Türe zu.

    Natürlich war es nicht so, dass die verstohlenen Blicke von Corvinus zu Avianus nicht unbemerkt geblieben waren. Aber wenn man nunmal keine Erfahrung in solchen Dingen hatte, war es am Besten, ruhig und schweigend zu lernen und die Profis nicht bei der Arbeit zu stören. Die beiden Männer beschäftigten sich mit den Wachstafeln, während Avianus über Corvinus´ Schulter blickte und nicht wusste, ob es nun für ihn noch etwas zu tun gab. Diese Arbeit war im einen Moment kompliziert, im Anderen jedoch schon wieder langweilig und durchroutiniert, stellte Avianus für sich fest.
    Als Avianus eine Wachstafel von seinem Onkel zugeschoben bekam, bestätigte sich immerhin seine Hoffnung, etwas zu tun und nicht einnicken zu können. Nickend nahm der junge Aurelier sie entgegen und las die Tafel kritisch, stellte dabei nichts weiter fest, bis...


    "Onkel...", tippte Avianus seinem Onkel aus der Versenkung auf die Schulter, "Da scheint etwas falsch zu sein, denke ich.". Erneut mit dem Gefühl der Unsicherheit zeigte Avianus mit runzliger Stirn auf besagte Stelle der Wachstafel. Dieses Mal waren Gelder für die Saturnalien entnommen worden. An einem November... da stimmte etwas definitiv nicht.