Beiträge von Louan

    Wie erwartet, war Ursus nich bester Laune. Er erwiderte meinen Gruß, sagte aber sonst nichts. Er betrachtete lange Zeit Caelyn. Es lag auf der Hand, er wartete auf ihre Entschuldigung. Meine Schwester allerdings, blieb regungslos stehen und sagte nichts. Auch als ich meinen Hädedruck etwas verstärkte, um ihr zu signalisieren, si solle doch etwas sagen. Sie tat´s aber nicht. Sie war eben ein richtiger Dickkopf!
    Mir war das alles total peinlich. Dieses Schweigen nervte mich, also sagte ich etwas.
    "Ja, öhm, was kann ich denn machen? Soll ich dort weitermachen, wo ich gestern stehen geblieben bin?"

    Ja, sie war´s wirklich! Caelyn hatte den ganzen Tag im Schuppen gesessen und ich war so blöd und hatte dort nicht nach ihr gesucht! "Nee, er hat mich nicht geschickt. Er wollte mit mir in die Stadt gehen, aber ich hab gesagt, dass ich nicht mitgehe. Wegen dir. Er hat mir alles erzählt, was los war. Hey, was machst´n du? Warum bist du nicht zu mir gekommen?" Ich legte meinen Arm um sie. Sie fühlte sich kalt an. "Komm, lass uns rein gehen! Wir geh´n auf mein Zimmer. Da können wir über alles reden." Ich zog sie sanft mit mir mit.
    "Da gibt´s nix mehr zu reden! Das was er mir angetan hat, ist nicht zu entschuldigen!" Caelyn klang sehr entschieden. So hatte ich sie nur selten erlebt.
    In meinem Zimmer angekommen, machten wir es uns auf meinem Bett gemütlich. Endlich begann sie sich mir anzuvertrauen. Sie erzählte mir alles. Wie sie diesen Probus kennengelernt hatte und wie er sie nach Hause begleitet hatte und wie sie sich dann später noch mehrmals getroffen hatten. Dann beichtete sie mir auch, wie sie den Brief an Probus geschrieben hatte, den sie versehentlich verloren hatte und der am nächsten morgen von Ursus gefunden worden war. Ich war froh, dass sie mir wieder vertraute und dieses Vertrauen wollte ich darin bestärken, indem ich ihr morgen, wenn sie sich Ursus stellen musste, helfen wollte.
    Wir hatten die halbe Nacht gequatscht, bis wir eingeshlafen waren. So wie früher, schliefen wir zusammen in einem Bett, meine Schwester und ich.
    Als der Morgen graute, wurden wir wach. Heute sollte mein erster offizieller Arbeitstag sein.


    Zusammen mit meiner Schwester gingen wir Hand in Hand zu Ursus officium. Sie wollte erst nicht. Ich aber hatte sie davon überzeugen können, dass es so für sie besser war und ich ihr beistehen wollte.
    "Guten Morgen! Hier bin ich!" Ich war mit gemischten Gefühlen in das officium eingetreten. Was in Caelyn vorging, konnte ich nur erahnen.

    "Bis morgen dann. Ich werd pünktlich sein!" Ich nickte ihm zum Abschied noch zu und ging.
    Zuerst durchstreifte ich alle Ecken des Gartens. Da wo ich mich verstecken würde, wenn ich nicht gefunden werden wollte. Nach fast einer Stunde war ich mir sicher, im Garten war sie nicht. Als nächstes nahm ich mir das Haus vor. Ich sah in der Küche und in sämtlichen Nebenräumen nach. Ich durchsuchte die Sklavenunterkünfte und sogar den Keller, ohne Erfolg. Als es dann schon langsam Abend wurde, wollte ich schon das Handtuch werfen. Ich war richtig enttäuscht! Über mich, weil ich meine Schwester nicht gefunden hatte, über Caelyn, weil sie nicht zu mir gekommen war und sich finden lassen wollte und ich war über mein neues Leben enttäuscht. Das war wohl der Preis, den ich zu zahlen hatte, so wie Ursus sagte. Wenn ja, wollte ich dann überhaupt dieses Leben? Voller Zweifel ging ich auf mein Zimmer und setzte mich auf mein Bett. Mein Gesicht vergrub ich in meinen Händen. In kürzester Zeit hatte ich es geschafft, dass sich meine Schwester von mir abgewandt hatte und sich mir nicht mehr anvertrauen wollte. Was hatte ich hier eigentlich noch verloren? War´s nicht besser, einfach abzuhauen? Auf jeden Fall musste ich an die frische Luft! Also ging ich in den Hof. Es war schon dunkel geworden.
    An die Hauswand gelehnt, sah ich hinauf zum Mond. Was Iustus jetzt machte? Wär´s nicht besser gewesen, wenn ih bei ihm geblieben wäre? Plötzlich knarrte die Tür des Schuppens, die sich wie von Geisterhand langsam öffnete. "Hallo, Caelyn!"

    Mit den Gefühlen hatte ich´s nicht so. Ich wusste nichts davon, wie es war, wenn man verliebt war. Ursus hingegen hatte seine vorgefertigte Meinung, von der er sich auch nur schwer abbringen ließ. Für meine Schwester war er gefühllos, auch wenn er sie nicht suchen ließ.
    "Ja, ich versteh!" gab ich trocken zur Antwort. Irgendwie beschlich mich das merkwürdige Gefühl, hier gerade nicht hinzugehören. Ich fand mich mehr meiner Schwester zugehörig, je länger wir über sie redeten. Sie begann mir richtig leid zu tun. Ich überlegte sogar schon, nicht mit in die Stadt zu gehen, sondern sie suchen zu gehen. Wenigsten einer würde dann normal mit ihr reden und sie nicht für das verurteilen, was sie getan hatte. Wenn ich alle Schlupfwinkel abklappern würde, dann konnte auch ich sie finden. Mit Verstecken kannte ich mich aus.
    Das mit dem Soldaten, der zwanzig Jahre lang nicht heiraten durfte, war ja einleuchtend. Das war echt hart! Hatte sie das bedacht, als sie sich auf den Kerl eingelassen hatte? Ich wusste es nicht und es war mir auch egal!
    Ja genau, Zuspruch musste ich ihr geben und das wollte ich auch tun, jetzt gleich!
    "Hör mal, sei mir nicht böse aber ich werd nicht mitgehen. Nicht heute. Ich will meine Schwester suchen. Ich glaub, sie braucht mich jetzt!"

    Nee, vergessen würde ich das bestimmt nicht! Deshalb tat es mir ja auch so leid, dass sie sich mir die letzten Wochen entzog. Früher hatte sie mir immer alles erzählt, was sie beschäftigte. Ich hatte echt Angst, irgendwas könnte einmal zwischen uns kommen.
    Ein Sklave kam zur Tür herein, den Ursus vorher gerufen hatte. Der half ihm bei dieser Toga. Echt ein krasses Teil! Das ging mir nicht in den Kopf rein, wie man sowas anziehen konnte! Da war ich heilfroh, keiner von den Togaträgern sein zu müssen!
    Nachdem der Sklave wieder weg war, hielt er mir eine eine fast väterliche Rede darüber, dass alles im Leben Konsequenzen hatte. Unwillkürlich musste ich an die Leute denken, die einmal unsere Verwandten waren und die uns so schändlich nach Mutters Tod behandelt hatten. Mussten die dafür auch bezahlen? Eher nicht. Die hatten einen Batzen Geld gespart, als sie sich davor drückten, uns durchzufüttern. Das klang alles schön und gut, was er sagte, wenn man auf der richtigen Seite im Leben stand. Zu blöd, dass Caelyn und ich auf der falschen Seite standen! Das sagte ich ihm aber nicht.
    Ich konnte ja verstehen, dass ihre Taten auf ihn zurück fielen. Aber verdammt nochmal, was hatte sie denn schlimmes getan? Sie hat sich in so ´nen Typen von der Legion verliebt. Mehr nicht! Sie war eben auch nur ein Mensch.
    "Ich kann das verstehen und auch dass du wütend auf sie bist, aber hast du dich jemals gefragt, wie sie sich dabei fühlt? Sie ist ein Mensch, der Gefühle hat. Gut, früher hat sie jeden Kerl, der ihr zu nahe gekommen ist, in die Flucht geschlagen. Aber sie ist älter geworden und reifer. Jetzt hat sie sich zum ersten mal verliebt und auch noch ausgerechnet in den Falschen. Was glaubst du, wie´s ihr jetzt dabei geht. Ich bin mir sicher, sie weiß, dass sie ´nen Fehler gemacht hat. Aber das was sie jetzt braucht ist Zuspruch und keine Ablehnung." Oh Mann, ich war ja selbst über mich überrascht, wie ich so daher laberte, fast wie so einer, der davon was verstand. "Du fragst mich, ob man ihr vertrauen kann? Wenn ich ihr nicht schon vertraut hätte, ware ich heute nicht hier!" Das war meine Meinung dazu.
    Da ich mich ja nicht in so eine Toga werfen musste, war ich bereit, zu gehen. Heute war es so warm, da brauchte man keinen Umhang oder Mantel.

    Das war echt ein guter Vorschlag. Ich hatte sowieso keine Nerven mehr dafür, um mich auf die Wachstafeln und Schriftrollen zu konzentrieren. In der Stadt konnte man ja auf andere Gedanken kommen und wenn wir zurück waren, war dann Caelyn auch wieder da. Das war zwar nur so ein Wunschgedanke, denn ich kannte meine Schwester.
    Ich hatte die Wachstafeln endgültig auf einen Stapel gelegt. Morgen wollte ich daran weiter arbeiten. Ursus Frage, wie Caelyn früher war, kam für mich etwas überraschend. Seitdem ich hier war, hatte ich gar nicht mehr so oft an früher gedacht. Ich war richtig ernst geworden, denn das Kapitel unseres Lebens war, war bisher das dunkelste gewesen.
    "Meine Schwester ist der wichtigste Mensch für mich, seitdem unsere Mutter gestorben ist. Ohne sie wäre ich wahrscheinlich längst tot. Sie war damals für mich da und dafür gesorgt, dass wir nicht verhungerten. Als Mutter plötzlich nicht mehr da war und wir aus heiterem Himmel kein Zuhause mehr hatten, hatte ich das erst nicht verstanden. Ich war damals noch klein und meine Schwester war damals auch noch ein Kind. In der Zeit, als wir eine Mutter oder einen Vater dringend gebraucht hätten, waren wir auf uns alleine gestellt. Caelyn hat es immer wieder geschafft, uns über Wasser zu halten. Und ja, ab und zu hat sie deswegen auch Schwiergkeiten bekommen. Aber das, was sie getan hat, hat sie nie nur für sich alleine getan. Wenn sie´s nicht getan hätte, wären wir heute mit Sicherheit tot. Deshalb bin ich ihr für alles dankbar." Das war meine Überzeugung und dazu stand ich. Klar, meine Schwester hatte ihre Fehler und manchmal konnte sie einem echt in den Wahnsinn treiben, aber sie war meine Schwester.

    Oha, der war jetzt aber richtig sauer, als ich alleine wieder kam und ihm sagte, daß Caelyn nicht auffindbar war. Aber das war mal wieder typisch Caelyn! Wenn ihr was nicht passte, dann konnte sie manchmal tagelang schmollen und auch genauso lange weg bleiben. Für mich war das jetzt ganz schön heikel. Zum einen war sie ja meine Schwester, für die ich alles tun wollte, um ihr zu helfen. Aber jetzt konnte ich auch Ursus nicht im Stich lassen. Das wäre überhaupt nicht fair ihm gegenüber gewesen. Oh Mann, echt schwierig das ganze!


    Ich goss Ursus etwas zu trinken ein und reichte es ihm.
    So richtig konnte ich mich jetzt gar nicht auf das Forum freuen. Meine Schwester geisterte in meinen Gedanken herum. So konnte ich keinen klaren Gedanken mehr fassen. Ich legte die Wachstafel, die ich gerade studiert hatte, beiseite. "Was glaubst du, wo sie steckt? Meinst du, sie ist abgehauen? Früher hat sie so was auch gebracht, dann war sie manchmal tagelang weg." Sie war ja hoffentlich nicht so blöd, um wirklich abzuhauen. Seltsam war´s aber schon. Ich hoffte, sie würde mir zuerst über den Weglaufen, bevor sie auf Ursus traf. Dann musste ich unbedingt mit ihr reden.

    "Ja, ist gut!" Ich ging zur Tür hinaus und sah mich nach meiner Schwester um. Aber sie war nicht da. Dann ging ich zur Küche, um dort nachzusehen. Doch auch hier war sie nicht. Ich fragte nach, ob jemand meine Schwester gesehen hatte. Niemand konnte mir aber eine stichhaltige Antwort geben. Das war jetzt echt blöd! Eigentlich wollte ich ja nicht so lange von meiner Arbeit fernbleiben. Ein Junge, der gerade aus dem Garten kam und den ich nach meiner Schwester fragte, konnte mir auch nichts genaues sagen. "Hast du schon im Hof nachgesehen?" Nee, da war ich noch nicht gewesen! "Danke! Das mach ich gleich mal!"
    Im Hof war niemand nur einige Hühner, die fleißig ihrem Hahn nachrannten, gackerten fröhlich herum. Von Caelyn aber blieb keine Spur. Vielleicht sollte ich einfach mal nach ihr rufen. "Caelyn! Wo bist du? Caelyn!" Niemand rührte sich auf mein Rufen hin. Das war doch ganz schön eigenartig! Was sollte ich jetzt bloß machen? Zurück zu Ursus gehen und sagen, Caelyn sei nicht da? Mir blieb nichts anderes übrig.
    Unterwegs besorgte ich dann noch was zu trinken. Ich sagte in der Küche bescheid, man sollte uns noch etwas Obst und Gebäck bringen. Die Getränke nahm ich selbst mit und trug alles mittels eines Tabletts in Ursus´ officium.
    "Ich konnte Caelyn nicht finden. Weiß nicht, wo sie steckt." Ich stellte das Tablett ab, wo es nicht störte und schenkte mir etwas Wasser, vermengt mit Saft ein. "Magst du auch was?"

    Oha! Hatte ich jetzt was Falsches gesagt? Der guckte ganz böse! Ich hatte zwar eine ganze Menge gesagt, aber doch nichts, womit ich den Bibliothekar hätte beleidigen können. Seiner Aufforderung folgend, setzte ich mich. Oh Mann, der war sauer, weil ich den Griechen falsch ausgesprochen hatte! Logisch, das war´s! Nee, doch nicht! So´n Mist! Das war gar nicht der Bibliothekar! Das war Marcus Aurelius Corvinus! Aha, und musste ich jetzt Angst haben? Keine Ahnung, wer Marcus Aurelius Corvinus war! So wie er sich aufplusterte, musste er hier aber was zu melden haben. Na toll und ich labere ihn mit irgendeinem Schwachsinn voll!
    "Ich ja, öhm, nein! Ach so´n Mist! Tut mir echt leid! Wirklich!" Ich kam mir richtig blöd vor. Es wunderte mich nicht, wenn ich jetzt im hohen Bogen aus der Bibliothek geworfen worden wäre. Einen letzten Versuch hatte ich aber noch, bevor ich meinen Freiflug antrat. "Ja, also ich bin mit Titus Aurelius Ursus aus Germanien gekommen und seitdem wohne ich wirklich hier! Ehrlich! Aber ich bin natürlich kein Germane, nee bloß nicht! Igitt! Nee, ich komme aus Gallien, aus Augustodunum, ums genau zu sagen. Und damit ich demnächst mit einer Ausbildung beginnen kann, muss ich eben lernen! Da wollt ich eben am Besten mit dem Anfang anfangen." Na hoffentlich ließ Marcus Aurelius Corvinus das durchgehen, sonst hatte ich ein echtes Problem!

    "Ach ja! Jetzt wo du´s sagst! Danke." Langsam aber sicher stieg ich hinter das System und wenn man´s wusste, wie´s ging, war´s umso einfacher. Die Täfelchen sah ich mir dann auch tätsächlich mal genauer an.
    Das musste so eine Art Aufstellung sein. Seine Ausgaben wahrscheinlich, die er in Germanien hatte. Jungejunge, da kamen ja riesen Summen zusammen! Davon konnte man ja nur träumen. Da war auch das Kleid aufgeführt, das Caelyn gekriegt hatte. Ach ja Caelyn! Meine Schwester war jetzt schon lange nicht mehr hier gewesen. So langsam machte ich mir Sorgen um sie. Besser, ich schaute mal nach! Außerdem hätte ich jetzt auch was trinken können! Das viele Sortieren und Lesen machte auf die Dauer durstig. Bei dieser Gelegenheit konnte ich auch mal nach meiner Schwester sehen. Ich war im Begriff zur Tür zu gehen, als ich nochmal zu Ursus rüber schaute.
    "Öhm, ich würd mir gern was zu trinken holen. Soll ich dir was mitbringen?" Mir machte das überhaupt nichts aus. Früher war auch keiner da gewesen, der mir mein Essen und Trinken brachte.

    Ja, ja, die alten Leutchen! Der Bibliothekar war auch nicht mehr der Jüngste! Schätzungsweise zehn Jahre älter als ich oder sogar noch älter, war er mit Sicherheit. Klar, da kommen die Schallwellen halt immer mit einer Verzögerung am Ohr des Betreffenden an. Aber sonst hatte ich mich in ihm nicht getäuscht! Der wusste gleich, was Sache ist! "Genau die! Klasse Mann, du kennst dich richtig gut aus! Da bin ich ja gut bei dir aufgehoben!"
    Anscheinend gab´s für den gleichen Text zwei Typen, die ihn verfasst hatten. Wie ging das denn? Die hatten doch nicht von einander abgeschrieben? Früher in der Schule war so was strengstens verboten! Da hatte ich einen besonders fiesen Lehrer gehabt, der mir mit seinem Stock immer auf die Handinnenfläche schlug, wenn er mich beim abschreiben erwischte. "Blutarsch? He? Is ja echt voll krass!Aber öhm, ja! Ich glaub das war er, den ich suche!" Mannmann, warum hatten diese Griechen nur so kaputte Namen?
    Der Bibliothekar wies auf ein Regal hinter mir. Aber noch ehe ich mich umdrehen konnte, faselte er was von öffentlicher Bibliothek und so. Eigentlich war das ja auch einleuchtend. Der Typ kannte mich ja auch gar nicht. Es konnte ja auch sonst wer hier hereinschneien und behaupten, er suche die Abschrift der Sage von Remolus und Dingsda.
    "Ja, also mein Name ist Louan und was ich hier im Haus mache? Naja, ich wohne hier! Allerdings erst seit Neuestem! Deswegen kennst du mich auch noch nicht. Aber ich werde in Zukunft jetzt öfters hier sein. Ja! Nämlich jeden Tag! Ich muss lernen, verstehst du? Verdammt viel lernen!" Oh ja! Das musste ich wirklich und mir graute es auch schon, wenn ich die vielen tausend Schriftrollen in den Regalen sah. Aber mit so einem fähigen Bibliothekar an der Seite, konnte ja nix schiefgehen!

    Caelyn sollte mich wecken, aha! Ich wusste ja, wie ungern meine Schwester früh morgens aufstand. Hoffentlich ging das gut!
    "Gut, dann kann ich ja gleich anfangen!" Ich sah zu der Kiste hinüber und nickte. Ordnen, sortieren, das war ja bestimmt einfach! Jetzt musste ich mir nur noch merken, was wohin kam und wie ich die Unterlagen sortieren sollte. Naja, notfalls konnte ich ja auch nochmal nachfragen.


    Ich wartete nicht lange, sondern ging gleich ans Werk. Die besagte Kiste holte ich mir her und stellte sie neben dem Scheibtisch ab. Dann begann ich alles nacheinander auszuräumen. Dabei achtete ich auch gleich auf diese blauen Markierungen. Das waren die Schriftrollen für die Bibliothek. Die Wachstafeln musste ich mir erst genauer betrachten, um feststellen zu können, wohin ich sie ablegen musste. Beim lesen tat ich mir noch etwas schwer. Ich brauchte etwas länger, um herauszufinden, was darauf geschrieben stand. Auf jeden Fall war ich voll bei der Sache und versuchte, alles richtig zu machen. Als ich bei einer Tafel nicht mehr so ganz weiterkam, musste ich dann doch fragen. "Öhm, Entschuldigung! Da sind lauter Zahlen drauf. Gehört das zur Buchführung? Ich komme da nicht mehr so ganz weiter!"

    Die verdammte Tür klemmte! "So´n Mist! Na los, geh schon auf, blödes Ding!" Kaum hatte ich das gesagt, schaute ich mich auch schon nervös um. Zum Glück war Ursus nicht in der Nähe. Erst gestern hatte ich ihm ja versprochen, mir eine gewähltere Sprache zuzulegen. Eben so, wie die feinen Pinkel daherquatschten. Ich merkte aber schon bald, wie steinig und schwer dieser Weg war.
    Tja, also da wollte ich mal in die Bibliothek und was war? Die Tür ging nicht auf. Ich zerrte solange am der Klinke, bis sie sich mit einem ziemlich unangenehmen Quietschton öffnete. "N´Paar Tropfen Öl wirken auch Wunder," murmelte ich in meinen nicht vorhandenen Bart.
    Aha, das war sie also, die Bibliothek! Echt beeindruckend, die vielen Schriftrollen. Es roch auch schon so nach geballtem Wissen. Wehe, wenn einer mal auf die Idee kam, hier ein Feuerchen zu machen!


    Ich hatte ja überhaupt keinen Plan, wo ich denn jetzt anfangen sollte. Gab´s hier nicht so was, wie ein Bibliothekar, der wusste, wo was steht? Was war denn mit dem Typen, der da am Tisch saß uns las?
    "Tach Meister! Hör mal, kannst du mir vielleicht weiterhelfen? Ich such was und weiß gar nicht, wo ich mit suchen anfangen soll." Ich war mir ja nich so ganz sicher, ob das auch wirklich der Bibliothkar war. Wer aber sollte denn sonst auf die Idee kommen, am hellichten Tage in einer Bibliothek zu sitzen und zu lesen? Logisch, der Bibliothekar, wer denn sonst!
    "Also ich such den, öhm, den... na wie heißt er denn noch gleich? Na der Typ der die Geschichte von den beiden Typen geschrieben hat, die öhm , na wie Rom gegründet wurde. Irgendso´n Grieche, glaub ich." So was blödes auch! Die Fähigkeit, mir Namen merken zu können, musste ich unbedingt noch verbessern. Ständig vergas ich diese komischen Namen und Bezeichnungen. Das war ein echtes Problem! Aber der Bibliothekar, sah ganz pfiffig aus. Der konnte mir garantiert weiter helfen.

    Na siehste!Nein, ich sprach es nicht aus, ich dachte es nur. Das war doch echt beruhigend, wenn er es mit mir versuchen wollte. Dass ich konnte, wenn ich wollte, hatte ich ja schon bewiesen, sonst hätte ich noch immer in der Gosse gesessen.
    Sein Angebot hatte wirklich Hand und Fuss, morgens arbeiten, nachmittags lernen. Damit war ich einverstanden.


    Der Aurelier hielt mir seine Hand entgegen, damit ich einschlagen konnte. Klar, ich wusste, was so ein Handschlag zu bedeuteb hatte. Das war nicht nur so ein dummes Geschwätz, nein das war eine echte Abmachung unter Männern!
    Ohne zu zögern, schlug ich ein. "Genauso machen wir´s! Wann soll ich morgen früh antreten, oder soll ich gleich da bleiben?" Von mir aus hätte ich sofort anfangen können. Lieber früher, als später! Jetzt konnte ich wenigstens ohne schlechtes Gewissen, hier wohnen und essen. Schade, dass Caelyn nicht da war. Sie hätte sich bestimmt für mich gefreut!

    Ursus nickte. Er hatte verstanden, was ich sagen wollte. Zum Glück! Ich war ja froh, hier sein zu dürfen, aber geschenkt haben, wollte ich nichts!
    Sein Vorschlag, den er mir unterbreitete, hörte sich da dann schon wesentlich besser an! So eine Art Assistent, das klang richtig gut und machte auch was her. Botengänge, ihn in die Stadt begleiten und ihm bei seiner Arbeit zu helfen,das war überhaupt kein Problem für mich! Klar, das konnte ich machen!
    "Ja also, das finde ich gut! Ja, so was kann ich machen! So als dein Assistent."
    Jetzt war ich schon wesentlich erleichterter, als ich es heute morgen gewesen war. Was er allerdings gegen meine Sprache hatte, konnte ich mir nicht so richtig erklären. Ich sprach doch fast akzentfrei! Na schön, gelegentlich brach mein gallischer Dialekt durch. Aber so schlimm war das doch auch wieder nicht. So geleckt, wie diese hochnäsigen Typen, sprach ich natürlich nicht! Konnte man so was überhaupt lernen? Mit dem benehmen sah ich eigentlich auch keine Schwierigkeiten.
    "Ja, gut! Das mach ich. Das mach ich sogar gern! Und das mit der Sprache, naja, muss ich mich noch ein bisschen anstrengen. Benehmen kann ich mich, das ist überhaupt kein Problem!"

    Die ganze Zeit mit lernen verbringen? Wenn er meinte! Ich war ja eher der praktische Typ, der immer was zu tun haben musste. Diese Frau, die er da erwähnte kannte ich auch nicht. Da musste ich Caelyn mal fragen. Vielleicht kannte sie sie ja. Wenn die wirklich so gebildet war, dann konnte sie mir vielleicht auch helfen. Das verstand sich ja von selbst, dass ich mich dahinter klemmen würde und lernen wollte, was das Zeug hielt.
    "Naja, ich kann´s ja mal mit ihr probieren. Wenn jemand da ist, der mir helfen kann, umso besser! Dann krieg ich sicher auch diesen Cursus, öhm, na du weißt schon, was ich meine, hin!" Was mich aber trotzdem noch weiter beschäftigte, war die Tatsache, dass ich die ganze Zeit hier umsonst leben konnte. Das war mir gar nicht so recht! Ich wollte in niemandes Schuld stehen.
    "Hör mal, kann ich mich hier nicht etwas im Haus nützlich machen, so nebenbei, zum lernen. Ich mag das nicht, wenn ich hier wohne und muss nichts dafür bezahlen. Da komm ich mir irgendwie so vor, wie einer der, naja nur rumschnorrt! Das will ich nicht!" Außerdem fand ich es meiner Schwester gegenüber nicht gerecht. In ihrer Gegenwart wollte ich nicht auf der faulen Haut liegen. Sie hatte ihr halbes Leben auf mich geachtet und hätte sicher eine Menge für mein Wohlergehen gegeben, wäre das in Gefahr gewesen.

    Naja, das klang ja einleuchtend. Wegen dieser Geschichte zwischen meiner Schwester und dem Soldaten gab´s absolut nichts mehr zu rütteln. Jedenfalls war das Ursus´ Meinung. Ich konnte da ja nicht mitreden. Ich war noch nie verliebt gewesen und konnte auch nicht richtig nachvollziehen, warum sich meine Schwester so komisch benahm. Darum ließ ich das Thema erst mal ruhen. Es gab ja auch wichtigeres als das.
    Wenn ich erst mal Geld verdienen konnte, dann half das ja auch meiner Schwester. Deswegen wollte ich gar keine Zeit mehr verlieren und so schnell wie möglich, etwas Sinnvolles machen. Ich hörte mir an, was der Aurelier mir zu sagen hatte. Klar, es war schon eine Ewigkeit her, seit ich zum letzten Mal eine Schule von innen gesehen hatte. Schreiben konnte ich ja, rechnen auch. Das Lesen machte mir noch Schwierigkeiten. Wenn man so lange auf der Straße gelebt hatte, wie meine Schwester und ich, gab´s eben keine große Gelegenheit zum lesen.
    "Ja, denn werd ich diesen Cursus dingsda mal machen! Wann geht´s los? Ach ja und kann ich bis dahin nicht schon was anderes machen?" So ein bisschen Bildung konnte ja wirklich nicht schaden! Ich hatte überhaupt keinen Zweifel, daß ich diesen Cursus nicht schaffen konnte. Dafür wollte ich hart arbeiten, wenn´s sein musste.

    "Aha," stellte ich erstaunt fest. Das war ja mal was Neues! Caelyn hatte sich also verliebt! Komisch, so was hatte sie doch früher nie gemacht. Jedem Kerl, der ihr zu nahe kam, hatte sie das Fürchten gelehrt. Ich wusste nicht so richtig, was ich darauf sagen sollte. Ich war ja noch nie verliebt gewesen. Das war sowieso irgendso ein Weiberkram, von dem ich nichts verstand.
    "Ja und jetzt?" Ich wusste ja, das klang reichlich naiv, aber hätte sie sich nicht in einen anderen Kerl verlieben können? Und konnte man auch einfach so aufhören, verliebt zu sein?


    Das allles verunsicherte mich doch sehr. Zum Glück war das nicht der eigentliche Grund meines Besuches gewesen. Deswegen versuchte ich auch gar nicht mehr so viel über Caelyn nachzudenken, obwohl es mich noch eine ganze Weile beschäftigen würde.
    "Ja ,also ich wollte dich fragen, ob du mir behilflich sein kannst, wegen einer Arbeit und so. Ich weiß nicht, wie ich das anstellen soll." Ewig wollte ich ihm ja nicht auf der Tasche liegen. Ich wollte so schnell, wie möglich, eigenes Geld verdienen, alleine schon wegen meiner Schwester.

    Es brauchte nicht lange, bis ich merkte, dass es Ärger gegeben haben musste. Das bestätigten mir dann auch die Andeutungen des Aureliers. Warum und weshalb Caelyn ihn in den Wahnsinn trieb, hatte er aber nicht verraten, aber ich konnte mir schon denken, warum. Schließlich kannte ich meine Schwester ja schon einige Jahre länger, als er. Ich wusste ja, meine Schwester konnte gelegentlich eine echte Nervensäge sein. Das war auch früher schon so gewesen. Wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann musste es genau so gemacht werden, ohne Rücksicht auf Verluste.


    "Caelyn weicht mir auch schon seit Wochen aus. Seitdem wir Germanien verlassen haben. Ist ist immer so betrübt. Ich dachte, sie freut sich, weil ich doch jetzt bei ihr bin. Aber sie redet kaum noch mit mir. Nur das allernotwendigste. Ich kann´s mir gar nicht erklären!" Ihr Verhalten hatte mich schon nachdenklich gemacht, denn so kannte ich sie überhaupt nicht. Irgendetwas musste doch passiert sein!


    Vielleicht war jetzt auch ein vollkommen ungeeigneter Augenblick, in Ursus Büro hereinzuschneien. Er hatte jede Menge Papierkram auf seinem Schreibtisch liegen. Wahrscheinlich störte ich nur.
    "Öhm, soll ich dann später noch mal kommen?" Mir war das ja jetzt total peinlich. Erst hatte er Ärger mit meiner Schwester und jetzt stand ich auch noch vor der Tür, um ihn zu behelligen. Es war bestimmt, besser, später noch einmal zu kommen und sich jetzt um Caelyn zu kümmern.