Nach vielen Jahren, hatte ich zum ersten Mal wieder das Gefühl, mein Leben könnte doch noch einen Sinn haben. Ich war so froh, von Iustus eine Chance bekommen zu haben. Die wollte ich natürlich nicht kopflos aufs Spiel setzen, indem ich ihn im Stich ließ oder sogar enttäuschte. Er hatte dafür gesorgt, dass ich wieder ordentliche Kleidung trug und wieder wie ein Mensch aussah. Er war es auch gewesen, der mir eine neue Perspektive gegeben hatte. Ich war nicht mehr auf die Bettelei und aufs Stehlen angewiesen. Für meine Arbeit in seinem Laden zahlte er mir einige Sesterzen und gab mir die Lebensmittel vom Tag mit, die nicht verkauft worden waren. So konnte ich einen Teil meines Lohnes sparen. Wenn ich gewollt hätte, hätte ich sogar bei ihm übernachten können. Das lehnte ich jedoch ab. Ich zog es vor, in meinem Unterschlupf zu übernachten. Insgeheim hoffte ich immer noch, meine Schwester würde doch wieder zurück kommen. Mein Hoffen blieb aber unerfüllt.
Eines Abends, ich war nach getaner Arbeit auf dem Nachhauseweg, fiel mir so ein Kerl auf, den ich nicht kannte. Ich hatte so das seltsame Gefühl, als wolle der etwas von mir. Er versuchte zwar nicht aufzufallen, aber ich wusste genau, was los war. Gerade war ich in eine enge Gasse eingebogen, die unweit meines Unterschlupfes war, kam mir ein zweiter Mann entgegen kam. Zuerst wollte ich noch flüchten. Mein Bein machte mir aber zu schaffen. Die beiden Männer packten mich. Einer hielt mich fest , indem er mir meine Arme auf dem Rücken gebogen hatte , der Andere hielt seine Hand auf meinen Mund und fuchtelte mit einem Messer in der anderen Hand vor meinen Augen herum. "Schönen Gruß von Bran! Deine Schwester, diese verlauste Göre, schuldet ihm noch was! Er hätte jetzt gerne mal sein Geld geseh´n! Wo ist sie eigentlich?"
Jetzt war mir alles klar! Die zwei Kerle hatte Bran geschickt! Bran, war ein mieser gemeiner Dieb, der alle, die wie meine Schwester und ich auf der Straße lebten, erpresste und bedrohte. Was hatte Caelyn nur mit ihm zu schaffen gehabt?
Der Kerl hatte seine Hand von meinem Mund genommen, damit ich antworten konnte.
"Caelyn is nich da! Ich weiß nich, wo sie is! Seit Herbst is sie weg! Was wollt ihr schmierigen Kerle von ihr?" Der Kerl mit dem Messer sah mich auf diese unangenehme Weise an und zeigte mir erneut sein Messer. "Hör zu, ich hab keine Zeit für so ´nen Scheiß! Wenn deine Schwester nicht da ist, dann fallen ihre Schulden auf dich! Also her mit der Kohle, sonst !" Er demonstrierte mir, was er mit seinem Messer machen wollte, indem er es mir ganz dicht an meinem Hals entlang führte.
"Sie schuldet euch Geld? Wie viel? Und wofür wollte sie das?" Ich konnte mir wirklich nicht vorstellen, warum sie den Kerlen Geld schuldet. Die Beiden sahen aber auch nicht so aus, als hätten sie große Lust darauf, Fragen zu beantworten!
"Hör zu Kleiner, ich hab keine Ahnung, was sie mit dem Zaster getrieben hat. Ich weiß nur, dass du jetzt fünfhundert Sesterzen rüberwachsen lässt, sonst machst du mit meinem Messer Bekanntschaft!" Fünfhundert Sesterzen! Ich verstand nichts mehr! Wofür hatte sie soviel Geld gebraucht? So viel hatte ich überhaupt nicht! Es würde Wochen oder sogar Monate dauern, bis ich soviel beisammen hatte!
"Fünfhundert? Wieso soviel? So viel Geld hab ich nich! Das was in meiner Tasche is, is alles, was ich hab!" Der Kerl lachte mir dreckig ins Gesicht. "Eigentlich waren´s nur zweihundert, der Rest sind die Zinsen! Verstehst du?" Er griff nach meinem Geldbeutel und nahm mir alles, was ich in den letzten Wochen verdient hatte und eigentlich sparen wollte.
"Du arbeitest doch jetzt bei diesem Römer! Iustus heißt er. Na schön! In Zukunft wirst du für uns arbeiten! Das was du bei Iustus verdienst, kriegen wir und du wirst uns für besondere Aufträge zur Verfügung stehen, bis deine Schuld abgearbeitet ist. Sonst… du weißt ja, was dann passiert! Und du möchtest doch nicht, das dem alten Iustus was passiert, oder?"Ich war schweißgebadet und sagte zu allem nur noch ja. Diese Kerle meinten es ernst, was sie sagten.
Bevor sie mich endlich laufen ließen, scheuerte mir der Kerl mit dem Messer noch eine. Dann waren sie weg und ich versuchte so schnell wie möglich in meinen Unterschlupf zu kommen.
Am nächsten Tag ging ich, wie gewöhnlich zur Arbeit. Allerdings erwähnte ich gegenüber Iustus nichts. Ich wollte ihn da nicht auch noch mit hineinziehen.