Der Wald war hell und freundlich, die Blätter waren vom hellen Grün des Frühlings und Sonne brach hier und dort durch die Zweige. Überall war Leben im Wald, Vögel sangen in den Ästen, und überall huschte etwas durchs Unterholz, aber nicht bedrohlich, nur neugierig.
Axilla saß auf einem Ast, gelehnt an einen großen Baum. Es war ihr Baum, das wusste sie. Ihr Halt, ihre Stärke, ihr Schutz. Ihr Leben. Sie trug eine ganz kurze Tunika, aber es störte nicht weiter. So konnte sie mehr von der rauen Rinde ihres Baumes fühlen. In ihrem Haar war eine Krone aus Laub. Aber auch das war nichts, worüber sie sich wunderte. Nicht einmal, dass ihre Haut einen goldgrünen Schimmer hatte wunderte Axilla. Schließlich musste das bei einer Dryade alles so sein. Und hier bei ihrem Baum in ihrem Wald fühlte sie sich sicher und geborgen, denn nichts konnte ihr hier gefährlich werden. Nicht, solange sie bei ihrem Baum war.
Sie schloss leicht die Augen und hörte den Vögeln in den anderen Bäumen zu, lauschte dem entfernten Lachen der anderen Dryaden, die hier ihre Bäume hatten. Auch ihnen konnte nichts passieren bei ihren Bäumen.
Sie döste und lauschte und genoss die warme Sonne auf ihrer Haut, als sie etwas hörte. Ein Knacken im Unterholz, nicht weit von ihr, mehr als das Rascheln der kleinen, dahinhuschenden Tiere. Sie sah neugierig hinunter, und sah einen Centauren. Er hatte eine lange, blonde Mähne und falbenfarbenes Fell. Er suchte wohl etwas, denn er irrte im Kreis herum, immer wieder an ihrem Baum vorbei. Sie beobachtete ihn eine Weile, und rief dann hinunter.
“Was machst du da unten?“
“Ich suche den Weg zum Palast“, klang es zurück. Er schaute hoch. Seine Augen waren grün, aber nicht ganz. Es war, wie wenn man von hier nach oben ins Blätterdach schaute, irgendwo zwischen dem hellen grün des Laubes und dem hellen Blaus des Himmels dahinter. Anders als ihre Augen, die mehr von dem satten Grün des Waldbodens hatten, wie das Moos an den Bäumen oder die feinblättrigen Pflanzen des Unterholzes.
Axilla legte den Kopf schief und besah sich den Eindringling in ihren Wald.
“Der ist da hinten“, zeigte sie mit ihrem Arm. Der Centaure folgte mit dem Blick der Bewegung und tänzelte leicht auf dem Waldboden, wie ein aufgeregtes Füllen. Axilla musste leicht lachen, es sah so witzig aus.
“Komm, bring mich hin. Du darfst auch auf mir reiten“, versprach der Centaur plötzlich und lachte sie zurück an. Er sah zu ihr hoch, so fröhlich und jung. Er streckte ihr die Arme entgegen, als wolle er sie auffangen.
Axilla schaute hinunter, hielt sich mit einer Hand an der Rinde ihres Baumes fest. Sie blickte den Weg entlang, er war so dunkel und weit. Sie wollte nicht von ihrem Baum weg.
“Ich will nicht von meinem Baum weg.“
Sie wollte wirklich nicht von ihrem Baum weg. Sie hatte Angst, ihn zu verlassen, Angst, ihn zu verlieren.
“Es ist doch nicht weit, und wir kommen ja auch wieder zurück. Bitte, hilf mir.“
Axilla schaute sich den Centauren eine Weile genau an. Er schaute nur freundlich und ehrlich zu ihr zurück, lächelte sie an. Ganz vorsichtig stieg sie den Baum runter. Der Waldboden fühlte sich seltsam an unter ihren Füßen, so kühl und fest. Anders als die Äste oben im Baum. Ihre Hand blieb an der Rinde, sie ging nicht vom Baum weg.
“Ich will meinen Baum nicht verlassen. Wenn ich gehe, wird er weg sein, wenn ich wiederkomme. Ich will nicht, dass er stirbt.“
Der lächelnde Centaur sah sie seltsam an, und schüttelte dann leicht den Kopf.
“Dann komm ich dich besuchen, bei deinem Baum.“
Axilla wachte auf. Es war kurz vor Morgengrauen. Ihre Schenkel spannten noch ein wenig vom gestrigen Ausritt mit Rufus. Verwirrt lag sie einen Moment einfach da und fühlte hinter sich, ob dort nun Rinde oder ihr Bett waren. Aber es war das mit Leinen bespannte, weiche Heu und Stroh. Und auch war weit und breit kein Centaure.
Es war zu früh zum aufstehen, aber Axilla war wach. Einschlafen war undenkbar. Sie starrte also einfach vor sich hin und hoch an die Decke, beobachtete, wie die Schatten zurückwichen, erst zu hellem grau wurden, bis die Sonne aufging und alles in weißgoldenes Licht tauchte. Es war ein sehr seltsames Gefühl, dieser neue Tag.