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Kephalos hatte einige helfende Hände in seinem kleinen Betrieb, und heute waren sie alle zusammengerufen worden. Fünf junge Burschen gingen ihm zur Hand, ihre Familien hatten ein ordentliches Lehrgeld an ihn gezahlt, damit sie von ihm lernten. Und heute würden sie einiges an theoretischem Wissen lernen können, denn der Zustand des Tempels bot eine Hülle an Möglichkeiten. Fehler waren immer am anschaulichsten, denn keiner vergaß, die Statik zu prüfen, wenn man schonmal gesehen hatte, wie ein Bau in sich zusammenkrachte, oder vergaß, Winkel auszumessen, wenn das Mauerwerk nicht passte. Fremde Fehler waren zwar nicht so lehrreich wie eigene Fehler, dafür aber auch weniger kostspielig.
Mit dem Tempelvorsteher hatte Kephalos noch am Abend zuvor gesprochen, dass sie heute hier Untersuchungen vornehmen würden. Natürlich so, dass sie den Tempelbetrieb möglichst wenig stören würden, weshalb sie die erste Morgenstunde für das rituelle tägliche Opfer an Ares hatten verstreichen lassen, aber den einen oder anderen Schritt durch die heiligen Hallen würden sie machen müssen. Vor allem, da sie in wirklich jeden Raum hinein mussten, was dem Tempelvorsteher dann doch weniger gepasst hatte. Aber was sein musste, musste sein.
Und so machte die kleine Gruppe noch einmal draußen vor dem Tempel am Altar einmal kurz halt. Jeder von ihnen entzündete ein wenig Weihrauch, um dem Gott Respekt zu zollen. Hier in Rom war der Gott etwas friedvoller, kümmerte sich auch um Ackerbau und die Bauern. Aber sie sechs waren allesamt Griechen, und sie kannten Ares eigentlich nur als den großen Kriegsherrn,d er auf den Häuptern seiner erschlagenen feinde schlief. Und diesen Gott wollten sie sicher nicht erzürnen.
Nachdem also dicke, weiße Schwaden vom Alter waberten, machten sie sich an die Arbeit. Als erstes galt es, den Tempel vernünftig aufzumessen. Alles war eine Frage des richtigen Aufmaßes. War erst einmal alles in Zahlen erfasst, konnte man später alles vernünftig belegen, und niemand musste lange suchen. Und so fingen sie an, zunächst die Außenseiten abzuschreiten. Kephalos gab die Schrittweite auf der einen Seite vor, sein ältester Lehrling auf der anderen Seite. Jeweils zwei andere schrieben dann Maße mit. Von Mauerecke zu Mauerecke. Von Säule zu Säule. Von Fenster zu Fenster. Dasselbe innen. Wieviele Schritte vom Eingang zum Bildnis, wieviele zu den Seiten. Jeder Durchlass, jede Tür wurde genau eingemessen, vermessen und genau aufgezeichnet. Ohne Aufmaß schließlich keine Massenberechnung, ohne Massenberechnung kein berechenbarer Verbrauch, ohne diesen keine Zahlen, wieviel das Ganze kosten würde.
Die Höhen zu bestimmen war da dann schon aufwändiger, denn hier mussten Leitern aufgestellt werden, was dann doch dem ein oder anderen Tempeldiener ein Stirnrunzeln aufs Gesicht zeichnete. Erst recht, als sie das Seil mit den Knoten an die Wand anlegten und daneben ein Lot, um sicherzugehen, dass es senkrecht war, und Kephalos' jüngster Gehilfe auf der Leiter schon ziemlich wackelig stand, um auch wirklich die Decke zu erreichen. Bei derselben Aktion draußen hatten sie dann eine erhebliche Menge Zuschauer, wenngleich diesen nicht der heimliche Wunsch nach einem Absturz erfüllt wurde.
Bis sie schließlich das komplette Aufmaß des Tempels erstellt hatten, alles aufgeschrieben und auf Papyrus übertragen hatten, geordnet und berechnet hatten, war schon später Nachmittag. Aber jetzt konnten sie immerhin mit der wirklichen Arbeit beginnen!