Der eindringliche Blick seiner Zwillingsschwester schien Marcus tatsächlich wieder zurück in die Realität zu holen. Er hatte bisher alles nur still verfolgt und selbst als seine Schwester die beiden vorgestellt hatte, nur mit einem schlichten Kopfnicken gegrüßt. Er brauchte einige Zeit um seine Gedanken zu ordnen, die seit ihrer Ankunft, wie wild durch seinen Geist schwirrten. Nur zu gut wusste er, wen er hier vor sich hatte. Maximus Decimus Meridius – Senator, Feldherr und Triumphator. Einer der einflussreichsten und bekanntesten Männer Roms. Auch wenn Marcus es nicht öffentlich zugegeben hätte, beschäftigte er sich bereits seit einiger Zeit ausführlich mit der Geschichte seiner Familie – sowohl dem Zweig der Decimer als auch der Didier. Und ein Name wie Decimus Meridius, war ohnehin im ganzen Römischen Reich bekannt. Da musste man nicht lange überlegen. Seine Geschichten waren bereits Legenden von denen selbst in Britannien so manches Theaterstück oder Gedicht über seine siegreichen Schlachten erzählte. Für Marcus war er jedoch nur ein weiterer dieser großen Namen neben den seines Vaters, mit denen sich die Decimer brüsten konnten. Doch bestimmt war auch bei diesem großen Mann nicht alles Gold was glänzte. Sollte Meridius selbst Kinder haben, was seinem Alter entsprechend höchst wahrscheinlich war, so war davon auszugehen, dass er seine Familie ebenso vernachlässigt und für seine Karriere im Stich gelassen hatte wie Flavas und Marcus Vater es getan hatte. Das machte diesen Mann nicht unbedingt sympathischer.
Der junge Mann hatte beim hereinkommen genau die Reaktionen des Senators auf seine Schwester beobachtet und war sich sicher, dass allein das Aussehen seiner Zwillingsschwester die Aussagen der beiden legitimierte. Lediglich die Anspielung auf den stolzen Blick des Vaters ließ in ihm kurz Wut aufkommen. Er wollte nichts mit seinem Vater gemein haben, überhaupt nichts – nicht einmal den Blick! Doch der Senator wechselte sofort wieder das Thema und ließ die Erregung des jungen Mannes ebenso schnell verebben, wie sie aufgekommen war. Nachdem er abgewartet hatte, bis seine Schwester saß, nahm Marcus ebenfalls auf der Kline neben ihr Platz und folgte weiter dem Gespräch der beiden. Er hasste es, wenn man all zu lange um das eigentliche Thema herumredete oder unnötige Begrüßungsfloskeln austauschte. Was war nun mit dem Alten für den sie diese lange Reise auf sich genommen hatten? Wo war er und warum sprach Meridius es nicht sofort an oder ließ ihn zumindest benachrichtigen? Rom würde bestimmt nicht gleich zusammenstürzen, wenn man ihn aus einer Senatssitzung holte oder er einen seiner wichtigen Posten verlassen musste, den er gerade für den Kaiser und das Volk von Rom ausübte. Andererseits – wer sagte, dass er wirklich in Rom war? Vielleicht hatte ihn der Kaiser ja als Statthalter oder Legat einer Legion in eine der Provinzen geschickt. Flava wäre bestimmt maßlos enttäuscht über eine solche Nachricht und würde vermutlich sofort weiterreisen wollen. Marcus entlockte dieser Gedanke ein leises Seufzen. Dann konzentrierte er sich jedoch wieder auf das Gespräch der beiden. Es ging immer noch um die Großeltern und ihre Mutter. Langsam aber sicher platzte Marcus der Kragen. Er versuchte dennoch Haltung zu waren und unterbrach das Gespräch mit einer recht monotonen und trockenen Frage.
„Wir sind eigentlich hier um den Al…..“ Marcus schluckte das Wort gerade noch rechtzeitig hinunter und sprach schnell weiter „unseren Vater zu treffen? Wo ist er?“ Den Nachsatz unterstrich er mit einem fragenden und durchdringenden Blick, der auch einige Kälte ausstrahlte.