Beiträge von Decima Flava

    Flava lächelte ihrem Bruder herzlich entgegen. An ihrer ganzen Körperhaltung war zu sehen, wie sehr sie seine Gegenwart allein beruhigte und ihr Kraft verlieh. Wenn er weg war, war sie nur ein halber Mensch, war er da, war sie stärker, fröhlicher, sicherer. Und das war auch nach Außen hin zu sehen am leuchten ihrer Augen und der etwas stolzeren Haltung.


    Marcus, ich habe grade noch von dir gesprochen.


    Fröhlich lächelte sie ihn an und wartete, bis er es sich richtig bequem gemacht hatte. Ganz leicht beugte sie sich zu ihm herüber und flüsterte, so dass nur er es hören konnte. Du bist spät.
    Es klang zwar nicht sehr vorwurfsvoll, aber er sollte ruhig wissen, dass sie ihn vermisst hatte.

    Flavus hatte schon wieder gute Laune. Aber irgendwie war Flava froh, dass ihr Brüderchen sie nicht direkt nach dem anderen Brief gefragt hatte, den sie schrieb, sonst würde er jetzt nicht so friedlich auf ihrem Bett herumliegen. Und wenn er seinen Willen durchsetzen wollte, war er manchmal ganz schön laut und grob. Zwar nicht zu ihr, aber man musste es ja nicht herausfordern.


    Ich weiß nicht. Ohne Vaters Zustimmung muss ich wohl erst einmal warten, bis ich mich zur Priesterin ausbilden lassen kann. Was meinst du, wie lange das dauern könnte? Ein, zwei Jahre? Ist eine lange Zeit um rumzusitzen.
    Flava überlegte, ob sie ihn in dem Brief gleich um Erlaubnis fragen sollte. Es war zwar albern, da er den ja auch nicht früher erhalten würde und es damit nicht schneller ging. Aber immerhin war es besser als gar nichts machen.

    Bescheiden wie immer, ihr Bruder. Flava schüttelte über ihn nur leicht den Kopf und setzte sich lächelnd wieder so hin, dass sie schreiben konnte.
    Ich schreibe Briefe. Den an Großvater hab ich schon fertig. Willst du noch mal drüber lesen? Ich hab auch von dir Grüße und dergleichen übermittelt.
    Sie nahm den fertigen Brief und hielt ihn ihrem Bruder hin. Wahrscheinlich würde er zwar wie meistens abwinken, aber immerhin bot sie es ihm an.

    Da war auch schon die Frage, aber Flava ließ sich davon nicht im Mindesten aus dem Konzept bringen. Immerhin war sie nicht unerwartet gekommen.
    Mein Vater ist Decimus Livianus. Wie dir vielleicht bekannt ist oder auch nicht, ist er noch immer in Parthia verschollen. Daher kann ich dir seine Zustimmung leider nicht schriftlich geben. Meine Verwandten, vor allem Senator Decimus Meridius, versicherten mir aber, dass mein Wunsch in seinem Sinne sei.
    Sollte mein Vater tot sein, wäre mein Bruder mein nächster lebender männlicher Verwandter und damit mein Tutor, und seine Zustimmung könnte ich dir selbstverständlich schriftlich geben, wenn du es wünscht.

    Mehr konnte sie ihm leider nicht anbieten, auch wenn sie es gerne würde.

    Sim-Off:

    Oh. :D Wenns dir nix ausmacht, lass ichs trotzdem mal so stehen


    Nein, ich bin weder verheiratet noch versprochen.
    Flava überlegte, ob sie gleich sagen sollte, wer ihr Vater war, um damit seiner Frage eventuell zuvor zu kommen. Die Umstände waren da sicherlich etwas komplizierter als üblich, so dass es vorteilhaft sein konnte, gleich darauf zu sprechen zu kommen. Andererseits wollte sie nicht unhöflich sein und den Aurelier aus dem Konzept bringen, also überließ sie es ihm, doch erstmal die Fragen zu stellen, die für ihn wichtig waren.

    Gerne nahm Flava auf einem der Stühle Platz und beobachtete den Aurelier, wie er sich seine Schreibutensilien herrichtete. Zuhause in Britannia hatte sie wenig mit Patriziern zu tun gehabt, so dass hier nun zweifach auf unsicherem Parkett wandelte. Aber sie war gewillt, es so beispielhaft wie möglich zu tun.
    Meine Mutter war Decima Aemilia, die selbst lange der Göttin diente. Sie verstarb bei der Geburt von meinem Zwillingsbruder und mir. Ich möchte ihre Aufgabe gerne weiterführen und der Göttin eine ebenso gute Dienerin sein, wie sie es war."
    Wahrscheinlich war es nicht allzu häufig, dass ein Mädchen den Wunsch verspürte, Diana zu dienen. Die anderen großen Göttinnen erfreuten sich auch in Britannia oftmals größerer Popularität, und wahrscheinlich hätte der Septemvir den Namen einer anderen Gottheit weniger betont als den von Diana. Aber Flava hatte schon mit ihren Grosseltern oft genug darüber diskutiert, um sich an der Überraschung der anderen nicht mehr anzustoßen.
    Ich nehme an, es ist selten, dass sich jemand der Göttin berufen fühlt?
    Flava hatte nicht vor, das Gespräch als bloßes Frage-Antwort-Spiel laufen zu lassen. Eine gepflegte Unterhaltung ging von beiden Seiten aus, und eine solche gedachte sie zu führen.

    Langsam und bedächtig betrat Flava das Officium. Sie ließ dem Aurelier Zeit, sie zu mustern, ohne dass sie irgendwelche Anzeichen machte, ob es ihr missfiel oder gefiel. Er sollte sich ein Bild von ihr machen können und sehen, wie ernst ihr Anliegen ihr selbst war.
    Salve. Mein Name ist Decima Flava, und ich wurde an dich verwiesen. Ich möchte Priesterin der Diana werden.
    Sie ließ die Worte erst einmal im Raum stehen, ohne eine weiter Erklärung abzugeben. Sie wollte ihrem gegenüber die Chance geben, sie kurz zu verarbeiten und eventuell jetzt schon eine Frage zu stellen.

    Der Weg zum Officium des Septemvir war nicht lang gewesen, und doch war er Flava wie eine Ewigkeit vorgekommen. Mit jedem Schritt wurde sie nervöser und unsicherer. Wäre Flavus nur hier bei ihr! Seine Stärke und Kraft könnte sie jetzt gut gebrauchen. Aber sie durfte und wollte nun nicht zögern. Sie wollte Priesterin werden, schon ihr ganzes Leben lang, und jetzt, einen Herzschlag davon entfernt, sich zu fürchten erschien ihr albern. Sie atmete einmal tief durch und straffte ihre Schultern. Dann klopfte sie an und wartete auf ein Zeichen von drinnen.

    Salve“, sagte Flava ruhig und freundlich, während sie eintrat. Sie wartete, bis ihr Gegenüber bequem auf seinem Platz saß, ehe sie ihr Anliegen vorbringen wollte. Immerhin war es unhöflich, gleich mit der Tür ins Haus zu fallen.


    Mein Name ist Decima Flava, und ich würde gerne Priesterin der Diana werden. Man sagte mir, ich müsse mich dafür hier melden.
    Wegen der freundlichen Begrüßung des Mannes erhielt er sogar ein kleines Lächeln als Dank zurück. Sie hoffte, er konnte ihr weiterhelfen. Jetzt war sie immerhin schon um die halbe Welt gereist, um ihren Traum zu verwirklichen. Ein wenig Ungeduld war da vielleicht verständlich, auch wenn sie sie nicht zeigte.

    Eigentlich hatte Flava warten wollen, bis sie das Einverständnis ihres Vaters hatte. Aber ihr Bruder war da anderer Ansicht und hatte in einer sehr langwierigen Diskussion auf seine energische Art und Weise ihr klar gemacht, dass sie einfach losgehen sollte, um ihren Lebenstraum zu verwirklichen. Und schließlich hatte sie ihm zugestimmt. Immerhin war auch Meridius der Ansicht gewesen, dass ihr Vater sicher nichts dagegen hatte, wenn sie Priesterin würde. Es war ja ein ehrbares Amt.
    Also war sie an diesem Morgen aufgebrochen zur Regia des Cultus Deorum. Sie musste zwar einige Male stehen bleiben und jemanden fragen, wohin sie genau musste, aber schließlich war sie angekommen und stand vor der Tür des Officiums. Sie straffte noch einmal ihre Schultern und klopfte dann an.

    Aufmerksam lauschte Flava den beiden. Was sie über ihren Vater zu erzählen wussten, hörte sich sehr schön an. So wünschte man sich doch gemeinhin seinen Vater: Edel und stark. Mild, wo er kann, hart, wo er muss. Ihr wurde klar, dass ihre beiden Verwandten nicht nur loszogen, weil der Senat es so beschlossen hatte. Nein, sie liebten Livianus, auch wenn sie das so nicht sagten.


    Dann weiß ich jetzt, woher mein Bruder seine Tugenden hat.


    Lächelnd musste sie an Flavus denken. Ihm würde es wahrscheinlich gar nicht gefallen, dass sie so etwas gesagt hatte. Aber zu ihr war er genau so, wie diese beiden Männer ihren Vater beschrieben. Auch wenn er sich selbst gerne anders sah und anders gab.
    Flava hoffte, dass ihr Vater wirklich so sein würde. Dann würde sie ihn lieben, wie es einer Tochter geziemte. Und auch Flavus würde dann hoffentlich seine Ablehnung gegen ihn ablegen.

    Flava hatte zwar schon gehört, dass in Rom die Kriminalität um einiges höher war als in ihrer Heimat, aber dass man selbst vor der Frau eines Ritters nicht halt machte! Flava war zwar auch sonst nicht leichtsinnig, aber nach dieser Geschichte würde sie doppelte Sorgfalt walten lassen. Auf dem Avantin sollte es nach dem, was sie so wusste, ohnehin gefährlicher sein als in den meisten Gegenden Roms. Sie hatte zwar die Leitsätze der Diana schon immer sehr verinnerlicht, so dass sie für sich alle Menschen als gleich annahm. Vor der Göttin waren es ohnehin alles nur Hirsche, in ihrem Tempel gab es nur cervi. Aber dennoch war sie auf der anderen Seite schockiert über diese offene Missachtung der Stände. Weltfremd war sie immerhin nicht, auch wenn sie Diana über alle Maßen liebte und ehrte.


    Danke, Merdidius. Ich werde gut auf mich acht geben.


    Allen Tischgesprächen konnte Flava nicht folgen. Zudem kannte sie die meisten Gesichter noch nicht gut genug, um sie wirklich auseinander halten zu können. Ihre neue Verwandtschaft war nicht gerade klein. Irgendwann in einer kleinen Verdauungspause wandte sie sich dann wieder an Meridius und Mattiacus.


    Mein Vater, was ist das für ein Mann? Meine Grosseltern waren mit Informationen leider sehr sparsam, und ich würde gern so viel von ihm erfahren. Wie ist er so?


    Sie war immer noch traurig, dass er nicht hier unter ihnen war. Nicht nur, weil er in Parthia verschollen war und sein Schicksal ungewiss, was schlimm genug war. Aber sie hatte sich einfach so sehr gewünscht, ihn kennen zu lernen. Jetzt so gar nichts von ihm zu wissen war fast schmerzlich.

    Dass er ihr gleich anbot, ihn vertraulich mit praenomen anzusprechen, zauberte ein schüchternes Lächeln auf Flavas Gesicht. Sie hätte nicht damit gerechnet, so schnell und so herzlich von allen aufgenommen zu werden.


    Gut, dann Marcus.


    Ihr Lächeln verbarg sie wieder hinter einem weitern Bissen Brot. Schade, dass sie ihren Onkel und auch Meridius nicht vor ihrer Abreise noch ein bisschen besser kennen lernen konnte. Sie hoffte, dass ihre Wahl, ihn beim praenomen zu nennen, nicht zu vorschnell war. Aber immerhin hatte er es ihr ja auch angeboten.
    Schade, dass ihr Bruder nicht da war, um es mitzuerleben. Andererseits auch gut, denn er war da etwas weniger zurückhaltend als sie.

    Erleichtert schenkte Flava ihrem Onkel ein schüchternes Lächeln. Vermutlich mussten sich alle noch ein wenig an sie und ihren Bruder gewöhnen, genauso wie umgekehrt. Zu hören, dass ihre Mutter hier in diesem Haus wohl sehr beliebt war und so gelobt wurde, erfreute Flava noch um einiges mehr. Gerne hätte sie diese wundervolle Frau kennen gelernt, von der auch ihre Großeltern immer in Hochachtung sprachen.


    Ja, das ist wirklich wundervoll… Onkel.


    Bei der ungewohnten Ansprache musste Flava noch mehr lächeln. Jetzt hatte sie tatsächlich einen Onkel. Es war auch für sie ein sehr ungewohntes Gefühl. Um ihre Unsicherheit zu überspielen, nahm sie sich auch ein Stück Brot und tunkte es in eine der Saucen, ehe sie es aß.
    Die Situation war ziemlich seltsam, und ehe sich noch beredtes Schweigen breitmachte, beschloss Flava, das Tischgespräch zu weniger traurigen Themen zu lenken.


    Mein Bruder meinte, der Diana-Tempel der Stadt sei auf dem Aventin? Ich würde ihn sehr gerne besuchen. Sofern es Vaters Zustimmung findet, würde ich ja gerne wie Mutter auch eine Priesterin werden.

    Als ihr Onkel – zumindest glaubte Flava, dass es ihr Onkel war – zu Husten anfing und ungläubig seine Frage stellte, war sie einen Moment verunsichert. Sie hatte angenommen, dass Meridius die anderen Familienmitglieder über sie und ihren Bruder aufgeklärt hatte. Aber offenbar wusste zumindest einer noch nichts über ihre Herkunft und den Grund, weswegen sie hier war.
    Zunächst wandte sie sich daher kurz an Meridius, um die Sache abzuschließen.


    Ich danke dir, ich werde ihn nachher aus meinem Cubiculum holen.


    Dann wandte sie sich an Mattiacus und bedachte ihn mit einem entschuldigenden Blick.


    Ja, mein Bruder und ich sind die Kinder von Decima Aemilia, die bei unserer Geburt leider verstarb. Unsere Großeltern teilten uns dieses Jahr mit, dass Decimus Livianus unserer Mutter Ehemann und unser Vater sei. Deshalb sind wir von Britannia hierher gereist, denn er weiß nichts von uns.
    Falls meine Worte also vorschnell waren oder dich gekränkt haben, möchte ich mich entschuldigen. Ich wollte sicher nicht anmaßend sein.


    Ergeben senkte sie den Blick und hoffte, dass er ihre aufrichtige Entschuldigung akzeptierte. Immerhin hatte ihr Vater sie nicht als seine Kinder angenommen, da waren ihre unbedachten Worte vielleicht wirklich unangebracht.

    Wäre Flavus hier, wäre Flava wohl nicht so unsicher, als sie plötzlich im Mittelpunkt des Interesses stand. So aber fragte sie sich, wo ihr Bruderherz nur war, und das lenkte sie ein wenig ab. Natürlich nicht genug, um nicht sofort angemessen zu reagieren, lediglich das Gefühl war ein wenig seltsam dabei.


    Es ist, wie du sagst, Rom ist sehr groß. Würde ich allein auf die Straßen gehen, würde ich mich vermutlich verlaufen. Aber hier im Haus sind alle so freundlich und zuvorkommend, ich bin mir sicher, es wird nicht lange dauern, bis ich mich hier ebenso sicher zurechtfinde wie in Britannia.
    Mein Bruder ist da von den Göttern mit einer besseren Orientierung gesegnet worden.


    Sie musste leicht schmunzeln. Ihre Gaben waren wirklich sehr unterschiedlich aufgeteilt worden. Fast so, als wären sie zusammen ein Mensch, nur aufgeteilt in zwei Körpern. Schon öfter kam Flava dieser Gedanke, aber nun war nicht unbedingt der Zeitpunkt für solch eine philosophische Fragestellung.
    Stattdessen wollte sie lieber, wenn sie schon mal Meridius’ Aufmerksamkeit hatte, ihn gleich um den Gefallen bitten, der ihr noch auf dem Herzen lag. Und noch war das Tischgespräch nahe genug an der bevorstehenden Reise, so dass es ihr jetzt passend erschien.


    Meridius, darf ich dich noch um einen Gefallen bitten? Ich habe für Vater einen Brief geschrieben, und würde dich gerne bitten, ihn mitzunehmen. Ich dachte mir, wenn er gerettet ist, möchte er vielleicht etwas Persönliches von seinen Kindern in Händen halten. Und da die Rückreise wohl einige Zeit dauern wird, dachte ich, ich schreib ihm ein paar Zeilen, damit er seine Kinder schon einmal etwas kennen lernen kann.


    Flava hatte absichtlich nicht irgendeine Möglichkeitsform in ihren Worten verwendet. Die Götter hatten die Opfer angenommen, und Meridius würde ihren Vater sicher finden und heimbringen. Flava wollte da kein „falls“ gelten lassen, also würde sie auch nicht so sprechen.


    Natürlich nur, wenn diese Idee nicht zu abwegig ist.


    Flavus war von ihrem Einfall ja nicht so überzeugt gewesen. Und Flava wollte auch nicht den Eindruck einer romantischen Träumerin erwecken.

    Schließlich hatte Flava den Text an den Vater beiseite gelegt und statt dessen doch lieber noch einmal über den Brief an die Großeltern geschaut. Vielleicht fiel ihr ja so eine passendere Formulierung für den einen oder anderen Satz ein. Immerhin wollte sie nicht unwirsch oder müde klingen, und auch für den Brief an den Vater waren vielleicht ein paar gute Wendungen dabei, die sie übernehmen konnte.
    Schließlich klopfte es an der Türe. „Intra“, sagte Flava, ohne die Stimme groß zu erheben, aber dennoch laut genug für einen Besucher. Sie erkannte Flavus schon an der Art, wie er die Tür öffnete, und lächelte ihr Bruderherz an.
    Marcus, wie gefällt dir dein Zimmer? Ist es zu deiner Zufriedenheit?
    Sie wollte nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen wegen dem Brief. Flavus war vorhin schon so komisch gewesen bei dem Gespräch mit Meridius. Beinahe unfreundlich. Dafür würde sie noch ein ernstes Wörtchen mit ihm reden müssen, aber nicht sofort.

    Als Flava das erste Mal ihr Cubiculum betrat, begann sie gleich damit, es zu inspizieren. Da war das Bett und noch eine Kline, die zum Verweilen einlud. Ein kleiner Tisch stand am Fenster, an dem bunte Blumen blühten. Flava ging zu ihnen, um einmal an ihnen zu riechen. Ihr Duft war schön, und durch das Fenster kam viel Licht und frische Luft herein. Ihre Truhen standen noch beieinander, und Flava kommandierte die beiden Sklaven, die noch warteten, herum, bis ihre Truhen da standen, wo sie sie wollte.
    Danach erbat sie sich etwas Tusche und Papier, und setzte sich an den Tisch. Sie hatte beschlossen, ein paar Briefe zu schreiben. Zunächst einmal an die Großeltern, dass sie gut angekommen waren. Bestimmt machte sich Großmutter schon furchtbare Sorgen, sie war immer so ängstlich. Und Flava wollte ihr daher gleich berichten, dass es ihr und ihrem Bruder gut ging und wie herzlich sie aufgenommen worden waren. Leider konnte sie ja keine erfreulicheren Nachrichten anfügen, denn ihr Vater war nicht da. Auch davon wollte sie schreiben, vor allem, weil es Großvater interessieren würde.
    Der andere Brief wäre schon schwieriger. Sie wollte ihn Meridius mitgeben, damit er ihn an ihren Vater geben konnte, wenn er ihn gefunden hatte. Vielleicht war es eine fixe Idee von Flava, aber da sie wohl kaum selbst mitreisen konnte, war es die nächstbeste Möglichkeit, den Vater sofort zu begrüßen. Wenn Meridius ihm erzählen würde, dass er zwei Kinder hatte, wollte er sicher mehr darüber wissen. Und auch wenn es vielleicht eine dumme Idee war, so wollte Flava doch ihr bestes tun, um eine gute Tochter zu sein. Vielleicht freute er sich ja dennoch über ein paar Zeilen.
    Nur gestaltete sich das Schreiben sehr schwer. Sie fand nicht einmal einen Anfang. „Werter Vater“ klang zu kalt, während „Geliebter Vater“ übertrieben klang. Nur „Vater“ klang, als wolle sie etwas von ihm. Also saß Flava vor dem Papier, den Federkiel in der Hand, und überlegte, wie sie es am besten beginnen sollte.
    Vielleicht hatte Flavus ja eine gute Idee? Bestimmt würde er noch zu ihr herüber kommen, nachdem sein Zimmer eingerichtet war. Ja, sie würde ihn fragen, wenn er vorbeikam. Vielleicht sollte sie sich während dessen schon mal Gedanken um den Rest des Textes machen.

    Ein wenig unbehaglich saß Flava auf einer Kline. Sie hatte sich noch nicht ganz eingefunden, auch wenn sie sich Mühe gab, und versuchte noch immer, keine Namen durcheinander zu bringen. Aufgrund dessen hielt sie auch die meiste Zeit den Mund, um niemanden mit einer Verwechslung zu kränken. Und Flavus war nicht anwesend, was sie auch unter normalen Umständen immer etwas unsicherer sein ließ. Die meisten Menschen verstanden das nicht, wie sie schon festgestellt hatte. Aber wie sollte man jemandem, der kein Zwilling war, das erklären? Sie und Flavus, das war dasselbe. Wenn er nicht da war, fehlte ihr ein Teil von ihr selbst. Natürlich war sie dann unsicher.


    Ein kleines Lächeln umspielte ihre Lippen, als sie sah, wie liebevoll Meridius mit seiner Frau redete. Es freute sie, wenn Paar nicht nur aus politischem Kalkül zusammen waren, sondern darüber hinaus sich auch tatsächlich mochten. In der Öffentlichkeit war zwar selbstverständlich Zurückhaltung angebracht, aber hier in seinen eigenen vier Wänden kennzeichnete dies Meridius als Menschen und nicht nur als Senator und Soldat, befand Flava.


    Bei der Frage seiner Frau wurde sie hellhörig. Die Opfer interessierten sie besonders. Waren die Götter dieser Mission gewogen? Gerne hätte sie selbst auch ein Opfer erbracht, auch für die sichere Reise hierher an Mercurius und Neptunus, und für die freundliche Aufnahme. Vor allem aber für den Erfolg dieser Mission hätte sie gerne selbst auch geopfert, aber sie hatte kein Geld. Und sie wollte ihre neue Familie nicht gleich anbetteln, vor allem da Meridius ihr in Bezug auf die Götter auch sehr gewissenhaft erschien.
    Nichts desto trotz interessierte es sie nun brennend, ob das Opfer angenommen worden war. Sie versuchte, es sich nicht allzu sehr anmerken zu lassen, aber ganz verheimlichen konnte sie ihr Interesse sicher nicht.