Beiträge von Marcus Achilleos

    Es war nun schon etliche Tage - man könnte auch sagen zweieinhalb Wochen - her, dass ich mit Urgulania in ihrem Haus diskutiert hatte. Damals hatte ich ihr gesagt, dass die nächste Diskussion bei mir stattfinden würde, sobald ich eine vernünftige Unterkunft hätte. Die hatte ich nun, so dass ich sie - sozusagen als eine Art Einweihung meines Domizils bzw. meiner Akademie - zu einem weiteren Diskussionsabend einladen wollte. Und da ich sowieso gerade auf dem Weg zum Carcer war, um meinen Dienst zu verrichten, schaute ich einfach in ihrem Officium vorbei.


    Ich war in meinen üblichen dünnen schwarzen Mantel über weißer Hose und Hemd gekleidet und trug mein Schwert locker in der linken Hand, als ich den Vorraum betrat.


    "Chaire. Ist Euthenarche Iunia Urgulania anwesend und kurz zu sprechen?"

    Am späten Nachmittag beschloss ich, dass wir für heute genügend Eimer geschleppt hatten. Die Zisterne war natürlich noch immer weit davon entfernt, auch nur ansatzweise gefüllt zu sein. Gegessen hatten wir bis dahin nichts, aber zumindest genügend getrunken. Stratocles sah wirklich fertig aus und mir ging es auch nicht besser.


    "Ich kann nicht mehr, Shifu," sagte mein Schüler mit matter Stimme. "Ich will einfach nur noch schlafen."


    "Kannst du später. Jetzt bringst du erstaml die Eimer und Stangen weg und danach wird gegessen," erwiderte ich recht neutral. "Bring am Rückweg etwas Gemüse aus dem Vorratsraum mit."


    Er sah mich entgeistert an, nahm dann aber Eimer und Stangen und ging los. Während dessen holte ich einen "Wok" - eigentlich eine eingebeulte Pfanne - sowie ein Messer und ein Brett, um das Gemüse zubereiten zu können. Weitere Zutaten, wie Salz und Öl, standen nahe der Kochstelle, die ich jetzt beheizte.


    Nachdem Stratocles zurück war, zerschnitt ich das Gemüse in mundgerechte Happen und erhitzte schon mal etwas Öl im "Wok". Dann kam das Gemüse dazu, mit etwas Salz. Es dauerte nicht lange und das Essen war fertig. Auch wenn es mir in der Seele weh tat, dass ich hier keine richtigen Gewürzen bekam - zumindest nicht zu einem angemessenen Preis.


    Das fertige Essen teilte ich gleichmäßig auf zwei Holzteller auf, wovon ich einen Stratocles gab, während wir uns in die große Halle begaben, um auf Sitzkissen Platz zu nehmen. Bevor er jedoch beginnen konnte, zu essen, gab ich ihm zwei Esstäbchen.


    Er sah mich fragend an. "Was ist das?"


    "Stäbchen," antwortete ich und nahm sie in die Hand, um ihm zu zeigen, wie man sie hält und benutzt. Er sah sich das ganze gespannt an, dann ahmte er es nach - nicht besonders elegant, aber zumindest zweckmäßig.


    Nach dem Essen war der richtige Zeitpunkt für ein kleines Gespräch.


    "Du machst dich ganz gut als Schüler. Zum geistigen Training gehört nämlich auch körperliches Training. Nur so wirst du es aushalten, für etliche Stunden zu sitzen und zu studieren. Denn auch das gehört dazu. Wie geht es dir?"


    "Ich spüre meine Schultern nicht mehr. Bin total platt."


    Ich lachte. "So ging es mir auch am Anfang. Morgen wirst du einen ordentlichen Muskelkater haben, aber das geht vorbei. In ein paar Wochen wirst du drüber lachen, glaub mir!"


    "Wenn du das sagst, Shifu." Stratocles war echt nicht nach reden. Er wollte nur noch schlafen.


    "Ist so. Ach ja, eine Sache noch: Wie alt bist du?"


    "19. kann ich jetzt gehen?"


    "Natürlich." Ich machte eine Geste mit meiner Hand, die ihm erlaubte zu gehen.


    Nachdem er den Hof überquert hatte, ging ich in die Meditationshalle und meditierte eine Weile, um Ordnung in meine Gedanken zu bringen.

    Ich war gerade dabei, einen Text, den ich auswendig konnte, auf Papier zu bringen. In Chinesisch. Das Klopfen erschreckte mich dabei, so dass ich ein Schriftzeichen ordentlich versaute.


    "Scheiße!"


    Ich legte den Pinsel zur Seite und atmete einmal tief durch, um Wer-auch-immer-es-wagte-mich-zu-stören keinen unhöflichen Anschiss zu geben.


    "Ja, bitte!" rief ich und stand auf, um den Störenfried zumindest stehend zu begrüßen, wie es die Höflichkeit verlangte.

    Ich nickte kurz.


    "Habe ich. Mit genau einem Schüler. Ihm."


    Ich deutete mit meinem Kopf auf Stratocles, der daraufhin kurz seinen Kopf neigte.


    "Außerdem unterrichte ich da Kinder in Attisch, Lesen, Schreiben und Rechnen. Die Welt erkläre ich ihnen dabei auch ein wenig, vor allem, wie wichtig es ist, seinen Platz zu kennen. Das wird eure Arbeit übrigens langfristig erleichtern."


    Langsam wurden die Eimer immer schwerer auf den Schultern.

    "Auch zur Ertüchtigung, werter Legionarius, auch zur Ertüchtigung," sagte ich zu Haeftus. "Aber auch, um meine Zisterne zu füllen. Warum soll man eine Übung nicht mit etwas Praktischem kombinieren?"


    Dann hob ich meine Stange mit den beiden vollen Eimern an ihren Enden an und legte sie auf meine Schultern. Das Fassungsvermögen der Eimer schien sich seit heute Morgen drastisch erhöht zu haben. Zumindest kamen sie mir schon reichlich schwer vor. Stratocles hob seine Stange ebenfalls auf seine Schultern, wobei er nicht einmal mehr grummelte, wie noch am Morgen. Als ich gehen wollte, sah ich Matrinius. Ich nickte ihm respektvoll zu und lächelte höflich.


    "Wir laufen uns auch immer wieder über den Weg, Legionarius. Sieht so aus, als wäre Alexandria doch kleiner als man denkt."


    Ich blieb ganz unverbindlich stehen, offen für ein kleines Gespräch, wobei ich die Eimer weiterhin geschultert ließ. Stratocles hingegen schien nicht besonders begeistert davon zu sein, jetzt auch noch mit dem Gewicht der vollen Eimer auf den Schultern in der Sonne stehen zu bleiben. Aber er sagte nichts.

    Sim-Off:

    War eigentlich noch vormittags, aber ich setze das ganze mal auf den frühen Nachmittag ;)


    Nachdem wir nun schon den ganzen bisherigen Tag Eimer gefüllt und zu meiner Akademie geschleppt hatten, sah Stratocles schon ziemlich fertig aus. Mir ging es auch nicht viel besser, zumal wir auch noch immer nichts gegessen hatten. Aber hier ging es schließlich darum, Körper und Geist abzuhärten.


    Die Frage des Legionärs war zwar seltsam, da eigentlich offensichtlich war, was wir hier taten, aber ich antwortete dennoch - schon allein aus Höflichkeit.


    "Wir holen Wasser. Die Eimer werden befüllt und dann zu meiner Akademie gebracht. Und dann gehen wir sie wieder befüllen."


    Dabei lächelte ich höflich.

    Von meiner Akademie kommend, kam ich gut gelaunt mit meinem weniger gut gelaunten Schüler Stratocles an dem Brunnen meiner Wahl an. Das Wasser war hier wirklich gut und deshalb war die Wahl auf diesen Brunnen gefalen. Außerdem war es ein recht ordentlicher Weg. In meinem schwarzen zhiju war ich für die Belastung des Weges sicher schlechter geüstet als er, da er nur einen Chiton und Sandalen trug, während ich noch ein Hemd und eine Hose darunter anhatte und außerdem schwarze Stoffschuhe mit Socken trug, aber das machte mir nichts - zumindest noch nicht.


    Ich stellte meine Stange mit den beiden Eimern ab und deuete Stratocles, dass er es mir gleich tun sollte. Dann schöpfte ich Wasser aus dem Brunnen und füllte damit den ersten Eimer.


    "Bei allem Respekt, Shifu, dürfte ich den Sinn dieser Übung erfahren?"


    "Aber natürlich. Der sinn besteht darin, die Zisterne mit Wasser zu füllen." Ich lachte herzlich. "Und ganz nebenbei wird es mir zeigen, ob du deine Unterweisung durchhalten wirst. Wenn du jetzt schon ein Problem damit hast, solltest du besser sofort aufgeben!"


    "Habe ich nicht, Shifu," knurrte er. Als ich dann wieder Wasser schöpfen wollte, um den nächsten Eimer zu füllen, nahm er mir allerdings die Arbeit ab. So wartete ich, während er die restlichen Eimer füllte.


    Sim-Off:

    Wer will, ist eingeladen die zwei Bekloppten anzusprechen ;)

    Am nächsten Morgen begann ich mit dem Training. Stratocles wartete bereits in der großen Halle auf mich, als ich im schwarzen zhiju über weißer Hose und weißem Hemd und mit schwarzen Stoffschuhen und weißen Socken auftauchte. Er selbst trug einen Chiton und Sandalen. Als er mich sah, schien er erst normal grüßen zu wollen, verbeugte sich dann aber. Ich erwiderte seine Verbeugung, dann sprach ich ihn an.


    "Nun, Grashüpfer, dann fangen wir mal an. Das Badehaus und die Latrine scheinst du ja gefunden zu haben. Frühstück gibt es erstmal keins, aber dafür zeige ich dir noch ein paar wichtige Gebäude."


    Er nickte wortlos und folgte mir, zunächst in die Meditationshalle, deren Funkton ich ihm erklärte, und dann in den Ahnentempel, dessen Funktion ich ihm ebenfalls erklärte. Danach ging es durch die große Halle in den äußeren Hof. Ich deutete auf die Vorratsräume.


    "Da drin findest du zwei lange Holzstangen und vier Eimer. Bringe sie bitte hierher."


    Er tat, was ich ihm angeordnet hatte. Meine Zweifel bezüglich seiner Eigung zum Schüler schwanden langsam, auch wenn sie noch nicht ausgemerzt waren. Nachdem alles da war, ergriff ich das Wort.


    "Die Brunnen in Rhakotis haben kein besonders gutes Wasser. Ganz im Gegensatz zu den Brunnen in Broucheion. Und außerdem ist die Zisterne hier leer. Na, eine Idee?"


    Stratocles sah mich kurz fragend an, dann sah er auf die Stangen und die Eimer, dann sah er mich noch fragender an. "Du meinst doch nicht, dass wir jetzt aus den Brunnen in Broucheion Wasser holen, um die Zisterne zu füllen? Also die ganze Zisterne?"


    Ich sah ihn nur durchdringend an.


    "Das ist ein Witz, oder?"


    Ich nahm wortlos eine Stange und hängte an beiden Enden Eimer ran und gab sie ihm. Danach setzte ich die beiden übrigen Eimer an die übrig gebliebene Stange und nahm diese persönlich. Danach ging es zu einem Brunnen in Broucheion. Die kurze Phase des Sonnenaufgangs war nun auch vorbei.

    Nach einigen Wochen des Unterrichts, in denen die Kinder gute Fortschritte gemacht hatten, während ich im Gegenzug von ihnen ein paar Worte in Ägyptisch gelernt hatte, stand auf einmal ein junger Mann in meinem Hof.


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    Ich musterte ihnen einen Moment, dann ging ich auf ihn zu, während die Kinder weiter Buchstaben in den Staub malten.


    "Chaire. Kann ich dir weiterhelfen?"


    Der Mann sah mich fragend an. "Bist du Marcus Achilleos?"


    Ich nickte. "Der bin ich."


    "Ich bin Stratocles, Sohn des Leophanes. Man sagt, dass du die Philosophien des fernen Ostens unterrichten kannst. Stimmt das?"


    "Schon möglich. Warum fragst du?"


    "Ich will von dir lernen. Lass mich dein Schüler werden."


    Ich sah ihn eine Weile an, während aufrecht vor mir stand. Dann sagte ich ruhig und emotionslos "Wenn, dann würde ich dir beibringen, was mir beigebracht wurde, und zwar so, wie es mir beigebracht wurde. Die Sitten des Ostens würdest du mir gegenüber annehmen, deinen Stolz unter Kontrolle halten und alles tun, was ich dir auftrage. Du würdest weder lügen, noch stehlen, noch sonst irgend etwas tun, was gegen meinen Kodex verstoßen würde. Du würdest hier wohnen, in einfachen Verhältnissen. Deine Ausbildung würde Jahre dauern und während dieser Zeit könnte ich dich jederzeit als meinen Schüler verstoßen. Bist du wirklich Willens, dir das anzutun? Denn ich verspreche dir, dass es eine sehr harte Zeit für dich würde!"


    Stratocles schluckte und dachte einen Moment lang nach, bevor er schließlich nickte. "Ich will diese Zeit durchstehen!"


    Meine Augen verengten sich. "Dann lerne erst einmal, dich angemessen zu verhalten! Man verbeugt sich gegenüber seinem Shifu! Shifu, so wirst du mich nennen! Shifu ist die Anrede eines Lehrmeisters. Nur als Erklärung. Aber noch hast du die Möglichkeit, zu gehen. Wenn du Ruhm suchst, dann verschwinde! Wenn du dir einen Vorteil erhoffst, dann verschwinde! Wenn du reich werden willst, dann verschwinde! Wenn du aber die kosmische Harmonie mehren willst, dann bleibe, und ich werde dir zeigen, wie man den Himmel und die Erde in Harmonie bringt. Entscheide dich jetzt, ob du das wirklich willst. Willst du dein Selbst hintan stellen? Bist du bereit, deine Person aufzugeben? Wenn ja, dann verbeuge dich dreimal und sage jedes Mal "Ja, Shifu!". Wenn nicht, dann verschwinde!"


    Die Kinder sahen zu uns herüber, erstaunt über dieses Schauspiel. Ich sah in den Augen des jungen Mannes kurz Zorn aufflammen. Ich wusste, dass es für ihn, einen freien Griechen, eine Demütigung war, sich hier, vor den Augen der Kinder, vor mir zu verbeugen. Es widerstrebte ihm. Ich wartete nur darauf, dass er sich umdrehen würde und gehen.


    Zu meinem Erstaunen tat er es nicht. Statt dessen verbeugte er sich tief vor mir. "Ja, Shifu!" Und er wiederholte es noch zweimal.


    Als er mich wieder ansah, lächelte ich ihn kurz an. "Dann sei es so. Ich nehme dich als meinen Schüler auf. Aber sei gewarnt, bei der geringsten Verfehlung werde ich dich hart bestrafen oder verstoßen. Denn ich bin nicht gütig. Und Gnade kenne ich auch nicht."


    Danach zeigte ich ihm seine Unterkunft. Eine kleine Zelle von vielleicht sechs Quadratmetern, mit ein paar Schilfmatten als Bett. Ich erlaubte ihm, sie nach seinem Geschmack einzurichten und trug ihm danach auf, mich beim Unterricht der Kinder zu unterstützen. Danach durfte er seine Sachen holen, was er auch tat.

    "Das Getränk heißt Chá. Wobei hier noch Jasminblüten zugefügt wurden. Selbst in Indien ist Chá selten und hier... naja, vielleicht gibt es das beim Kaiserhof, aber hier in Alexandria bin ich sehr froh, dass Hemachandra, der Eigentümer dieser Taberna, seinen Vorrat an Chá mit mir teilt."


    Mein Blick schien einen Moment lang in die Ferne zu blicken.

    "In Ch'in, jenseits von Indien, war Chá für mich alltäglich."


    Mein Blick hatte etwas Sehnsüchtiges und Nachdenkliches an sich.


    "Es ist schon seltsam, dass man manche Dinge erst zu schätzen weiß, wenn man sie nicht mehr hat, oder? Man sollte doch vielmehr mit offenen Augen durchs Leben gehen und sich auch an Kleinigkeiten erfreuen."


    Ich nahm einen weiteren Schluck meines Tees. Danach lächelte ich Caecilia Alba wieder sanft an.

    Wortlos und Albas Nähe genießend ging ich langsam über den Markt. Auch wenn es nicht so aussah, schlenderten wir nicht planlos an den Läden vorbei. Ich wusste sehr genau, wohin ich wollte. In einer Gasse des Marktes war mein Ziel. Vorbei an einem Händler edelster Stoffe ging es in die Gasse, wo sich einige Gewürzhändler fanden. Zwischen diesen Geürzhändlern gab es ein kleines Lokal. Zielstrebig ging ich mit Alba dort hin und löste mich kurz von ihr, um ihr einen Stuhl zurück zu ziehen, damit sie sich setzen konnte.


    "Bitte, nimm doch Platz, Caecilia Alba. Etwas zu trinken wird uns sicher gut tun. Lass dich überraschen, ich bestelle uns beiden etwas Besonderes."


    Nachdem sie sich gesetzt hatte, nahm ich ihr gegenüber Platz. Der Inhaber des Lokals, ein Inder Namens Hemachandra, kam zu uns an den kleinen Tisch und begrüßte mich erfreut. Ich hatte ihn im Museion kennen gelernt, als er eine Sutra suchte. Ich half ihm bei der Suche und später hatte ich ihm mit meinen letzten Räucherstäbchen ausgeholfen, als er selbst keine mehr hatte. Ich wusste zwar nicht, was ihn nach Alexandria verschlagen hatte, aber ich war froh, im Zweifalsfall jemanden zu kennen, mit dem ich über den Buddhismus diskutieren konnte. Wobei ich selbst kein Buddhist war - zumindest noch nicht oder nicht wissentlich.


    Ich wechselte ein paar Worte mit ihm auf Indisch, dann verschwand er im Gebäude.


    "Das wird jetzt einen Moment dauern, aber es lohnt sich."


    Ich nahm Albas Hände in meine, während ich sie sanft ansah.


    Gar nicht so spät kam Hemachandra mit zwei feinen Keramikbechern und einer ebenso feinen Kanne zurück und stellte sie auf den Tisch. Ich füllte unsere Becher mit der dampfenden Flüssigkeit, die blass gelbgrün war und nach süßlich nach Jasmin duftete, wobei auch noch eine ganz feine andere Geruchsnote darüber lag. Ich hatte zwar keine Ahnung, wie mein indischer Bekannter an grünen Tee kam, den er persönlich mit Jasminblüten mischte, aber ich war ihm dankbar, dass er mir welchen ausschenkte. Denn eigentlich behielt e den Tee für sich.


    Ich hob meinen Becher andächtig hoch und hielt ihn einen Moment unter meinem Gesicht, um den Geruch genießen zu können. Dabei lächelte ich Caecilia Alba an.


    "Erfreue dich erst am Geruch und sei dann vorsichtig, damit du dir nicht die Lippen oder Zunge verbrennst. Nimm am besten nur einen kleinen Schluck udn bewahre ihn einen Moment im Mund, damit sich der Geschmack voll entfalten kann. Ich denke, dass du so etwas noch nie getrunken hast."


    Dann nahm ich einen kleinen Schluck.

    Ich übte persönlich mit Amphion, unter anderem, weil er für die meisten seiner Kameraden zu schnell war. Seine Geschwindigkeit war außergewöhnlich und seine Präzision wurde zunehmend besser.


    Kaum hielt ich meine Hand neben meinen Hals, knallte auch schon seine Handkante hinein und sofort hielt er seine andere Hand vor seinen Magen und meine Faust traf diese, während ich meinen Magen als Ziel vorgab und so weiter. Amphion und ich vertieften uns immer mehr in die Übung und wi wurden dabei auch noch etwas schneller. Meine Hände schmerzten inzwischen und mit seinen war es vermutlich auch nicht besser, aber das hielt uns nicht davon ab, weiter zu üben. Auch die Tatsache, dass uns der Schweiß in Strömen herunter lief, änderte nichts daran.


    Ich war so vertieft in die Übung, dass ich gar nicht bemerkte, dass die anderen nicht weiter übten, sondern Amphion und mir ehrfürchtig zusahen. Als ich es bemerkte, wusste ich nicht, wie lange sie schon da standen. Ich gab Amphion ein Handzeichen für eine Unterbrechung. Dann sah ich die Stadtwächter kurz an und wieder zu Amphion.


    "Kleine Vorführung gefällig? Amphion, greif mich an. Nur mit Händen und Armen. So schnell wie du kannst. Ich werde abwehren. Nur abwehren."


    Amphion sah mich kurz fragend an und nickte dann kurz, bevor er die Fäuste vor seinem Körper ballte, während ich mich leicht seitlich hinstellte und die Hände offen vor mir hielt.


    Plötzlich griff Amphion an und schlug mit hoher Geschwindigkeit Serien von Schlägen. Ein Fauststoß zum Magen, dem ich auswich, war gefolgt von einem Handkantenschlag zum Hals, den ich mit einer Hand abwehrte, nur um dann einen Fauststoß zur Kehle ebenfalls abwehren zu müssen. Amphions Beinarbeit war auch ziemlich gut, weil er den Abstand zu mir immer recht gering hielt. So brachte er mich ganz schön unter Druck und ich konnte kaum noch ausweichen und war deshalb wirklich gezwungen, alle Schläge mit meinen Händen abzuwehren. Seine Kondition war auch ziemlich gut, so dass er das Tempo lange aufrecht erhalten konnte. Als er etwas langsamer wurde, gab ich den Befehl, aufzuhören. Ich klopfte ihm auf die Schulter.


    "Du bist... wirklich gut... Amphion," sagte ich anerkennend und etwas aus der Puste.


    "Du... aber auch... Kommandant... Hätte nicht gedacht... dass du alles... abwehren kannst," erwiderte Amphion ebenso aus der Puste.


    Ich zuckte leicht grinsend mit den Schultern. Nach einigen tiefen Atemzügen ging es mir schon besser. Dass meine Kleidung klatschnass war, fiel mir erst jetzt auf. Ich drehte mich zu den Stadtwächtern.


    "So... jetzt wisst ihr, wie das auszusehen hat. Die Geschwindigkeit und Präzision will ich sehen. Weiterüben!"


    Ich sah kurz zu Amphion, während die anderen langsam wieder in Übungsposition gingen und weitermachten, wobei ein leichtes Murmeln zu vernehmen war.


    "Du gehst dich jetzt erstmal waschen und umziehen."


    "Jawohl, Kommandant!"


    Dann ging er ins Gebäude. Ich sah zu Echion, der inzwischen auch wieder draußen war.


    "Alles gesehen? So muss ein Angriff aussehen. Merke dir das. Und jetzt sieh dir die Übungen der anderen an und lerne durch zusehen. Wegtreten!"


    Echion nickte und stellte sich etwas abseits zu den anderen, um ihnen beim Üben zuzusehen. Ich für meinen Teil ging erstmal zum Museion, um mich zu waschen und umzuziehen.

    Einen Bruchteil einer Sekunde lang wollte ich sagen "Ich verstelle mich nicht", aber ich sagte es nicht. Es wäre eine Lüge gewesen. Ja, ich hatte es genossen, ihre Hand zu berühren. Ich hatte es genossen, sanft zu sein. Und zugleich fühlte es sich so ungewohnt an. Wie lange war das her? Fünf Jahre? Ein Teil von mir sehnte sich nach der Nähe einer Frau, während gleichzeitig an anderer Teil jede Nähe ablehnte, um nicht verletzbar zu sein. Und ich hatte die Theorie, dass durch Aufgabe des Glücks auch das Leiden aufgelöst wird. Inzwischen wurde mir bewusst, dass diese Theorie falsch war.


    Ich nahm Albas rechte Hand ganz vorsichtig und hakte sie in meinem linken Arm ein, wobei ich meine rechte Hand noch einen Moment lang auf ihrer Hand liegen ließ. Dabei lächelte ich nur und sagte nichts und sah ihr in die Augen. In ihre schönen, grünen Augen. Und diesmal war mein Blick sanft. Während normalerweise immer eine gewisse Härte in meinem Blick lag, um die Distanz zu wahren, war jetzt jede Härte aus meinem Blick gewichen. Etwas, das nur höchst selten passierte.

    Ich nickte.


    "Gut. Wenn du das mit der Stadtwache geregelt hast, stehe ich dir zur Verfügung. Ich möchte schließlich nicht, dass der Strategos verärgert ist. Wenn du mir noch zwei oder drei Tage gibst, hätte ich bis dahin auch meine Einheit so weit ausgebildet, dass sie ohne mich klar kommt."


    Das wäre doch ein deutlicher Aufstieg. Zumal ich, bei aller Liebe zum Militärischen, letztlich doch Verwaltungsaufgaben bevorzugte.

    Ich musste kurz schlucken.


    "400 im Monat? Du meinst damit 100 pro Woche?"


    Ich murmelte etwas auf Chinesisch.


    "Da wäre dann nur noch die Frage, was du mit "dir dienen" meinst. Ich will es so ausdrücken. Ich bin noch immer ein Beamter des Kaisers von ganz Ch'in. Ich bin zwar auf eigenen Wunsch im Exil, aber an meinen Eid bin ich immer noch gebunden. Das bedeutet, dass ich mich an die Gesetze halten muss - sowohl die hiesigen als auch die in Ch'in. Ich darf nicht lügen und darf nichts tun, was das Reich Ch'in in schlechtem Licht erscheinen lässt. Dafür kann ich prinzipiell auch Urkunden ausstellen, beispielsweise eine Anlauferlaubnis für die Häfen von Ch'in oder eine Handelserlaubnis für Seide und Jade. Ich beherrsche Chinesisch, Indisch, Parthisch, Latein und natürlich Attisch in Wort und Schrift. Ich habe prinzipiell Interesse, so lange ich eben die Bedingungen meines Beamtenkodex erfülle. Ach ja, und wie willst du mir bei der Sache mit der Stadtwache helfen?"

    Er hatte die Frage, woher er stammte, zwar nicht beantwortet, aber das war seine Sache und ich entschloss mich, nicht noch einmal nachzufragen.


    "Ich arbeite momentan in der Nacht für die Stadtwache. Den Auftrag habe ich angenommen, also werde ich ihn auch zu Ende führen. Vormittags unterrichte ich für gewöhnlich in meiner Akademie, wobei das nur wenige Stunden sind. Ich brauche nicht allzu viel Schlaf, also könnte ich etwa vier bis fünf Stunden täglich als dein Sekretär zur Verfügung stehen.


    Es sind also erst einmal drei Fragen, die ich habe: Was wären meine Aufgaben? Genügt die von mir genannte Zeit, um sie zu erfüllen? Und was würde ich verdienen?"

    Ich betrachtete die Übungen eine Weile mit verschränkten Armen. Die Präzision nahm zu und auch die Geschwindigkeit der Schläge war akzeptabel. Schließlich war ich so weit zufrieden.


    "Gut, das genügt jetzt erstmal. Zeit für die zweite Lektion. Trefferzonen. Es ist nicht gut, lange zu kämpfen. Ein Kampf muss schnell vorbei sein, wenn man einen Vorteil haben und nutzen will. Deshalb muss man dort treffen, wo man am meisten Wirkung erzielt. Die Magengrube kennt ihr ja schon. Ein Treffer dort raubt die Luft und ermöglicht es einem, den Gegner zu überwältigen. Eine weitere wichtige Trefferzone ist der Hals. Nicomedes!"


    Ich gab dem Amphion ein Zeichen, dass er sich so hinstellen sollte, dass ich die Trefferzonen zeigen konnte. Ich machte einen Fauststoß zur Kehle und stoppte kurz davor.


    "So kann man den Kehlkopf zertrümmern. Dieser Schlag kann tödlich sein, deshalb solltet ihr ihn nur einsetzen, wenn ihr nicht unbedingt Gefangene machen wollt. Das hier..."


    Ich führte einen Handkantenschlag zur Halsschlagader aus, den ich kurz vor dem Ziel stoppte.


    "...ist dagegen nur selten tödlich, kann dem Gegner aber kurz das Bewusstsein kosten. Wenn man den Gegner schnell ausschalten will, ist dieser Schlag ideal. Außerdem kann man noch die Füße einsetzen. Ein Tritt von der Seite ins Knie...


    Wieder eine Vorführung.


    "...bricht das Knie und hindert den Gegner an der Flucht. Diese Technik werdet ihr genauso wenig mit euren Kameraden üben wie die folgende. Wenn ihr dem Gegner auf den Fuss tretet und darauf stehen bleibt und ihn dann umschubst, bricht er sich das Fußgelenk. Ihr müsst aber mit euren vollem Körpergewicht auf dem Fuß stehen bleiben. Merkt euch diese Techniken und versucht sie zu verinnerlichen. Es steht euch jetzt frei, Schläge zu Hals und Bauch zu üben. Dazu wird einer mit seiner Hand ein Ziel vorgeben, während der andere auf die Hand schlägt. Also wie bei der Übung mit den Schlägen zur Magengrube. Nur, dass ihr diesmal mehr als ein Ziel geben könnt. Sobald der Schlag ausgeführt wurde, wechselt ihr die Rollen und der vormals Schlagende gibt sofort ein Ziel vor. Und immer dran denken: Geschwindigkeit und Präzision! Gibt es Fragen? Sieht nicht so aus, also Ausführung!"

    Ich schüttelte leicht meinen Kopf und lächelte sanft.


    "Du brauchst dich nicht entschuldigen, Caecilia Alba. Du konntest es ja nicht wissen, also liegt der Fehler ganz bei mir. Ich sollte mich besser im Griff haben. Meine Selbstbeherrschung war auch schon mal besser."


    Ganz vorsichtig nahm ich ihre Hand und tastete mit meiner anderen Hand über ihr Handgelenk und ihre Hand.


    "Tut es noch weh?"


    Ich war wirklich besorgt, dass ich sie verletzt haben könnte. Ohne dass ich es bemerkte, wurde das Tasten zu einem sanften Streicheln. Als ich es bemerkte, zog ich plötzlich, erschrocken über mich selbst, meine Hände zurück. Was war nur in mich gefahren?


    "Tut mir Leid... ich... ähm... tut mir Leid."

    Sim-Off:

    Kein Problem. Achilleos auch ;)


    Ich merkte mir, dass ich in Zukunft nie wieder ungefragt meine Meinung kund tun würde. Damit kam ich klar. Ob es gut für die Effizienz wäre, müsste sich noch zeigen, aber letztlich war ich nicht dafür verantwortlich. Ich nickte also nur stumm und sagte nichts.


    Mich störte allerdings, dass ich mit meinem Hinweis auf das Potetial Echions eigentlich dessen Gesicht wahren wollte und nun der Strategos ihn ernsthaft gedemütigt hatte. Natürlich hätte er das ohe meinen Kommentar vermutlich nicht getan, aber es störte mich trotzdem, oder gerade deshalb. Dem Strategos widersprechen konnte ich aber auch nicht, weil ich sonst dessen Autorität angegriffen hätte. Das machte die Situation jetzt unangenehm. Ich würde mir bei Gelegenheit etwas einfallen lassen, um Echions Würde wiederherzustellen.


    Nachdem der Strategos im Gebäude verschwunden war, sah ich kurzzu den Männern, um dann Nicomedes in ruhigem Ton zu befehlen "Mit der Übung fortfahren."

    "Ich stamme aus Athen, aber meine Heimat liegt inzwischen wohl eher irgendwo zwischen Indien und Ch'in. In Ch'in habe ich die Lehren der Meister Kong und Lao studiert. Beide beschäftigen sich mit der kosmischen Ordnung, nur aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Nach der Lehre des Meister Kong ist Bildung der Schlüssel. Durch Bildung wird der Mensch befähigt, die kosmische Ordnung zu erkennen und sich in sie einzufügen. Dadurch werden die Menschen in Harmonie gebracht. Sind die Menschen in Harmonie, sind es auch die Städte. Sind die Städte in Harmonie, sind es auch die Reiche. Sind die Reiche in Harmonie, so ist die ganze Erde in Harmonie. Ist die Erde in Harmonie, so kann auch die Harmonie zwischen Himmel und Erde wieder hergestellt werden. Ich werde das zwar nicht mehr erleben, aber ich kann meinen Beitrag als Jìnshì leisten. In Rhakotis kann ich am meisten erreichen, weil ich dort Menschen vorfinde, die keine Bildung haben. Es ist wie bei einer Pyramide: Das erste Zehntel der Höhe ist die Hälfte der Arbeit."


    Ich betrachtete den Park, während ich in meinem üblichen, ruhigen, fast emotionslosen Ton sprach. Dann sah ich Ioshua an.


    "Und woher stammst du? Ioshua... das ist ein iudäischer Name, oder? Und warum interessierst du dich für mich und für das, was ich tue?"