Ich war noch nie in meinem Leben in einem Pferdestall gewesen und wusste deshalb nicht, was mich erwartet, als ich die Unterkunft meines tierischen Kameraden betrat. Ich hatte mit einem höllischen Gestank gerechnet, aber letztendlich ging es dann doch. Natürlich roch es nach Tier, aber nicht allzu unangenehm und auf keinen Fall unangenehmer, als das contubernium am Abend, wenn acht verschwitzte Männer vom campus kamen und, noch dreckig, auf engstem Raum zusammentraffen.
"Hey legionarius." Es war die Stimme des Knechtes, der mich aus meinen Gedanken riss. "Willst du nun selbst für dein Pferd sorgen oder nur rumstehen und glotzen?"
Er ist ganz schön frech, dachte ich, aber es störte mich nicht, denn er wirkte freundlich und das war mir schon immer lieber, als ein formvollendeter Heuchler.
"Ja. Ich komme." rief ich ihm durch den halben Stall entgegen und fügte, als ich bei ihm angekommen war, hinzu: "Du musst mir nur erklären, was genau zu tun ist. Und den Namen des Pferdes würde ich gern erfahren. Deinen auch."
Er schnalzte mit der Zunge und führte das Pferd in die Box. Dabei sah es ihn an und es wirkte fast so, als hätte ich tatsächlich eines der zutraulicheren Tiere erwischt. Es wirkte gelassen, aber nicht lahm, ruhig und doch nicht phlegmatisch. Ein gutes Tier und hübsch obendrein.
Während der Junge noch mit sonstwas beschäftigt war, entledigte ich mich eines Großteiles meiner Rüstung, die ich auf zwei nebeneinanderstehenden Schemeln ablegte. Wenig später kam der Knecht zurück. "Die Stute hier heißt Andromache, eine unserer besten, obwohl wir viele gute Tiere haben. Sie ist drei Jahre alt und hat sich schon bei langen Ritten bewährt. Trotzdem war sie bisher keinem zugeteilt und nur als Ausweichpferd gedacht, wenn ein anderes krank werden sollte. Das passiert manchmal schneller, als gedacht und ich heiße Philippus." Während er erzählte, drückte er mir Kardätsche und Striegel in die Hand. "Die brauchst du, um dein Pferd zu putzen. Aber bevor du anfängst: Nächstes Mal solltest du das Pferd draußen putzen, das ist besser, damit die Box und das Futter nicht verdreckt werden. Nur heute machen wir eine Außnahme, weil so viele Reitergruppen ausgebildet werden und alle hier herumhocken. Schickten wir euch alle nach draußen gehen, würden wir unseren Platz verstopfen und dann gäbe es ein riesen Tohuwabohu, wenn alle fertig sind und wieder rein wollen. Wir haben das ein paar Mal so gemacht, aber es gab immer einen riesen Ärger, weil die meisten der jungen Legionäre nach dem Putzen nur ans Abendessen und die Thermen dachten und keine Rücksicht aufeinander nahmen." Vorwurfsvoll sah er mich an. "Das passiert uns nicht wieder." fügte er hinzu. "Und nun schau zu, wie ich es mache." Er hatte sich eigenes Putzzeug geschnappt und nachdem er sich meiner vollen Aufmerksamkeit versichert hatte, nicht, ohne noch einmal zu erwähnen, dass die Auszubildenden oft zu unachtsam seien, begann er und ich schaute ihm zu.
"Jetzt bist du an der Reihe." sagter er nach einigen Minuten, entfernte sich von Andromache und ließ mich an sie heran. Konzentriert nahm ich meine Arbeit auf, fuhr mit der Kardätsche unter leichtem Druck von Kopf bis Schweif und streifte sie nach jedem Strich am Striegel ab, den ich von Zeit zu Zeit ausklopfte. Erst auf der linken, dann auf der rechten Seite, dann den Rest und als das Pferd recht gut aussah, blickte ich wieder zu "meinem" Knecht, der zustimmend nickte. "Jetzt nimmst du den Lappen." Er reichte mir einen alten Fetzen, den er irgendwann in den letzten Minuten geholt haben musste. "Reib sie damit ab, um den Staub zu entfernen, ich hole derweil schon einen Schwamm und einen Eimer Wasser." Gemütlich schlurfte er davon und verschwand irgendwo zwischen meinen Kameraden und den anderen Pferdeknechten, im Dämmerlicht des Stalles.
Als er wiederkam, glänzte Andromache noch ein wenig mehr. Zufrieden hatte ich sie ein wenig getätschelt und sie hatte mich damit belohnt, dass sie ihren Kopf vertrauensvoll gegen meine rechte Schulter gestoßen hatte. "Gut." Philippus wandte sich mir wieder zu und hielt mir einen gebrauchten, aber tadellos sauberen Schwamm entgegen. Den Eimer stellte er zu meiner linken ab. "Wasch nun die empfindlichen und wichtigen Stellen vorsichtig ab. Nüstern, Maul und Augenwinkel und vergiss After und Genitalien nicht. Das ist sehr wichtig und wasch den Schwamm am Besten ständig aus."
Ich tat auch dies, konzentriert und mit einem enormen Aufwand an Zeit, doch irgendwann war es geschafft. Ich hatte meine Pflicht getan, etwas gelernt und auch das Pferd hatte nun endlich Feierabend.
"Decimus Vestinus." sagte der Knecht und als er meinen verwunderten Blick sah fügte er mit einem verschmitzten Grinsen hinzu: "Ich hab deinen Namen auf dem campus gehört, als dich ein Kamerad ansprach. Die Putzwerkzeuge sind schon sauber, aber das Wasser müssen wir noch wegbringen und den Schwamm richtig auswaschen." Einmal mehr folgte ich ihm durch den halbdunklen Stall und ließ mir zeigen, wo was entsorgt wurde und wo welche Sachen gelagert wurden.
"Danke." sagte ich zu ihm, als wir fertig waren. "Für die ganzen Erklärungen. Das nächste Mal wird es mir leichter fallen."
"Ich denke auch. Das erste Mal ist immer am Schwierigsten. Wenn du mich trotzdem nochmal brauchst, bin ich in den Ställen. Immer."
Ich nickte ihm zu und verabschiedete mich. Knapp zweieinhalb Stunden hatte die ganze Prozedur gedauert und nun verlangte es mich sehr, nach ein wenig Ruhe und nach einem Essen.