Beiträge von Duccia Vera

    Wäsche waschen, sie hasste Wäsche waschen. Mit den Frauen des Mietshauses hatte sie sich zu einem gemeinsamen Waschtag zusammengeschlossen. Auch um den Tag herumzukriegen, bis Servianus wieder heimkam und sie abermals ihr neues Bett einweihen konnten. Im Hinterhof stand ein großer tiefer Bottich, den sie mit zahlreichen Eimern aus dem nächsten Brunnen gefüllt hatten. Ihre Schürze war klatschnass, eigentlich müsste sie diese auswechseln, aber sie wollte nicht. Die Sonne schien und heizte langsam aber beständig den Hinterhof auf. Sontje verliess den Hinterhof, um ihren Ohren einen kurzen Moment der Ruhe zu gönnen, sie hatte vergessen wieviel und wie laut Frauen schwätzen konnten.


    "Uff." Mit diesem leisen Wort nahm sie auf der Bank vor dem Mietshaus Platz und streckte ihre Beine aus und krümmte ihren Rücken. Ihr Blick schweifte über die Straße und entdeckte einen Mann der geradewegs auf das Schlagloch zusteuerte. "Heda!" rief sie ihn an und stand auf. "Mach eine Linkskurve sonst fällst du gleich auf die Nase." Konnte der denn noch rechtzeitig die Linkskurve machen oder konnte er nicht hören? Brummend eilte sie ihm entgegen und zog ihn zur Seite. "Träumst du immer mit offenen Augen?" fragte sie ihn und zog ihn mit sich an der Hand hinterherziehend an dem Schlagloch zur Bank. "Setz dich! Du brichst mir gleich zusammen."

    Sontje spürte seine Arme um sich herum und sah ihn kichernd an. "So heiß bin ich? dann müsstest du dich jetzt eigentlich an mir verbrennen." Sie schob sich ein bisschen nach links und drückte mit dem Rücken die unverschlossene Wohnungstür auf. "Na komm, mein feuriger Held, trag mich..." Sie selbst legte ihre freie Hand in seinen Nacken und ergab sich hingebungsvoll seinen Lippen. Vorsichtig ließ sie ihre andere Hand an seinem Hals zu seiner Wange wandern und umfasste diese. Sie war ganz kratzig, aber zugleich auch so männlich. Langsam löste sie ihre Lippen und suchte wieder zärtlich und noch immer mit leicht geöffnetem Mund seinen Blick. "Das Bett steht im größten Raum der Wohnung." Weingesättigter Atem schlug heiß aus ihrem Mund hervor, während sie mit den Fingern sein Gesicht erkundete. Die andere Hand lag noch immer in seiner und noch immer umschlossen ihre Finger die seinen. Langsam trat ein nicht ganz artiges Lächeln in ihre Züge, ehe sie nun ihrerseits seine Lippen mit ihren versiegelte und einen leidenschaftlichen Kuss initiierte. Was hatte sie nun noch zu verlieren? Gedanklich war sie diesen Weg längst gegangen und das war ebenso schlimm, wie die körperliche Weise.

    "Ohohohoh.. du bist zum Rollensucher degradiert worden?" zog sie ihn mitfühlend-neckend auf. "Dann müssen wir diese Tätigkeit rasch aus deinem Kopf löschen. Ich habe im Gegensatz zu dir heute noch gar nichts gegessen, entsprechend hungrig bin ich."


    Sie strahlte, als er erwiderte, was sie zukünftig mit ihrer Zeit vorhatte. "Ein Arsch? Hmm.. dann sollte ich ihm raten künftig braune Kleidung zu tragen, weil ihm weiss nicht steht." Himmel, war sie äußerst gut gelaunt. Vergessen war die Mühe mit den schweren Kleidersäcken. Lächelnd hakte sie sich bei ihm ein. "Lass uns gucken, wo "Trojanisches Schwein" auf den Tisch gestellt wird. Du kennst das doch? Ein Schwein wird mit anderen Tieren gefüllt. in Anlehnung an die alte griechische Sage von dem hölzernen Pferd, in dem sich Soldaten verbargen, die Troja eroberten." Zu zweit fanden sie eine gemütliche Taverne und liessen es sich währnd dem Essen gutgehen. Der Wein schmeckte lieblich und hob die Stimmung.


    Leise kichernd und über diverses sprechend kehrten sie zur Fuchstanzstrasse zurück. Sontje lehnte sich gegen den Türrahmen der offenstehenden Tür zum Wohnhaus udn richtet den reinzufällig hinunter gerutschten Träger ihres Kleides. Mit der anderen Hand fächelte sie sich Luft zu. "Huhihi, war das gut und schön. Ich bin satt und mir ist heiß. Dir auch?" Spontan entwand sie sich ihm und lief ein paar Stufen der Treppe hinauf, um von dort über der Schulter hinweg zu Servianus zurückzusehen. "Kommst du mit zum Nachtisch?"

    Mit einer Hand verfolgte sie die seine und legte ihre Hand auf seinen Handrücken, um sie sachte festzuhalten und zu drücken. "Ich wollte dich nicht von deiner Arbeit in der Amtsstube abhalten." erwiderte sie zur Erklärung. "Aber Essen gehen, ja, das können wir sehr gerne tun." Nach dem Essen erst wollte er ihre künftige Wohnung sehen und fand sie jetzt schon so süß.


    Schmunzelnd hielt sie seine Hand ein bißchen länger fest und löste sie erst, als der hilfsbereite Junge wiederkam. Sontje zahlte ihm die versprochenen Münzen aus. Dazu fragte sihn nach seinem Namen und ob er häufiger hier in der Gegend sei. Sie hätte sicherlich ein paar weitere Aufträge für ihn über, für diese er abermals Münzen verdienen könnte. Aufgeregt eilte der Junge nach Beantwortung aller Fragen von dannen. "Siehst du, Helfer kriege ich auch so. Die meisten sind dankbar. Und später eventuell Abnehmer meiner Schneiderarbeiten." legte sie Servianus ihre Pläne der nächsten Tage dar. Den Inhalt der Kleidersäcke ordnen und schauen, was man draus machen könnte, eventuell Stoffe weiterverkaufen, dafür neue Nadeln kaufen oder eben sparen für die künftige Schneiderstube. Weiter unten die Straße, quasi um die Ecke, gab es eine Bäckerei. Die Schneiderstube musste in der Nähe der Bäckerei sein. Laufkundschaft war da. Die sich erst was Süßes holte und sich dann wunderte, warum die Kleidung zu eng wurde. "Komm, lass uns gehen, ich hab furchtbaren Hunger." Ihren schweren Reisemantel hatte sie verkauft, es war klar, dass sie für immer hier bleiben würde. Wegen der kleinen aber feinen Stadt, wegen der frischen Luft, wegen Servianus.

    Er musste von der Straßenseite gekommen sein, die sie nicht aufmerksam beobachtet hatte. Etwas verspätet grüßte sie ihren 'Wohnungsbeschaffer'. "Salve Servianus, ja meine Möbel sind bereits alle oben. Ich habe gestern Gero getroffen. Er und sein Kumpel haben alles heil rüber gebracht und aufgestellt. Es sind nur noch die Kleidersäcke raufzutragen." berichtete sie von dem Stand ihres Umzuges. "Die trägt mir grad ein Junge rauf. Wenn er wieder unten ist, wollte ich in eine Garküche gehen. Magst du mitkommen? Oder willst du dir angucken, wie die Wohnung möbiliert ausschaut?" Ein neues Bett mitsamt Polstern hatte sie sich kaufen müssen, der Wirt der Taverne hatte die Mitnahme des Bettes aus dem Gästezimmer nicht gestattet. Hm, wenn sie sich Servianus so anschaute, standen ihm die verstrubbelten Haare wieder einmal ausgezeichnet. Der Regenschauer ebbte schon wieder ab und die Leute verliessen das Vordach einer nach dem anderen, um ihren unterbrochenen Weg fortzusetzen. "Also, was machen wir? Ich hätte Lust auf eine süße Vorspeise..." lächelte sie Servianus verführerisch an.

    Sie hätte nicht gedacht, dass sie soviele Kleidersäcke besaß oder hatte sie schlicht viel zu viel Stoff besorgt, um ihrem Hobby nachzugehen? Heftig hustend stand sie mit dem Rücken an die Wand des Treppenhauses gelehnt und wartete, bis der Hustenanfall vorüber war. Die Wasserkaraffe stand oben, einige Schlucke Wasser würden ihrer trockenen Kehle helfen. Doch dazu musste sie erst mal oben im dritten Stock ankommen, sie stand im ersten Stock. Die Bewohner des ersten Stockwerkes waren nicht da, allesamt ausgeflogen. Zwei Säcke standen noch unten, die ebenfalls nach oben sollten. Sontje wischte mit einem Taschentuch die Spucke aus den Mundwinkeln und beschloß wieder nach unten zu gehen. Und die Säcke nacheinander Stockwerk für Stockwerk raufzutragen. Während dem Treppenabsteigen bemerkte sie, dass ihr Magen knurrte,. Richtig, sie hatte heute noch nichts gegessen. Aber nachher, wenn die Säcke endlich oben waren, wollte sie sich mit einer nahrhaften Mahlzeit aus einer der Garküchen belohnen. Soeben ging ein deftiger Regenschauer nieder und scheuchte die Leute von den Straßen. Sie drängelten sich unter dem Vordach des Miethauses. "Ja, du da, du sitzt auf meinem Sack! Hoch mit dir!" sprach sie einen knapp 15-jährigen Bewohner dieser Stadt mit empörter Miene an. Der Junge erhob sich murrend, doch Sontje hielt ihm am Ärmel fest. "Nicht murren, junger Mann, Säcke probesitzen hat was Gutes. Los, schlepp mir alle nach oben und ich gebe dir Münzen. Du hast sicher hungrige Geschwister daheim?!" Die müden Augen des Jungen begannen zu funkeln. Sie sah ihm hinterher, wie er sich daran machte die Stufen hinaufzusteigen und blickte mit verschränkten Armen auf die Straße hinaus.

    "Möglichkeiten? Welche hast denn du oder hast du vor zu nutzen??" fragte sie interessiert nach. "Und zurück zum Landbesitz. Wenn ich soetwas wie Mietskasernen bauen lasse, dann will ich keinen Ärger haben sondern einen guten Ruf. Und der gute Ruf eilt einem bekanntlich voraus. Wildschweine? Hmm.. das wäre auch eine Idee: eine Wildschweinzucht mit Schlachterei. Das stimmt, dass Bäume lange brauchen, um zu wachsen, aber es gibt immergrüne Bäume, die man immer wieder pflanzen kann... die Tannen. Ich kann außerdem Obstbäume pflanzen und die Ernte von einem Händler in meinem Auftrag verkaufen lassen. Wie ich in Rom hörte, sind Birnen und Pflaumen sowie Kirschen sehr beliebt."


    Auch sie aß ihr Gericht und genoß den Geschmack des Fleisches und der Soße. Der leicht verdünnte Wein war vorzüglich. "Er wird also gesucht? Mhm, dazu noch einen Belohnung." Vielleicht sollte sie mit Gero mal darüber reden, ob er sich an dieser Suche beteiligen wollte. Immerhin winkte eine Belohnung und der gemeinsame Münzenbeutel würde schwerer werden, somit auch der Aufenthalt in der Taverne bezahlbar. "Ja, wir bleiben hier. Bislang ist auf unserer Reise hierher keine Nachricht von Rufus Eltern eingetroffen, dass sie ihren Sohn in Rom wiedersehen möchten. Die Verantwortung für den kleinen Mann trage ich gerne. Möchtest du noch einen Becher Wein?" Sie nickte zum Wirt und bedeutete ihm einen zweiten Becher zu bringen. Beinahe hätte sie gefragt, ob er Kinder haben möchte. Verlegen über diesen plötzlichen Gedanken hinter ihrer Stirn, strich sie sich eine Strähne hinters Ohr.

    Sie lachte leise auf. "Ja, Frühaufsteher sind wir. Rufus hat immer früh am Morgen großen Hunger und auf dem Markt können wir billiger speisen und satt werden. Ja, die Nachricht haben wir gehört..." Sontje schloß die Tür hinter ihm und kehrte zum Fenster zurück. "Ich kann es kaum glauben. Soweit ich mitbekommen habe stehen Römer gegen Römer. Rufus hat nachgefragt und ich habe ihm erklärt, dass Krieg herrscht. Jetzt will er ein Schwert haben, um mit seinen Freunden die Schlacht nachzuspielen. Keine einfache Sache..." Unbewusst rieb sie sich den Nacken und zuckte hilflos mit den Schultern. "Karten lesen kann ich gar nicht. Wie weit sind die Soldaten denn von Mantua weg? Sollen wir Mantua verlassen? Gero meinte, dass es besser wäre sich zurückzuziehen, aber ein Feigling sein? Nein..." Forschend sah sie Titus an, seinen direkten Blick suchend.

    Sontje stellte den Einkaufskorb ab und trat ans Fenster, um auf die Straßen hinunter zu sehen. Rufus war bei den Nachbarn, die Kinder in seinem Alter hatten. Er würde den ganzen Tag bei ihnen bleiben und bei Einbruch der Dunkelheit zurück in die Taverne kommen, damit sie gemeinsam zu Abend aßen. Ihre Gedanken schweiften zurück zu den Gerüchten, die die Nachbarn der Nachbarn erzählt hatten. Sie hatte sie bei ihrem Bummel durch die Stadt auf dem Marktplatz getroffen. Mitten in ihr Gespräch war die kräftige Stimme eines Ausrufers geplatzt: die ausgezogene Legion und die Germanen haben die Vescularianer bei Vicetia gestellt. Soldaten standen Soldaten gegenüber.


    Mit diesem Wissen war eine Frage glasklar beantwortet, sie konnten nicht mehr reisen, sie würden hier in Mantua bleiben. Sontje wusste sehr genau, wieviele Münzen sie noch hatte, um den Aufenthalt zu bezahlen. Zum Glück bekam sie regelmäßig Münzen aus ihren Betrieben zugeschickt. Es wurde ihr dennoch ziemlich teuer im "Zum gerupften Huhn" wohnen zu bleiben. Sie erwog seit einigen Nächten in ein Mietshaus umzuziehen, aber dann würde Rufus seine jüngst geknüpften Kontakte wieder verlieren. derart in ihre Gedanken vertieft hätte sie fast das zaghafte Klopfen und die männliche Stimme überhört. Sontje öffnete ihm die Tür, um sie hinter ihm wieder zu schließen. "Salve Titus.. komm herein." Jetzt bemerkte sie, dass sie ihren Mantel noch anhatte und legte ihn auf dem Stuhl neben dem Bett ab. Sie trug eine neue erstandene grob gewebte dunkelrote wollene Tunika ohne Zierborten, die wollte sie demnächst selbst aufnähen. "Rufus ist unten bei den Nachbarn. Ich bin gerade vom Marktplatz gekommen. Hast du die Gerüchte gehört?!?"

    Umso schöner ist es dagegen hier in deiner Gesellschaft zu sitzen. Sontje erwiderte sein Lächeln mit einem Schmunzeln. Ihr war auf einmal sehr warm und ein wohliger Schauer rieselte über ihren Rücken. "Dacht ich es mir doch, dass nicht alle Alten von der Seuche hinweg gerafft wurde. Es gibt für jeden immer irgendwelche Möglichkeiten sich einzubringen und zu beweisen."


    Sie war einverstanden das Thema zu wechseln. Politik war langweilig. Und außerdem kam endlich das Essen. Sie liess es sich servieren und bedankte sich mit einem netten 'Danke' beim Wirt. Vorsichtig begann sie die Soße über den Zickleinbraten zu verteilen und das Fleisch in mundgerechte Stücke zu schneiden. Hoffentlich war nicht zuviel Knoblauch in der Soße. Sontje dachte über die Landbesitzfrage nach und meinte. "Nunja... Mietskasernen würde ich auf eigenem Land nur bauen, wenn ich weiss, dass am Bau nicht gepfuscht wurde. In Rom ist es schon öfter passiert, dass solche Gebäude ohne vorherige Anzeichen des bevorstehendes Einsturzes eingestürzt sind. Fruchtbares Land dagegen würde ich nicht bebauen, weil es auch der Natur um uns herum gehört. Wildschweine wird man nie los, wenn Bäume drauf stehen, die Eicheln abwerfen. Die Tiere sind es gewohnt sich eben dort ihr Futter zusammenzusuchen. Ich würde versuchen Bäume zu pflanzen, die schnell wachsen und später gutes Brennholz abgeben."


    Aufmerksam hörte sie zu, wie Servianus von seinem Tag erzählte. Sie konnte den Zorn des decurios verstehen. "Was ist dann aus dem Verwalter des decurios geworden? Bekam er noch eine Chance oder musste er gehen? Ich habe kaum mit Schreibkram zu tun. Eher schreibe ich so gut wie gar nicht, da ich keine Kontakte per Brief habe." gestand sie letzteres ohne weiteres ein. Sontje genehmigte sich einen Schluck Wein und nickte. "Ja, ich bin froh, dass Rufus gesund und munter ist, Mit einem kranken Kind ist es weit aus anstrengender. Obwohl ich froh sein kann, dass er mehr an mir hängt als an seinen Eltern. Bis jetzt hat er noch nicht erwähnt, dass er Heimweh hat oder zurück nach Hause möchte." Sie seufzte leicht. "Ich möchte nicht nach Rom zurück... schon allein wegen dem bevorstehenden Krieg."

    "Ich kenne kalte Winter ganz gut. Der Schnee kommt in Massen vom Himmel herunter und die Wege sind verschwunden. In so einer Schneelandschaft ist nichts mehr so wie du es kennst. Bei beinahe jedem Schritt musst du dich fragen was unter dir ist.. feste Erde oder ein Loch." erzählte sie mit unbewusst leicht zur Seite geneigtem Kopf, sodass er nun mehr von ihrer nackten Schulter sehen konnte. "Gut, dann nehmen wir einen der Feiertage." stimmte sie ihm zu und lauschte seiner Stimme, die nun über die Seuche und deren Folgen erzählte. "Wo ehemals die Alten saßen haben jüngere Personen also eine Arbeitsstelle gefunden... dafür aber mussten sie sich selbst mit den hiesigen Dingen vertraut machen." Wie das, die Stadt verwaltete verwaistes Land? Warum verkaufte sie es nicht? Oder gab es an die Natur zurück?


    "Ist Landbesitz sehr teuer?" fragte sie Servianus und trank einen Schluck vom Wein. "Nun, warum der Stadtpatron aber zugleich der Legat der ersten Legion ist verstehe ich nicht ganz. Denn dieser Mann hat sich offensichtlich für das Militär entschieden und nicht für die Stadt." kritisierte sie das Fehlen mit einem argwöhnischen Blick. "Wenn aber duumvir, magistrat und collegium sich um die Stadt kümmern, dann scheint es auch ohne ihn zu funktionieren." mutmaßte Sontje ein wenig erleichtert.


    Freundlich erwiderte sie seinen Blick und lächelte darüber, wie er sich die Zunge leckte. "Ja, der Wein ist sehr gut. Ich hoffe das Essen wird ebenso sein. Der Wirt gibt sich große Mühe es mir angenehm zu machen, dabei bin ich noch gar nicht so lange unter seinem Dach. Ich mag es hier und fühle mich wohl." Oha, ihr gingen die Small-Talk-Themen aus, darin war sie nicht gut. Sie blickte entspannt durch den Schankraum umher und suchte zuletzt Servianus Blickkontakt. "Rufus scheint fest zu schlafen, das ist gut, er war doch sehr müde, auch wenn er es nie zugegeben hätte..Wie war dein Tag heute so? Musstest du wieder zu Pferd raus?"

    Ihm schien ihre Idee zu gefallen, wie sie Rufus beschäftigen wollte, damit er nebenbei etwas lernte. Er war bisher von Privatlehrern oder in der Schule unterrichtet worden. Hier würde sie keines von beidem machen, er sollte sich selber aussuchen dürfen, was er lernen wollte. Allerdings würde sie ihn auf manches Interessantes hinweisen oder Tipps geben. Er war ein kleiner Junge, der nicht alles wissen konnte. "Ja, ich hoffe sehr, dass es ihn begeistern wird. Es wird ihn ablenken." stimmte Sontje lächelnd zu. Ihr Lächeln vertiefte sich, als Servianus meinte, er würde einen Führer organisieren oder selber auf den Ausflug mitkommen. "Das klingt nach einer guten Idee einen Führer mitzunehmen. Du sagtest selbst, dass du die Gegend hier kennst, vielleicht kannst du den Führer mit etwas überraschen." Der kleine Seitenstich musste sein und Pferdepfleger Gero würde selbstverständlich mitkommen. Vielleicht hatte der Führer keine Erfahrung mit wissbegierigen kleinen Jungen und wollte schlichtweg seine Münzen verdienen. "Wie ist denn das Wetter hier so? Es sollte allerdings kein zu kalter Tag sein. Du wirst sicher wissen, wann deine Pflichten dich loslassen werden oder wir vereinbaren einen Tag und Treffpunkt." lud sie ihn zum Ausflug ein.


    Er war zu Pferd gekommen, weil es mit dem Schiff nicht geklappt hatte? Das musste richtig hart gewesen sein. "Mit dem Schiff muß richtig abenteuerlich sein, weil die Reise auf dem Wasser stattfindet und nicht wie sonst auf der Erde. Irgendwann möchte ich auch mal mit dem Schiff reisen und wenn es nur ein Übersetzen von Insel zu Insel ist. Meine längste Reise war (ebenfalls zu Pferd) von Mogontiacum über die Alpen. Mantua durften wir damals nicht betreten, weil die Seuche wütete. Zum Glück konnten wir unsere Vorräte bei einem der umliegenden Höfe auffüllen und den Weg nach Rom antreten." Während er bestellte beobachtete sie ihn genau und empfand ein zufriedenes Gefühl. Der Iulier war ein angenehmer Gesprächspartner. Servianus kannte außerdem die Stadt und die Umgebung und half ihnen in vielen Dingen weiter. Nach der Enttäuschung mit Nero hatte sie nicht vor eine neue Liebe zu suchen und doch war da etwas. Sie fühlte sich in seiner Nähe deutlich wohl und tat so, als würde sie nicht bemerken, dass die Schärpe rutschte und die bloße Schulter freigab.


    "Dass ausgerechnet der Legat der prima der Stadtpatron ist, wundert mich ein bisschen, aber gut. Wer hat denn derzeit die Macht über der von Soldaten verlassenen Stadt inne? Wer lenkt die Geschicke der Stadt? Ich schätze, da gibt's ein paar Leute, die der Verwaltung ein paar Münzen zustecken werden, um dies oder jenes Vorhaben zu fördern, welches normalerweise nicht genehmigt werden würde. Ich hoffe nicht, dass das Dach über uns einstürzt, nur weil irgendwer am Dachstuhl gepfuscht hat." Der Wein wurde gebracht. Sontje war froh drüber, ihre Kehle war schon trocken. Lächelnd hob sie den Becher und prostete Servianus zu. "Auf Mantua!" brachte sie vor und trank die ersten Schlucke. Erst nach diesen Schlucken schmeckte ihr der Wein und sie leckte die Oberlippe sauber.

    "Jap." stimmte Sontje Phaenas steinernem Exemplar zu und warf selber einen Stein, der über die Wasserfläche hüpfte und nach runden viereinhalbmal versank. Sie konzentrierte sich auf ihre Wurftechnink, auf die Haltung des Armes, die Beugung der Knie, die Bewegung der Hand, kurz auf den gesamten Bewegungsablauf, um einen Stein erfolgreich zum Hüpfen zu bekommen. Die gesammelten Steine, die sie in der Hand trug, verringerten sich.


    "Ehm.. nein. Beigebracht hat es mir niemand. Mein Vater hat erwähnt, dass er es in frühester Jugend mal gemacht hat. Dann hab ich andere Personen in unserem Umkreis danach ausgefragt. Ihnen war dieses Spiel kaum bekannt. Es liess mich nicht mehr los und ich begann es zu versuchen. Viele haben zugeschaut und haben gemeint, ich solle es besser lassen, der Fluß würde sonst böse werden, wenn der Boden noch mehr Steine zu tragen hat." Sie strich sich eine Strähne aus der Stirn, tippte mit dem Zeigefinger an die Schläfe und schüttelte den Kopf. "Also das hat mich wirklich aufgeregt. Ich fand, es ist doch ziemlich egal wo ein Stein liegt, ob trocken oder nass. Mir war es wichtiger, dass ich mich beschäftigen konnte. Ich durfte nicht dasselbe tun wie meine Brüder, lediglich die leichten Dinge. Zum Beispiel sticken oder weben oder nähen, alles was mit Stoff zu tun hat." Sontje klopfte auf ihr Brustbein. "Ich musste bei jeder noch so kleinsten Anstrengung husten. Mutter hatte immer Angst, dass ich ersticken würde und sie ihr einziges Mädchen verlieren würde." Sontje warf einen Stein, der im Hüpfen auf eine Welle traf und versank. "Husten tue ich immer noch aber nicht mehr so stark wie damals."

    "Oh, sie gefällt mir gut. Wir sind auf dem Markt einem Geschichtenerzähler begegnet, der besonders die Kinder zu fesseln wusste. Rufus hat ihm von Anfang bis Ende zu gehört und ist um den Namen eines berühmten Männern reicher: Publius Vergilius Maro. Ich will versuchen dessen Gedichte zum Lesen zu bekommen. Vielleicht machen wir auch einen Ausflug zum Vicus Andus." Sontje lächelte. Ein weiterer Tag auf dem Pferderücken verbringen wäre angenehm. Gut möglich, dass sie Gesellschaft von Servianus bekamen, oder? "Der Erzähler hat die Geschichte zur Erstehung dieser Stadt zum Besten gegeben und ich hatte Gelegenheit zu ein paar Minuten mit mir selbst. Die Reise Rom-Mantua war körperlich weit anstrengender als ich zugeben würde. Tagelang saß ich auf einer treuen Stute die jedem Schenkeldruck gehorcht und musste zugleich einen kleinen Jungen beschäftigen, der bemerkt, dass die Reise so gar nicht nach Abenteuer riecht." Sie schüttelte leicht den Kopf. "Nein, ich habe noch nichts zum Verzehr ausgewählt.. aber das was du vorschlägst klingt ganz vielversprechend. Ich nehme dasselbe wie du." Sie sah Servianus geradeheraus an. "Was ich außerdem unterwegs aus dem Tratsch herausgehört habe, gefällt mir so gar nicht. Wo sind die Verwaltung und der Stadtpatron der Stadt hin? Hat man noch nicht dafür gesorgt die Namen der Bevölkerung kundzugeben? Es scheint außerdem keinen Scriba und Vigil zu geben?"

    Sie überlegte gerade, ob sie noch eben den versprochene Nachricht an Rufus Mutter Calvena schreiben sollte, damit sie diese Aufgabe erledigt hatte oder ob sie sich damit Zeit lassen sollten. Es konnte ja sein, dass sie schneller wieder zurückreisten als geplant. Endlich ertönte die Stimme auf die sie gewartet hatte und wegen der sie hier saß. Lächelnd blickte sie ihn an. "Salve Servianus. Nein, ich warte noch nicht allzulange." Sie deutete ihm sich zu ihr zu setzen... ob neben ihr oder gegenüber, es war ihr egal. Mit einer Hand schob sie die rutschende Schärpe hoch und umgriff ihren Becher Most. "Ich bin erst vor kurzem die Treppe runtergekommen, da ich gewartet habe, bis Rufus schläft. Er weiß übrigens, dass ich hier unten verweile, wenn er aufwacht und nicht wieder einschlafen kann, soll er runter kommen." klärte sie ihn rasch über etwaige Störungen seitens ihres Schützlings auf. "Aber ich glaube, er wird oben bleiben, weil er war ganz schön müde. Wir waren den ganzen Tag in der Stadt unterwegs. Es war ziemlich aufregend." Ihr Magen knurrte mahnend, sie hatte ordentlichen Appetit. "Ah, was trinkst du? Ich habe mir einen fruchtigen Saft bestellt, er ist sehr lecker."

    Heute hatte sie lange geschlafen und sich der vernachlässigten Körperpflege gewidmet, sodaß sie sich von der Amazone zur hübschen junge Dame zurück verwandelte. Sie trennte die Haare zu einem Scheitel, kämmte sie sorgfältig durch und flechtete einen Zopf in die offen ligenden Haare. So, dass sah doch ganz annehmbar aus... und wenn der Zopf sich wieder löste so konnte sie ihn neu flechten. Zusammen mit Rufus besuchte sie die Schänke und liess für sie beide ein verspätetes Frühstück servieren. Anschliessend gingen sie beide raus und besuchten Gefion im Mietstall. Der Pferdebursche hatte bei den Pferden genächtigt und schien ganz zufrieden zu sein. Sontje gab ihm Münzen für den Besuch der hiesigen Therme und liess ihn in seinen freien Tag ziehen. Mit Rufus suchte sie den Weg zum Forum sowie zum Markt und sah sich aufmerksam um. Heute abend würde sie den Einwohner von gestern wiedersehen. Die Kleidung dafür hatte sie schon zum Lüften ausgehängt... ein weißes, schlichtes Gewand mit einer gold-roten Borte besetzt. Der dicke Stoff liess eine Schulter frei. Dazu gehörte ein rotes Schultertuch, welches als Schärpe um den Körper getragen wird. Rufus Stimme riss sie aus den Gedanken. Nach dem Streifzug durch die Stadt kehrten sie zur Taverne zurück. Rufus spielte mit seinem Spielzeug. Sontje widmete sich dem Gepäck, was hatten sie dabei, was brauchten sie oder musste ersetzt oder gewaschen werden? Es kam ein kleiner Hügel zusammen. Diesen packte sie in einen Beutel und stellte ihn beiseite. Es wurde Zeit... nach dem erneuten Haarfrisieren ein letzter Blick in den Spiegel. Vorsichtig schlüpfte sie in das Gewand und zupfte an den Falten, bis sie zufrieden war. Liebevoll verabschiedete sie sich von Rufus (den sie ins Bett gebracht hatte) und ging hininter. Sie hatte vom Wirt eine ruhige Ecke bestellt und saß am Tisch. Ein fruchtiger Saft war das erste was sie seit dem Frühstück zu sich nahm und nippte am Becher.

    Eigentlich würde sie versuchen eine ermäßigte Summe für Rufus Verpflegung zu bekommen, aber der Wirt dieser Taverne kam ihrem Ermessen nach schon allein mit dem Mietstall seines Schwagers ziemlich entgegen. Sie verschob den Versuch auf die nächste Woche, denn sie blieben immerhin einen Monat hier.


    "Achja... die leidigen Kochkünste.. ich glaube ich bin darin dir ziemlich ähnlich." entgegnete sie schmunzelnd. Hm, wann hatte sie Zeit für einen Kurs im Kochen gehabt? Ihr Job war Kindermädchen sein. Der Iulier ging auf ihr Angebot zu einem weiteren Treffen ein, das gefiel ihr. "Klar.. hier sehr gerne." Vielleicht würde sich Gefion zum Wölfchen hüten überreden lassen... oder sie wartete bis Rufus mit dem Wissen, dass sie in der Wirtschaftsschänke unten sei, schlief. Sanft strich sie wie zufällig über Servianus Hand. Der ausgeschickte Bursche des Wirtes kehrte zurück und berichtete, dass mit dem Mietstall alles in Ordnung sei und Gefion dort bleiben würde. "Dann bis morgen, Servianus, ich freue mich." Mit einem Lächeln wandte sie sich endgültig ab und verschwand mit Rufus die Treppe nach oben steigend auf ihr gemeinsames Zimmer.