| Aedituus Caecus Niger
Mit einem Mal sprudelten die Fragen aus Iuna Axilla nur so heraus und Caecus Niger wurde sich wieder dessen gewahr, dass die junge Frau in ihrem Leben nach eigener Aussage noch kein Rind geopfert hatte. Selbst wenn Frauen an solcherlei teilnahmen, achteten sie wohl kaum auf die genauen Abläufe, wie es den Männern schon im Kindesalter beigebracht wurde, da diese solche Aufgaben irgendwann später als patres familias einmal selbst ausführen mussten.
Da sie nicht unter Zeitdruck standen - die Dämmerung würde schlussendlich nur einfach in den Abend hin übergehen, der ebenso gut für ein Opfer an Pluto geeignet war, und falls es nach dem Ritus stockdunkel sein würde, konnte Caecus Niger bei dem Preis, den die Iunia bezahlt hatte, den beiden Damen getrost den stämmigen victimarius und einen der popae mit einer Fackel als Geleit nach Hause mitgeben - setzte der Aedituus noch einmal zu einer ausführlichen Erläuterung des Opferritus an, um der jungen Frau ein wenig die Furcht vor der großen Aufgabe zu nehmen. Zwar musste ein Opfer nicht den gesamten Ablauf umfassen und konnte nach persönlichen Vorlieben um bestimmte Teile gekürzt - wie auch erweitert - werden, doch Caecus hielt es für das beste, den traditionellen Ritus vorzugeben, wie auch einige Teile der Opferherrin abzunehmen, die nicht zwingend durch sie durchgeführt werden mussten.
"Der Ritus beginnt vor der Tür des Tempels, indem die tibicines auf deine Anweisung hin mit ihrem Spiel beginnen. Am Tempeleingang reinigst du deine Hände in dem kleinen Wasserbecken neben der Tür." Dass Iunia Axilla nicht schwanger war, unter ihrem Dach kein Toter zur Aufbahrung lag und sie sich an diesem Tage noch keinem Mann hingegeben hatte, setzte der Aedituus voraus, gehörten diese Prämissen der Reinheit doch auch zum kultischen Grundwissen junger Frauen.
"Dann zieht ihr gefolgt von den Opferhelfern in einer kleinen, symbolischen Prozession bis zu dem foculus, zu dem Altartisch. Er steht an der rückwärtigen Wand der cella unter dem Standbild des Dis pater. Dort sprichst du dein Gebet, legst deine Gaben für das Voropfer ab und teilst dem Göttlichen deine Bitte oder Dank mit, ganz wie du es auch zu Hause am Hausaltar tust. Abgesehen davon, dass die Trankopfer in die kleine Mulde gegeben werden und so direkt in den Wirkungsbereich des Dis übergehen. Deine Worte sollten dabei deine Bitte oder deinen Dank explizit benennen. Denke daran, dass die Götter uns nicht in die Köpfe schauen können, allerdings haben sie gute Ohren, so dass ein Flüstern durchaus ausreicht, das liegt ganz in deinem Ermessen."
Gerade wenn Funktionspersonal des Tempels an einem Opfer mitwirkte, wollten manche Menschen nicht, dass diese ihre Worte hörten. Obwohl Caecus über keinen seiner Männer Schlechtes zu sagen wusste, konnte er das dennoch nachvollziehen, denn mit ausreichend Geld war halb Rom käuflich, und manche Bitten oder mancher Dank betrafen doch überaus persönliche Angelegenheiten, die nicht an die Öffentlichkeit dringen sollten.
"Wie bei jedem anderen Gebet wendest du dich auch im Tempel nach rechts, um das Voropfer abzuschließen. Danach begibst du dich, wieder gefolgt von der kleinen Prozession, aus dem Tempel, die Stufen hinab bis zum Altarstein auf dem Vorplatz. Ich werde dann noch einmal eine rituelle Reinigung vornehmen, indem ich euch mit einigen Tropfen Wasser besprenge, und die Teilnehmer und eventuelle Zuschauer zur Ruhe auffordern. Du offerierst sodann Dis pater deine Gabe, die dreifache Nennung seines Namens ist hierbei immer geeignet. Also in etwa", seine Stimme wurde ein wenig tiefer, "'Dis pater, untergründiger Herrscher der tiefen Reiche, dieser Ochse zu deinen Ehren, Dis pater, dir, Dis pater, als mein Dank.'" Mit normaler Intonation sprach Caecus weiter. "Etwas in dieser Art, ein wenig abgewandelt je nachdem ob es sich bei dem Opfer um die Einlösung eines Gelübdes handelt oder eine Bitte. Noch einmal wäschst du dir die Hände, dazu wird einer der Jungen dir eine Schale Wasser anreichen, und trocknest sie an dem mallium latum. Auch dieses reicht dir einer der Helfer. Die Weihung des Tieres mit mola salsa werde ich übernehmen, hernach den Schmuck abnehmen und dir das Opfermesser reichen. Die symbolische Entkleidung führst du selbst durch - die Klinge muss nicht über das Fell kratzen, einige digiti darüber reicht. Anschließend kannst du nochmal ein kurzes Opfergebet folgen lassen, dies ist allerdings nicht zwingend notwendig, da du dein privates Anliegen schon im Tempel formulierst. Möchtest du ein solches öffentliches Opfergebet noch einfügen?"
, fragte Caecus, um dem Schlächter die notwendige Anweisung geben zu können, ob er nach dem Entkleiden noch auf das Ende dieses Gebetes warten sollte.
"Ansonsten wird der victimarius sich gleich im Anschluss an das Entkleiden positionieren und das agone? fragen. Deine Antwort darauf lautet age!, woraufhin die Schlachtung stattfindet. Das Auffangen des Blutes wird einer der popae übernehmen. Danach werden die vitalia dem Tier entnommen und begutachtet. Möchtest du das selbst übernehmen, oder wäre es dir lieber, wenn ich es tue?"
[size=7]M'F.G.[/size]