Die junge Iunia beschloss, wenn sie schon einmal in Ostia und somit am Hafen war - und wenn es nach ihr ginge das erste und letzte Mal - dann sollte sie etwas Fisch zu sich nehmen. Sie war sich nicht sicher, wie wahrscheinlich es war, dass man in Rom frischen Fisch essen konnte. Und sie war sich auch nicht sicher, ob ihr neuer Mann die Kosten dafür auf sich nehmen würde. Daher war es eine gute Gelegenheit und sie entschied sich bei einer der vielen Garküchen einen carpa, Karpfen, zu essen. Ein ganzer Fisch, gewürzt mit Salz, Dill, Petersilie und Liebstöckel, dazu etwas Brot, Garum und einen Becher verdünntem Wein. Mit dem Preis war sogar Narcissa zufrieden und sie ließ sich nieder, während Nicäa auf ihr Essen wartete und es ihr dann brachte. Es wunderte die junge Plebejerin, dass sie so großen Hunger hatte, aber sie schob das auf die Tatsache des Festlandes. Denn ohne das entnervende Schaukeln des Schiffes fühlte sie sich ungleich wohler. Sie konnte von dem Tisch aus, an dem sie saß, die Straße überblicken und sogar auf den Hafen hinaus, was sie auch tat. Es hatte etwas sehr entspannendes, die Menschen herum zu beobachten, wie sie ihrem Tagewerk nachgingen, in Eile über die Straßen huschten, plauderten und scherzten.
Nach dem Essen schlenderte Narcissa noch etwas herum und kam, früher oder später, am Sklavenmarkt vorbei. Sie blieb stehen und ignorierte, dass Nicäa unruhig von einem Bein aufs andere trat, die Sklavin hatte sicherlich auch so verstanden, was ihr blühte. Sie war kein Kind mehr und Narcissa würde es ihr ganz sicher nicht erklären. Eine Weile ging Narcissa an den Käfigen auf und ab und besah sich die Menschen, die in relativ guten Verhältnissen in den Käfigen saßen. Einige schauten sie an, andere senkten den Blick und wieder andere bemerkten sie erst gar nicht. Wie oft war wohl schon eine hochnäsige, reichlich ausstaffierte Dame an ihnen vorbei geschlendert, nur um sie sich anzugucken und dann wieder zu verschwinden. Der Sklavenhändler allerdings sah das Interesse der jungen Frau und witterte mit dem Gespür eines Händlers, der seinem Geschäft seit Jahren erfolgreich nachgeht, dass er hier ein eben solches machen konnte. Mit einem gewinnenden Lächeln und die Peitsche, mit der er die Sklaven auf Trab hielt, hinter seinem Rücken haltend, ging er auf Narcissa zu.
"Guten Tag, kann ich dich für einen von meinen Sklaven begeistern?" fragte er freundlich und lächelte sie an. Narcissa wandte sich ihm zu, allerdings konnte sie sich einfach nicht zu einem Lächeln herablassen. "Vielleicht, doch zuerst will ich dich von meiner begeistern. Ich schlage dir einen Tausch vor. Diese hier…" sie griff Nicäa grob am Arm und zerrte sie nach vorne "… nennt man Nicäa, sie ist Griechin, spricht fließend Latein und Griechisch, kann lesen und schreiben und auch rechnen, sie hat meiner Familie seit Jahren gut gedient. Manchmal ist sie allerdings etwas langsam, liegt am Alter, würde ich annehmen. Was hast du, dass mit ihr mithalten kann?"
Der Händler staunte nicht schlecht, als sich sein Verkaufsgespräch in eine ganz andere Richtung entwickelte, aber dann nickte er. Wenn diese Griechin konnte, was ihre Herrin anpries, dann war sie ein guter Tausch. Er linzte über die Käfige und wies einen seiner Mitarbeiter an, den Sklaven herzubringen, auf den er gezeigt hatte. Ein älterer, germanischer Sklave kam zum Vorschein, dessen blondes Haar zu einer sehr kurzen Frisur gestutzt war und einen Bart trug er auch nicht. Ganz anders als der Germane auf dem Schiff, wie Narcissa mit einem neugierigen Lächeln sah. Er war groß und hatte einige Muskeln, dennoch war er schon älter und ruhiger, wie der Händler ihr versicherte. Dennoch unterbrach Narcissa ihn, denn sie wollte keinen männlichen Sklaven. "Ich brauche eine Frau, eine, die weiß wie man eine Herrin zurecht macht und unterhält, jemand der lesen und schreiben kann. Hübsch braucht sie nicht zu sein, wenn sie ihr Handwerk versteht." Fasste die junge Iunia ihre eigenen Gedanken zusammen und beobachtete, wie er einen anderen Käfig öffnen ließ. Ein junges Ding kam herausgekrochen, dessen eine Gesichtshälfte völlig vernarbt war.
"Ein Feuer hat sie so zugerichtet, außerdem spricht sie nicht, hat keine Zunge mehr. Sie kann allerdings lesen und schreiben, Latein sowie Griechisch, rechnen wohl auch, aber nicht besonders schnell. Sie reagiert auf den Namen Phila, muss ungefähr 12 oder 13 sein." Narcissa blickte auf das junge, dunkelhaare Ding und nickte. Auch wenn sie eigentlich gerne etwas Älteres gehabt hätte, diese hier würde es auch tun. Ob Alt oder hässlich machte keinen Unterschied. "Wo hat sie vorher gedient?" fragte sie interessiert. "Und kann ich ihre Fähigkeiten testen?"