Beiträge von Lucius Iunius Merula

    Der Sacerdos setzte sich und hörte dem Iulier zu. Die Nachricht über den Besuch des Kaisers ließ ihn aufhorchen. Viel hörte man ja nicht über den neuen Mann an der Spitze des Staates, nur die Gerüchte über Valerianus labilen Gesundheitszustand machten auch in den Kreisen der Normalbürger die Runde.


    "Nun, je nachdem, wo der Caesar Valerianus Station macht und sich einquartiert, müssen die Würdenträger der Stadt ihn selbstverständlich aufsuchen und in der Region willkommen heißen", gab sich Merula ganz staatsmännisch.
    "Das Ganze natürlich verbunden mit einer Einladung! Wahrscheinlich ließe sich der angekündigte Umzug zu Ehren der Flottensoldaten auch gut mit dem Besuch des Kaisers verbinden."
    Er dachte kurz nach, dann teilte er dem Duumviren seine weiteren Gedanken mit: "Vielleicht ließe sich auch eine Schaustellertruppe oder Ähnliches engagieren, mal sehen."


    "Was den Tempelneubau angeht: Die Arbeiten schreiten voran. Momentan sind wir mit der Auswahl des Baumeisters beschäftigt. Der Kreis der in Frage kommenden Personen hat sich auf einen bekannten griechischen Meister aus Korinth und einen weniger berühmten Architekten aus der Gegend um Misenum reduziert. Wie denken die Stadträte darüber? Beide Kandidaten böten wohl ihre Vorteile."

    Lucius Merula hatte eigentlich nicht vorgehabt, sich gleich bei seiner ersten Generalversammlung in den Vordergrund zu drängen, doch da er nicht unbedingt zu den geduldigsten Menschen Roms gehörte und ihm dieser Kandidat namens Quintus zusagte, begann er vorsichtig als Zeichen seiner Zustimmung zu klatschen.
    :app:

    Kaum zehn Minuten, nachdem man ihn benachrichtigt hatte, stand Lucius Iunius Merula auch schon tief schnauffend im Officium von Duumvir Proximus.
    Er brauchte einige Atemzüge, bis er wieder genug Luft hatte, um zu sprechen:
    "Salve, Duumvir! Mir wurde gesagt, Ich solle an einer Besprechung teilnehmen?!"

    Der Ianitor, der - da er der einzige Sklave im überschaubaren Haushalt des Iuniers war - zugleich Haushälter, Bote und Koch war, bekam einen gewaltigen Schrecken. Hatte sein dominus irgendetwas verbrochen? Etwas zittrig öffnete der ältere Mann die Tür:
    "Wie kann ich helfen?" fragte er den Mitarbeiter der Stadt.

    Der Freigelassene Celsa überbrachte eine Mitteilung seines Patrons.


    Wie vor einiger Zeit mit dem Duumvir Marcus Iulius Proximus besprochen, möchte ich, Lucius Iunius Merula, Sohn des App. Iunius Decula, hiermit meine Kandidatur zum Amt eines Magistratus von Misenum bekannt geben. Rückfragen können an die Casa Merula gerichtet werden.


    Luc. Iunius Merula
    ANTE DIEM XVI KAL MAI DCCCLIX A.U.C. (16.4.2009/106 n.Chr.)

    Nach seiner Unterhaltung mit dem Duumviren Proximus machte sich Merula noch am nächsten Tag zum Forum der kleinen Stadt Misenum auf.
    An seiner Seite fand sich an diesem Tag ein Freigelassener seines verstorbenen Vaters, ein gewisser Appius Iunianus Celsa Apii Iunii Libertus, kurz Celsa genannt. Dessen Aufgabe sollte eigentlich darin bestehen, auf einer Wachstafel zu notieren, welche Punkte bereits erledigt und welche wiederum erst noch in Angriff zu nehmen waren.
    Doch umso größer die Überraschung, als die Beiden die vorgesehenen Stelle erreichten.
    Offensichtlich waren die Planungen zum Bau nicht über eine Absichtserklärung hinausgekommen, das ausgewiesene Grundstück im besten Falle als Brachland zu bezeichnen. "Da wartet noch viel Arbeit auf uns, Celsa!"
    Insgeheim fragte er sich bereits, ob man das mit dem Tempelneubau nicht doch lieber aufgeben und stattdessen nicht ein Wagenrennen austragen sollte. Das böte den Fahrern der Veneta zumindest die dringend benötigte Wettkampfpraxis. Gelegentlich überdeckte Merulas Interesse für Pferde und Wagenrennen nunmal sein Pflichtgefühl.
    Oder hatte dieses verschlafene Städtchen mit angeschlossenem Flottenstützpunkt nur auf jemanden wie ihn gewartet, der das Heft des Handelns in die Hand nehmen würde...

    "Es ist vermutlich das Beste, ich verschaffe mir erst einmal einen Überblick über das Projekt. Das werde ich gleich morgen in Angriff nehmen! Wahrscheinlich werden wir uns in einer Stadt wie Misenum dann sowieso über den Weg laufen."
    Dann erhob sich der Sacerdos und verabschiedete sich vom Duumviren. Dieser Iulier hinterließ bei Merula den Eindruck eines fleißigen, ehrlichen Stadtbeamten, wie man ihn sich für eine erfolgreiche Zusammenarbeit nur wünschen konnte.

    "Genauso habe ich mir das vorgestellt", bestätigte Merula die Vermutungen des Duumviren.
    "Nach dem Eindruck, den ich nun gewonnen habe, bin ich umso überzeugter, dass wir gut zusammenarbeiten werden. Und natürlich werde ich sämtliche Details zuvor mit der Stadtverwaltung abklären.
    Dann danke ich nochmals für deine Zeit, die ich in Anspruch nehmen durfte."

    Auch er hob seinen Becher und erwiderte Proximus' Geste. Nachdem er bei seiner Ankunft in Misenum zuerst skeptisch in die Zukunft geblickt hatte, stellte sich die Situation in seinen Augen nun deutlich positiver da.

    Nachdem er sich bereits zuvor im Vorzimmer schadlos gehalten hatte, griff der Sacerdos auch jetzt dankbar zu. Bei ihm zu Hause blieben die Vorratskammern aufgrund mangelnden Hauspersonals und fehlender Hausfrau zumeist gähnend leer.
    "Ich bin überzeugt, ein derartiger Neubau würde nicht nur den Bedürfnissen der Einwohner der Colonia Misenum Genüge tun, sondern auch für überregionale Aufmerksamkeit sorgen. Und damit auch der Wirtschaft zugute kommen", fügte er noch hinzu, während er sich im Geiste einige Notizen machte.
    Für die kleineren Civitates im Umkreis einiger Tagesreisen von Rom war es immer schwer, ein Stück vom großen Kuchen abzubekommen. Das Intersse beschränkte sich nun einmal zumeist ausschließlich auf die ewige Stadt.
    "Das zweite Anliegen hat indirekt auch damit zu tun. Ich ziehe in Erwägung, bei den nächsten Wahlen als Magistratus von Misenum zu kandidieren. Allerdings kenne ich weder den Termin dieser Wahlen noch bin ich mit dem genauen Ablauf einer Kandidatur vertraut..."

    Mit Erlaubnis des Schreibers betrat Merula das Officium des Magistraten. Da ihm dessen Name unbekannt war oder er diesen, falls er ihn doch schon einmal vernommen hatte, vor lauter anderen Dingen wieder vergessen hatte, begrüßte ihn der Iunier unpersönlich mit dessen Amtstitel.
    "Salve Duumvir! Ich bin Iunius Merula, Sacerdos Publicus pro Italia und seit Kurzem wohnhaft in Misenum.
    Zwei Anliegen sind es, dich mich zu dir führen."

    Da er es gewohnt war, schnell zur Sache zu kommen und er diese Einstellung nach eigenen Erfahrungen mit arbeitsgeplagten, unter Zeitmangel leidenden Amtsträgern gemein hatte, fuhr er sogleich fort:
    "Zum Einen bin ich in meiner Funktion als Mitglied des CD hier. Gibt es denn irgendwelche Auskünfte, die von Seiten der Stadtverwaltung zu geben sind? Oder Probleme wie bauliche Mängel bei den lokalen Tempelanlagen, von denen ihr zu berichten wisst und deren Kenntnisse von Bedeutung sind?"

    Der Angesprochene folgte der Aufforderung des Princeps und ergriff das Wort:
    "Sehr gerne! Ich bin Lucius Iunius Merula und als Sohn eines gewissen Appius Iunius Decula in Tarraco aufgewachsen. Seit einiger Zeit übe ich die Tätigkeit eines Sacerdos Publicus für Mercur aus.
    Warum ich der Veneta als Sodalis beitreten will? Nun, ich bin leidenschaftlicher Rennsport-Fan und ein großer Pferdenarr und die 'Blauen' haben als erfolgreichster und am besten organisierter Rennstall des Reiches schon immer meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Wenn also Interesse besteht, würde ich gerne meine Unterstützung anbieten!"

    Damit beendete Merula seine kurze Rede und blickte sich, die Reaktionen der Mitglieder abwartend, in der Menge um.

    Selbst für einen Neuling wie Merula war es unverkennbar, dass sich gewisse Verstimmungen unter den Mitgliedern aufgetan hatten. Scheinbar hatten die Gespanne nicht das erreicht beziehungsweise waren nicht in dem Maße bei Rennen vertreten gewesen, wie das von so manchem hier erwünscht gewesen wäre.
    Der Iunier konnte und wollte sich in diese Diskussion verständlicherweise nicht einmischen, war allerdings über die Schärfe der Fragen, mit denen der neue Trainer unter Druck gesetzt wurde, doch recht überrascht. Zumindest nutzte er die Zeit, um sich die Gesichter derjenigen hier einzuprägen, mit denen er lieber nicht aneinandergeraten wollte.

    Schneller als befürchtet hatte Merula in Misenum ein seinen Ansprüchen genügendes Domizil gefunden und erwerben können. Es ähnelte prinzipiell stark seinem alten Wohnhaus in Tarraco, wies allerdings, was die Einrichtung anging, einige Veränderungen auf.
    So hatte der Hausherr in dem kleinen Triclinium der Casa ein kostspieliges Bodenmosaik anlegen, einige Wände herausreißen beziehungsweise umbauen lassen und in den Ecken und Nischen zahlreiche Erinnerungen an seine Heimat Hispania untergebracht.
    Blieb nur zu hoffen, dass die Tektonik des Gebäudes bei all den Veränderungen unbeschadet geblieben war.
    Sein jüngst erworbenes Pferd hatte der Iunier in einem Stall abseits der Stadt untergebracht. Er würde es vorerst nur als Transportmittel zwischen Rom und Misenum benötigen.