Beiträge von Claudia Sisenna

    Am Stadtrand Roms lag ein Grundstück, das ab sofort Sisenna ihr eigen nennen durfte. In Begleitung ihres Sklaven Sofian und einer Abordnung an Leibwächtern und sonstigen Begleitpersonen besuchte sie ihr Land heute zum ersten Mal. Eher durfte sie nicht aus dem Haus, die Unruhen mussten erst vollständig abklingen.


    Lange vor Erreichen der Stelle lugte sie aus der Sänfte. Sie mutmaßte oft falsch, aber schließlich wurde die Sänfte vor einem der Landstücke abgesetzt. Anders als vorhergehende Flächen stand hier kein Haus, auch keine Hütte, kein Brunnen oder sonst etwas. Die Fläche war von irgendjemand frei und sauber gehalten worden, bereit für eine Nutzung, welche auch immer.


    Sisenna rutschte vor und stellte die Füße auf den Boden.


    "Komm, lass uns einmal drüberlaufen und Schritte zählen“, forderte sie Sofian auf. Sie fasste seine Hand und zog an ihm, als sie losging. Da sie ihn aber nur in Bewegung bringen wollte, ließ sie bald los. "…dreiundzwanzig, vierundzwanzig, fünfundzwanzig.“ Sie blieb abrupt stehen. "Hier“, sie wies zu ihren Füßen, "soll ein Baum gepflanzt werden. Hier ist eine schöne Zahl.“ Sie blickte zu Sofian. "Wir müssen diese Stelle markieren. Du könntest ein Stöckchen in die Erde stecken.“ Die Grasnarbe war dicht und es müsste schon ein größeres Stöckchen sein, damit es über das Gras hinausragte und beim Einstecken nicht zerbrach. Bäume gab es auf ihrem Grundstück nicht, nur einzelne Büsche und viel Gras.

    Sisenna blickte zu Faustus, um sich das Gesicht zum Namen einzuprägen, dann hörte sie ihrem Onkel gespannt zu.
    Keine Blumen, keine Bäume, aber Pflanzzeit - es gab viel zu tun und sie würde Hilfe brauchen. Bis zum Frühjahr musste das neue Zuhause für ihre Bienen fertig sein. Sie malte sich ihr Grundstück in bunten Farben aus und strahlte.
    "Daaanke!", sagte sie bewegt, während sie noch immer das Schriftstück glattstreichelte.
    Plötzlich drehte sie sich um und rannte Richtung Ausgang. Kurz davor stoppte sie und raste wieder zurück. Sie umarmte Menecrates stürmisch in Bauchhöhe, bevor sie aus dem Peristyl flitzte. Draußen begann sie zu quieken. Kein ängstliches Quicken, sondern eins von Freude durchzogen, das leiser wurde, je weiter sie sich entfernte.

    Eigentlich hatte Sisenna eher an die Erforschung des Raumes gedacht, als sie Sofian fragte, was sie jetzt anfangen könnten, aber er brachte sie auf den eigentlichen Grund ihres Besuchs zurück und er hatte auch Recht.
    "Stimmt, wir gehen einfach in ein anderes Officium. Danach können wir immer noch zum Palast und uns beschweren, wenn uns niemand hilft." Sie blickte nach rechts, dann nach links. "Such du dir aus, wo wir hingehen wollen. Vielleicht bist du ja ein Glücksbringer und findest ein besseres Arbeitszimmer mit einem besseren Befehlsmann. Oder oft, weißt du, lenken die Götter unsere Schritte. Dann schicken sie dir eine Eingabe." Sie versuchte mit ihrer lockeren Art, ihn fröhlicher zu stimmen. Natürlich bemerkte sie seine Bedrückung. Möglichst unauffällig linste sie zu ihm, um zu sehen, ob ihr Versuch Erfolg brachte. Sie teilte sogar sein Unverständnis, dass es bisher niemanden zu interessieren schien, wenn Banditen Überfälle ausübten. Wie sicher lebten sie alle überhaupt in Rom? Sisenna ahnte, warum ihr Onkel darauf bestand, dass sie und ihre Nichten stets von einer Schar Sklaven begleitet wurde und er selbst ging auch nie alleine aus.

    Da ihr Onkel nichts sagte, aber Faustus sein Schriftstück entrollte, hefteten sich Sisennas Augen an ihn. Er würde ihr erklären können, was da stand. Oh ja, sie bemerkte sehr wohl, dass sich seine Augen weiteten. Ihr Herz fing an zu klopfen, während sie voller Ungeduld wartete. Und endlich - nach einer ungläubigen Nachfrage - enthüllte Faustus das Geheimnis.
    Eine Schenkungsurkunde also. Sisenna fand die Situation derart spannend, dass sie anfing, auf der Unterlippe zu kauen. Sie schaute kurz zu ihrem Onkel, dann wieder zu Faustus. Eine Frage blieb immer noch offen: Was wurde hier verschenkt?
    Die Antwort kam in Form einer Nachfrage, weil sich Faustus offensichtlich selbst nicht sicher war. Sisenna blickte zu ihrem Onkel, ob der nickte oder abwinkte, doch Faustus beantwortete sich die Frage selbst. Sie und er hatten je ein Grundstück geschenkt bekommen.

    Ihr Mund öffnete sich. Zuerst starrte sie Faustus an, dann ihren Onkel und schließlich das Schriftstück in ihren Händen. Sie bereute sehr, es eingerissen zu haben. Andächtig legte sie es an die Brust und strich immer wieder über das Papier, um es zu glätten.

    "Ist das eins mit Blumen und Obstbäumen?", fragte sie mit piepsiger Stimme.

    Die Vorfreude hielt Sisenna gepackt, aber als die Arme in Sicht kamen und aus jeder Hand vorn und hinten nichts als ein Stück Papier hervorlugte, wich ihr Lächeln. Es machte einer umgreifenden Enttäuschung Platz. Um nicht unhöflich zu erscheinen, griff sie dennoch danach. Sie wusste nicht, wie wertvoll dieses Papier war und besaß eine Resthoffnung, dass in ihm etwas sehr Kleines, aber Feines versteckt sein könnte. Bei dem Versuch, es zu Entrollen, riss es an zwei Stellen ein.
    Endlich hielt sie es ausgebreitet und realisierte, dass es eine Information barg.


    "Ist das eine Schatzkarte mit Hinweisen, wo der Schatz versteckt ist?" Das Leuchten kehrte in ihre Augen zurück, weil sie annahm, das Spiel ging in eine neue Runde. Sie ahnte, die Schriftzeichen besaßen Bedeutung. Leider konnte sie noch nicht lesen.


    "Was steht denn da drauf?"

    Sie hatte gewonnen! Ein Strahlen legte sich auf das seit Tagen ernste Gesicht. Gleich darauf wurde sie aber wieder ernst, weil sie nachdachte, für welche Hand sie sich entscheiden sollte. Das Leuchten in ihren Augen blieb dabei bestehen.
    Sie trat einen Schritt vor und linste seitlich an Menecrates' Körper vorbei, was nicht recht gelang. "Hmmm." Dann verschränkte sie die Arme vor der Brust und dachte nach. Wenn jemand falsch war, wurde er oft als link bezeichnet. Gut möglich, dass die linke Seite keine gute Seite war. Andererseits reimte sich Rechtes auf Schlechtes und Linkes irgendwie auf Liebes. Die Überlegungen führten nicht zum Ziel, daher entschied sie, nach der erst besten Eingebung auszuwählen. Sie sah in den Himmel, verfolgte einige Augenblicke eine Wolke und entdeckte dann einen Vogel, dessen Flug zum Garten führte. Von ihr aus gesehen lag der Garten links, also stand die Entscheidung fest. Sie hob den Arm und zeigte mit dem Finger auf den linken Arm.


    "Ich nehme diese Hand." Nun stellte sich die frage, durfte sie ihr Geschenk abholen oder musste sie warten, bis ihr Onkel die Geschenke übergab. Unschlüssig trat sie von einem Fuß auf den anderen.

    Geschenke - früher wäre Sisenna in Begeisterung ausgebrochen. Heute blieb sie stumm, aber ganz konnte sie sich der Verlockung nicht entziehen, weil sich Neugier regte. Sie hob den Blick und sah ihren Onkel eine Weile an. Es ging also darum zu raten und es ging um eine Art Wettbewerb. Sisenna liebte Wettbewerbe und Spiele. Sie übten eine magische Anziehungskraft auf das Mädchen aus, was ihre Gedanken gefangen nahm. Sie vergaß für den Moment die Erinnerung an das Schreckliche der Vergangenheit und begann zu überlegen. Plötzlich stockte der Gedankenfluss.


    "Und wenn ich gewinne und mir die falsche Hand aussuche? Bestimmt gefällt mir das Geschenk für, für, für ihn nicht." Der Name lag ihr nicht auf der Zunge. "Und ganz bestimmt gefällt ihm das Geschenk für mich nicht." Das war sowas von logisch! Ein Mann spielte nicht mit Puppen und Sisenna interessierte sich nicht für Vers-Sammlungen - noch nicht.


    Wenn sie schon Gefahr lief, Falsches zu bekommen, dann wollte sie wenigstens selbst aussuchen und nicht das übrig Gebliebene abbekommen. Sie wollte eine schlaue Antwort geben. Eine, die nicht ganz falsch sein konnte, denn das Geschenk direkt zu erraten, erschien ihr unmöglich. "Das Geschenk für mich ist so groß wie", sie blickte sich um und suchten im Peristyl nach einem Vergleichsobjekt. Es musste klein genug sein, um hinter dem Rücken versteckt zu werden und groß genug, damit es Sisenna erfreuen konnte. Ihr Blick fiel auf die Zierfischen im Teich und sie zeigte dorthin. "So groß wie ein Fisch." Erwartungsvoll sah sie ihren Onkel an. Eine lange vermisste Lebendigkeit trat in ihre Züge.

    Wer Sisennas Vergangenheit nicht kannte, könnte annehmen, dass die Kleine mit ihren schleppenden Schritten ihre Unlust verdeutlichen wollte, mit der sie dem Ruf ins Peristyl nachkam. Der Grund für ihre Antriebslosigkeit lag aber nicht bei den Wünschen ihres Onkels. Ganz gleich, wohin ihre Schritte sie führten, sie schlich anstatt zu springen, wie man es sonst von ihr kannte. Auch ihr Lächeln blieb verschwunden seit jenem Ausflug zur Villa Tiberia.


    Wie ein dressiertes Püppchen schlurfte sie zu ihrem Onkel und blieb wortlos vor ihm stehen. Sie blickte nicht hoch, weil es sie nicht interessierte, was er zu sagen hatte. Sie würde die Ansprache über sich ergehen lassen und tun, was er verlangte. Widerspruch reizte sie längst nicht mehr.

    Das gesummte Lied drang irgendwann in Sisennas Bewusstsein und legte sich wie ein erster zarter Schutzschleier auf ihre Seele. Ein Anfang für die kleine Claudia, der sich jedoch zur Stärke einer Rüstung würde aufbauen müssen, wollte er die verwundete Seele nachhaltig schützen. Willenlos ließ sie sich auf die Seite wenden und heranziehen. Kraft zur Gegenwehr besaß sie nicht, außerdem fühlte sich die neue Lage besser an als die alte. Im Rücken fühlte sich Sisenna nun geschützt, fast so als trug sie dort eine Rüstung. Es lag nahe, dass Sisenna viele nachfolgende Nächte nicht ohne diesen Rüstungsersatz würde schlafen können, aber darüber machte sie sich keine Gedanken. Der liegende Mann beherrschte ihr Denken und Fühlen, bis irgendwann die Augen zufielen und sie in einen unruhigen Schlaf sank. Immer wieder schreckte sie auf, manchmal mit einem Schrei. Dann prüfte sie die Nähe des wärmenden Körpers, bevor sie erneut in schlechten Träume fiel.

    Sisenna bestaunt mit hochgezogenen Brauen die Wandlung des Mannes. Vorhin hatte er sie derb behandelt wie vorher noch keiner. Jetzt konnte er sogar lächeln und nannte sie kleine Claudia. Ihr Blick hing gebannt an seinem Gesicht, als er sich auf sie zubewegte, um sich schließlich an ihr vorbeizuschlängeln. Versonnen sah sie ihm nach, wie er davonstapfte, bevor sie zu Sofian blickte.


    "Wir sind allein", stellte sie fest, ohne es selbst glauben zu können. "Was fangen wir damit an?" Sie zwinkerte unternehmungslustig und blickte zurück in den Raum.


    Sim-Off:

    Bitte Sofian die Chance geben, dass er wenigstens einmal was zur Sache mit seiner Familie sagen kann. Möglicherweise müssen wir dafür etwas Geduld aufbringen.

    Im Türrahmen angekommen, verhielt sie den Schritt. Sie musste überlegen und das dauerte ein paar Atemzüge, denn als Kind konnte sie nicht auf genügend Erfahrung und Gesetzeskenntnis zurückgreifen. Schließlich drehte sie sich halb um, blickte über die eigene Schulter und fasste den Soldaten ins Auge.
    "Wie heißt du eigentlich?" Wenn sie die Geschichte erzählen wollte, kam es schlecht, wenn sie keinen Namen kannte. Hier sah einer aus wie der andere. Zur Sicherheit musterte sie den Mann und prägte sich sein Äußeres ein.


    "Mein Onkel ist übrigens der amtierende Praetor", klärte sie den Soldaten mit einem Lächeln auf. "Wenn ich mich über dich beschwere..." Sie ließ das Ende des Satzes offen, weil sie die folgerichtigen Wege nicht kannte, war sich aber sicher, dass ihr Onkel als Praetor und ehemaliger Legat ihre Worte nicht als leere Versprechen dastehen lassen würde.
    "Du kannst mir allerdings auch helfen", fügte sie an, weil ihr eine Idee kam. Sie drehte sich vollends um und lächelte zum ersten Mal wieder der ihr eigenen lieben und aufrichtigen Art. "Vielleicht kannst du mir einen Tipp geben, dann vergesse ich, was ich eben gehört habe." Diese Redewendung benutzten Erwachsene. Sisenna kam sich ein Stück erwachsener vor, wenn sie aufgeschnappte Äußerungen anwendete.

    Sisenna fand es unerhört, wie der Mann mit ihr sprach. Noch nie hatte es jemand gewagt, solche Töne anzuschlagen. Da wirkte noch nicht einmal die Drohung, dass Sofian ausgepeitscht werden würde. Niemand durfte ihr Eigentum beschädigen, dessen war sie sicher, und Flunkern stand auch nicht unter Strafe. Trotz kam in ihr auf, verdrängte die Aufregungsbauchschmerzen und die Freundlichkeit.
    "Du kannst mich nicht einsperren", sagte sie und zum ersten Mal in ihrem Leben mischte sich Zickigkeit in ihre gefühlte Überlegenheit. Sie stemmte die Arme in die Taille.
    "Mein Onkel kennt sich in den Gesetzen aus und würde dich dafür bestrafen." Daran zweifelte sie nicht. Am heutigen Tag veränderte sich Sisenna. Sie ließ ein Stück ihrer Kindheit hinter sich und begrub den Glauben, dass Unrecht stets verfolgt und gesühnt werden wurde. Stattdessen wuchs die Überzeugung, dass die römischen Soldaten ihren Aufgaben nicht nachkamen.
    "Ich gebe dir auch eine Wahl: Entweder du geleitest mich zum Tor oder direkt zum Kaiserpalast, denn genau dorthin beabsichtige ich zu gehen. Ich glaube nämlich nicht, dass der Kaiser dein Freund ist, dafür bist du zu... gewöhnlich." Irgendwann hatte sie diesen Begriff aufgeschnappt und er schien sehr gehaltvoll zu sein. "Ich hingegen bin wirklich mit Serena befreundet." Ein triumphierendes Lächeln erschien auf ihrem Gesicht, dann wurde sie ernst. Böse Männer kamen also in Rom davon. Niemand interessierte sich dafür. Nicht einmal diejenigen, die für den Schutz aller zuständig waren.


    Sie drehte sich um und ging zur Tür.
    "Komm", sagte sie zu Sofian. Die Strenge galt eigentlich nicht ihm, hoffentlich wusste er das.

    Sisenna kannte das Prinzip, größer zu erscheinen als sie war und wie sie es anwenden musste. Sie stellte sich aufrecht hin - die Schultern zurück, die Brust raus. Erhobenen Hauptes und mit fester Stimme, die keinen Zweifel daran ließ, dass sie mit einem erheblichen Dickkopf ausgestattet war, der bisher fast alle ihre Pläne in die Tat umsetzte, antwortete sie:
    "Ich bin sieben Jahre alt. Das bedeutet, ich bin zur eigenständigen Durchführung von Rechtsgeschäften ermächtigt und befähigt." Diesen Satz hatte sie zum Zeitpunkt ihres Geburtstages auswendig gelernt, damit sie nicht mehr wie ein dummes Kind behandelt wurde. "Mir ist Eigentum abhanden gekommen und ich bin hier, um die Banditen fassen zu lassen. Da bin ich doch richtig, oder?" Sie hob zwar die Brauen, aber der Ausdruck verlieh ihr keineswegs Unsicherheit. Vielmehr wusste sie, dass sie sich an der richtig Stelle befand, weil von hier aus Betrüger, Diebe und Banditen verfolgt wurden. "Wenn ihr mich abweist, werde ich das meiner Freundin der Kaiserin erzählen."
    Um dem Soldaten Zeit zum nachdenken zu geben, sah sich Sisenna nach Sofian um und vergewisserte sich durch Blickkontakt, dass er mitspielte. Natürlich flunkerte Sisenna ein wenig, aber anders kam sie hier nicht zum Ziel. Und anderes nachweisen konnte ihr der Mann auch nicht. Sie verließ sich darauf, dass auch dieses Mal das Lügengesicht fortblieb und wandte sich wieder dem Soldaten zu. Sie konnte noch nicht so überzeugend wie Silana ein forderndes Gesicht aufsetzen, aber sie bemühte sich.

    Sie durften das Lager betreten. Sisenna strahlte, weil sie das weder erwartet noch je erlebt hatte. Sie linste in alle möglichen Gänge, Plätze und Ecken, an denen sie vorbeikamen. Das Officium empfand sie als nüchtern oder zweckmäßig. Sie entdeckte nichts Spannendes.
    Als der Urbaner mit Tafel und Griffel Schreibbereitschaft signalisierte und gleich drauf Fragen stellte, beendete sie die optische Erkundung des Zimmers und lächelte, bevor sie antwortete.

    "Mein Name ist Claudia Sisenna und ich möchte böse Männer anzeigen. Mein Sklave hat sie gesehen und kann beschreiben, was passiert ist." Sisenna sah zu Sofian und erteilte ihm die Erlaubnis nach ihr zu sprechen.
    "Ich möchte die Familie meines Sklaven finden und ich möchte, dass die bösen Männer verfolgt und bestraft werden." Wer für die Bestrafung zuständig war, wusste Sisenna nicht. Der Soldat würde sicherlich beim Sortieren ihrer Wünsche helfen. Sie lächelte wieder.

    Nachdem Sisenna auf ihr Zimmer geschickt wurde, nahm sie den Weg schlurfend und mit starr nach unten gerichteten Blick. Sie betrachtete die Entlassung nicht als Strafe, sondern als Erleichterung, aber sie fiel auf dem Weg zu ihrem Zimmer in die gerade erst verlassene Trübsinnigkeit zurück. Ihre beschmutzte Kleidung interessierte sie nicht im mindesten. Sie ging zu ihrem Bett, kletterte hinein und legte sich auf den Bauch. Das Bild des reglos liegenden Mannes stand ihr vor Augen - ganz gleich, ob sie die Augen schloss oder ob sie auf ihr Kissen starrte.

    "Hier drinnen stinkt es auch"
    , murmelte sie in ihr Kissen. Sie meinte den Geruch verbrannter Gegenstände und Grundmauern.

    Alleine bleiben wollte Sisenna auch nicht, selbst wenn sie sich nicht dagegen sträubte, auf ihr Zimmer geschickt zu werden. Sie wollte sich sogar sehr gern in ihr Bett legen und kuscheln. Sie wollte, dass ihr jemand über die Haare strich und versprach, dass alles gut werden würde. jemand sollte sie in die Arme nehmen und so wollte sie einschlafen, falls sie einschlafen konnte.


    "Ich möchte meine Mama", sagte sie leise. "Außerdem möchte ich, dass Sofian mitkommt und ich möchte Sassia." Silana kümmerte sich auch immer um sie, aber Sisenna wusste nicht, ob sie mit ihr würde kuscheln können. Sassia hingegen hatte sie schon einmal in ihr Bett eingeladen. Außerdem hatte Onkel Menecrates Sabinus zu Silana geschickt, auch wenn der jetzt mit einer fremden Frau das Atrium verließ. Oder hatte sie das missverstanden? Sisenna fehlte der Überblick über die Situation. Zum einen litt sie noch unter den Nachwirkungen des Schocks, zum anderen wirkten die anderen auch unkoordiniert, sodass die Kleine den Versuch der Orientierung aufgab, sich zurücklehnte und an die Decke starrte.

    Zitat

    Original von Alexandros


    Sisenna ließ sich abfühlen, während sie nachdachte. Es fiel ihr schwer, die Gedanken zusammenzuhalten, aber glücklicherweise gab Sofian kurz zuvor Auskunft, als ihr Onkel in etwa dasselbe wissen wollte. "Tiberia, im Garten." Dann fiel ihr ein, dass sie gar nicht bis in den Garten gekommen waren. "Nein, am Eingang. Er hat sich nicht bewegt." Die Reglosigkeit schien ihr größtes Problem beim Verarbeiten zu sein.
    Immerhin klang es beruhigend, als Alexandros feststellte, dass ihr nichts zugestoßen sei, auch wenn es sich ganz anders anfühlte. Ihre Gedanken griffen begehrlich den Strohhalm auf, der Styrax hieß. Sie liebte den Strauch. Er blühte wunderschön und auch ihre Bienen zog er an wie ein Magnet.


    "Wird er wieder aufstehen? Und wenn nicht, bin ich dann Schuld?" Die Vorgänge überstiegen ihren Horizont und noch immer klang der Schock nach. Sie seufzte und richtete ihr bekümmertes Gesicht nach unten. An eine dunkle Stelle im Marmorboden heftete sie den Blick und entrückte wieder den Vorgängen um sie herum.