Noch nachdem er seine Tunika angezogen hatte, spuerte er seinen Magen rumoren. Es war ein Gefuehl, welches er erst seit Kurzem hatte. Seit weniger als einem Jahr. Als er verwundet worden war. Nur knapp hatte der Hieb seinen Magen verfehlt. Hie und da schmerzte es, am manchen Tagen sogar so, dass es fast an sein Heimweh heranreichte.
Bridhe beantwortete seine Frage, so gut es ging, doch Phraates spuerte, es war nicht die ganze Wahrheit. War er noch erschrocken gewesen ueber die Bleichheit der Frau, hatte er anfangs an Wasserleichen gedacht, hatte der Junge eine gesunde Hautfarbe. Bei den Hiberniern wuerde der sicher ein Aussenseiter sein. Fuer den Rest seines Lebens. Sie tat es nur fuer ihn, dass sie nicht zurueckging.
Die Einsicht traf ihn derbe. Und wieder wurde seine Gewissheit bestaetigt. Die Sklaverei war ein Schweinesystem. Es sollte nicht sein. Es war nicht rechtens. Es war gegen die Natur.
Und doch so teuflisch effizient, und nichts und niemand konnte etwas dagegen tun.
Er nickte nur leicht, als er ihre Traenen sah. Sie konnte sie nicht mehr verbergen. Was sollte er bloss tun? Haette er sie besser gekannt, waere er auf sie zugegangen, haette ihr die Traenen weggetupft. Doch angemessen war dies nicht, kannten sie sich doch gerade einmal 20 Minuten. Und er wuerde sie auch nicht besser kennen lernen. Doch ihr Gesicht praegte er sich ein. Er wuerde sie wieder erkennen, wenn er sie wieder sah. Irgendwann.
Er wollte schon etwas entgegnen auf ihr Lebewohl, da drueckte sie ihm etwas in die Hand. Eine Botschaft. Er hielt sie sich vor die Augen und entzifferte die Schrift - mit den lateinischen Lettern hatte er noch immer Schwierigkeiten.
Dann liess er den Zettel sinken, als er die Botschaft verdaut hatte.
"Ich tun es werde.", versprach er ihr. "Mach es gut. Ahura Mazda dich beschuetzen wird.", sagte er. Er meinte es ernst.
"Dann gehe. Gehe, sonst man dich bemerkt.", riet er.
Beiträge von Phraates
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Fuer einen Moment schienen die verbluefft dreinschauenden Mitsklaven vergessen zu sein. Phraates war nun komplett vertieft in das lebhafte Gesparaech mit seinem Landsmann.
Er lachte vor Freude auf und klopfte dem Mann mit beiden Armen auf die Schultern, als ob er ihn schon seit ewig kennen wuerde. Es gab doch auf der ganzen Welt nichts schoeneres als parthische Gastfreundlichkeit und das Zusammenhaltsgefuehl uner Exilanten wie ihn und Phraates. "Sag mir, was ist dein Name, mein Bruder? Woher stammst du? Lass mich raten, aus Medien, stimmt das? Ich bin Phraates. Aus der Oberpersis, aus der Naehe von Aspadana. Und das hast du richtig erkannt. Ich bin Kriegsgefangener. Ich war... bin!", betonte er, "Kataphrakt. Und Savaran. Weisst du, wie kurz ich davor gestanden bin, zu den Unsterblichen zu kommen? Und jetzt bin ich roemischer Sklave. Da siehst du, was aus mir geworden ist.", meinte er. Ein bisschen Verbitterung schwang in seiner Stimme mit, doch sie wurde von der Freude, jemanden aus der Heimat zu sehen, ueberlagert. "Ich bin hierher geschickt worden... von meiner Herrin, Ahura Mazda belege sie und ihre Nachkommen bis ins hundertste Glied mit einem ewigwaehrenden Fluch... um Gewuerze zu kaufen."
Sein Redeschwall war nun fuers erste zu Ende. Er wartete darauf, dass der andere antwortete, und liess sich mehrere Gedanken durch den Kopf gehen. Der Mann schien Geld zu haben, und wuerde sicher bald nach Parthien zurueckgehen. Er koennte ihn doch heimschmuggeln. Mal schauen. -
Phraates fegte den Schmutz zusammen, Tonscherben, Reste von Blumen, Erde. Er beseitigte saemtliche Spuren vom Dreck von der Erde, und der Boden sah nach Phraates' Arbeit noch sauberer aus wie frueher. Nicht, dass dies zu seiner Zufriedenheit beitrug. Er fuehlte sich bei jener Arbeit wie ein Sklave. Er wusste, dass er einer war. Doch er hatte es noch nie so drueckend gespuert.
Er liess sich auf seinen Fersen nieder und blickte die Fresken auf der Wand an. Anschliessend wanderte sein Blick zu Celerina.
Um es besser zu sagen, zu Charis. Er rieb sich die Augen. Konnte das sein? Es fuehlte sich an wie ein Traum... doch ein Traum konnte es nicht sein. Der Staub an seinen Knien, die Demuetigung, alles fuehlte sich viel zu real an. Was fand sie bloss an ihm? Auf jeden Fall wuerde er sich nicht verspaeten, er wuerde eine Viertelstunde frueher dort sein, denn es koennte ja etwas passieren, was eine Verspaetung mit sich zog, und dann... er schuettelte den Kopf rasch, um die hirnlosen Gedanken aus seinen Kopf zu vertreiben.
Anders als das, was die Herrin durchaus denken mochte, hatte sich Phraates nicht verkruemelt, sondern war nur aufgestanden und klopfte sich den Staub von seiner Tunika.
"Absolut funderwoll... aeh, wundervoll.", sagte Phraates mit einer leichten servilen Verbeugung. "Ausgezeichnet." Dass er damit nicht Celerina, sondern Charis eine Freude machen wollte, behielt er fuer sich.
Er blickte kurz auf Charis. Wann wuerde die Roemerin endlich gehen? -
Es war aussichtslos.
Es brachte nichts mehr.
Das Spiel war aus.
Wie ein Boxer, der einen Schlag zu viel erhalten hatte, sackte Phraates' Motivation, aus der Sklavin noch etwas herauspressen zu wollen, zusammen. Sie wollte es nicht. er wuerde dafuer bezahlen. Er konnte ja verstehen, wieso sie es nicht wollte. Und er beschloss, dass er jegliche Konsequenzen wie ein Mann nehmen wuerde. Seine Ehre gebot es ihm. Er konnte dieser Frau nicht Gewalt antun, es wuerde nie passieren, sosehr es ihn auch fuer ein paar schreckliche Sekunden gejuckt hatte, sich seine ueberlegene Staerke zunutze zu machen. Er wuerde es aber nicht tun.
Das physische Zeichen seines Aufgebens war, dass seine Schultern nach unten sackten und er einen Blick aufsetzte, der einem Dackel zur Ehre gereicht haette.
Fahrig griff er sich mit der rechten Hand an den Nacken, neigte seinen Kopf und kratzte sich. Er war zu Ende. Die Felle waren davongeschwommen. Jetzt konnte er nichts mehr tun, ausser am Uferrand zu hocken und ihnen nachzuschauen.
Seine rechte Hand liess er wieder zu Boden baumeln und schuettelte kurz, unwillkuerlich, den Kopf. Wieder dieses Gefuehl, dass das alles unwirklich war, ein boeser Traum, eine Chimaere.
Doch er war jetzt hier, in Ostia. Und das Schlimme war, er konnte nichts dagegen tun. Er sass hier fest. Genau, das tat er. Ohne Chance, weiterzukommen. Zum Beispiel Richtung Osten. Weiter als Rom, in jedem Fall.
Er vernahm einen feinen Laut. War es das Plaetschern des Wassers? War es das Summen einer Biene? War es das Singen eines Vogels?
Muede blickte er zu Siv hin und bemerkte, wie sich ihr Mund bewegte. Er strengte sich an, mitzuhoeren. Er dachte kurz nach und nickte. "Du... du kannst helfen? Wie?", fragte er nach. Auf jeden Fall war es so, dass er bis zum Einzug in die Villa Aurelia warten wuerde, bis er seiner Herrin die Botschaft verkuendete. Das konnte ja heiter werden.
Er schwieg kurz. Dann begann er eine komplett andere Frage: "Wie ist Villa Aurelia?" Er war doch noch etwas neugierig auf seine neue Heimat. -
Es schien so, als ob Phraates' betroffenheit ihrerseits Kiya betroffen gemacht hatte. Sie versicherte ihm, dass sie keine Hilfe benoetigte. Er drehte sich wieder zu ihr hin. "Dann ja gut ist.", meinte er und rang sich ein Laecheln ab, auch wenn er ihr noch immer nicht glaubte. Es mussten Probleme mit ihren Herren sein. Er konnte nichts tun, wenn sie ihm nicht sagte, was passierte. Und wenn sie sagte, dass alles in Ordnung war, legte sie sicher keinen Wert drauf, dass er sich einmischte und - was in Phraaates' Fall wahrscheinlich war - alles noch viel schlimmer machte.
"Danke. ich dir auch wuensche...", meinte er, doch da stellte sie sich ihm vor.
Kiya... das war... Phraates liess seine Gehirnzellen arbeiten. Von dem Namen hatte er schon mal gehoert, sein muesste es: "Oeh... aegyptisch?", machte er in einem fragendem Ton. Dann besann er sich, sie stellten sich ja vor, also musste er seinen Namen sagen. "Ich bin Phraates.", sagte er. "Buerger und Ritter von Parthien." Stolz sagte er dies, jene Auszeichnung, jenes Privileg, welches auch Sklavenschaft in Rom nicht anullierte. "Ich... Entschuldigung fuer boese Worte... vor eines Minute. Tut mir Leid.", fuegte er hinzu. -
Als er der Frau eine Krankheit unterstellte, blockte diese ernergisch ab. Nein, sie waere nicht krank. Und ein Arzt waere auch nicht vonnoeten. Phraates war etwas skeptisch ob ihrer Ansage, aber sie schien sich wirklich nicht helfen lassen zu wollen. Nun, es war ihr Schaden. Er hatte ihr Hilfe angeboten, sie hatte es abgeschlagen. So gut er es meinte, er konnte niemandem helfen, der seine Hilfe so explizit abgelehnt hatte.
Er wollte schon die Achseln zucken und gehen, da sagte sie etwas, was ihn erschaudern liess. Dies war... er hatte kein Wort dafuer. Zwar sagte sie die Wahrheit. Es stimmte ja. Er war Sklave, und daran konnte er nichts aendern.
Und trotzdem, es traf ihn sehr arg. Seine Mundwinkeln rutschten langsam nach unten. Er war ja nur ein Sklave. Nur ein Sklave. Nur ein Sklave.
Wie konnte das sein? Das Sklavenwesen war gegen jedes Naturgesetz. Und er war dort drinnen gefangen. Zu Unrecht. Jede Sekunde seines Lebens, seit er am Sklavenmarkt verkauft worden war, war unter dem Schatten eines so gewaltigen Unrecht gestanden, dass es eher schon die Bezeichnung "Frevel" verdient hatte.
Er blickte kurz zu Boden, raeusperte sich und nickte dann. "Ja, du recht hast. Ich gehe. Ich gehe.", sagte er und wandte sich ab.
Er konnte er wirklich nicht helfen.
Er war ja nur ein Sklave. -
Charis ging an Phraates vorbei, und dieser blickte ihr kurz nach, bevor er ihr folgte. Muehevoll balanzierte er das Waschzeug auf seinen Haenden herum. Bloss nicht fallen lassen... bloss nicht das...
Endlich, sie waren angekommen. So unglaublich und irgendwie erschuetternd es auch klingen mag... Phraates hatte nichts fallen lassen. Durchaus ein Grund, stolz auf sich zu sein.
Beide standen vor der Tuer, und Charis sah schon aus, als ob sie anklopfen wollte. Doch dies tat sie nicht. Sie beugte sich zu Phraates hinueber und wisperte ihm etwas zu.
Phraates war, als ob ihn der Blitz gestreift haette. Dies haette er sich nicht in seinen kuehnsten Traeumen vorgestellt. Er... er und diese Frau. Wie war dies geschehen?
Nur mit Muehe verbiss er sich einen Gesichtsausdruck, der wohl unvergleichlich bescheuert gewesen waere. Um Mitternacht... um Mitternacht im Hof... nur nicht den Eimer fallen lassen... nur nicht den Eimer... den Eimer... den EIIIII... Fast waere er ihm jetzt aus den Haenden gefallen, doch Phraates fing ihn im letzten Augenblick noch auf. Waere der Eimer mit Wasser voll gewesen, haette es sich wohl ueber den Boden ergossen. Aber den Goettern sei Dank war dies ja nicht der Fall.
Charis wandelte hinfort, zu Celerina, waehrend Phraates fuer eine Sekunde ein Loch in die Luft starrte, bevor er seinen Eimer am Boden hinfallen liess (was einen gar hellen blechernen Klang erzeugte).
Seufzend begab er sich auf seine Knie... auf seine Knie, war das vorstellbar?... und begann, mit dem etwas unterdimensionierten Besen den Dreck vom Boden aufzukehren.
Eine typische Arbeit fuer Sklaven. -
Er schaute sie nochmals an. Ja, die Aehnlichkeit mit seiner Schwester war frappant. Man sah zwar, dass es nicht dieselbe Person war, vor allem war die Haut seiner Schwester eine winzige Spur dunkler, aber vor allem auf dem ersten Blick haette man direkt meinen koennen...
Phraates blinzelte mit den Augen, um den Gedanken zu vergessen, doch Erinnerungen an seine Familie hatten sich wieder in sein Gedaechtnis geschoben. Vor allem das Gesicht seines Vaters, dessen erster Sohn er gewesen war, der einzige Mensch, welcher ihm innerhalb seiner Familie je wahre Liebe geschenkt hatte.
Er blickte wieder auf die Frau, welche zum selben Zeitpunkt zu sprechen anfing. Ihm fielen auch jetzt die Unterschiede zu seiner Schwester auf. Die Gestik... die Art zu reden... die Stimmlage... grosse Unterschiede waren da zu finden.
Doch er wuerde sich jetzt nicht abwenden und sie gehen lassen. Sein Bewusstseinstrom, in welchem er sich noch vor 2 Minuten gesuhlt hatte, war jetzt eh schon unwiederbringlich unterbrochen.
"Wirklich?", fragte er skeptisch nach und bemerkte, wie die Sklavin aus irgendeinem Grund bleicher wurde. Hatte sie Angst vor ihm? Ging es ihr nicht gut?
Er blickte sich abermals um. "Du krank ausschaust.", sagte er besorgt. "Soll ich Arzt holen?" -
Oje, jetzt hatte er sie veraergert! Sein laecheln schwand und machte einem etwas ungluecklichen Gesichtsausdruck Platz. Doch auch der Zorn in ihren Augen schwand, und allfaellige Emotionen wurden auf den herannahenden Diomedes kanalisiert, welcher weniger sauer als besorgt zu sein schien.
Phraates seufzte. Die beiden hatten ja recht. Er war kein Kundschafter in irgendeinem gottverlassenen Gebirge in Armenien. Er war Sklave, in Rom, am Markt, wo man sich leicht verlieren konnte. Er beschloss, solche Eskapaden nun zu unterlassen. Es brachte eh nichts. Und ausserdem machte er sich damit verdaechtig.
Da! Eine Bewegung im Stand. Es war ein Mann. Phraates machte einen Schritt auf den alten Knaben zu und musterte ihn schnell. Die Gewaender des Mannes hatte er schon gesehen. Es war die medische Tracht, die Quasten an der Guertellinie deuteten darauf hin. Auch der Bart war nach der Art jenes Volkes, welches in Westparthien lebte, gestutzt.
Phraates' Laecheln kam wieder ans Tageslicht. Es wurde immer breiter und liess sein Gesicht erstrahlen. Er schaute den mann an, als ob er eines der 7 Weltwunder waere.
Ein Landsmann! Wenn auch aus einer anderen Provinz.
Er atmete tief ein. Dann begann er zu sprechen, endlich wieder, auf parthisch.
"Dorud.*", begruesste er den Mann. Er sprach langsam, weich, als ob das Sprechen alleine eine Erleichterung darstellte. "Du bist aus Parthien, sehe ich? Es ist... unbegreiflich schoen, endlich wieder jemanden aus der alten Heimat zu sehen." Er bemuehte sich, den Akzent der Oberpersis, mit welchem er normalerweise sprach, nicht allzu stark auftreten zu lassen und die allgemein verstaendliche Varietaet, welche vor allem in Ktesiphon gesprochen wurde, zu sprechen.Sim-Off: *Das persische Aequivalent von "Salve".
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Es war ziemlich sicher, dass das leben bei weitem schwieriger war fuer Sklaven, die einmal freie Leute gewesen waren. Sklaven, die als Sklaven geboren wurden, wussten nicht, wie die Freiheit roch. Wie sie schmeckte. Was fuer ein Gefuehl es war, zu tun, was man wollte.
Manche, wie Phraates, betrachteten sich noch immer als freie Leute, und ihre Sklavenschaft nicht als natuerliche Konsequenz ihres Lebens, sondern als Unrecht, als Verbrechen, als himmelschreiender Verstoss gegen ihre Rechte. Die Unnatuerlichkeit der Sklaverei mit der Normalitaet eines ganz gewoehnlichen Lebens in Parthien gegenueberzustellen war eine Sache, welche Phraates ganz verzweifelt machte. Hie und da versuchte er, sein frueheres Leben ganz zu verdraengen... doch er schaffte es nicht. Und so versuchte er weiter, nach den Regeln eines guten Lebens zu leben, und dadurh vielleicht einmal eine Chance zu erhalten... so wie der Thraker, ueber den seine Herrin regelmaessig schimpfte.
"Bitte.", meinte er nur, als er aus ihrer Stimme vernahm, dass der Frust sich gelegt hatte. Er akzentuierte jede Silbe ganz sorgsam, als ob es sich um eine exakte Mathematik, nicht um eine Sprache handelte.
"Dir geht es gut?", fragte er, dabei die Wortstellung, die sie benutzte, kopierend. "Ich dir nicht glaube." Er schuettelte zweifelnd den Kopf. Es kam ihm gerade, dass das Verb an die zweie Stelle haette gehen sollen, doch es war zu spaet, das zu korrigieren.
"Dir passiert etwas ist, nein, etwas ist pass... dir passiert." Mit dem, was am Ende herauskam, war er nun viel zufriedener. "Was?", fragte er nach, weil er begann, sich echt Sorgen zu machen. Sie... er wusste nicht, was es war, oder wie er drauf kam... sie schaute ein bisschen aus wie seine Schwester, die er damals zuruecklassen musste, in Aspadana, wo seine Familie noch heute auf ihn wartete... oder besser gesagt, nicht mehr auf ihn wartete, da sie sicherlich sicher waren, dass er tot war. -
Die Kleine hatte wohl heute nicht gerade einen guten Tag, dachte sich Phraates, als er den zornigen Blick bemerkte. Sie stand auf, seine ausgestreckte Hand komplett ignorierend, und schaute sich nach etwas um. Phraates blickte automatisch hinter sich und entdeckte eine Pergamentrolle, die am Boden lag. Er hob sie geschwind auf, blickte sie kurz an - sie war uebersaet mit einer ueberkanditelten Abart der lateinischen Schrift, welche Leute, die sich fuer Kuenstler hielten, oft benutzten, wog sie kurz ab, liess sie locker in der rechten Hand ruhen und hielt sie dem Maedchen hin. "Gehoert dir das?" Mittlerweile wusste er schon, dass bei Fragen das Verb nach vorne kam. Ja, sein latein hatte sich schon etwas verbessert. Doch was er nie abschuetteln koennte, waere der Akzent.
Doch das Verhalten der Sklavin - ihren Stand konnte sie nicht verleugnen, niemals sonst waere eine Frau, so gut angezogen wie sie, auf der Strasse, ohne einen Geleitschutz - konnte er sich nicht erklaeren. Was war los mit ihr? Sie schien sich maechtig vor irgendetwas zu fuerchten. War sie auf der Flucht? War ihr etwas zugestossen? Der Blick in Phraates' Augen wandelte sich von Unmut zu Besorgnis. "Was... ist geschehen?", fragte er. Zwar war der kernige nahoestliche Akzent noch da, doch der Unterklang war verschwunden. "Bist du auf das Flucht?", fragte er "Verfolgt jemand dich?" Er blickte sich hastig nach links und rechts um, doch er konnte niemanden sehen. Einmal niemanden, der sichtbar war. -
Und so lag er am Boden, durch sein hirn geisterten Bilder von alten, ruhmriecheren Tagen...
...als er ploetzlich einen gewaltigen Stoss an seiner Linken verspuerte. Dermassen von den alten Bildern verstoert, warf er sich herum, bereit, einen herannahenden feind die Stirn bieten zu koennen...
...doch was er sah, als er die Augen oeffnete, war nur ein sehr harmlos ausschauendes Maedchen, welches ueber ihn drueber gestolpert sein musste.
"Verflucht, kannst du nicht aufpa...", er unterbrach sich, als er merkte, dass er auf parthisch zu reden begonnen hatte.
Er begann wieder, auf Latein zu denken. In seinem Kopf formierten sich Worte in jener Sprache, welche in einer sehr seltsamen Reihenfolge aus seinem Mund kamen.
"Du nicht aufpassen kannst?", fragte er die Kleine, doch seine Stimme klang nun bei weitem sanfter und weniger harsch als noch die borstige Tonlage, welche er verwendet hatte, als er auf parthische geredet hatte.
"Du dich verletzt hast?", fuegte er hinzu und stand auf. "Hier.", meinte er und reichte der Gefallenen seine Hand. Hm, komisch. Er hatte immer gedacht, er waere der Ungluecksvogel, aber es gab doch immer jemanden, der noch mehr Pech hatte als er selber. -
Selbstgespraeche...
"Bist du stolz auf dich, Phraates, Sohn des Aqa Tiridates?"
Selbstgespraeche haben einen gewissen Reiz.
"Denke zurueck. Denke an die Schlacht."
Selbstgespraeche konnten aufklaerend sein.
"Was haette ich tun koennen? Fliehen, als der Feind kam?"
Selbstgespraeche schaerfen das Sprachgefuehl, besonders wenn man keine Gelegenheit mehr hat, seine Muttersprache zu sprechen.
"Ich habe richtig gehandelt. Und dies ist die Konsequenz. Es war... vorbestimmt."
Selbstgespraeche garantieren jedermann, dass man mit einer Person auf der selben Augenhoehe und mit dem gleichen Intellekt redet.
"Nie konnte ich den entgehen. Es ist mir viel entgangen, ja... viel habe ich verloren... doch es war schon klar, noch bevor die Schlacht begann. Ich waere nie zurueckgewichen. Die Schlacht haetten wir nie gewonnen. Es gab nur zwei Moeglichkeiten... sterben oder leben... als Sklave."
Selbstgespraeche erleichtern es unheimlich, in sich selber zu gehen.
"Als unfreier Mann habe ich die Moeglichkeit, wieder frei zu kommen... und bei Ahura Mazda, es wird geschehen."
Er oeffnete die Augen und wurde innert eines Bruchteils einer Sekunde dorthin verfrachtert, wo er wirklich war.
Ein kleiner Garten am Quirinal, unweit der Villa Flavia. Wieso war er nochmals hier?
Er zermarterte sich das Hirn, dann fiel es ihm wieder ein. Er sollte Besorgungen machen in ein paar Laeden in der Naehe der Villa. Man hatte ihm dafuer weit mehr Zeit gegeben als noetig, sodass es fast schon ein halber freier Nachmittag war.
Er tastete mit seinen Haenden nach unten. Er sass im Schneidersitz am Gras.
Langsam stand er auf, sich Erdkruemel von seinem Gewand wischend - ein einfacher Kaftan, einer von den zahlreichen parthischen Gewaendern, mit denen er nun ausgestattet war.
Er streckte seinen Ruecken ein wenig und blickte sich um. immer das Gleiche. Immer das Selbe. Rom. Was die Roemer liebten, verabscheute er. Konnte es je einem Vergleich mit Ktesiphon standhalten? Konnte es sich vergleichen mit den prachtvollen Staedten Parthiens, so erfuellt mit Leben, Dueften, Traeumen... und Rom, eine schmuddelige, haessliche Stadt. Freiwillig haette er Rom nie betreten.
Er blickte zu Boden und setzte sich sehr langsam in Bewegung, in die Richtung der Strasse, welche am Garten vorbeifuehrte. Heute war nicht viel los, nur einige Leute gingen an der Strasse herum, hauptsaechlich Anrainer oder Sklaven, die irgendwelche Geschaefte oder Besorgungen fuer ihre Herren machen sollten.
Er blickte nach oben, in die kalte italienische Sonne. So voller Feuer, dem reinigenden Element... welches bis hier nicht so gut durchdrang wie in seine Heimat.
Er seufzte, schloss wieder die Augen und liess sich nach hinten fallen, direkt aufs Gras - fuer einen Aussenstehenden muesste es fast schon den Anschein haben, als sei er kollabiert.Sim-Off: Reserviert...
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Es machte einen etwas wummernden Klang, als die Tuere zufiel. Phraates war daran unschuldig. Gerade angesichts der Anschuldigungen, die ihm Charis machen koennte, stiess er die Tuere so schnell wieder auf... auch wenn es ihm nichts ausgemacht haette, irgendwie, noch laenger im Dunkeln gewesen zu sein. Doch bevor er dies noch machen konnte, liess Charis vernehmen, was ihre Version der Geschehnisse war. "Nein!", entgegnete Phraates schnell. "Geschehen von selbst ist.", als er die Tuere aufmachte.
Er balanzierte die Sachen, welche ihm Charis gerade in die Haende gedrueckt hatte, ungeschickt in seinen Haenden herum. Er packte fester zu, sodass die Putzutensilien fast schon zerdrueckt wurden. Und er dachte sich, dass eine Gelegenheit verstrichen war... halt, eine Gelegenheit wofuer? Etwas zu tun, was er versprochen hatte, zu unterlassen?
Er nickte also nur, als sie das Schweigen endlich brach. "Gut.", meinte er nur. Seine Stimme klang etwas... heiser. Er schluckte, jetzt sollte es besser sein. "Wir gehen." Doch die Betonung, welche Charis dem "sie" angedeihen liess, entging ihm nicht. Er laechelte sie wieder kurz an, fast schuechtern, dann nickte er und drehte sich in eine Richtung... nur um zu sehen, dass es hier in eine Sackgasse ging. Er drehte sich wieder zu Charis hin, mit einem fragenden Gesichtsausdruck. Er wusste nicht einmal mehr, aus welcher Richtung sie gekommen waren... -
Nur schwer trennten sich ihre Blicke. Phraates haette ihr noch gerne laenger in diese wundervollen Augen geschaut... doch er tat wie geheissen. Er hatte einen Auftrag, auch wenn er es hasste, ihn zu erfuellen.
Die Dunkelheit war in jenem kleinen Kaemmerchen allumfangend. Phraates konnte kaum noch die Umrisse der Waende ausmachen, an jenem allerlei Geruempel stand. Doch es war nicht von grossem Interesse, was hier alles in der Kammer stand... bis auf eines. Damit meinte Phraates weder den Wischmopp, noch den Eimer, noch sonst irgendein mehr oder minder nuetzliches Haushaltsutensil.
Er blickte nach vorne, zu Charis hin, welche er im Dunklen fast nicht mehr ausmachte. Er konnte weder nach vorne noch zurueck. Hinter sich hoerte er die Tuere ins Schloss fallen, sodass es noch einmal um einiges dunkler wurde. Gut, dass dies so war, denn Phraates war es im Gesicht sehr warm geworden. Ja, er war sicher, dass man seine Roete im Gesicht trotz seiner gebraeunten Haut gut sehen konnte.
Er spuerte eine Versuchung in sich aufkommen... was, wenn er die Dunkelheit der Kammer nutzte? Was, wenn er... nein! Er hatte gerade vor ein paar Sekunden gesagt, nichts wuerde gegen den Willen seiner Mitsklavin geschehen. Und so blickte er sie also nur stumm an, ohne jede Bewegung, als sie sich hinunterbeugte, um die Putzutensilien hervorzuholen. Er spuerte, wie die Roete in seinem Gesicht wich.
Sie drehte sich zu ihm hin, um ihn die Sachen zu reichen. Er streckte seine Haende aus und ergriff sie. Ein kurzes Schweigen. Dann kam aus seinem Mund ein "Danke", mechanisch und wie von weit her.
Er machte einen Schritt zurueck und stiess mit dem Ruecken die Tuere der Kammer wieder auf, hoffend, dass Charis nichts von seiner kurzzeitigen, beschaemenden Schwaeche in der Kammer aufgefallen war. -
Phraates konnte es der Keltin wirklich nicht veruebeln, dass seine narbe sie anzog wie ein magisches Schauspiel. Doch der Blick fuehrte dazu, dass er seine Tunika noch rascher als gewohnt anzog. Barbaren mochten mit ihren Narben prahlen, Parther taten das nicht. Im Gegenteil, es war ein Schoenheitsmakel, welcher zwar von Tapferkeit in der Schlacht zeugte, aber von geringem aesthetischen Wert war.
"Im Krieg...", wiederholte er ihre Worte. Seine Augaepfel rollten kurz nach oben, als ob er an die decke sehen wuerde. Doch obwohl er in jene Richtung sah, blickte er sie nicht an. Vielmehr sah er wieder alles vor sich... die pralle Sonne, die Steppen, die vom Toenen der toedlichen Waffen und der zusammenprallenden Klingen erklangen, der Pfeilhagel, die Schilder der Legionaere, der Hieb, das letzte Roecheln seines Pferdes... der roetliche Staub der Erde seiner Heimat... der Filmriss... und dann, als er wieder zu Bewusstsein kam, das letzte, was er von seiner Heimat sah. Es war eine heruntergebrannte Huette am Euphrat gewesen, welche immer kleiner wurde, je weiter sich die Kriegsgefangenenkarawane von der parthischen Grenze entfernte.
Er blinzelte kurz, um die Bilder zu verjagen, doch es war schwer. "Ja.", meinte er nur kurz angebunden. "Das stimmt." Mehr wollte er nicht sagen.
Doch eines brachte ihn wieder vollends in die Realitaet zurueck - ihre Ansage, dass sie nicht in ihre Heimat zurueckkehren wollte.
Er oeffnete kurz seinen Mund, als wolle er schon protestieren. Dann schloss er ihn wieder. Nach Sekunden brachte er schliesslich wieder etwas hervor.
"Wieso?", fragte er. Es ging ihn nichts an, doch er wollte es trotzdem wissen. "Wieso du nicht zurueck kannst?" Er blickte Bridhe verbluefft an. "Man dich sicher wieder in deiner Heimat erkennen wird!", meinte er, doch seine Stimme war nicht mehr so ueberzeugt, wie sie gewesen war.
Was sie nun sagte, erschuetterte ihn noch mehr. "Dann... dann nicht gehe! Du hier wohnen kannst! Wenn du nicht gehen willst, dann bleibe!", rief er aus. Es haette durchaus etwas, wenn sie hierbleiben wuerde. Er haette, vielleicht, eine Verbuendete... doch helfen wuerde ihm das nicht. Er wuerde bald schon zu den Aureliern gehen. Es gab von seiner Seite her kein Argument, dass sie nicht gehen sollte... und dennoch, er wuerde es schade finden, wenn dies das einzige Mal waere, dass sie sich ueber den Weg laufen wuerden.
Doch ihr letztes Wort war konklusiv, er konnte ihre Meinung nicht aendern. Er konnte sie nicht aufhalten. Er seufzte, lang und leise. Dann nickte er. "Danke.", murmelte er und liess den Kopf haengen. -
Zitat
Original von Siv
Als Phraates damit abgeschlossen hatte, seine Titel aufzuzaehlen, bemerkte er etwas, was ihn beunruhigte. Er hatte der Frau tatsaechlich Angst eingefloesst. Er hatte nicht damit gerechnet. Seine Aktion war das Ergebnis eines kurzen Anfalles gewesen, nicht eines reflektierten Nachdenkens oder tadelloser Vernunft. Die Moeglichkeit, dass er mit seinen fremdlaendischen Worten wirklich etwas bewirkte, war ihm gar nicht gekommen.
Angesichts des verunsicherten Gesichtsausdruckes der Germanin beschloss er zurueckzuschalten. Er wollte nicht, dass jemand vor ihm Angst haben sollte, welcher nicht sein Feind war, schon gar nicht eine Frau.
Doch die Verzweiflung, die konnte er nicht abschuetteln. Einschuechtern war eine feige Methode, die er nicht mehr anwenden wollte, doch er musste doch irgendeine Loesung finden! Es konnte nicht moeglich sein, dass Phraates die Frage seiner Herrin, welche unweigerlich kommen musste, ob seines Wissenstandes, mit einem Achselzucken beantworten musste.
Er wartete also auf eine Antwort. Die Ungeduld flackerte feurig in seinen Augen. Die Germanin dachte sehr lange ueber eine passende Antwort nach, bevor sie sich schliesslich daran machte, dem Parther eine Antwort zu geben.
Atemlos hoerte er ihr zu. Sie wiederholte nur ihre Aussage. Nichts anderes. Es gab nur diese eine Auskunft. Sie wuerde ihre Meinung auf Biegen und Brechen nicht aendern.
Phraates konnte sie ja verstehen. Doch er hatte sich durchaus mehr Solidaritaet erwartet. Er wusste ja nicht, wie es die Germanen damit hielten, doch ihm war dies wichtig, und er wuerde auch nicht davor zurueckschrecken, anderen Sklaven zu helfen, wenn er es konnte, vor allem mit ein paar Worten, welche Siv erzaehlen konnte. Ohne Sorge, dass Phraates sie dafuer bewerten wuerde, ohne Sorge, dass sie dafuer bestraft werden wuerde, ohne Sorge, dass daraus auch nur irgendein Nachteil erwuchs.
Auf der anderen Seite Phraates. Er hatte viel zu verlieren, und viel zu gewinnen. Er wusste, um seine Herrin zufrieden zu stellen, musste er eine akkurate Beschreibung von Corvinus' Vorlieben abliefern. Er glaubte zu wissen, dass Celerina wusste, dass der Aurelier etwas mit der Sklavin hatte. Sie hatte es ihm unterbreitet, ganz ohne zu Zoegern - zumindest hatte das Phraates so interpretiert. Dass seine Herrin nur vage Mutmassungen angestellt hatte, war ihm aufgrund seines schlechten Lateins entgangen. Dennoch war es nun zufaelligerweise so, dass Phraates richtig lag. Phraates hatte tatsaechlich eine Brise der Wahrheit geschnuppert.
Von jener Ahnung angestachelt, beschloss er, sie geradeheraus anzusprechen. Es ging um seine Zukunft.
"Du nicht willst...", wiederholte er also nur ihre Worte. "Du verstehst nicht! Du verstehst das Ganze nicht! Ich das brauche! Wenn ich komme und ich nichts habe, dann..." Es schuettelte ihm beim Gedanken daran, was passieren konnte. Sie verstand wohl wirklich nicht die Severitaet der Konsequenzen, die ein Versagen seinerseits nach sich ziehen wuerde. Oder aber... ihr war es egal. Was, wenn sie sich sagte, der Parther soll doch schwitzen, Hauptsache, ich komme ungeschoren heraus? Fast hatte er den Eindruck, dass dem so war. Es konnte eine unfaire Anschuldigung sein... doch sein verdacht verstaerkte sich. Wieso wuerde sie sich sonst weigern, ihm eine ganz kurze, unverfaengliche Aufzaehlung von Corvinus' Vorlieben zu geben?
"Du sagst, dass du nicht willst, dass ich in dem Loch komme. Aber... nein. Du willst, dass ich in dem Loch komme. Sonst du mir sagen wuerdest." Er schwitzte wie sonst nur ein Holzfaeller. Es waren eine Mischung aus Panik, Veraergerung und Willenskraft, welche in jedem Mann, selbst den nobelsten und respektabelsten, eine gefaehrliche Mischung darstellten.
"Mir es sage!" Er schnaufte kurz ein und aus. Nur die Ruhe. "Oder hast du anderes Plan, he? Du weisst anderes Plan? Wenn nicht, dann sage. Nur zehn Worte. Nicht schlimm. Ich sie vergessen werde, wenn ich sie Celerina gesagt habe. Ich auf meine Ehre schwoere! Celerina dir nie etwas tun wird. Wenn sie etwas tut, dann ich dich beschuetzen werde!", versprach er ihr. Sie musste doch ein Einsehen haben.
Was aber, wenn nicht? Es gab Grund zur Annahme, dass Siv sich trotz seiner eindringlichen Worte noch immer weigern wuerde. Dann waere Phraates mit seinem Latein am Ende. -
"Absichtlich.", wiederholte Phraates ganz langsam. "Absichtlich." Sein harscher orientalischer Akzent fuehrte dazu, dass er das ch deutlich ueberbetonte.
Sie entschuldigte sich bei ihm sogar fuer ihre Art und laechelte ihn an. Phraates laechelte zurueck und blickte in ihre Augen, ihre strahlenden braunen Augen. Und fuer einen Moment schienen seine Sorgen wie weggeblasen. Weit entfernt waren nun Gedanken an seine Heimat, sein Regiment, seine Eltern, seine Angetraute...
Er sog ihre Worte ein, es war wie eine Erfrischung. "Sie.", wiederholte er und grinste. Dann wurde er ernst. "Ich nichts tue wegen sie. Nur wenn du willst.", versprach er, ein bisschen elektrisiert von ihrer Beruehrung.
Doch ihr Augenkontakt wurde unterbrochen, als sie sich umdrehte und Phraates mit der Hand eine Geste gab, ihr zu folgen. Er stand zwar eine Sekunde etwas verdattert da, zoegerte aber dann nicht, zu folgen.
Sie erreichten eine Tuere, hinter der sich eine etwas schmuddelige Kammer auftat. Phraates folgte Charis in den kleinen Raum und blickte sich um.
"Hier so...", wollte er anfangen, doch dann kam wie aus dem Nichts eine grammatische Erleuchtung. "Hier ist es sehr dunkel.", meinte er, erstaunlicherweise richtig. "Ich nicht... ich kann nicht sehen.... nein! Ich kann nicht das... der... den Eimer und das Waschzeug sehen." Ja, das klang schon besser. Stolz laechelte er. -
Der Schmerz verklang nun langsam, und Phraates hatte nun die Chance, die Massage wirklich zu geniessen. Allerdings waehrte sie nicht sehr lange, was schade war.
"Arbeit...", machte er. "Hmpf...", er musste ueberlegen. "Ich Soldat bin.", erklaerte er schliesslich kurz angebunden. Er wollte nicht viel naeher darauf eingehen. Allerdings konnte man eines hoeren. Er benutzte das Wort bin, und zwar ganz bewusst. Er hatte sich noch immer nicht damit abgefunden, dass dies vorbei war. Nun, er war Kataphrakt, das hiess, er war die meiste Zeit von einer Ganzkoerperruestung beschuetzt, welche auch Verletzungen von seiner Wirbelsaeule abhielt. Und die schwere Last der Ruestung, verbunden mit der Tatsache, dass Phraates amsonsten noch nie wirklich schwere Arbeiten machen musste, hatten wohl zu einer Destabilisierung seiner Wirbelsaeule gefuehrt.
"Danke.", meinte Phraates und setzte sich auf. Als er seinen Oberkoerper zu Bridhe hindrehte, kam die grosse Narbe zum Vorschein, welche sich ueber seinen Bauch zog. Sie war schon komplett verheilt, aber man konnte sie immer noch gut sehen, denn sie zeichnete sich deutlich von der amsonsten makellosen hellbraunen Haut ab.
Er griff nach seiner Tunika und zog sie sich ueber sich selbst drueber. Wie gut es war, die Haende wieder frei bewegen zu koennen, und Handgriffe ganz normal auszufuhren, ohne dass man bei jeder Bewegung schmerzhaft zusammenfuhr.
Bei ihren Worten nickte er. Ja, er wusste es. Sein Latein war bei weitem nicht so gut, wie er es von sich selbst wollte. "Ich lerne.", meinte er. Er selbst hatte nur wenig Latein gekonnt, als er gefangen genommen worden war. Es war besser geworden, doch es lag noch einiges vor ihm. Er wuerde zuerst einmal die Faelle und die Wortstellung verbessern, bevor er sein Vokabular erweitern wuerde. Er wusste, Latein war praktisch die Fahrkarte nach Parthien.
Aber halt. Wollte sie gehen? Phraates blickte die Frau erstaunt an, bevor es ihm daemmerte. Sie wuerde gehen, fuer immer. "Zurueck nach Hibernia.", meinte er. Er war sich sicher, wie wollte nun dorthin gehen. "Nach Hause." Er senkte seinen Kopf und druekcte die Augen zusammen, in der Hoffnung, sich so die Traenen der Verzweiflung verkneifen zu koennen. Nicht, dass er Bridhe die Freiheit missgoennte, aber er waere gerne auch frei, so wie frueher.
Er stand jetzt entgueltig auf. "Dann ich dich nicht kann... stoppen.", sagte er und blickte Bridhe in die Augen. "Viel Glueck. Und... danke. Danke, dass gemacht du hast meinen Ruecken."
Seine Danksagung kam von Herzen, und er laechelte ihr ebenfalls zu. -
Die Aussprache seines Namens hatte Siv nun auch besser im Griff, und Phraates bestand ja auch nicht darauf, dass alles perfekt war. Wobei man anmerken musste, dass Phraates Vermutung, dass sein Versuch, Caelyn zu verteidigen, alles andere als perfekt war - was man auch an der Reaktion der Sklavin sah - komplett korrekt war. Es war doch ein Trauerspiel! Zuhause haette kein einziges dahergelaufenes Maedchen gewagt, seine Worte in Zweifel zu ziehen, wie es Siv nun mit ihrem abschaetzigen "Ah ja." tat.
Er konnte nicht sagen, dass er sonderlich begeistert war. Aber es war ja nur eine Angelegenheit am Rande, viel wichtiger war es, das zu tun, was seine Herrin ihm aufgetragen hatte, auch wenn er es sehr schmerzlich fand, dass er so etwas tun musste.
Der starre Blick, mit dem Siv der Parther fixierte, veranlasste ihn dazu, in Schweiss auszubrechen. Er fuehlte sich wie ein Angeklagter auf der Holzbank im Gericht. Dies war eine unmoegliche Situation. Obwohl, die ganze Sklaverei an sich war eine unmegliche Situation, doch jenes Ereignis fiel eindeutig heraus aus jener Kategorie, die man als Normalitaet und Routine kannte. Er wusste eines - dies hier war ein Vertrauenstest. Celerina wollte wissen, ob sie Vertrauen in ihn haben konnte. Natuerlich koennte sie Corvinus auch selber fragen, niemand wuerde daran etwas finden. Aber Phraates musste es herausfinden. Und wenn er das nicht schaffte, dann war alles hin. Dann wuerde er bis zum Rest seines Lebens Pampe fressen muessen, naechtens in einem modrigen Sklavenkaemmerchen versauern, des Tages sich den Buckel krumm schuften und am Abend zum Fenster hinausschauen, kurz die Augen zu schliessen und sich ganz kurz vorzustellen, dies waere Ktesiphon oder Aspadana oder Nisa oder Ecbatana oder wenigstens Dura und nicht dieses elende Rom.
Ihm entging durchaus nicht, dass sich die Germanin ueber den Bauch strich, doch er interpretierte es nicht als das, was es wirklich bedeutete. Phraates glaubte, die Sklavin waere hungrig, und so mass er der Geste keine weitere Bedeutung zu.
Er war auch viel zu aufgeregt, um ueber solche Randerscheinungen reflektieren zu koennen. Er musste an die Informationen kommen, und Siv musste sie ihm einfach mitteilen. Er wusste, die Informationen, die jene Sklavin in sich barg, waren der Schluessel zu einem anderen Leben mit mehr Freiheiten. Freiheiten, die ihm erlauben wuerden, vielleicht endlich an das Material zu kommen, welches er fuer einen Ausbruch brauchte. Dann wuerde die Moeglichkeit auf Rueckkehr in seine Heimat wieder Realitaet sein. Das, was er dazu machen musste, war, die Info aus der Sklavin herauszupressen.
Was, wenn er es nicht tat? Ihm drohten Sanktionen, die er sich nicht einmal ausmalen wollte. Das Loch. Nein. Nein. Nein. In seinen Augen sah man kurz die Panik, die er schnell unterdrueckte.
Stattdessen glomm in seinen Augen nun etwas anderes. Veraergerung, als Siv davon sprach, dass sie es ihm nicht sagen wuerde. Es wuerde keine Antwort geben. Das konnte doch nicht moeglich sein. In jenem Augenblick war er auf alle sauer. Celerina, die ihm diesen unausprechlichen Auftrag gegeben hatte. Siv, die nicht mit ihrer Information herausruecken wollte. Corvinus, der seine Verlobte so schaendlich hinterging. Selbst auf Grosskoenig Osroes, ohne dessen komischen Krieg er noch immer gemuetlich in Aspadana herumsitzen koennte und das Leben geniessen wuerde, mit einer unbeschreiblichen Frau an seiner Seite.
Natuerlich, Phraates war ein vernuenftiger Mann, einmal normalerweise. Er wusste, dass ihm die Geschichte, die Siv ihm unterbreiten sollte, einen feuchten Kehrricht anging, und er wuerde keinen mueden Pfifferling fuer Sivs Geschichte geben, wenn er nicht den Auftrag haette. An der Erfuellung des Auftrags hing seine Zukunft, und er hatte wenig Lust, zu seiner Herrin zu gehen und zu sagen, dass er die Person gefunden hatte, aber aus Gruenden des Anstandes davon abgesehen hatte, sie auszuquetschen.
Wie sdchon gesagt... die Strafe wuerde kommen wie ein Heer von Kataphrakten. Schnell, entsetzlich anzublicken und sehr brutal.
Deshalb war er nun auf Sivs Geschichte fixiert.
"Bitte, sag sie mir!", bat er nun. Vor Verzweiflung wurden seine Augen gross. "Es ist wichtig!" Aber es wuerde eh keinen Sinn haben. Seine Augenschlitze verengten sich. "Ich bin Aqa* Phraates, Sohn von Tiridates, ich bin Azadan** und Savaran*** von Parthien, du mir antwortest! Ich wissen muss! Muss!", ereiferte er sich und begann mit seinen Titeln herumzuschmeissen, obwohl er wusste, dass der Effekt, der er sich zuhause ob jenen Bezeichnungen erwarten konnte, sich hier wohl kaum einstellen wuerde. "Ich bin Kataphrakt! Anwaerter auf Zhayedan**** von Grosskoenig! Ich werde..." Was sollte er denn machen, wenn sie ihm nicht antwortete? Er wusste nicht. Er liess seine Schultern zum wiederholten Male haengen, und seine Augen wurden wieder normal. "Ich wissen muss, sonst in Loch ich geschmissen werde." Das musste sie doch verstehen! "Schau, ich dir auch sagen wuerde, wenn du das fragst und es wichtig ist!" Er wurde mit jedem Wort verzweifelter.Sim-Off: *Herr
**Adeliger
***Ritter
****Die unsterbliche GardeEDIT: Fehlerteufel und kleinere Ergaenzungen.