Ich melde mich mal vorsichtig zurück. Ich muss mich noch ein bisschen einlesen, aber man wird mich, so hoffe ich, bald wieder lesen können.
Beiträge von Aulus Flavius Piso
-
-
Ich bin zu spät dran dafür, wollte aber nur noch sagen: mach's gut. Und danke für all die guten Zeiten.
-
Alles Liebe und Gute, so von privilegiertem Mai-Stier zu privilegiertem Mai-Stier.
-
Vielen, vielen Dank, dass ich euch an mich erinnert habt! Und danke an alle, nicht nur für die Glückwünsche, sondern auch für die Geduld.
Ab 1. Juni habt ihr mich übrigens wieder.
-
Die erste Frage kaum auch gleich von Gracchus. Tja, typisch Gracchus; er war kaum jemand, der sich zurücklehnte und sich berieseln ließ. Piso blickte auf zu ihm und setzte zu einer Antwort an.
“Alle waren sie sehr erfreut. Tiberias Vater habe ich per Brief angeschrieben, doch auch von ihm kam eine entsprechende Antwort.“
So ökonomisch konnte man ausdrücken, was nur ein Teil der gänzlichen Wahrheit war. Ogulnias Vater hatte sich tierisch gefreut. Natürlich hatte er sich das! Ei freilich! Seine Tochter würde er nie so gut verheiraten können, dass es dem alten Ogulnius so viel Prestige bringen würde wie dass er eine Vestalin als Tochter hatte. Um ehrlich zu sein, Piso hätte es sich vielleicht überlegen sollen, ein etwas besser situiertes Geschlecht auszusuchen... aber hach, sonst hätte er nie den vergnügten Freundentanz des Ogulniers gesehen. Und Piso, stets auf der Suche nach Schöngeistigem, war begeistert gewesen über die Choreographie, die er sofort, nachdem er heimgekommen war, zu imitieren versuchte.
Die beiden Pontifices hatten gute Laune zum bösen Spiel gemacht, und man konnte sie auch beide sehen, hier in der Kongregation, süß-säuerliche Mienen ziehend, und ihren Mund nicht aufbekommend. Tiberias Vater hingegen hatte nur in einem sehr unpersönlichen, kurzen Brief geantwortet, der sich im Grund mit „In Ordnung, wenn es sein muss“ zusammenfassen ließ.
Hoffnungsfroh blickte er zu den Vestalinnen hin, er wollte sehen, ob von dort eine Reaktion kam. Oder hatte Gracchus noch eine Frage? oder ein anderer Pontifex? -
Piso war die ganze Zeit eher auf Autopilot gewesen, als sich konstruktiv einzubringen. Das erste Mal Richter zu sein hätte er sich anders vorgestllt. Er hätte sich gedacht, es wäre ein echtes Verfahren, nicht nur so eine lahme Sache, bei der ohnehin sein Vetter das Wort führte. Und so versank er in Tagträume, kontemplierte das Wetter, und ließ seine Augen schweifen über den Platz, in der Hoffnung, etwas Ästhetisches zu finden, an dem er sich ergötzen konnte.
Prisca sah er nicht in der Menge, es waren einfach zu viele Leute. Er ließ die Suche nach ihr bleiben und schaute sich die Zeugen an. Alles langweilige Leute. Alles war so gestelzt. Piso wagte nicht, das ganze zu unterbrechen.
Vor dem Einnicken bewahrten ihn die kräftig gesprochenen Worte des Gracchus. Kreuzigung. Uh. Eine nasse Sache. Da würde kein Auge trocken bleiben. Piso nickte grave, als hätte er tatsächlich einen großen Anteil am Wahrspruch gehabt, und erhob sich. Fanfaren ertönten, laut und klar, als ob sie die Luft zerreißen wollten.
Zur Melodie dieser Fanfaren begann nun eine kleine Prozession. Und zwar der Pontifices zum Tempel, der direkt hinter ihnen war. Piso und Gracchus, sowie die zu ihnen stoßenden Pontifices, stiegen die Treppen empor, würdevoll, aufrecht.
Die Pontifices betraten den Tempel. Duster war es, als die Decke sich zwischen ihnen und die Sonne schob, das Tageslicht aussperrte, die Priester anwies auf das Tageslicht, welches seitlich durch die Säulen in den Tempel flutete, in seine Eingänge hinein. Die Priester hatten sich die Togen über die Köpfe gezogen. Schweigsame Gestalten, erntshafte Gesichter, angespannte Mienen. Das Opfer würde kommen, und zwar das Voropfer.
Kurz hielten sie alle inne, wuschen ihre Hände, murmelten dabei rituelle Sprüche, bevor sie sich wieder in Bewegung setzten.
Zwei Pontifices traten hervor, als der kleine Zug das Ziel erreicht hatte. Die Statue der Diana. Piso blickte kurz auf. Groß und schön war sie, mit ihrer lebhaften Bemalung. Man hatte fast das Gefühl, ihre Augen würden die Tempelgänger herumverfolgen.
Ein Sklave, der still und schweigsam neben den Männern einhergeschritten war, händigte Piso die Weihrauchkiste aus, eine kleine Büchse mit kostbarem Inhalt. Piso atmete durch. Er würde tun, was zu tun war. Er begann sich in Bewegung zu setzen. Linker Fuß, rechter Fuß. Hin zur Statue. Vorm Foculus blieb er stehen und klappte die Büchse auf. Zwei Weihrauchbrocken lagen drinnen. Er nahm einen und warf ihn in den schon flackernden Foculus.
Er legte dann die Büchse ab und wartete kurz. Bis es begann, aus dem Foculus herauszurauchen. Voll, weiß und duftend war er. Konnte dies ein gutes Omen sein? Vielleicht.
Er hob seine Hände in Gebetsstellung.
“Große Diana, Göttin der Jagd und Schutzherrin der Natur! Nimm an diesen Weihrauch als Opfer, das ich dir bringe. Auf dass er dir munde und dir zum Ruhm gereiche, oh Göttliche!“
Mit einer sachten Geste platzierte er noch den zweiten Weihrauchklumpen in den Foculus, sodass der Rauch noch dichter wurde und noch höher stieg. Piso drehte sich mit ein bisschen Schwung nach rechts und machte ein paar Schritte weg vom Foculus, um Gracchus Platz zu machen. -
Sim-Off: Eine entscheidende Info gibt es noch, dann bin ich weg.
Piso blickte erwartungsvoll in die Runde. Caerellia sagte nichts. Sie staunte nur. Der erste, der das Wort ergriff, das war Tiberius Ahala. Er begann von dem zu reden, was sich Piso schon erwartet hatte. Große Ehre, blablabla. Der Flavier horchte gleichmütig zu. Eine junge Dame kam hinzu, Piso erinnerte sich schwach an sie. Er hatte sie kurz mal bei den Saturnalien in der Villa Tiberia getroffen.
“Salve, Tiberia! Ja, hat man, keine Sorge.“ Er lächelte. Eine sehr nette Dame war dies, durchaus. Sicher rissen sich die Bewerber für sie. Doch Piso nicht, er war schon sehr glücklich vergeben.
Das Mädchen rannte verwirrt davon, Piso lächelte ihr kurz nach. Das war sicher sehr viel zum Verdauen für ein Kind. Sein Blick schwenkte wieder empor zu den beiden Erwachsenen.
“Ich möchte euch gar nicht zu lange aufhalten. Nur noch eines möchte ich sagen—Tiberia Caerellia muss sich am ANTE DIEM III ID APR DCCCLXI A.U.C. (11.4.2011/108 n.Chr.) in der Regia einfinden. Dort halten wir Pontifices eine Tagung, und dort werden wir von unseren Kandidatinnen die Geeignete heraussuchen. Dies wäre gleich am Morgen.“ Piso machte eine ernste Miene, als er dies sagte. Es war ziemlich wichtig, dass dieser Termin eingehalten werden würde.
“Ich danke euch für eure Gastfreundschaft, aber ich muss nun weiter. Ich habe weitere Besuche in dieser Sache zu tätigen... und wenn ich heute zu spät heim komme, gibt es sicherlich Zores von meiner Frau.“ Er lachte kurz in sich hinein. “Also dann, valete. Mögen die Götter euch behüten.“
Mit diesen Worten erhob er sich und ging ab, im sicheren Wissen, Caerellia bei der Tagung wieder zu sehen.
-
Die rituelle Eröffnung verlief wie üblich, es war kaum der Rede wert, sie hier zu erwähnen, denn Piso war ohnehin nicht mental dabei. Viel zu sehr konzentriert war er auf seine bevorstehende wichtige Aufgabe.
Eingedenk dessen wurde ihm sofort auch das Wort erteilt. Er erhob sich und schritt herab, vor die Bänke des Collegium Pontificium. “Pontifices, werte Vestalinnen und Flamines! Wie mir aufgetragen wurde, so habe ich getan. Ich habe 4 Mädchen herausgesucht, Mädchen, die im Kult der Vesta zu dienen befähigt sind. Es liegt an uns, eine davon, die beste, herauszusuchen. Ich möchte euch die 4 Kandidatinnen kurz vorstellen.“
Er drehte sich um und winkte die Mädchen, die schon drüben, bisher unbemerkt, standen, an sich heran. Herangeführt wurden sie vom dickbäuchigen Calator Lollius Tubulus, der eine ziemlich würdevolle Miene machte, die nicht ganz zu ihm passen wollte.
Piso wartete, bis sich die 4 Mädchen in eine Linie aufgestellt hatten.
“Dies hier ist Ogulnia Galla, aus ehremwertem suburanischem Geschlechte. Das ist Curatia Secunda, eine Patrizierin aus altem Hause. Das ist Duilia Vera, aus einer Gens, die schon zahlreiche tadellose Priester hervorgebracht hat. Und die hier ist Tiberia Caerellia, eine Nichte des geschätzten Pontifex Pro Magistro.“
Er trat auf die Seite, sodass alle einen guten Blick auf die 4 bekommen konnten.
-
Ja, doch gut, dieser Mangel an Gedankenleserei. Es war kaum erstaunlich, dass Piso dieser Gedanke kam, als er in die liebevollen Augen seiner Frau sah (die wohl kaum erfreut gewesen wären, wenn Piso seine wirren Gedanken ihr gegenüber ausgebreitet hätte). Nein, so etwas konnte er einfach nicht in irgendeine Retorte stecken. Gut, dass er deswegen nichts gesagt hatte. Nun, es war wohl besser, sie so zu behalten, wie sie war, wenn er ehrlich war. Denn ästhetischer Äther mochte zwar behaglich sein, aber gleichzeitig hatte er es an sich, dass er keine Kinder gebären konnte. Und das war tatsächlich etwas, was Piso von Prisca wollte. Kinder. Papa werden. Wenn sie Töchter werden würden, würden sie ebenso schön werden wie ihre Mutter, und wenn es Söhne wären, hätten sie sicher die ästhetische Intelligenz ihres Vaters. Was Letzteres war, würde Piso im Übrigen selber nicht so gut zu beschreiben wissen, wenn man ihn fragen würde. Er würde es sicher mal beschreiben, im Zuge seiner Arbeit über Ästhetik, die immer konkretere Formen in seinem Kopf annahm.
Und auch sehr gut, dass er nichts über Gordios gesagt hätte! Denn sonst wäre wohl rausgekommen, dass in seinem mythologischen Wissen eine Wissenslücke steckte, die er sich als Hohepriester und Senator wirklich nicht leisten sollte.
Und die Art und Weise, wie sie ihm ihre Worte hinflüsterte... mein schöner Held und Eroberer... haaaaaaach... Piso wurde innerlich total hippelig. Er musste es sich verkneifen, plötzlich zu beginnen, herumzuhüpfen zu beginnen wie ein Kind vorm Kindertheater, wenn es besonders spannend wurde, weil der Held des Stückes gerade dem bösen Krokodil auf die Nase haute. In letzter Sekunde aber kam es ihm, dass er nicht nur erwachsen war, sondern auch auf seine große Liebe romantisch sein wollte.
Oh ja, seine große Liebe. Sicher würde die Acta ein wenig frotzeln über ihre offensichtlich zur Schau gestellten Liebe. Piso war realistisch genug, sich da nichts vorzumachen. Doch darüber würde er nur lachen können. Denn niemand konnte verneinen, dass die Heirat auch politisch sehr vernünftig war. Natürlich mischte die Politik in die Ehe ein zusätzliches Explosionspotential bei, doch daran wollte Piso gar nicht denken. Er wollte nur das tun, was ein Mann tun sollte, ein Mann in seiner Hochzeitsnacht.
Er fühlte, wie seine Kleidung ihm vom Leibe gezerrt wurde, etwas ungelenk, aber mit heißer Begierde. Sie waren nun beide splitterputznackt, und es war ein wundervolles Gefühl. Ihre Haut... ihre weichen Lippen... ihr Busen...
Piso versank in eine Besinnungslosigkeit aus Lust, Liebe und der Begierde, sich das anzueignen, was einem Ehemann zustand. Die Jungfräulichkeit seiner Frau. “Ich werde vorsichtig sein. Ich verspreche es dir“, wisperte er in ihr Ohr. Dann begann er, in sie einzudringen, während er ihren Körper mit Küssen bedachte.
So legen wir nun einen Schleier über das, worin sich Prisca und Piso in dieser Hochzeitsnacht ergingen. Der Leser sollte nur wissen, es war genau das, was man sich von einem jungen Paar im Taumel der Lüste erwarten konnte.
-
Wenn mich nicht die Lust am Schreiben mal übermannt, werde ich bis Ende Mai wohl eher nicht so aktiv sein.
-
Hübsch war sie, das war sie durchaus. Pio rief sich ins Gedächtnis, was eine Vestalin sein musste. Von ebenmäßigen Gesichtszügen. Ja, hübsch sollte sie sein. Die Vorzeigejungfrauen Roms sollten keine abstoßenden Schragen sein. Und tatsächlich, wenn er daran dachte, waren die Vestalinnen alle ansehnliche Damen... bis auf die Älteste, deren Namen er vergessen hatte, die aber angeblich früher auch durchaus anziehend gewesen sein soll. Ja, er war zufrieden mit seiner Auswahl.
“Sicher gibt es keine bei euch“, versuchte er mit einem Lächeln die Sache hinwegzufegen. Wobei, sicher schlurchten hier dann und wann irgendwelche Lemuren und Laren herum. Konnte ja nicht anders sein. War ja die Casa einer ziemlich alten Familie. Und das waren ja Geister, die guten und minder guten Hausgeister. Oder so.
“Du willst es also wirklich wissen?“, fragte er, zog wiederum eine Augenbraue hoch, und lächelte dann. “Nur ein bisschen Geduld. Es soll eine Überraschung sein!“ Er hätte es wohl nun wirklich sagen können, wenn wirklich niemand da war, wie der Sklave da sagte.
Und vielleicht hätte er es doch noch gesagt, wenn er nicht plötzlich ein Geräusch gehört hatte. Da kam ja jemand und stauchte den Sklaven zusammen! Hahaha! Piso grinste breit und schritt auf den Mann zu, den er vor allem von diversen Wagenrennen kannte. “Salve, Tiberius Ahala! Herzlichen Dank für die Willkommensheißung.“ Jetzt war ja endlich jemand da. Ein Erwachsener. Und zudem der, wie es aussah, ranghöchste Tiberier im haus. Was wohl davon zeugte, dass die Tiberier außer Durus nicht so recht wichtige Persönlichkeiten hatten.
Er setzte sich also auf eine Kline hin und nippte von seinem Becher, bevor er zu Ahala und Caerellia blickte.
“Ja, gut, dann sage ich es euch allen. Haltet euch fest.“ Er hustete kurz, als er seinen Becher zur Seite stellte.
“ Vielleicht habt ihr etwas gehört vom kürzlichen Tod der Vestalin Calpurnia Seia? Ich bin deswegen hier.“ Er machte eine kurze Pause. “Das Collegium Pontificium hat, damit die Vestalinnen wieder sechs werden, beschlossen, 4 Mädchen zwischen 6 und 10 Jahren auszuwählen, damit jene dem Collegium Pontificium vorgestellt werden können. Eine davon wird dann als Vestalin ausgewählt werden. Du, Tiberia Caerellia...“ Er machte wieder eine Pause und richtete seinen Kopf auf Caerellia. “Bist eines von diesen Mädchen.“ Und hast eine ziemlich gute Chance, gewählt zu werden, dachte er sich dabei, denn Patrizierinnen waren bevorzugt. -
Piso dachte auch an Prisca. Dies lag nicht nur daran, weil er und Nigrina sich gerade über seine bevorstehende Heirat unterhielten. Nun, weil sie einfach wunderbar war. Piso hätte sich gleich vor allen hier hinknien können und eine triumphale Minnehymne auf seine Angebetete lossülzen können, aber dem Himmel sei Dank wusste er noch, was sich gehörte. Natürlich vielleicht wäre eine Heirat mit einer Tiberia um eine Winzigkeit profitabler gewesen. Aber was gab es da Heiratsfähiges in der Tiberia? Septima, die hätte er sich durchaus gegönnt, aber Ursus wäre kaum erpicht darauf, seine Frau loszulassen. Dann gäbe es noch Faustina, aber Piso kannte sie eigentlich nicht und fand sie auch ziemlich fad. Aber Prisca, da blieb kein Auge trocken. Da konnte man nur noch schnurren.
“Danke, dass du das sagst. Ja, das wird sie gewiss...“ Ha! Wie er sich schon drauf freute, mit ihr einen Stammbaum aufzumachen! Natürlich würde das bedeuten, die Blutlinie von Aetius weiterzugeben. Aber i wo. Er würde einfach keinen seiner Söhne Cnaeus nennen, genau, das würde reichen, um die Bindung zu verwischen – so dachte er.
Er grinste sehr, sehr breit, als Nigrina das sagte. Diese Frage stellte er freilich jeden, mit dem er auf dieses Thema zu sprechen kam. “Sie ebnen mir den Weg zu meinem großen Traum. Rom ästhetischer zu machen!“ Das klang etwas pathetisch (und leicht sonderlich), doch Piso dachte so im Grunde seines Herzens. Freilich, was ästhetischer war, das definierte auch nur er. In seinem Kopf schwirrten schon Gesetzesvorschläge herum, die ästhetischsten Richlinien zur Ehre gereihen würden... hmm... würde sich glatt lohnen, die Bücher von Pythagoras wieder aus ihrer Versenkung hervorzuholen.
Nigrina wandte sich nun Flaccus zu, und schmunzelte abermals, als Nigrina sagte, der Consul sei eine gute Wahl. Natürlich war sie das, sonst hätte Piso ihn nicht dorthin vermittelt! Wobei er seinen Patron ohnehin als eine Art Übermenschen, der alles nur perfekt machen konnte, ansah.
Die zweite Frage war überaus interessant, und so horchte er auch wieder genau hin. Dabei ließ er die Hand seiner Schwester nicht los. Was für ein putziges Geschwisterpärchen sie geben mussten, als sie so nebeneinander standen und zu Flaccus hinblickten! Der Archetyp der glücklichen Familie. Wie gut, dass wenigstens der Schein manchmal das Sein verbergen konnte wie ein Verputz die Risse in der Mauer. -
“Lungenentzündung“, informierte Piso tonlos. “Ich habe ihr ja gesagt, sie soll im Bett bleiben. Aber nein. Nicht Vera. Unmöglich für sie. Diese sture Person.“ Er seufzte. “Und dann hab... ach wo. Naja.“ Mit diesen Worten schloss er und bildete einen wunderbaren Einstieg für die etwas peinliche Stille, die sich zwischen ihm und seiner jüngeren Schwester ausbreitete.
Doch diese wurde überwunden, als Piso den Vorschlag einer gemeinsamen Tour durch die Stadt machte. Er wirket ziemlich überrumpelt, als Domitilla plötzlich auf ihn hinaufsprang und ihn abküsste. Dann grinste er aber. Piso war ein Mensch, der körperliche Berührung liebte. Nein, falsch, nicht unbedingt so. Was er liebte, waren solche Gesten emotionaler Nähe. Berührungen, die ausdrückten, dass der andere für einen da war. Dass er einen wertschätzte. Pisos Grinsen ging über in ein Lachen. Er umarmte die kleine Domitilla nun ebenfalls.
“Ach, Schwesterherzchen!“, machte er nun endlich, hob sie ein wenig in die Höhe und küsste sie zurück, auch auf die Wange. Sollte die Sklavin doch denken, was sie wollte! Piso konnte mit dieser unfähigen Trantüte nach Belieben Schlitten fahren! Und das wusste Amalthea auch sehr genau.
“Ich finde es doch schön, dass du da bist.“ Erst jetzt setzte er sie wieder ab.
“Wann ich kann? Ähm.“ Das war nun einmal eine gute Frage. Heute? Ausgeschlossen. Morgen? Auch nicht. Übermorgen? Unwahrscheinlich. “Übermorgen!“, verkündete er, noch bevor er die Gedanken darüber, wie er das reinquetschen sollte, fertig gesponnen hatte. Er würde halt einfach seine allabendliche Lektüre kappen. Vergil konnte warten. Aber für Domitilla war dies weniger der Fall. Es galt für sie schließlich, Rom, eine total neue Welt für sie, zu erkunden! -
Piso schnaufte. Er atmete schwer. Wie ein Sprinter, dessen weiter Weg von Marathon nach Athen ihn an das Limit seiner körperlichen Fähigkeiten gebracht hatte. War das Schweiß, welches über seine Stirn lief? War das möglich? Denn es war nicht sonderlich warm. Er hatte gequasselt. Hatte sein Herz ohne rechte Struktur und Koordinierung auf den armen Gracchus ausgeschüttet. Was ihm in seinem Kopf herumging. Was mit seiner Vergangenheit nicht im Reinen war. Was alles so entsetzlich war an seinem Leben. Er blinzelte. Dann nickte er, als Gracchus das ansprach, was Piso am Meisten belastete, was er inkohärent und unzusammenhängend im Kontext herausgewürgt hatte. Er schnaufte tief ein. Versuchte, etwas ruhiger zu reden.
“Als ich fünf war. Er hat ihr... er hat ihr die Kehle durchschneiden lassen. Und über die Klippen von Ravenna geworfen. Er hat es mir verheimlicht. Bis vor... bis vor... ach, ich weiß auch nicht, wann. Es war vor Veras Tod. Bevor ich Vigintivir und Septemvir wurde. Ach Götter...“ In seinen Tränen schimmerte es verräterisch auf. Daran konnte auch wiederholtes Blinzeln nichts helfen. “Ich... ich kann mich an gar nichts mehr erinnern, was sie angeht, Manius. Gar nichts. Ihr Lächeln glaube ich noch gewahr zu haben. Aber sonst... ich würde alles geben, um wenigstens zu wissen, wie sie aussah, Manius. Alles.“
Tief holte er Luft und senkte seinen Blick zu Boden. “Ganz unverblümt hat er es mir dann gesagt. Hat gesagt, ich sollte froh sein, dass er mich von ihr befreit hat. Sie wäre mir keine gute Mutter gewesen... sie war ja nur eine... eine Plebejerin...“ Er schaute wieder hinauf. Fixierte Gracchus mit blutumrändeten Augen, welche die Augen zu roten Rädern machten, mit den Pupillen als Achsel und den Adern als Speichen. Schnell wieder schlug er seine Augen nieder.
“Erstaunt? Hmm? Dass ich ein halber Plebejer bin? Hä? Kann ich mir vorstellen. Ich erzähle es ja auch nicht rum. Normalerweise.“ Er griff sich in seine Haare. Fuhr sich darin herum . Verkrampfte seine Hände in seinen schwarzen Locken. “Mein ganzes Leben lang habe ich mich gesehnt nach meiner Mama... könnte ich sie nur umschließen... einmal... einmal...“ Er ließ seine Hände sinken und blickte wieder Gracchus an.
“Verzeih mir... Manius. Dass ich dich damit belastet habe. Es wäre mir nicht zugestanden...“, machte er, erstaunlich kleinlaut und dozil für Pisos Verhältnisse. “Bitte. Bitte, bitte, erzähle niemanden was davon. Niemanden.“
Er schluckte wieder, und kurz versuchte er wieder einmal, das Gesicht seiner Mutter vor sich zu visualisieren. Es ging nicht. Es ging nicht. Genausowenig, wie es die letzten 10 Jahre, die letzten 20 Jahre ihm gelungen war.
Die letzte Frage sickerte zu ihm durch wie ein lauer Wind. “3, 4 Tage noch. Vielleicht auch nur zwei“, antwortete er wortkarg und gedankenabwesend. Er konnte sich vorstellen, dass Gracchus Aetius so eh wie es ging aus dem Haus haben wollte. Genauso, wie Piso ihn weg haben wollte. Für immer, am Liebsten. Doch... er war ja sein Vater! An ihn Hand anlegen konnte er einfach nicht! -
Geist? Wo? Er kam nicht recht mit be idem, was die Kleine sagte. Sie war kein Geist? Er runzelte nun doch die Stirn. “Ja nee... das sehe ich...“ Kinder und ihre Fantasie! Oder hatte er sie angeschaut wie einen Geist? Fragen über Fragen, die er aber nicht vor der Haustüre addressieren wollte, sondern lieber dorthin verbannen wollte, wo es hingehörte – ins Reich des Skurillen und nicht näher Beachtenswerten. Auch wenn Piso keinerlei Ahnung hatte, wieso die Kleine so merkwürdig wirkte. Er folgte ihr, schenkte aber dabei dem daneben stehenden Sklaven keinen Blick. Wozu auch? Er stand so unermesslich hoch über diesem Gewürm, dass es sich glücklich schätzen konnte, wenn Piso es ignorierte und nicht sich dazu entschloss, seine schlechte Laune sich daran auszuleben.
Sie schämte sich ganz doll? Nein, Piso wurde daraus nicht schlau. Und auch nun, als er sich hinsetzte vor ihr, machte sie weiter. Sie würde in Zukunft artig sein. Da konnte Piso nicht mehr an sich. Als ob in seiner Stirnmuskulatur eine Sprungfeder gelöst wurde, schnellte seine rechte Augenbraue – eine sehr flavische Geste – jäh nach oben. Piso bemerkte das gar nicht mal.
“Äh... Geist? Nein, Geist ist nichts, weswegen ich hier bin“, entschloss er sich, Klarheit in die Sache zu bringen, während er seinen Wein annahm und die Zeit, während welcher er einen Schluck nahm, zur Glättung seiner Stirn nutzte. “Also. Dein Papa ist nicht da. Tiberius Durus ist auch nicht da. Aber es müsste doch sonst noch einen Tiberier geben... genau! Durus‘ Adoptivsohn! Der sollte doch hier sein! Tiberius... Ahala!“
Er wandte sich an den Sklaven, der noch immer hier rumhängte. “Hol uns Tiberius Durus‘ Sohn, Tiberius Ahala. Es geht hier um etwas von großer Bedeutung. Aber zackig!“ Er klatschte ungeduldig in die Hände. Es war zwar ein wenig unhöflich, Sklaven anderer Leute herumzuscheuchen, aber Piso hatte keine Lust darauf, erst einmal das Mädchen zu bitten, dem Sklaven einen Befehl zu geben.
Dann wandte er sich wieder an die kleine Tiberierin, wieder mit einem Lächeln. Er redete freundlich auf sie ein, ein wenig wie auf ein waidwundes Pferd. “Also. Keine Sorge, nichts Böses ist geschehen. Im Gegenteil, dir kommt eine große Ehre zuteil... aber damit spreche ich nur mit dir, wenn ein Erwachsener dabei ist.“ -
Ach ja, ich bin ja auch so ein notorischer Schlampertatsch. Tut mir Leid. Ist wieder frei.
-
Eine Einladung war kein Termin. Eine Einladung konnte an einen Termin gekoppelt sein, aber das eine konnte ohne das andere existieren. Ein Termin implizierte eine Einladung, eine Einladung, irgendwann mal reinzuschauen, ohne dass dies ein ein Datum geknüpft war, war einfach kein Termin. So würde Piso, Besserwisser von Natur aus, dem Prätorianer dies erklären, hätte dieser laut die Frage gestellt. So aber breitete Piso nur mit einem schicksalsergebenen Seufzen die Arme aus, daran denkend, dass die Prätis hier am Palatin auch schon einmal viel freundlicher gewesen waren. Zumal er damals nur ein kleiner Beamter gewesen war, und nun ein Senator. Er hätte sich eigentlich vorgestellt, mit vielen bunten Streifen an der Tunika und der Toga mehr Respekt zu bekommen. Aber im Gegenteil, wohin man nur schaute, furzten ihn die Leute regelrecht an. Pff.
-
Lollius Tubulus, altbekannt nicht nur im Cultus Deorum, wo der feiste Römer aus Ostia schon seit Ewigkeiten als Calator beschäftigt war, sondern auch in vielen der besseren Kneipen und Tavernen Roms, wo er mit seinen Calatorkumpanen allwöchentlich Wein „kostete“, bis er und seine „Verköstigungskumpanan“ sternhagelvoll waren, trat zurück, zuerst denkend, hier seien übernatürliche Mächte im Spiel. Doch es war nur ein kleines Mädchen, welches herumschaute, als wäre sie dabei, etwas Verbotenes zu tun, auch wenn ihre Schleich- und Verstohlenseinfähigkeiten eher erbärmlich waren.
Piso musste unweigerlich grinsen, als er die Kleine sah. Sie war goldig, mit ihrem eingeschüchterten Grinsen, da war er sogar bereit, nachzusehen, dass sie sich nicht gerade hochpatrizisch benahm. Denn sie musste eine Einwohnerin des Hauses sein; eine Sklavenbulla trug sie nicht, und Piso rechnete sich die Wahrscheinlichkeit, dass hier besonders viele Freigelassene mit solch nobler Kleidung herumspazierten, oder dass ein Tiberier solch junge Klienten hatte, einfach mal niedrig aus.
“Salve“, grüßte er zurück und lächelte dabei, bevor ihm das Lächeln verging und er das Mädchen mit großen Augen anschaute. Dann grinste er aber wieder.
“Caerellia bist du also. Tiberia Caerellia. Nach dir haben wir Ausschau gehalten!“
Er nickte bedeutsamsschwanger.
“Mein Name ist Aulus Flavius Piso. Ich bin Senator und Pontifex. Ich bin hier, weil ich mit dir etwas besprechen wollte, kleine Tiberia. Können wir reinkommen? Ins Atrium? Was ich mit dir zu besprechen habe, kann man nicht so auf der Straße besprechen.“
Er hielt kurz inne, bevor er etwas hinzufügte.
“Und dein Papa sollte dabei sein. Ja, das wäre ziemlich wichtig.“
Jetzt hatte er den Namen des Kerls vergessen. Naja, egal. War der Typ überhaupt in Rom? Hoffentlich, sonst würde das ein wenig kompliziert werden. -
Stinkreich? Hmm. Ging so. Seine Gens war reich. Bildete er sich ein, dass alle Welt ihn kannte? Nicht unbedingt. Denn sonst hätte er sich nicht vorgestellt. Dass er aber den Auftrag hatte, die Unwissenden zu erziehen—und damit ging auch einher, seinen Namen zu kennen, sowas war elemantar—daran zweifelte er nicht. Er kannte ja von früher noch einige Prätorianer, von früher, als er in der Kanzlei gearbeitet hatte. War dies einer von ihnen? Wohl nicht, Piso hätte sich erinnert.
Blablablabla. Das hatte sich Piso schon erwartet. Wobei. Flavius? Nur Flavius? Ohne irgendetwas sonst? Konnte man sich als Senator nicht eine bessere Anrede erwarten? Musste ja nicht der volle Name sein. Aber zumindest Senator Flavius? Oder Pontifex? Eine Stirnfalte bildete sich auf Pisos Gesicht.
“Zu der Annahme sehe ich mich dazu verleitet, weil der Procurator a memoria mich eingeladen hat, ihn in seiner Kanzlei diese Tage zu besuchen. Wenn du mir nicht glaubst, dann kann ich dir ziemlich sicher sagen, dass es ihm nicht schmecken wird. Und hatten er und dein Prätorianerpräfekt nicht den selben Patron? Ich glaube, schon.“ Er machte noch einen Schritt vor. “Und es ist ja nicht so, dass ich niemand bin“, brüstete er sich. -
Piso hatte sich wieder einmal schnieke hergerichtet. Mit einer abenteuerlichen Frisur, die man wohl entweder dem frischen Wind, der durch Rom brauste, oder den besonderen Künsten des Tonsors der Flavier zuschreiben konnte, und mit dem prachtvollen Gewand der Senatoren angetan, schritt er auf den Eingang zum Palatin zu. Ob sie ihn hier noch kannten? Zu herrlich wäre der Gedanke!
Er stellte sich vor den Soldaten auf, holte tief Atem und trompetete pompös hinaus:
“Mein Name ist Aulus Flavius Piso, Senator und Pontifex! Ich werde vom Procurator a memoria erwartet.“ Etwas weniger großspurig fuhr er fort. “Ich habe keinen Termin, aber Titus Decimus Verus wird sicher erfreut sein über meinen Besuch.“ Streng schaute er den Prätorianer an.